Kapitel 18
Sophia
»Hey Jase«, ich hielt mir mit einer Hand mein Handy ans Ohr während ich mit der anderen einen großen Plastikbecher an meine Lippen setzte und beim Geschmack am Liebsten wohlig aufgeseufzt hätte. Dieses Zeug hatte ich lange nicht mehr... und es war echt verdammt gut. Ich hörte meinen Freund am anderen Ende der Leitung rau lachen. »Wie spät ist es Süße? Der normale Durchschnitts Kalifornier liegt um die Zeit noch im Bett und schläft«, sagte er und ich hörte förmlich heraus, dass ich ihn gerade geweckt hatte. Ich lachte fröhlich. »Es ist zehn Uhr morgens Jase«, versuchte ich ihm schonend beizubringen. »Ich denke ich muss nicht fragen was du grade machst, oder?«
»Ganz und gar nicht Babe, ich liege im Bett und hab bis vor ein paar Minuten noch geschlafen - aber für dich hab ich immer Zeit. Und was machst du grade?«
Grinsend winkte ich Mira zu, die in ihrem langen Vukuhila-Rock und dem Cowboyhut auf mich zugeeilt kam, mir meinen extra großen Becher nach einem kurzen, prüfenden Blick aus der Hand nahm, nachdem ich ihr mit einem Nicken zu verstehen gegeben hatte, dass es okay war, und einen Schluck von der hellbraunen Flüssigkeit nahm. Und als sie ihre Augen genüsslich verdrehte, merkte ich, dass sie geschalten hatte, dass das einer der Gründe war, wieso wir hier waren. »Oh mein Gott wenn ich irgendwann mal alt im Krankenhaus liege dann will ich mir dieses Zeug um jeden Preis noch ein letztes Mal hinterkippen.« sie zeigte streng mit einem Finger auf mich, händigte mir den Becher wieder aus und ich nickte grinsend, als Einverständnis.
»Also ich bin grade in Cheyenne bei den Frontier Days mit Mira und meiner Familie und muss gleich als mentale Unterstützung für Cal hinhalten«, antwortete ich Jason als wäre es das normalste der Welt.
»No way!«, plötzlich schien er hellwach zu sein. »Wie geil ist das denn?«
So gar nicht. Bis auf ein paar Dinge, absolut rein gar nichts Jason.
Trotzdem erwiderte ich bloß: »Ja, es ist echt toll. Wir sind grade mal den ersten Tag hier, aber ich bin bald wieder da.«
»Versprochen?«, grummelte er schläfrig und ich stellte ihn mir gerade vor, wie er noch total müde in seinem Bett lag, seine braunen Haare verwuschelt und zum anbeißen süß wie heiß. Ich lächelte süß. »Versprochen.«
»Gut«, murmelte er müde. »Ich brauch dich hier - bei mir.«
Mein Herz. Mein Herz. War es schon tot?
»Soph, Cal braucht dich«, meine Mom blieb neben mir und Mira stehen. »Er hat grade wieder diesen leichten Anflug von Panik.« prüfend warf sie einen Blick in den Becher, um auch ja sicher zu gehen, dass da nichts hochprozentiges drin war. »Keine Sorge Emma«, Mira lachte fröhlich. »Das ist nur heiße Schokolade.«
Genau. Nichts als heiße Schokolade. Mit vielleicht ein bisschen Whiskey. Dem richtig guten Stoff, den es hier immer während den Frontier Days gab.
Mein Mom atmete auf. »Gut, ich bin bei Dwayne und unseren Plätzen - ihr kommt dann einfach, ja?« Mira und ich nickten brav, bevor sie uns den Rücken zukehrte und verschwand.
Ich nickte und schmunzelte. So typisch mein großer Bruder... »Ich muss Schluss machen Jase, bye mein Schatz«, verabschiedete ich mich von ihm und er sich von mir.
»Ach, also nur heiße Schokolade, was Mira?«, neckte ich sie und stieß ihr spielerisch meinen Ellbogen in die Seite, was sie mit einem Augenrollen quitierte. »Sei doch leise Soph, nur wegen dem Zeug bist du hier«, murmelte sie, nahm mir den Becher aus der Hand und schubste mich leicht in Richtung hinter die Kulissen der riesigen Rodeo Arena. »Und jetzt geh schon zu deinem Bruder, sonst landet er noch im Krankenhaus... ich kauf dir später noch einen«, grinste sie, hielt den Becher in die Höhe und tat es meiner Mom gleich; sie verschwand zu unseren Plätzen.
