Kapitel 22
L E Y A
Nervös zupfte ich an meinem T-shirt herum, als ich geduldig auf Will wartete.
Brooke war bei ihrer Oma und half ihr etwas im Haus. Also entschied ich kurzerhand mit Will zu dem Geheimnisvollen Ort zu gehen.
Es war mir ohne Frage peinlich ihn zu bitten, mir bei einem Date zu helfen. Wenn es das war, was Adam plante.
Der Wind peitschte mir gefährlich kalt ins Gesicht und brachte meine Haare durcheinander. Ich hatte eben erst geduscht und könnte das Wetter verfluchen. Meine Haare sahen aus, wie ein Vogelnest.
Als ein Audi vorfuhr wusste ich sofort, dass es Will war. Ich konnte mich noch ganz genau an sein Auto erinnern, immerhin war sein schiefes Parken der Grund für unsere Freundschaft.
Ich stieg ein und gab Will, wenn auch etwas schwierig durch die Mittelkonsole, eine Umarmung.
"Hey", begrüßte ich ihn lächelnd, als ich meinen Gurt um meinen Körper legte. Mein schwarzer Mantel war von dem leichten Schneefall noch feucht und gab mir ein eisiges Gefühl auf meiner Haut.
"Hey, ich hoffe ich bin nicht zu spät?", fragte Will peinlich berührt, während er an einem Stoppschild hielt.
Ich schüttelte den Kopf.
"Nein, mach dir keinen Kopf", bestätigte ich und machte eine wegwerfende Handbewegung. "Ich bin dir schon dankbar, dass du überhaupt mit mir kommst."
Will gab mir einen kurzen Seitenblick, wobei mir erst jetzt sein blauer Anzug auffiel. Er trug genauso wie Adam, die meiste Zeit Anzüge.
Doch zu Adam war er kein Vergleich. Entweder lag es an meinen benebelten Sinnen oder ich fand Will einfach nicht anziehend, obwohl er ein sehr gutaussehender junger Mann war.
"Ich habe heute eh nichts zutun. Außerdem möchte ich einer Freundin helfen und wenn es um ein mysteriöses Date geht, erst recht."
Er bog in eine Straße rein und las murmelnd die Straßennummern vor.
Die Gegend war wunderschön. Und das sagte ich nicht nur, wegen den modernen Häuser, sondern wegen der großen und gepflegten Bäume die mehrere Meter über der Häuser hervorragten.
Ich sah wieder zu Will und knetete nervös meine Hände. "Was denkst du, wo mich Adam hinschickt?"
Nachdenklich biss ich mir auf die Lippen.
Ein kaum sichtbares Lächeln schlich sich auf die Lippen von Will, begleitet von einem Schulterzucken.
"Ich habe keine Ahnung."
__
"Okay, ich nehme alles zurück."
Überrascht sah ich zu Will, als er das Auto am Straßenrand parkte.
Wir waren vor einer kleinen Boutique und so langsam ging auch bei mir das Licht auf.
"Denkst du auch an das, was ich denke?", murmelte ich und öffnete die Autotür, aus der ich etwas ungeschickt ausstieg.
"Darauf kannst du wetten", erwiderte er und fuhr sich durch die gestylten Haare.
Gemeinsam liefen wir auf das grau-rosa eingerichtete Geschäft, welches von Blumen umrandet war.
Am Eingang hing ein Schild mit den Öffnungszeiten.
Will öffnete mir die Tür und ließ mich zuerst durch, weshalb ich ihm ein leises 'Danke' zuflüsterte.
"Ah, da bist du ja liebes!", wurde ich laut begrüßt.
Verwundert und gleichzeitig überfordert, sah ich auf die top gestylte Dame, die mich mit wortwörtlich offenen Armen empfang.
Überrumpelt versuchte ich sie zurück zu umarmen, als sie sich auch schon wieder von mir löste.
"Verzeihen Sie die Frage, aber wer sind Sie?", fragte Will die Frau und war mit Sicherheit noch verwirrter, als ich.
Er stellte sich neben mich, starrte aber immernoch die Frau mittleren Alters vor uns an.
"Ich bin Cornelia, die Tante von Adam. Er hat mich gebeten dir ein Styling für den heutigen Abend zu geben", erklärte sie mir freundlich.
"Heutigen Abend?", hakte ich verwundert nach und biss mir gleich darauf auf die Zunge.
