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51. Kapitel: 3. Lektion - Überleben

Ok. Wow.

Eines musste man dem Typen mit dem geschreddertem Gesicht zu Gute halten: Er machte sich nicht erst die Mühe, um den heißen Brei herumzureden. Kein langes Geschwafel über gefallene Kameraden, verlorene Ehre und seine wohlverdiente Rache an mir; stattdessen wählte er eine klare, gänzlich unmissverständliche Ansage, gefolgt von einem wahrhaft kunstvoll gesetzten Schweigen, das meinem Verstand ausreichend Zeit gab, die Tragweite seiner Worte auch wirklich zu verstehen. Immerhin hätte er mir auch in irgendeiner dunklen Ecke auflauern und einfach das Genick brechen können. Weniger Zeugen, weniger Stress. Aber nein, mein Mörder in spe setzte bewusst auf Öffentlichkeit, eine Darbietung, die er vor aller Augen zelebrieren konnte. Was die Situation gefährlicher machte, als es meine ohnehin schon unvorteilhafte Maikäferposition und seine körperliche Überlegenheit vermochten: Dieser Mann hatte nichts mehr zu verlieren.

Und Hieronymus, dieser dämliche Armleuchter, hatte mir noch großspurig erklärt, ich sollte mir keine Sorgen um diesen Kerl machen. Katastrophale Fehleinschätzungen mit potenziell tödlichem Ausgang lagen wohl in der Familie Copettius.

Ich gestand mir einen tiefen Atemzug zu, um meine wenigen Optionen abzuwägen. So viel Zeit musste sein. Hätte Jaro das hier schnell durchziehen wollen, wäre ich schon längst tot gewesen.

Mir blieben Flucht, Starre oder Angriff. Da noch ausreichend Wut auf meine Situation im Allgemeinen sowie den ein oder anderen Vollidioten-Naphil im Besonderen in mir zirkulierte, um meinen Körper in einen jähen Adrenalinrausch zu versetzen, und ich darüber hinaus ebenfalls nichts als mein Leben zu verlieren hatte, entschied ich mich für Angriff.

»Fick dich, Jaro Irgendwer

Ich rollte mich zur Seite und trat mit dem freien Bein aus, um ihm meinen Stiefel mit voller Wucht in sein zerfetztes Gesicht zu rammen. Doch bevor ich auch nur in die Nähe seiner gebrochenen Nase kam, fing er meinen Angriff mit einer Leichtigkeit ab, die mich beinahe noch mehr frustrierte als die Aussicht auf meinen nahen Tod.

Er lenkte meinen Tritt mit dem Unterarm ab, und noch ehe ich ein zweites Mal austreten konnte, hatte er auch schon meinen zweiten Fuß gegriffen, schwang mich zurück auf den Rücken und drückte meine Füße mit einem ungeduldigen Knurren zu Boden. »Netter Vorschlag, aber das überlasse ich lieber anderen.«

Das war eindeutig der falsche Moment für einen beschissen anzüglichen Witz. Vor allem wenn er von meinem Mörder stammte, der zwischen meinen fixierten Beinen kniete und drohend über mir aufragte.

Ich schluckte krampfhaft, als sein düsterer Blick über meinen ausgestreckten Körper zuckte. Ihm gingen wohl gerade ähnliche Gedanken durch den Kopf wie mir. Das hier konnte ganz schnell ganz schön hässlicher werden als ein einfacher sauberer Mord.

Ich drehte meinen Kopf zur Seite und sah mich panisch nach Hilfe um. Die Trainingshalle war voller Nephilim. Sie würden doch wohl nicht tatenlos dabei zusehen, wie diese zerfleischte Mumie mich in meine Einzelteile zerlegte ...

Nervtötend eindeutig wurde ich eines Besseren belehrt. Der ungleiche Kampf genoss bereits die volle Aufmerksamkeit der anwesenden Nephilim, die sich in gebührendem Abstand um uns herum aufgereiht hatten und uns beobachteten. Einige riefen Jaros Namen. Diese Psychos feuerten ihn auch noch an.

»Hörst du jetzt mal auf rum zu zappeln?«, grollte Jaro mich wie ein räudiger Straßenköter an.

