Andres setzte sich stumm zu mir auf die Bank und verschränkte die Hände in seinem Schoß. „Hi", sagte er und ich erwiderte ebenfalls nur ein schwaches „Hi". Ich war immer noch sauer und gleichzeitig peinlich berührt wegen allem, was passiert war. Ich fuhr mir durch die Haare und sah in den Himmel. Es war wunderschönes Wetter.
„Das mit gestern tut mir ehrlich Leid", sagte Andres und ich warf ihm einen Blick zu, „ich weiß auch nicht, warum ich das gemacht habe. Wir sind Tanzpartner und das war dumm."
Ich nickte zustimmend. „Ja, das war sehr dumm", murmelte ich, „und, was jetzt?"
Ich sah ihn fragend an. Also ich konnte nicht so einfach weitermachen wie bisher. Er hatte mich geküsst, irgendwelche Hintergedanken musste er doch gehabt haben. Ich wusste nicht, was ich machen sollte, wenn er mich mochte. Er zuckte die Achseln.
„Ich glaube, es ist zu viel verlangt, dich zu bitten, das Ganze zu vergessen."
Ich presste meine Lippen aufeinander.
„Das war mein erster Kuss", war alles, was ich sagte. Das erklärte hoffentlich die Tatsache, dass ich es nicht so einfach vergessen konnte. „Ich bin so ein Idiot", sagte er und raufte sich die Haare, „hast du es jemandem erzählt?"
„Nein. Ich weiß aber nicht, ob Fede es getan hat." Andres nickte.
„Was schlägst du vor?", fragte er.
„Tanzpartner werden wir wohl oder übel weiterhin sein." Das war wohl die Sache, die mich dabei am meisten störte. Wieso war mein Tanz-Partner nicht schwul? Dann hätte ich diese Probleme jetzt nicht.
„Ich weiß ja nicht, was du für Absichten hattest, aber um eins klar zu stellen: Ich will keinen Freund. Nicht jetzt und nicht in naher Zukunft. Ich bin hier, um irgendwann am Unit Ballet zu tanzen. Wenn du mir versprichst, dass du sowas nicht noch mal tust, verspreche ich dir im Gegenzug, so zu tun, als wäre es nicht passiert. Was sagst du?"
Er schien kurz zu überlegen, dann nickte er. Er hielt mir die Hand hin und ich versteckte meine instinktiv hinter meinem Rücken.
Ich ging erst wieder in mein Wohnheim, als ich sicher war, dass Federico nicht mehr in meinem Zimmer sein würde. Doch auf dem Weg dahin begegnete ich Fede. Ich warf ihm einen Blick über die Schulter zu.
„Ich hab dich gesucht", sagte er zögerlich. Ich hielt meinen Mund fest verschlossen.
Er wollte etwas sagen, aber ich kam ihm zuvor. Ich wollte ihm nicht zuhören. Nicht jetzt zumindest.
„Du hast hier nichts verloren." Schnell lief ich auf mein Zimmer. Ich schloss die Tür hinter mir und wünschte mir einen Schlüssel, damit niemand hier reinkam. Violetta sprang von ihrem Bett
„Erzähl mir sofort, was passiert ist!", verlangte sie und weil ich wusste, dass sie keine Ruhe geben würde, bis sie erfuhr, was sie wissen wollte, erzählte ich ihr alles - nur die Tatsache, ließ ich aus.  Als ich fertig war, starrte sie mich mit offenem Mund an. „Dieser Arsch!", rief sie.
„Danke", murmelte ich, „zumindest du verstehst mich!"
„Ja, aber... Federico ist einer deiner besten Freunde. Willst du ihm für immer aus dem Weg gehen?", fragte sie, „was ist, wenn ihr beide am Unit Ballet genommen werdet und ihr seid die Hauptrollen und müsst jeden Abend leidenschaftlich zusammen tanzen bis an euer Lebensende?"
Ich legte den Kopf schief. „Violetta... Wirklich?"
Sie senkte beschämt den Kopf. „Sorry. Meine Fantasie geht wieder mit mir durch."
,, Violetta er macht mich verrückt.Er ist nicht wie die anderen Jungs.Er ist für mich da. „Heißt das, dass du vielleicht Gefühle für ihn hast?", fragte sie.
Daraufhin schüttelte ich den Kopf. „Nein, er verwirrt mich nur.Warum muss er so perfekt sein?"
Violetta hob eine Augenbraue.
,, Oh mein Gott Ludmila du bist in Federico verliebt."
,, Warum bin ich nur so verwirrt? Ich will doch nur tanzen. "
„Das ist einfach so", sagte sie lachend, „wenn man älter wird. Jungs interessieren sich für Mädchen und umgekehrt. Das ist ganz normal."
Ich schüttelte den Kopf. „Finde ich nicht."
„Nur weil du noch nie verliebt warst, heißt das nicht, dass es unnormal ist. Sieh dir Nati an. Sie hat Maxi und ist trotzdem eine tolle Tänzerin." Sie hielt kurz inne und fing dann an zu grinsen. „Ich kann nicht glauben, dass du kein Interesse an einem Freund hast. Bist du lesbisch?"
Ich runzelte die Stirn. „Nein", sagte ich, „ich hatte nur bis jetzt nie dieses Gefühl bei einem Jungen."
Violetta lachte. Warum fand sie das so lustig?
„Du bist umgeben von hübschen Jungs, die Interesse an dir haben, und lässt sie alle eiskalt abblitzen, weil dir das Ballett wichtiger ist? Unfassbar."
„Kann man mit Jungs vielleicht am Unit Ballet tanzen, eine berühmte Ballerina werden und Geld verdienen?", fragte ich und hob eine Augenbraue. In Violettas Augen sah ich ein Glitzern.
„Nein! Aber mit Jungs kannst du rumknutschen und... andere Sachen machen!"
Mein Gesicht wurde heiß, als ich an die Dinge dachte, die Violetta meinte. Wir hatten bis jetzt noch nie eine so intime Unterhaltung geführt. Und mir war es natürlich sehr unangenehm, auch wenn sie meine beste Freundin war. Ich wusste nicht einmal, ob sie schon mit einem Jungen geschlafen hatte.
„Ich würde mich niemals von einem Jungen... so anfassen lassen!", sagte ich und verzog das Gesicht.
,, Du bist so prüde", lachte sie. Ich verdrehte die Augen. Sie hatte doch keine Ahnung von meinem Leben.
,, Du hast keine Ahnung Violetta."
Seufzend verließ ich das Zimmer um Ruhe zu haben.
Doch Fede stand neben mir.
,, Lass mich doch mal in Ruhe Federico."
,, Hör mir bitte zu Ludmila."
,, Was wenn ich das nicht will Federico."
,, Ludmila du verwirrst mich."
,, Ach und du mich nicht oder was", zickte ich.
Er packte mich am Arm.
,, Bitte lauf nicht von mir weg Ludmila.Ich will dir doch nur helfen.
,, Ich brauche deine Hilfe nicht. Kapier es", rief ich wütend.
,, Gut dann komm nicht heulend bei mir an", schrie er.
Wütend lief er weg.
Typisch Jungs. Man kann sie einfach nicht verstehen.