"Der heutige Abend ist eine Veranstaltung für Cassandra Sawyer. Man feiert die Eröffnung ihres eigenen Unternehmens", fuhr Cornelia fort und drehte uns beiden den Rücken zu, nur um sich dann wieder mit einem Umschlag umzudrehen. Sie war also die Schwester von Cassandra? Bis auf die schwarzen Haare und blauen Augen sahen sie sich überhaupt nicht ähnlich, mal abgesehen von ihren verschiedenen Charakterzügen.
"Ich muss kurz nach hinten, aber macht es euch solange bequem. Ihr könnt euch wie zuhause fühlen." Mit den Worten verschwand die Frau so schnell wie der Wind.
"So so, die Eröffnung des Unternehmens von Cassandra Sawyer", sagte Will und hob die Augenbrauen.
Ich fuhr mir durch die Haare. "Ich hab wirklich keine Ahnung, was hier passiert."
Ich sah nach draußen und umklammerte mein Handy, dass ich in der Hand hielt. "Ich dachte, dass es sich um ein Date handelt. Nicht eine Veranstaltung seiner Mutter."
Ironisch lachte ich auf und war für einen kurzen Moment von meiner Kälte erschrocken.
"Ich bin doch nicht sein Schoßhündchen."
Entrüstet sah mich Will an, als er sich zu mir stellte.
"Ich denke nicht, dass er dich nur für seine Zwecke benutzt."
"Aber es liegt im Bereich des möglichen und das wissen wir beide", ich wandte mich ab und sah Will jetzt direkt in die Augen. "Aber hoffen wir mal, dass du recht hast und ich ausnahmsweise mal daneben liege."
Ein leichtes Nicken seinerseits und schon war er wieder in Gedanken versunken.
"Soo, da wäre ich wieder", hörte ich die Stimme der Frau trällern, ehe sie mit zwei Kleidern vor mir stehen blieb.
"Ich habe hier zwei Kleider für dich ausgesucht, welche meiner Meinung nach perfekt zu dem heutigen Abend passen. Schau' sie dir in Ruhe an."
Sie drückte mir beide Kleider in die Hand, welche ich überrumpelt annahm.
"Vielen Dank, Cornelia", kam es leise über meine Lippen, als ich mit der einen Hand über das schwarze Kleid strich. Der Stoff fühlte sich so leicht und glatt an.
Ich wollte gar nicht wissen, wie teuer diese Kleider waren. Aber sie waren sicherlich mehr wert, als mein armes Kleid was ich loslassen musste. Dank Adam.
"Nichts zu danken, Schätzchen. Und jetzt ab in die Umkleide."
Sie hetzte mich mit ihren Händen und zog sobald ich in einer der Umkleiden war, den roten Umhang zu.
Die Kabine war beinahe doppelt so groß, wie mein eigenes Badezimmer.
Es befand sich ein großes Sofa in der einen Ecke, während der Rest mit Deko und einem großzügig ausgestatteten Schminktisch eingerichtet war.
"Dann wollen wir mal", murmelte ich zu mir selbst und legte im selben Moment das eine Kleid auf das Sofa.
Das was ich nun in der Hand hielt war ein langes schwarzes Kleid, was einen engen Schnitt hatte und auf der einen Beinseite etwas Ausschnitt zeigte.
Obenrum war es vollständig geschlossen und gab mir die Möglichkeit das ganze mit Schmuck noch abrunden zu können.
Die Ärmel waren länger und am Ende mit einem Muster versehen.
Wunderschön.
Ich zögerte einen kurzen Moment, als ich das Kleid am Reißverschluss öffnen wollte.
Wollte ich das wirklich tun? Mich in irgendwelche überteuerten Kleider werfen, nur um dann auf eine Veranstaltung zu gehen, die für mich sowieso nicht ganz brenzlig enden würde?
Ich atmete durch und versuchte mich zu sammeln. Ich sollte vielleicht das positive darin sehen. Mehr Zeit mit Adam.
__
"Wow, Schätzchen du siehst fantastisch aus!"
Unsicher trat ich aus der Kabine und sah an mir herunter.
Das schwarze Kleid saß wie angegossen an meinem Körper und ich konnte nicht verleugnen, dass ich mich in diesem Kleid nicht wohl fühlte.
Cornelia klatschte freudig in die Hände.
"Was meinst du?", fragte ich Will und lief etwas auf ihn zu.
Er war wie erstarrt und räusperte sich abrupt, als ich ihn ansprach.
Verlegen kratzte er sich am Nacken.
"Du siehst wunderschön aus", hauchte er schließlich und starrte mir in die Augen.
Ich war die erste, die den Blick abwandte.
Ich sah Will nur als einen guten Freund.
"Danke", erwiderte ich leise und lächelte beide an.