Endlich fand mein hektischer Blick Kadi in der Menge. Sie würde mir helfen. Sie würde nicht zulassen, dass das hier geschah. Würde sie doch wohl nicht, oder?

Mit verschränkten Armen stand sie neben dem amüsiert grinsenden Dalton und wippte ungeduldig mit dem Fuß. »Guck mich nicht an wie ein hilfloses Reh, Rookie, sondern kämpf dich gefälligst frei!«

»Willst du mich verarschen?«, brüllte ich entrüstet zurück. »Die Hackfresse ist gerade dabei, mich umzubringen!«

Eingehend betrachtete Kadi ihre Fingernägel. »Ein Grund mehr, nicht einfach nur faul rumzuliegen, oder? Betrachte es als spontanen Selbstverteidigungskurs. Lektion Nummer 3: Wie rette ich mich aus unrettbaren Situationen.«

Fassungslos klappte mein Mund auf und kurz vergaß ich, dass ein durchgedrehter Naphil gerade dabei war, mich zu schänden und anschließend kaltzumachen. Oder andersrum. Beides war ihm eindeutig zuzutrauen.

Daltons Grinsen wurde breiter. »Wie wär es mit einer kleinen Wette unter Staffelführern, Markiewicz? Dein Rookie gegen meinen unbrauchbaren Veteranen. Der Verlierer übernimmt einen Monat lang die Putzkolonne.«

Kadi schnaubte. »Hältst du mich für so bescheuert? Selbst mit nur einem halben Gesicht ist dein Mann eindeutig im Vorteil.«

Na Danke für nichts, Kadi!

»Hast du gehört?« Jaros Hände strichen meine Beine hinauf, über meine Schienbeine, umfassten kurz meine Knie und wanderten weiter meine Oberschenkel hinauf, während er sich weiter über mich beugte. »Du hast keine Chance gegen mich.« Mein Puls hämmerte, als seine Hände endlich innehielten – viel zu dicht an einer Stelle, an der seine Hände definitiv das Letzte waren, was ich dort spüren wollte. »Du bist nicht schnell genug, um wegzulaufen, und dir fehlt die Kraft, um dich freizukämpfen.« Er fixierte flüchtig eine Stelle an meinem bloßen Hals, von der ich nur annehmen konnte, dass er dort eine pochende Vene sah. »Dein Herz mag noch schlagen, aber im Grunde bist du schon jetzt tot.«

Ich zwang mich, hinauf in sein zerstörtes Gesicht zu sehen. Jaro sah auf mich herab, abwartend und lauernd. Ein Raubtier, das mit seiner Beute spielte.

Er hatte recht. Ich war weder schnell noch stark. Aber er war auch nicht der erste Mann, der glaubte mit mir machen zu können, was er wollte. Dass er sich nehmen konnte, was er wollte. Weil Typen wie er gar nicht auf die Idee kamen, verlieren zu können. Norberts Handlanger waren genauso gewesen. Doch nach einer unschönen Episode in Norberts Geldwäschebar hatte nie wieder einer von ihnen es gewagt, mich anzufassen.

Jaro würde es nicht anders ergehen.

»Du bist wirklich sehr stark.« Unvermittelt legte ich meine eiskalten Hände um seinen warmen Nacken und strich federleicht mit meinem Daumen über seine angespannten Muskeln. »Viel zu stark für mich.« Überraschung flackerte in seinem dunklen Auge auf, als ich mich mit einem scheuen Lächeln zu ihm hinaufzog, bis mein bebender Atem über seine rissigen Lippen strich und sein Geruch nach warmen Holz und Rauch mich umfing. »Darauf stehe ich«, hauchte ich ihm entgegen, senkte die Lider, beugte leicht meinen Kopf zurück und biss mir auf die Unterlippe.

Jaros Finger krümmten sich und gruben sich in meine Oberschenkel.

Ich hörte ein anzügliches Pfeifen in meinem Rücken. Gut so. Sollten sie die Show ruhig genießen.

Mit einem Blick voller Unschuld sah ich unter flatternden Lidern zu Jaro auf. Die Überraschung in seinem Auge war etwas Dunklem, Urtümlichen gewichen, das mir einen tiefen, warmen Schauer durchs Rückgrat jagte.

