𝐊𝐚𝐩𝐢𝐭𝐞𝐥 𝟑
Der nächste Morgen war es, der Morgen an dem sie alles in Frage stellte. "Was war da eigentlich los?", fragte sie sich. Erste Zweifel nagten an Fine. Was war, wenn das alles schief ging. Wenn sie sich nicht mit Chelly verstand, könnte all das, was sie sich mühsam mit dem Team gemeinsam aufgebaut hatte, zusammen brechen. Innerhalb von Sekunden. Aber noch war es nicht zu spät. Noch konnte sie alles abbrechen. Momente später fiel ihr Blick auf ein kleines rosanes Tagebuch, das ein wenig aus der Schublade ihres Schreibtisches heraus ragte. Vorsichtig lief sie die paar Schritte und schnappte sich das Tagebuch. Als sie es öffnete sprangen ihr ausschließlich leere Seiten entgegen. Fine begann sich wieder zu erinnern. Ihre Mutter hatte ihr dieses Tagebuch im letzten Jahr zum Geburtstag geschenkt. Damals hatte Fine es achtlos zur Seite geworfen, doch nun schien es hilfreicher denn je. Das erste Wort, das sie auf die Seite schrieb war ihr eigener Name. "Fine", stand da nun in Druckbuchstaben geschrieben. Daneben malte sie einen kleinen Pfeil und so fand auch Chellys Name auf der Seite platz. Sie hielt kurz inne. Dann begann sie zu schreiben. Schnell füllte sich die Seite mit krakeligem Text. Fine schrieb all ihre Gefühle auf, sie zu Worten zu machen war gar nicht so schwierig, wie Fine gedacht hatte. Nach wenigen Minuten vollendete sie ihr Werk. Nachdem sie noch einen letzten Blick auf ihre, nun vollgeschriebene, Seite geworfen hatte, klappte sie das Buch zusammen und legte es zurück in die Schublade aus der sie es herausgenommen hatte. Dann raffte sie sich auf und erhob sich. Schnellen Schrittes verschwand sie in Richtung Badezimmer, wo sie sich geschwind ein gewöhnliches Trainingsoutfit überwarf. Später, nachdem sie ein schnelles Frühstück zu sich genommen hatte, packte sie neben Schuhen und Schienbeinschoner auch noch zwei Müsliriegel in ihre Hockeytasche und verließ dann das Haus. Wie jeden Samstagmorgen war sie auf dem Weg zum Hockeyplatz, wo sie die Samstagseinheit mit ihren Mädels absolvieren würde. Fine schwang sich auf ihr Rad und trat kräftig in die Pedale. Je länger sie so fuhr und je näher sie ihrem zweiten Zuhause kam, desto nervöser wurde sie. In wenigen Minuten würde sie Chelly wieder unter die Augen treten müssen, so viel war klar. Doch ob Fine bereit dafür war? Letztendlich blieb ihr keine Wahl, denn ein Training zu verpassen, kam für Fine nicht in Frage. So quälte sie sich den kleinen Berg hinauf, der sie vom Hockeyplatz trennte und schob ihr Fahrrad dann an die Seite. Langsam zog sie ihr Schloss aus der Tasche. Dann legte sie es um ihr Fahrrad und auch beim zurecht rücken der Zahlenräder ließ sie sich Zeit. Plötzlich hörte sie einen Schrei, der augenscheinlich vom Hockeyplatz auszugehen schien. Schnell schnappte Fine ihre Tasche und rannte den steinigen Weg hinunter. Wenige Sekunden später erreichte sie das Gelände und so wurde ihr ein Blick auf das Szenario geboten, dass sich in der letzten Minute hier abgespielt hatte. Chelly stand inmitten aller ihrer Teamkameraden und starrte ungläubig auf ihr Handy. "Was ist?", fragte Fine überrascht. Chelly lachte, als sie die Verwirrung im Gesicht der Braunhaarigen sah. "Es ist alles gut", begann sie, immer noch lachend. "Ich hab nur grad ein Foto vom ersten Entwurf der neuen Trikots bekommen." Fine konnte nur nicken. Chellys Präsenz warf sie sofort zurück in diesen Teufelskreis der Verwirrung aus dem sie seit dem vergangenen Abend nicht mehr heraus kam. "Komm her und guckt dir an, dann wirst du verstehen warum Chelly so geschrien hat", forderte sie Sophia, eine von Chellys engeren Freundinnen, auf. Langsam, fast schleichend näherte sich Fine der Ansammlung ihrer Mitspielerinnen. Zögernd warf sie einen Blick auf das Handy, das mittlerweile Sophia in der Hand hielt. Es war nur ein kurzer Blick, doch er genügte. Sofort brach Fine in Lachen aus. Auf dem Bildschirm war ein knallgelber Rock kombiniert mit einem roten Trikot und hellblauen Stutzen zu sehen. Die Farben Rot und Blau waren zwar schon immer die Vereinsfarben des Vereins in ihrer kleinen Heimatstadt gewesen, doch das Gelb war Fine neu. Es passte vor allem in der Kombination mit rot überhaupt nicht zu ihr und der Mannschaft. "Ich hoffe, sie ändern die Farben noch ein bisschen ab", antwortete Fine, als sie sich wieder beruhigt hatte. Während die anderen Mädchen sich weiter angeregt unterhielten, stand Fine einfach nur da. Sie schloss die Augen und atmete einmal tief durch. Dieser Moment, dieses Team, all das kam ihr so unreal vor. Immer wieder stellte sie fest, wie viele dieser kleinen Momente sie unbedingt noch erleben wollte. Und als Fine ihre Augen wieder öffnete und Chelly aus dem Augenwinkel entdeckt, schlichen sich die Zweifel wieder in ihren Kopf. Chelly unterhielt sich eigentlich mit ihrer besten Freundin, doch die Worte, die sie hörte, wollten nicht in ihrem Kopf hängen bleiben. Immer wieder blickte Chelly zu Fine. Sie sah auf ihre hellen Lippen und musterte ihre blauen Augen genau. Wieder und wieder fragte sich Chelly, ob da nicht doch mehr war. Sie merkte, wie sie ihre Gefühle nicht unter Kontrolle hatte, sie merkte wie es ihr immer wieder unklar war, was sie fühlte und sie merkte, dass sie immer wieder unsicher war, wie sie handeln sollte. Das war neu für Chelly. Ihr ganzes Leben lang, war sie souverän durch ihren Alltag gekommen. Sie hatte nie viele Gefühle gezeigt, aber es waren nie zu wenig. Sie hatte immer eine Handvoll Freundinnen gehabt, aber nie zu viele. Sie hatte sich aber auch noch nie verliebt. Das war jetzt anders.
Während des Trainings sah Fine immer mal wieder zu Chelly hinüber. Auch wenn sie merkte, dass Chelly sie nicht beachtete, fuhr sie fort. Immer noch war sie der Meinung, dass da irgendwas war. Auch Chelly blickte ä von Zeit zu Zeit unauffällig zu Fine, doch sobald diese auch nur das kleinste Anzeichen machte, ihren Blick zu wenden, konzentrierte sich Chelly wieder auf die Trainerin und ihre Ansagen. Der gestrige Tag hatte Spuren hinterlassen, da war Fine sich sicher, doch wollte sie diesen Spuren folgen und sie womöglich vertiefen? Das wusste sie nicht. Und Chelly genauso wenig.
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