"Das wirst du anziehen. Adam wird dich nie mehr gehen lassen, wenn er dich in diesem Kleid sieht", lachte Cornelia und nahm vorsichtig meine Hand.
"Wir sollten uns aber langsam ranhalten. Das Make-up und die Frisur lassen sich nicht von selbst machen."
Hilfesuchend blickte ich zu Will.
Dieser war allerdings schon wieder in sein Handy vertieft.
Bevor ich überhaupt weiter nachdenken konnte wurde ich in einen rosanen Sitz gedrückt. "Ich werde deine Haare etwas locken und dem ganzen Glanz verleihen, ja?"
Ich zuckte unsicher mit den Schultern und sah sie durch den weißen Spiegel vor uns an. "Ich vertraue da ganz auf dich."
"Und du wirst es nicht bereuen."
Cornelia nahm sich ein paar Haarbürsten zur Hand und suchte fluchend den Lockenstab.
Und egal wie sehr ich versuchte nicht an den heutigen Tag zu denken, gelang es mir nicht. Immer wieder gingen mir die verschiedensten Szenarien durch den Kopf. Ich wurde nervös und hatte das Gefühl keine richtige Luft zu bekommen.
Es war, als ob mit allem Mal alles was die letzten Wochen passierte und auf mir lastete mit einem Knall auf mich fiel. Plötzlich fühlte ich mich nicht mehr wohl und das enge Kleid, was mich zuvor noch umschmeichelte, erdrückte mich beinahe.
Als die Frau mit dem Lockenstab zurückkam, zuckte ich zurück und sprang mit einem Satz auf.
"Alles in Ordnung?", fragte sie besorgt, als sie den panischen Ausdruck in meinen Augen sah.
Ich wollte ihr antworten, aber die Worte blieben in meinem Hals stecken.
"Ich brauche...ich brauche Luft", bekam ich schließlich stammelnd raus und drängte mich an ihr vorbei, zum Ausgang.
"Leya!"
Ich ignorierte Will und stieß dir schwere Tür auf und verfluchte innerlich meinen Muskelkater vom Training.
Kaum war ich draußen angekommen stützte ich mich an der Wand ab und schnaufte wie ein Läufer beim Iron man.
Ich hörte wie sich die Tür erneut öffnete und ein besorgter Will auf mich zukam.
"Hey, was ist denn los?"
Will strich behutsam über meinen Arm.
Ich ließ es zu und schloss meine Augen. Er musste denken, dass ich verrückt war.
Ich schüttelte den Kopf und zwang mir ein Lächeln auf die Lippen. Es tat so weh zu wissen, dass dieses Lächeln nicht echt war und ich nicht nur Will, sondern auch mich damit anlog.
"Leya, das hier, war nicht 'nichts'. Sag mir bitte was los ist", drängte er mich vorsichtig und mir war bewusst, dass er nicht nachlassen würde, bis er den Grund wusste.
Seufzend lehnte ich mich an ihn. Sofort verstand er und legte seinen Arm schützend um meine Taille.
"Ich schaffe das nicht", murmelte ich den Tränen nah. Ich hielt den Blick gesenkt und wagte es nicht ihm in die Augen zu schauen.
"Was schaffst du nicht? Das Turnier? Ich bitte dich, Leya, du bist eine gute Läuferin und Cassandra-."
"Genau da liegt das Problem!", unterbrach ich ihn und löste mich von ihm. Ich schlang meine Arme um mein Kleid und senkte den Blick.
Um nicht vor ihm in Tränen auszubrechen biss ich mir fest auf die bebende Unterlippe.
"Alle denken, dass ich es schaffen werde! Du bist so eine gute Läuferin. Der Unfall ist Schnee von gestern. Ich kann das nicht mehr!", rief ich und konnte das Schluchzen nun nicht mehr zurückhalten.
"Ich bin nichts weiter als eine Assistentin! Ich war mal gut. Egal wie viel ich trainieren werde, wer mir dabei hilft und wer mein Trainer sein wird; Es wird niemals wie es mal war. Ich werde niemals so weit kommen, wie ich es vor drei Jahren wäre."
Ich hob meinen Blick, doch traf nicht den von Will. Etwas anderes erhaschte meine Aufmerksamkeit.
Die Luft, die ich vor wenigen Sekunden noch herzlichst einatmete, blieb mir im Hals stecken.
Denn in diesem Moment wollte ich im Erdboden versinken und am liebsten nie mehr auftauchen.
Will folgte mit gerunzelter Stirn meinen Blick und weitete seine Augen vor Überraschung.