Mein Schneidezahn schrammte über meine Unterlippe und ließ sie nur langsam frei. Dann erstarb mein Lächeln. »Leider bist du so abgrundtief hässlich, dass ich bei deinem bloßen Anblick staubtrocken werde.«

Sei es, dass Jaro über genug Verstand besaß, um mich im letzten Augenblick zu durchschauen, oder seine Reflexe instinktiv reagierten – ihm gelang es noch, den Kopf zurückzureißen, als ich meinen nach vorne schnellen ließ. Statt wie geplant die empfindlichen offenen Wunden in seinem Gesicht zu treffen, touchierte meine Stirn seine Nase. Es reichte, um sie erneut brechen zu lassen.

»Die Wette gilt!«, brüllte Kadi über das Knirschen aneinanderreibender Knorpel hinweg.

Heißes Blut spritzte mir entgegen, benetzte meine Wangen und Lippen wie siedende Regentropfen, ehe Jaro sich fluchend eine Hand vor die Nase schlug. Damit gab er mein linkes Bein frei, und weil er blöd genug war, nicht vor mir zurückzuweichen, war der Weg zwischen meinem nach oben schnellenden Knie und seinem besten Stück erfreulich kurz.

Das kollektive mitleidige Zischen um uns herum klang wie tosender Applaus in meinen Ohren. Volltreffer.

Jaro wankte und ich wollte mein Knie schon erneut zum Einsatz bringen, als er langsam zur Seite kippte. Hastig rutschte ich von ihm weg, bevor er mein noch ausgestrecktes Bein unter sich begrub.

»Ja, man, so macht man das!«, brüllte Kadi triumphierend. »Antäuschen und dann erledigen, genauso, wie ich es ihr beigebracht habe!«

Ich warf ihr einen vernichtenden Blick zu, den sie mit einem Augenzwinkern quittierte, stemmte mich auf die Beine und wischte mir mit dem Arm Jaros Blut vom Gesicht.

Der krümmte sich stumm auf dem Boden, eine Hand abwehrend gehoben. Er ergab sich. Doch ich war noch längst nicht fertig mit ihm. Dies würde hier und jetzt ein Ende finden, dafür würde ich schon sorgen. Ich trat dicht an seinen Kopf heran und stupste die blutverschmierte Hand vor seiner Nase mit meinem Stiefel an. Jaro stöhnte gedämpft auf. Gut, er wusste, dass ich direkt vor ihm stand. Eine falsche Bewegung von ihm, und ich würde nicht zögern, ihm mit einem Tritt auch noch den Kiefer zu brechen.

»Jetzt hör mir mal gut zu, du pürierter Vollpfosten: Es tut mir wirklich leid, was mit deinem Team in diesem verfickten Sturm passiert ist, glaub mir. Ich wäre da drin beinahe selbst drauf gegangen und so, wie du aussiehst, hat bei dir auch nicht mehr viel dazu gefehlt.« Meine Worte waren vollkommen ehrlich gemeint. Das Grauen, das dieser Sturm in mir selbst ausgelöst hatte, war noch greifbar nah. Dabei hatte ich im Gegensatz zu Jaro niemanden verloren, der mir nahe stand.

Zumindest nicht an den Tod.

Jaros schmerzverhangenes Auge öffnete sich und sah zu mir hinauf. Ich spannte vorsichtshalber schon mal meine Wade an. Nur für den Fall der Fälle. »Aber weder Elion noch ich haben deine Leute umgebracht. Sullivan hat euch da rein geschickt, nicht wir. In einem verdammten Sturm, bei dem jeder Trottel sofort erkennen musste, dass er nicht natürlich war. Sullivan hat euch auf eine Selbstmordmission geschickt, und das wusste er ganz genau. Wie wäre es also, wenn du deine primitiven Rachegelüste auf Sullivan projizierst statt auf Elion und mich – das würde wenigstens Sinn ergeben. Und wäre auch weitaus gesünder für dich.« Ich beugte mich zu ihm herab. Ich musste sichergehen, dass er jedes meiner Worte verstand und mich Gott verdammt noch mal in Ruhe ließ. Meine bloße Anwesenheit im Tempel des Ordens war schon gefährlich genug. Da konnte ich keinen Möchtegernracheengel gebrauchen, der mir das Leben zusätzlich erschwerte, weil er mich umbringen wollte. »Ich bin klein, fett, langsam und schwach. Trotzdem liegst du jetzt vor mir auf dem Boden und blutest alles voll. Nun stell dir mal vor was passiert, wenn Elion dich in die Finger bekommt.« Um ehrlich zu sein, wusste ich nicht, was Elion tun würde. Ob er Jaro überhaupt anrühren würde. Vermutlich gab Elion sich längst selbst die Schuld am Tod der vier Nephilim und würde jede Prügel stumm einstecken, nur um sich selbst zu geißeln. Und mir anschließend einen sterbenslangweiligen Vortrag darüber halten, dass man nicht auf Männer einprügelte, die gerade ihr Team verloren hatten.