***
»Na großer Bruder?« ich sah ihm an wie nervös er war. Er hatte seinen Kopf in den Nacken gelegt, seine Augen geschlossen und versuchte krampfhaft ruhig zu atmen. Doch als ich mich neben ihn auf die Metallstange des Paddocks setzte, drehte er sich zu mir, ein nervöses Lächeln auf den Lippen. »Na kleine Schwester? Was gibt's?«
Ich zuckte meine Schultern und beobachtete den nächsten Cowboy des Amateur Bronc, wie er versuchte sich auf dem sich immer wieder aufbäumenden und bockenden Pferd zu halten. Doch wenige Sekunden später landete er im staubigen Sand. Das Pferd wurde von ein paar anderen Cowboys wieder eingefangen und das enge Band, welches um die Flanken des wild bockenden Tieres gebunden war, entfernt, sodass es ganz plötzlich mit Bocken aufhörte und mit den anderen Cowboys auf ihren Pferden aus der Arena geführt wurde.
»Amateur«, grinste Callen arrogant und ich zog ihm scherzhaft seinen schwarzen Cowboyhut ins Gesicht, woraufhin er lachend antwortete: »Was denn?«
»Sei nicht so; du hast auch mal angefangen«, meinte ich und erhob mich, als der Moderator jetzt die Professionelle League des Bronc riding ankündigte und die Menschenmassen förmlich auszurasten schienen. »Ich geb nicht an«, verteidigte Cal sich und sah dem ersten Cowboy zu, der sich schon wesentlich besser und sauberer schlug. »Ich bin wirklich besser.«
»Selbstverliebter Arsch...«, murmelte ich, gerade so laut dass er es noch mitbekam und mich aus Rache in die Seite zwickte, was mich leicht aufkreischen ließ. »Okay, okay... lass das! Welches Pferd hast du eigentlich?«
Er deutete auf ein fuchsrotes Pferd mit schwarzer Mähne und Schweif, das gerade in einem anderen Paddock herumgallopierte und keinen sonderlich ruhigen und netten Eindruck machte. Das Pferd sah eine ganze Spur... besser aus als die für die Amateur Bronc. Dieses da, war ein einziges Muskelpaket. Kraftvoll und ein heißes Temperament. »Den da. Red Grave. Und weißt du was?«, Cal lehnte sich gegen mich und ließ seinen Kopf auf meine Schulter sinken. »Ich hab eine scheiß Angst vor ihm.«
»Er ist neu oder?«, fragte ich leicht angespannt und Cal nickte.
»Du kennst mich Sophia - ich nehm gebrochene Knochen gerne in Kauf, für das was ich erreiche wenn ich mein Bestes gebe. Aber der da -Red Grave- sieht so aus als würde er einen nicht nur in den Staub werfen, sondern am liebsten gleich zu Tode trampeln wollen.«
Red Grave. Was für ein passender Name das doch anscheinend war.
Ich drehte ihn an seinen Schultern zu mir. »Callen McClair, hör mir jetzt genau zu. Erinnerst du dich an dein erstes Bronc riding? An deine erste Medaille? An den Blick von Dad, als du mit der Medaille auf dem Rücken von diesem Pferd saßt und wie Mom reagiert hat, als du mit einem gebrochenen Arm aber einer verdammten goldenen Medaille vor ihr standest? Erinnerst du dich?«, fragte ich und merkte, wie er mir lächelnd in die Augen sah.
»Ich war elf als ich das erste Mal Bronc geritten bin. Und die erste Medaille hatte ich mit vierzehn, scheiße sah Dad damals stolz aus und Mom ist ausgerastet als sie meinen Arm gesehen hat, hat mich aber trotzdem umarmt und fast geweint vor Freude...«, erwiderte er und ich lächelte, denn meine Taktik klappte jedes Mal.
»Und wie hast du das alles geschafft Cal?«
»Training. Prellungen, Staub in der Lunge, blaue Flecken. Mit Schweiß, Blut und Tränen«, sagte er entschlossen und das war genau das, was ich hören wollte. »Genau!«, rief ich. »Schweiß, Blut und Männertränen - jetzt geh da raus und zeig diesem blöden Gaul mal ganz genau in welcher Liga er spielt und was für eine verdammte Ehre es ist, Callen McClair in den Staub kicken zu dürfen!«
»Ja man!« mit neuem Selbstvertrauen sprang Cal auf, umarmte mich fest und drückte mir einen Kuss auf den Kopf. »Ich liebe dich Sophia, im Ernst Schwester, du bist die Beste! Jetzt los sonst bist du nicht mehr mein größter Fan.«
Lachend ließ ich ihn allein, rief ihm aber noch zu: »Oh nein, das ist Dad.« und eilte zu unseren Plätzen, um ja noch alles mitzubekommen.
