Krank sein ist scheiße♡
Zwei Tage später saß ich mit einer schniefenden Nase auf einem Sofa im Gemeinschaftsraum. Ich hatte mich in eine Decke gewickelt und einen Tee in der Hand, den die Hausmutter mir aus der Apotheke geholt hatte. Ohne Schirm durch den Regen zu laufen, war doch keine gute Idee gewesen, noch am selben Abend hatte ich ein Kratzen im Hals gespürt, nachdem ich aus der Dusche kam. Trotzdem hatte ich mit Andres trainiert, der mich für meinen Ehrgeiz am liebsten umgebracht hätte und froh war, dass ich jetzt krank war. Ich war beim Arzt gewesen, der mir ein Attest für den Rest der Woche geschrieben hatte. Tagsüber saß ich hier im Gemeinschaftsraum, der wie leergefegt war, und abends lag ich meistens in meinem Bett. Die meiste Zeit starrte ich aus dem Fenster und beobachtete den Regen.
Mein Kopf tat weh und ich lehnte mich auf dem Sofa zurück. Die Hausmutter steckte ihren Kopf durch die Tür und sah mich an.
„Alles okay bei dir? Willst du noch einen Tee?", fragte sie.
Ich warf einen Blick in die halbvolle Tasse, die auf dem Tisch stand, und schüttelte den Kopf.
Ich musste eingeschlafen sein, denn eine Hand, die mir über die Wange strich, weckte mich wieder.Leon saß auf der Kante des Sofas und sah mich besorgt an. Ich musste schrecklich aussehen!
„Und wie geht's dir?", fragte er. Ich putzte mir die Nase und setzte mich auf.
„Nicht so gut. Mein Kopf dröhnt und meine Nase ist zu."
„Hast du das Zeug genommen, das der Arzt dir mitgegeben hat?"
Ich nickte. Leon beugte sich vor, um mich zu küssen, aber ich legte ihm eine Hand auf die Brust und hielt ihn auf.
„Nicht, ich bin verkeimt und krank. Ich will dich nicht anstecken", sagte ich Leon nahm meine Hand von seiner Brust weg und küsste mich trotzdem. Seine Lippen waren weich und warm.
„Ist mir egal. Ohne dich macht Schule sowieso keinen Spaß."
„Du bist ein Idiot! Es geht doch um deine Karriere."
Leon schürzte die Lippen. „Keine Ahnung, ob ich die Schule hier überhaupt beende."
„Was?", fragte ich entsetzt. Ich hatte mich ein bisschen schwindlig gefühlt, aber jetzt war ich wieder voll bei Sinnen.
„Was schaust du so geschockt? Hast du noch nie überlegt, die Schule zu schmeißen? Abitur machen, studieren, arbeiten, einfach ganz normal sein?"
Ich schüttelte den Kopf. Ich wollte immer Ballerina werden. Es gab nichts, was ich mir sonst für meine Zukunft vorstellen konnte. Und ich konnte mir nicht vorstellen, dass Leon bald vielleicht nicht mehr an meiner Seite tanzte, weil ihm andere Sachen wichtiger waren!
„Aber du bist so gut!", sagte ich. Meine Hand fand seine und wir verschränkten unsere Finger miteinander.
„Das sind hier alle." Seine andere Hand legte er auf meine Stirn, um meine Temperatur zu überprüfen. „Du hast ja Fieber", murmelte er.
Ich bekam nur noch verschwommen mit, was er danach sagte. Meine Augen fielen wieder zu und ich hörte mich etwas sagen, das ich bei klarem Verstand wohl nie gesagt hätte.
Ludmi , Ludmila!"
Ich tanzte auf ein paar Wolken. Meine Bewegungen geschahen völlig mühelos, ich sprang von Wolke zu Wolke, stolperte nicht. Es war perfekt. Ich fühlte mich frei. Erdbeben erschütterte meinen perfekten Tanz. Die Wolken unter meinen Füßen lösten sich auf und ich fiel. Ich riss die Augen auf und sah einen Haufen Leute über mir stehen. Das Erdbeben war nur ein Schütteln an meinem Arm gewesen.
Ich sah mich verwirrt um. Ich lag in meinem Bett, ein nasser Waschlappen auf meiner Stirn, die Decke bis zum Hals hoch gezogen. Mir war furchtbar heiß, ich schlug die Decke beiseite und setzte mich auf. Die Bewegung war zu ruckartig gewesen, denn in meinem Kopf dreht sich plötzlich alles und ich hielt ihn mir mit beiden Händen.
Eine der Personen rief meinen Namen, das musste der Hausarzt sein. Ich ließ mich wieder zurück ins Kissen fallen und blinzelte.
„Was ist los?", fragte ich.
„Sie hat Fieber. Ich hab sie ins Bett gebracht und Sie sofort angerufen."
Das war Leons Stimme.
„Es ist nichts Schlimmes. Sie benötigt nur ausreichend Schlaf und Flüssigkeit. Wir lassen sie am besten in Ruhe."
Ich bekam nur am Rande mit, wie alle das Zimmer verließen. Ich wälzte mich in meinem Ich seufzte und versuchte mich aus der Decke zu befreien, doch jemand kam mir zuvor und nahm den Waschlappen weg. Ich blinzelte noch ein paar Mal. Leon saß neben mir und hielt den Waschlappen in einer Hand.
„Du lässt mich also nicht in Ruhe?", murmelte ich in mein Kissen. Leon lachte.
„Ich lasse dich niemals in Ruhe, kleine Prinzessin", sagte er und strich mir die Haare aus dem Gesicht. Ich öffnete meinen Mund, weil ich durch die Nase keine Luft bekam.
„Krank sein ist scheiße", sagte ich, „ich würde viel lieber tanzen."
„Ich weiß."
Ich schloss die Augen. Mein Atem rasselte.
„Bleibst du hier, bis ich eingeschlafen bin?", fragte ich. In der Medizin, die ich genommen hatte, musste Alkohol drin gewesen sein. Sonst redete ich nie so ein wirres Zeug. Das konnte nur Alkohol sein. Oder das Fieber. Schwer zu sagen. Alles, was ich wusste, war, dass er meine Hand tatsächlich hielt, bis ich eingeschlafen war.
Ich wachte erst wieder auf, als es draußen schon dunkel war. Ich setzte mich hin, Nati und Gery lagen in ihren Betten und schliefen, Leon war nicht mehr da. Ich hielt mir meinen grummelnden Bauch und stand auf. Mein Fieber war wohl gesunken, ich hatte auch nicht mehr dieses dumpfe Gefühl in meinem Kopf.
Der Flur war dunkel und leer. Ich schlich mich auf Zehenspitzen den Flur entlang zum Treppenhaus. In der Küche knipste ich das Licht nicht an, sondern tastete mich blind zum Kühlschrank. Ich riss ihn auf und suchte nach etwas Essbarem. Mein Magen schrie nach Essen, auch wenn ich versuchte, es zu ignorieren.
Ich aß zwei Becher Joghurt und ließ den Müll auf dem Tisch liegen. Mein Appetit war noch nicht gestillt, also schmierte ich mir ein Brot mit Butter und legte Käse darauf. Ich saß an dem Tisch und starrte aus dem Fenster. Der Mond nahm zu, in ein paar Tagen war wohl wieder Vollmond.
„So spät noch unterwegs?"
Ich fiel fast vom Stuhl, so sehr hatte er mich erschreckt. „Was?"
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Wer ist da wohl gewesen?
Das nächste Kapitel kommt noch heute nach Supertalent.
Ly all♡
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