Ich spuckte aus, haarscharf an Jaros bandagierter Stirn vorbei, und entschied mich für das gewaltvolle und somit auch eindrucksvollere Szenario. »Ich meine natürlich ohne Bronzefesseln und Sullivan im Nacken, die dich mutig genug haben werden lassen, auf Elion loszugehen.« Ich war großzügig und half Jaros Vorstellung auf die Sprünge. »Kleinholz wird er aus dir machen oder eher blutige Sägespäne. Und ehrlich, ich habe vollstes Verständnis für deine Wut, Trauer und posttraumatische Belastungsstörung, aber ich werde nicht zögern, nachzutreten, sobald du erneut am Boden liegst.«

Jaros Auge schloss sich ergeben. Seine Hand ballte sich zur Faust, nur der Daumen blieb ausgestreckt.

Botschaft angekommen.

Ich richtete mich auf und strich mir ein paar blutverklebte Strähnen hinter die Ohren. Erst als sich jemand verhalten räusperte, bemerkte ich die Stille um mich herum.

Von den mehr als siebzig auf Jaro und mich gerichteten Augenpaaren hatten die meisten es plötzlich ziemlich eilig, eingehend die Innenausstattung der Trainingshalle zu begutachten. Einige schlichen bereits davon. Andere überprüften die Anzeigen ihrer Synophon...e? Synphonos? Synphonoi? Synphonte?

Scheiß auf unklare Pluralendungen. Wichtig war, dass die Botschaft angekommen war, und das nicht nur bei Jaro.

Kadi grinste Dalton an wie ein Honigkuchenpferd. »Die Neunte wünscht der Fünften viel Spaß in der Putzkkolone.« Sie hob die Stimme. »Erzählt es ruhig weiter, Leute. Die Neunte rockt!«

»Das war ein unfairer Kampf!«, rief Dalton erbost, der sich nicht so schnell geschlagen geben wollte. »Dein Rookie hat nur dank einer List gewonnen!«

»Das nennt man Intelligenz, du Hohlbirne!« Kadi stemmte die Fäuste in die Seite. »Und außerdem: Ausgerechnet du willst von Fairness sprechen, nachdem du dieses Tier«, sie bedachte Jaro mit einem angewiderten Blick, »auf meinen Rookie losgelassen hast?«

Dalton rollte mit den Augen. »Mach mich nicht dafür verantwortlich, Markiewicz. Der Typ ist labil, seit er hier eintraf.« Dann schlug er dem Naphil neben sich mit der flachen Hand gegen die Brust. »Du da, bring Lenkait zurück auf die Krankenstation. Und sorg dafür, dass er diesmal auch dortbleibt.«

Der Angesprochene beeilte sich, dem Befehl Folge zu leisten. Kurz nickte er mir zu, bevor er neben mir in die Hocke ging, um Jaros Überreste vom Boden aufzukratzen.

Langsam verbrauchte sich der Adrenalinstoß in meinem Kreislauf. Zurück blieben eine latente Übelkeit und schwitzige Hände.

Zitternd atmete ich aus. Ich war wider Erwarten noch am Leben. Scheiße noch mal.

»Die Wette ist im Übrigen ungültig: Schon vergessen? Du hast sie ausgeschlagen«, erklärte Dalton selbstsicher.