Schnaufend ließ ich mich neben Dallas fallen, der mich etwas schräg von der Seite musterte, mir aber dennoch einen der Plastikbecher hin hielt. »Wie geht's ihm?«
»Er hatte eine scheiß Angst von seinem Pferd zertrampelt zu werden, aber jetzt ist er motivierter als jemals zuvor«, sagte ich zufrieden zu Dallas und nahm einen großen Schluck von der vermeintlichen heißen Schokolade und seufzte auf. Dieses Zeug...
»Probier es einfach selbst«, meinte ich und reichte Dallas den Becher, der bloß mit seinen Schultern zuckte und tat was ich sagte. »Gott, das ist richtig guter Stoff, wieso gibt's das in England nicht?«, sagte er und ich lachte. Doch als der Moderator den Namen des nächsten Bronc rider's aufrief, hefteten sich meine Augen auf die Arena.
Die Sirene ertönte. Die Tür des Paddock's schwing auf und Red Grave stürmte wie eine riesige, böse Gewitterwolke heraus. Und obendrauf mein manchmal etwas trotteliger Bruder, der bisher jedoch alles richtig gemacht hatte - immerhin saß er noch. Das Pferd tobte als würde ihm der Gedanke, meinem Bruder sämtliche Knochen zu brechen, mehr als gut gefallen. Das da unten war kein Pferd - das war einfach nur eine vierbeinige Ausgeburt Satan's. Die Menge explodierte als die Sirene erneut ertönte, das Zeichen, dass die Idealzeit von etwa zehn Sekunden auf dem Rücken des Pferdes jetzt erreicht war und Cal jetzt irgendwie von diesem Teufelsvieh runterkonnte, ohne sich Sorgen darum machen zu müssen, dass er zu kurz auf Red Grave "saß".
»Komm schon Callen! Komm schon!«, murmelte ich mit angehaltenem Atem.
Ich sprang auf, wie meine gesamte Familie, inklusive Mira und Dallas (die irgendwie auch dazugehörten) und gefühlt alle anderen Menschen auf den Tribünen ebenfalls, applaudierte und schrie mir vor Stolz die Seele aus dem Hals, als Callen von Red Grave's Rücken sprang und -nicht wie sonst immer- stolperte oder schmerzhaft auf den Boden krachte, sondern auf seinem Hintern aufkam und für einige Sekunden perplex sitzen blieb, als müsste er erst mal realisieren, was gerade passiert war. Doch dabei sollte es nicht bleiben, denn Red Grave schien wirklich ein wirklich sehr, sehr sadistisches Pferd zu sein, denn während es bockend herumsprang, näherte es sich immer mehr bedrohlich Callen.
Doch die Cowboys auf ihren Pferden schnitten dem tobenden Pferd den Weg ab, entfernten das Lederband und führten es in ihrer Mitte aus der Arena.
»Er hat's geschafft!«, kreischte ich glücklich und hüpfte auf der Stelle herum wie ein kleines Kind, sodass Dallas einen Arm um meine Taille legt, um mich lachend am Boden zu halten, bevor ich ihn stürmisch umarmte. »Er hat's geschafft, Dallas«, murmelte ich überglücklich. »Er hat's geschafft.«
Dallas lachte und legte sein Kinn auf meinem Kopf ab. »Hat er Soph. Das Gold hat er mit der Wertung und der Zeit sicher.«
Mein Herz pumpte das Adrenalin durch meine Adern und mein Körper schien angespannt und elektrisiert zugleich als ich Dallas umarmte, was ich auf die Aufregung und Erleichterung schob. Vielleicht auch auf die Spur von Alkohol in meinem Blut. Aber das verräterische Foto, welches Mira beinahe unbemerkt gemacht hatte, und ihr diabolisches Lächeln, waren etwas ganz anderes.
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Uuuuund wir sind in überlänge für dieses Kapitel😌 aber das ist als Entschädigung, dass lange nix kam😅
Und für alle, die nicht wissen was Bronc riding ist, voilá:
Cal hat's geschafft - wie Soph so schön gesagt hat, was haltet ihr davon?
Und von Red Grave?
Bis ins nächste Kapitel und wie immer ein Tschau mit V,
~May&Bae
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