Zum Arzt?♡
Ludmilas POV:
,,Bitte geh zu der Therapeutin. Und wenn sie nur sagt, dass du gesund bist! Dann muss ich mir zumindest keine Sorgen machen."
Ich fuhr mir mit der Hand über die Haare und seufzte. Er meinte es nur gut, und ich hätte ihn gerne beruhigt, hatte aber selbst Angst davor, zu dieser Therapeutin zu gehen. Ich redete mir immer wieder ein, dass ich gesund war. Natürlich war ich gesund. Ich ernährte mich gesund, vielleicht aß ich ein bisschen zu wenig, aber als Ballerina musste man dünn sein.
Trotzdem zögerte ich, Fedes Vorschlag anzunehmen. Ich sah das Kärtchen nachdenklich an. Dann sah ich mich um, ob irgendwo Leute herumstanden und uns vielleicht belauschten.
„Komm mit", sagte ich und steuerte auf ein kleines, leeres Studio zu.
„Was wollen wir hier?", fragt Fede und sah in einen der unzähligen Spiegel, die die Wand pflasterten. Er kratzte sich am Kopf und stieß einen komischen Laut aus.
„Ich hasse diese Spiegel. Da werde ich immer ganz paranoid."
„Vor zwei Jahren hatte ich eine Essstörung", sagte ich nach einigem Zögern. Ich hatte keine Ahnung, wie Fede reagieren würde, aber ich war um ehrlich zu sein auf keine Reaktion richtig vorbereitet. Als ich ihm einen Blick zuwarf, starrte er mich stumm an.
„Ich bin beim Arzt gewesen, beim Therapeut, sogar beim Psychiater. Es war einfach schrecklich. Ich hatte überhaupt keine Kontrolle mehr über mein Leben."
„Jedenfalls... ich war monatelang in dieser dämlichen Therapie, habe einen Essensplan bekommen und in den Ferien war ich sogar in so einer Klinik. Ich bin wirklich froh, dass ich das hinter mir habe. Und ich will das alles nicht nochmal durchmachen. Ich bin gesund.
„Wow..." Fede fuhr sich durch die Haare und sah mich stirnrunzelnd an. „Das ist dein Ernst, oder?"
Ich nickte.
„Denkst du dann nicht, dass es genau deswegen besser wäre, zu der Therapeutin zu gehen?", fragte er.
„Die schmeißen mich hier raus, wenn ich wirklich was habe. Keiner kann eine kranke Ballerina beschäftigen. Ich schaffe das schon alleine. Schließlich habe ich es schon einmal geschafft."
„Steh auf", sagte er und lehnte sich auf seine Ellbogen, um mich anzusehen. Als ich mich nicht bewegte, drängelte er weiter. „Na los, mach schon."
Ich stand seufzend auf und verschränkte meine Arme vor der Brust. „Und jetzt?"
„Stell dich direkt vor den Spiegel und sieh dich an."
Ich drehte mich zu ihm um. „Was?"
„Du hast mich schon verstanden. Mach!"
Ein paar meiner blonden Haare hatten sich aus dem Dutt gelöst. Mein blaues Trikot war neu, ich hatte es mir erst vor einigen Wochen gekauft. Es war nicht zu eng, sondern saß perfekt. Meine Schultern waren breit und ich wandte meinen Blick ab.
Zwei Hände legten sich auf meine Schultern und ich erschrak. Fede stand hinter mir.
„Sieh hin!" Sein schroffer Ton erschreckte mich und ich richtete meinen Blick wieder auf. Vor ihm wirkte ich winzig, fast zerbrechlich. So hatte ich mich noch nie gesehen. Ich hatte wenig Oberweite, ich musste eigentlich nicht mal einen BH anziehen, tat es aber trotzdem, damit ich in normalen Klamotten nicht aussah wie ein Grundschulkind. Kleine Brüste waren für eine Ballerina ansonsten perfekt.
„Und was siehst du?"
Ich lachte. „Mich? Dich? Das Studio?" Fede verdrehte die Augen. Ich wusste, was er meinte, wollte es aber nicht aussprechen. Stattdessen grinste ich ihn an.
„Dann sage ich dir mal, was ich sehe. Ich sehe ein Mädchen, das dünn ist und die perfekte Voraussetzung für eine Ballerina hat. Sie ist nicht zu klein, hat lange Beine. Findest du dich manchmal nicht dünn genug?"
Ich nickte. Es war komisch, wie bewusst ich mir plötzlich darüber war, wie dünn ich tatsächlich war. Hatte ich mich nicht vor ein paar Monaten noch für meine breiten Schultern geschämt?
Hatte ich so ein falsches Selbstbild? Ich stockte und sah genauer in den Spiegel. Dann drehte ich mich zu Fede um, der jetzt direkt vor mir stand.
„Wie machst du das?", fragte ich und schüttelte den Kopf. Fede grinste wieder.
„Amerikaner sind einfach allmächtig", sagte er und lachte
Es war unglaublich. Wir hatten gerade ein so ernstes Gespräch geführt, und jetzt alberten wir schon wieder herum.
Die Tür wurde aufgerissen und zwei Mädchen kamen herein. Sie hielten in der Bewegung inne, als sie sahen, wie wir so eng beieinander standen. Sie dachten sich wahrscheinlich ihren Teil dazu. Ich ging einen Schritt zurück und die Mädchen traten ein. Ich kannte sie, sie waren in unserem Jahrgang. Die eine hatte eine nervige, hohe Stimme und war eins der Mädchen, die momentan immer um Fede herumtanzte wie eine rollige Katze, die gedeckt werden wollte. Ich verließ das Studio. Sollte er doch mit den Mädchen seinen Spaß haben.
„Hey, Ludmi. Warte!"
Fede lief hinter mir her, ich hörte noch die Stimmen der Mädchen, die nach Fede riefen. Er holte mich schnell ein und lief neben mir her.
„Bist du eifersüchtig?", fragte er grinsend, „hast du Probleme mit deiner Beziehung und es jetzt auf den amerikanischen Jungen abgesehen?"
„Nein", erwiderte ich mit Nachdruck und biss mir auf die Unterlippe, „Ich finde es nur schlimm, wie sich die Mädchen benehmen. Als gäbe es nichts anderes in der Welt als Jungs für sie."
„Natürlich. Das ist so. Für diese Mädchen gibt es nichts anderes als Jungs. Sie sind sechzehn, was soll es sonst geben?"
„Für mich gibt es nichts Wichtigeres als zu tanzen. Das sollte auch für sie gelten."
Fede lachte. „Du hast doch selbst einen Freund."
Ich wollte protestieren, mir fiel aber nichts ein. Eigentlich hatte er Recht. Ich wollte nur tanzen, und war trotzdem in einer Beziehung.
„Versuchst du mir meine Beziehung mies zu reden?", fragte ich und hob eine Augenbraue.
„Nein, keineswegs.
„Wegen der Essstörung: Ich bin für dich da und helfe dir, wenn du mich brauchst."
,, Danke Fede."
Wir umarmten uns als plötzlich Leon wütend auf uns zukam.
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