»Habe ich nicht. Ich habe dich lediglich gefragt, ob du mich für bescheuert hältst.« Mit einem eleganten Hüftschwung wandte Kadi sich von dem Staffelführer der Fünften ab und stolzierte zu mir hinüber. »Du kannst dich winden, wie du willst, Dalton: Wettschulden sind Ehrenschulden. Also nimm es wie ein Mann und sei kein Waschlappen.«

Ich verzog bei ihren höhnischen Worten gequält das Gesicht. »Ist dir eigentlich klar, dass du mit so einem Spruch dieselbe toxische Männlichkeit reproduzierst, die übergriffige Arschlöcher wie Sullivan und diesen Jaro hervorbringt?«

»Sicher«, sagte Kadi unbeschwert. »Ich habe Simone de Beauvoir gelesen. Großartige Philosophin, aber leider hat es der Feminismus im Orden etwas schwerer als außerhalb unserer Reihen.« Sie hakte sich bei mir unter und zog mich fort, weg von Jaro und den letzten Nephilim mit eindeutig sadistischen Neigungen, die darauf warteten, ob die Vorstellung nicht doch noch weiterging. »Wir leben hier in einem ausgeprägten Patriarchat«, raunte Kadi mir zu. »Da heißt es friss oder werd Frauchen. Etwas dazwischen gibt es nun mal nicht. Mit deinem Sieg hast du gerade klargemacht, zu welcher Kategorie du gehörst.« Sie schlug mir anerkennend auf die Schulter. »Und wie du das gemacht hast, war verdammt clever von dir, Rookie. Deshalb bleiben wir jetzt schön hier, du bearbeitest noch ein wenig den Boxsack, und in spätestens einer Stunde wird sich herumgesprochen haben, dass man sich besser fern von dir hält – auch ohne mich oder den Primus in deiner Nähe.«

Deshalb hatte Kadi also nicht eingegriffen: Ich sollte beweisen, dass ich kein einfaches Opfer war. Dass ich mich wehren konnte. Wenn sie dafür Dankbarkeit von mir erwartete, hatte sie sich gewaltig geschnitten.

»Keine Ahnung, wie lange ich mich noch auf den Beinen halten kann«, sagte ich gedämpft. Die Aufwärmübung hatte mir schon den Großteil meiner Kraft geraubt. Die unerwartete Auseinandersetzung mit Jaro drohte mir den Rest zu geben.

Kadi schnalzte mit der Zunge. »Du hältst dich so lange auf den Beinen, wie es nötig ist, Rookie. Deine zukünftige Position im Orden hängt einzig und allein von deiner Stärke ab. Jeder hier will aufsteigen, und das schafft man nur, indem man kräftig nach unten tritt. Je tiefer du stehst, desto schwerer werden die anderen es dir machen. Glaub mir, ich weiß, wovon ich spreche. Jeder aus der Neunten weiß das, denn wir stehen in der Hackordnung an letzter Stelle.«

Überrascht sah ich zu ihr auf. Registrierte ihr provokant erhobenes Kinn, den gelassenen Blick, mit dem sie die Nephilim an den Geräten ignorierte, den stolzen Gang. »Hast du deshalb behauptet, du hättest mir Tricks beigebracht? Um ... stärker zu wirken?«

»Jap. Ziemlich selbstsüchtig, ich weiß, aber solche Gelegenheiten muss man nun mal beim Schopf packen.«

Ich lächelte schwach. »Schon gut. Sag Bescheid, wenn ich mal wieder jemandem in die Eier treten soll, um ein Statement für die Neunte zu setzen.«

Kadi lächelte zurück. »Jederzeit. Dein beherztes Engagement für die Staffel werde ich belobigend in deiner Akte erwähnen.«

Sie merkte nicht, wie mein Lächeln gefror. »Du hast Zugriff auf meine Akte?«

»Einen Eingeschränkten.« Kadi blieb neben einem roten Boxsack stehen, der an einer Eisenkette von der meterhohen Decke hing. »Da steht weniger drin, als du im Ekur erzählt hast, falls du das wissen willst.«

»Aber es steht trotzdem noch mehr drin.« Ich zog meine Unterlippe zwischen die Zähne. »Informationen, auf die du keinen Zugriff hast.«