Er drehte sich wieder um und kam mir ein Stück näher. "Ich werde jetzt gehen, aber all das was du gesagt hast, Leya. Das stimmt nicht und ist nicht im geringsten die Wahrheit und das wissen wir beide."
Er gab mir noch einen vielsagenden Blick, ehe er zu seinem Auto ging, nur um mich hier mit Adam alleine zu lassen.
Ich konnte ihn nicht anschauen und senkte meinen Blick.
Er hatte alles gehört. All meine Selbstzweifel, die ich die ganzen Wochen vor ihm versteckte.
Die Wut, Traurigkeit, der Frust. Alles.
Ich erzähle es ihm und auch dem Rest nicht, weil sie sich alle so sicher über meine Leistungen und meinen Erfolg waren, dass ich sie keinesfalls enttäuschen wollte.
Doch genau das erreichte ich.
Kaum stand Adam vor mir, spürte ich seine Körperwärme die mich umgab und mich vor der eisigen Kälte abschirmte.
Sein Anzug saß perfekt an seinen Körper.
Erst als ich spürte, wie seine große Hand sich um mein Kinn legte, um meinen Kopf anzuheben, tat ich es.
Seine blauen Augen waren so klar und wunderschön, dass ich für einen kurzen Moment vergaß, wie das Atmen funktionierte.
Er zog mich mit der anderen Hand dicht an sich heran, sodass uns wenige Zentimeter trennten.
Ich konnte seinen heißen Atem auf meinen Lippen spüren.
In meinem Bauch schien etwas zu explodieren, gefolgt von einer Hitzewelle die mich überkam.
"Du bist wunderschön", hauchte er plötzlich aus dem Nichts und brachte mich damit aus dem Konzept.
Ich blinzelte paar mal und versuchte das Piepen in meinem Ohr zu ignorieren, doch mein schnell schlagendes Herz war zu laut.
"Ich will nie wieder hören, wie du dich selbst heruntermachst", sprach er weiter und ließ seinen Daumen über meine Wange wandern.
Ich wusste nicht, was ich darauf erwidern sollte, also blieb ich still.
Mein Blick fiel auf seine rosanen Lippen, die mir so verdammt nah waren, sodass ich das Gefühl hatte, sie schon spüren zu können.
Ich wollte das er seine Lippen auf meine legte, mich damit zu seinem machte.
Diese Gedanken waren so falsch und dennoch so ein wichtiger Teil meines Verstandes geworden.
"Wieso bist du hier?"
Die Frage kam so leise über meine Lippen, dass ich mich beinahe selbst überhörte.
"Cornelia rief mich an und erzählte mir, dass du eine Panikattacke hast", erklärte er mir und ließ seine Hand an meinem Rücken kreisende Bewegungen machen.
Ich entspannte mich und lehnte meinen Kopf automatisch auf seine Schulter. Der Gedanke, dass Adam so schnell hier war und das nur wegen mir, ließ mich erschreckend wohl fühlen.
"Was ist, wenn ich es nicht schaffe?", hauchte ich und ließ die erste Träne still und friedlich meine Wange hinabtropfen.
"Es gibt kein was ist wenn. Du wirst es schaffen, weil du Leya bist", raunte er, stoppte in seiner Bewegung und kraulte meinen Nacken.
"Du bist nicht alleine. Du bist stark und so verdammt schlagfertig." Er hob meinen Kopf mit beiden Händen und ließ seine Stirn auf meine fallen. Automatisch schloss ich die Augen und legte meine Hände auf seine Handgelenke.
"Woher willst du wissen, das ich nicht zu schwach dafür bin?"
"Leya, ich bin noch nie einer Frau wie dir begegnet." Er holte tief Luft und sah mir in die Augen.
"Wenn du es nicht schaffst, für wen soll ich dann applaudieren? Wem soll ich meine Anerkennung zeigen?"
Ich zuckte mit den Schultern. "Amelia oder so."
Selbstsicher schüttelte er den Kopf. "Niemand anderes hat es so sehr verdient, wie du. Und jetzt tu mir den Gefallen und lass dich fertig machen. Wir fahren zusammen dorthin."
Ich ließ seine Worte zu mir durchdringen.
Durch meine negativen Gedanken strahlte tatsächlich ein helles Licht, welches mir Hoffnung gab.
"Danke, Adam."
"Danke mir nicht dafür."
Ich ging auf die Zehenspitzen und ließ meine Lippen langsam über seine Wange gleiten, ehe ich einen langen Kuss auf diese drückte.
Es kostete mich Überwindung, doch gerade fühlte ich mich wohl in seinen Arme. Wohl und sicher.
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