»Die also nicht relevant für deine Ausbildung sind und mich deshalb auch nichts angehen.« Kadi drückte sacht meine Schulter. »Mach dir darüber jetzt keinen Kopf. Genieß deinen Sieg. Unseren Sieg. Die Neunte wird hocherfreut sein zu erfahren, dass wir für den nächsten Monat um die Putzkolonne herumkommen. Wir werden ständig für sie eingeteilt, weil wir nun mal Versager sind. Gut genug für niedere Handlangerdienste, Rookie-Einweisungen, und die wenn nötig als Kanonenfutter dienen können.« Ihre schmale Stirn umwölkte sich. »Und wir können wirklich jede zusätzliche freie Zeit gebrauchen, um uns vorzubereiten.«

Ich musste gar nicht erst fragen, worauf sich die Neunte vorbereiten musste: den Krieg mit den Zombiegöttern. »Sie werden euch in die vordersten Reihen stellen, oder?«, fragte ich leise.

Kadis Nasenflügel bebten. »Das wäre strategisch sinnvoll. Uns und die armen Schweine ohne Team. Dich mit Sicherheit ausgenommen«, fügte sie hinzu.

»Dabei bin ich doch so eine spritzige Waffe«, witzelte ich, auch wenn mir alles andere als zum Scherzen zumute war. Am liebsten hätte ich mich in einer Ecke verkrochen und zu einer Kugel zusammengerollt, mit einer schweren weichen Decke über meinem Kopf. Später. Wenn keiner zusah. »Ich mache die Zombiegötter nass und dann fangen sie sich alle eine Lungenentzündung ein und müssen nach Hause gehen.«

Kadi versetzte dem Boxsack einen Stoß, der daraufhin ins Taumeln geriet. »Gute Idee, Rookie. Aber nachdem Theta-1 mehrfach ihre Leben für dich riskiert haben, glaube ich nicht, dass der Primus dich auch nur in die Nähe eines Idrin lässt. Und da er die Theta-Kompanie befehligt ...« Sie zog nachlässig die Schultern hoch. »Lassen wir das. Heute ist dein erster Tag und du hast einen verdammt grandiosen Auftritt dargelegt. Darauf müssen wir aufbauen. Fang schon mal mit ein paar Dehnübungen an, während ich herausfinde, ob ich dir irgendwoher Boxhandschuhe besorgen kann.« Sie sah sich um, als ob besagte Boxhandschuhe plötzlich wie Pilze aus dem Boden schießen würden. »Vielleicht finde ich auch noch ein paar Bandagen. Normalerweise benutzen wir die Dinger nie, weil ...«

»... man auch in der Schlacht keine Boxhandschuhe trägt«, beendete ich mit einem flauen Gefühl im Bauch ihren Satz. »Sollte ich es dann nicht auch ohne versuchen?«

Kadi tippte sich gegen die Stirn. »Mit deinen zerbrechlichen Fingerchen und dem ganzen Metall an deiner Hand? Keine Chance, Rookie.«

»Ich habe gerade einen Typen zu Boden geschickt, der zwei Köpfe größer ist als ich«, sagte ich ungläubig. »Da schien es dir nicht wichtig, ob und inwieweit irgendein Körperteil von mir geschützt war.«

»Ich hatte halt größtes Vertrauen in dich und deine überzeugenden Talente.« Kadi schlang einen Arm um den Boxsack und schmiegte ihre Wange gegen den rauen Stoff. »Außerdem wirst du den hier nicht verführen können, ehe du ihm eine verpasst.« Zwinkernd ließ sie den Boxsack los. »Mach deine Dehnübungen, Rookie, sonst verletzt du dich schon beim ersten Schlag. Ich bin gleich wieder da.«

Halbherzig begann ich mit ein paar Übungen, an die ich mich noch vage aus dem Sportunterricht erinnerte. Es brauchte nicht viel, um meine Sehnen und Bänder bis aufs schmerzhaft Äußerste zu spannen. Vermutlich schaffte ich es nicht einmal mehr, im Stehen meine eigenen Zehen zu berühren. Auf einen Versuch ließ ich es gar nicht erst ankommen. Stattdessen behielt ich weiterhin misstrauisch Jaro im Blick, der mit angewinkelten Beinen auf der anderen Seite des Trainingsbereichs saß. Männer, die von Frauen verprügelt wurden, konnten ihre Niederlage nur selten eingestehen und forderten es geradezu heraus, gleich noch einmal eine verpasst zu kriegen.

Doch Jaro sah nicht so aus, als hätte er große Ambitionen, sich erneut auf mich zu stürzen. Er hatte sich das schwarze Shirt ausgezogen und presste es sich seelenruhig gegen die Nase, um die Blutung zu stillen.

Ich schluckte unwillkürlich. Wie alle Nephilim war sein Körper unerhört muskulös, aber bei ihm wirkten die Muskeln irgendwie ... stählerner. Als hätte er ein paar Jahre mehr Zeit gehabt sie zu trainieren als die beiden Unterwäschemodels, die ihren Ringkampf wieder aufgenommen hatten. Bei dem Anblick der schieren Kraft, die er austrahlte, erschien es mir beinahe unmöglich, dass es ihm nicht gelungen war, mich zu überwältigen und kurzen Prozess mit mir zu machen. Es war reines Glück gewesen, dass er sich von meinem Manöver hatte ablenken lassen, einen kurzen Moment lang sein Hass auf mich von etwas überlagert wurde, das begehrlich in seinen Augen gelodert hatte.

Nun stieß er die Hand zur Seite, die der andere Naphil neben ihm hilfreich ausgestreckt hatte, warf das vollgeblutete Shirt achtlos zur Seite und erhob sich erstaunlich geschmeidig für einen Mann, dessen Eier gerade erst von einem Stiefel zerquetscht worden waren.

Ich hatte ihn unbemerkt im Profil beobachtet, doch sobald er stand, drehte er sich in meine Richtung. So sah ich erst jetzt die armdicke Narbe, die sich quer über seinen definierten Bauch erstreckte. Bei dem grausigen Anblick zogen sich meine eigenen rudimentären Bauchmuskeln schützend zusammen. Das war eine Narbe, die von einer Verletzung herrührte, bei der das ein oder andere Organ mit Sicherheit einen sonnigen Ausflug in die Außenwelt gemacht hatte. Eine für Menschen definitiv tödliche Verletzung.

Mein Blick glitt höher und ich streckte herausfordernd die Schultern durch, als ich sah, dass er mich mindestens ebenso ungeniert anglotzte wie ich ihn.

Seine schwarze Augenbraue verzog sich zu einem spöttischen Bogen, parallel zu seinen Lippen, bis er mir ein zynisches Lächeln über blutverschmierten Zähnen zeigte. Ein wölfisches Grinsen, als hätte er soeben seine Fänge in die Kehle seiner Beute geschlagen. Nicht wie ein Volltrottel, der gerade auf den ältesten Trick der Welt hereingefallen war, sondern wie jemand, der einen Sieg davon getragen hatte.

Ganz offensichtlich hatte Jaro im Sturm nicht nur sein Team, sondern auch sein Urteilsvermögen verloren. Vielleicht hatte er das aber auch schon viel früher eingebüßt. Das würde auch die Narbe erklären, die aussah, als hätte er einen hungrigen Alligator zum Kampf herausgefordert und wenig überraschend haushoch verloren.

Er hob den Arm und winkte mir aus dem Handgelenk heraus zu. Wie nach einem netten kleinen Treffen, das man bald mal wiederholen sollte. Mein Oberarm zuckte. Und noch bevor ich weiter darüber nachdenken konnte, warum mir diese Geste so seltsam vertraut vorkam, wandte Jaro sich ab und mir den Rücken zu.

Scharf sog ich die Luft ein. Hatte die Narbe auf seinem Bauch schon grausig gewirkt, so war sie nichts im Vergleich zu der Verwüstung zwischen seinen breiten Schulterblättern. Helles, wulstiges Narbengewebe hob sich deutlich von der restlichen Haut ab, als hätte jemand mit einem stumpfen Werkzeug versucht, sein Rückgrat über die Hälfte seiner Länge freizulegen, ohne es selbst dabei zu beschädigen.

»Scheiße noch mal, was für eine Sauerei.« Kadi war zurückgekehrt und trat neben mich. An ihrem ausgestreckten Zeigefinger baumelten zwei zusammengebundene braune Boxhandschuhe, die aus dem vorletzten Jahrhundert stammen mussten. »Hab gar nicht gewusst, dass ein Team der Fünften Staffel mal in eine Kampfhandlung verwickelt war.«

»Das rührt von einem Kampf her?«, fragte ich ungläubig und deutete auf Jaros kleinerwerdenden Rücken. »Doch nicht etwa mit einem Zombiegott? Ich dachte, ihr hättet siebenhundert Jahre lang einen Waffenstillstand mit den Idrin gehabt.«

»Ja, aber davon wissen die Idrin nichts, die wir vorher verbuddelt haben.« Kadi strich sich über das kurze Haar an ihrem Hinterkopf. »Ist ganz schön lästig, sobald einer von ihnen seinem Grab entsteigt. Bevor man auch nur die Gelegenheit hat, ihnen etwas von dem Waffenstillstand zwischen uns und den Idrin zu erzählen, versuchen sie schon, einen aufzuschlitzen und auszuweiden. Für sie hat der Krieg schlichtweg nie aufgehört. Genau aus diesem Grund ist auch niemand scharf darauf, die Gräber zu bewachen. Am Ende ist man von oben bis unten in Blut und Federn getränkt. Eine wirklich ätzende Kombination, die man nur schwer wieder abwaschen kann.«

Fassungslos sah ich Jaro nach, der zusammen mit dem anderen Naphil in der Tür zur Umkleidekabine verschwand. Das also passierte, wenn man einem Zombiegott zu nahe kam. Kein Wunder, dass Elion ohne zu zögern bereits auf sie geschossen hatte, als sie noch in der Luft gewesen waren. Wenn es ihnen gelungen wäre, uns nahe zu kommen ...

Jaro hatte einen solchen Kampf mit einem Zombiegott überlebt. Und ich hatte ihm mit einem simplen Tritt zwischen die Beine ausgenockt.

»Was ist jetzt«, riss Kadi mich aus meinen blutigen Gedanken und hielt mir die Handschuhe vor die Nase. Sie rochen penetrant nach ranzigem Fett und altem Leder. »Brauchst du noch etwas Zeit für deine Fleischbeschauung oder können wir loslegen?«

Verärgert schnappte ich mir die Handschuhe und begann, sie auseinanderzubinden. »Wir können loslegen.« Ich brauchte dringend eine Ablenkung. Nicht nur von dem verstörenden Anblick der Narben auf Jaros Körper, sondern auch der Ungewissheit, ob Elion mit ähnlichen Verletzungen zurückkommen würde. Aufgeschlitzt wie Schlachtvieh. Ich fluchte, weil meine zitternden Finger den verfluchten Knoten im Seil erst beim dritten Versuch auseinanderbekamen. Elion war nicht alleine dort draußen. Fünf Teams der Prinzengarde begleiteten ihn und würden schon dafür sorgen, dass er im Vollbesitz seiner Gliedmaße zurückkehrte. Und hoffentlich inklusive aller lebenswichtigen Organe.

Ich zog mir gerade die Boxhandschuhe über, als ich Dalton bemerkte. Zwischen zwei Hantelbanken stehend starrte er auf die Tür zum Umkleideraum. Nachdenklich rieb er sich den glattrasierten Kiefer. Kadi und ich waren offenbar nicht die Einzigen, die von den unübersehbaren Spuren des Idrinkampfes auf Jaros Rücken abgelenkt worden waren. Sobald der Krieg begann, den alle hier für unausweichlich hielten, würden solche Narben wohl ein häufigerer Anblick werden.

Ich rollte mit den Schultern und schlug meine Fäuste in den Handschuhen aneinander, um den Kopf freizukriegen. Meine eigene erste Schlacht hatte ich eben erst erfolgreich gewonnen. Es wurde Zeit, mich auf gefährlichere Gegner vorzubereiten als verstümmelte Invaliden mit John-Wicked-Komplex.

Kadi postierte sich hinter dem Boxsack und umfasste ihn mit beiden Händen. »Na dann zeig mir mal, was in deinen schlaffen Puddingärmchen steckt, Rookie.«

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