»Er wird zurückkommen«, versicherte Simon. Ob er damit mich oder die vollkommen aufgelöste Heilerin beruhigen wollte, blieb unklar. Salma hatte ihren Posten außerhalb des Hauses verlassen und war in die Küche geeilt, als der Bumvee das Grundstück verließ.
»Er hat gesagt, er brauche Ruhe zum Nachdenken, und ... nun ja ...« Fahrig rieb Simon sich den Nacken. Er starrte weiterhin aus dem Fenster, obwohl der Bumvee schon längst nicht mehr zu sehen war. »Keiner von uns ist gut darin, länger als fünf Minuten die Klappe zu halten. Bestimmt fährt er jetzt ein bisschen in der Gegend herum und überlegt sich, wie es weitergehen soll.«
»Oder er fährt weit genug, um den Orden kontaktieren zu können, ohne unsere Position dabei preiszugeben«, hielt Lay schonungslos dagegen. Salma wankte und Simon griff hastig nach ihrem Arm, um sie zu stützen. Lay registrierte nicht, wie sehr ihre Worte Salma erschütterten, und fuhr fort: »Elion bleibt kaum etwas anderes übrig, nachdem Marika ihm dargelegt hat, dass er morgen früh mit einer Befehlsverweigerung seitens Simon rechnen muss und Marika sich auf dessen Seite schlagen wird. Er will jetzt schlichtweg sichergehen, keine unangenehmen Überraschungen erleben zu müssen.«
Meine Finger waren so fest ineinander verschlungen, dass die verbrannte Haut unter dem Verband Schmerzwellen bis zu meinem Ellenbogen ausstrahlte. Das hysterische Lachen war einem unregelmäßigen Glucksen gewichen. Vermutlich ließ mich das noch durchgeknallter wirken. Niemand fragte mich, was ich an der Situation so komisch fand. Sie hatten sich wohl damit abgefunden, dass ich nicht alle beisammen hatte. Wahrscheinlich vertrauten sie dabei auch auf die Samadu, die mich in Zaum halten würde, sollte ich endgültig durchdrehen.
»Und dann lässt er uns einfach zurück?« Simon führte Salma zu einem Stuhl und bedeutete ihr, sich zu setzen. »Ohne Aussicht, von hier wegzukommen?« Beruhigend legte er Salma eine Hand auf ihre zuckende Schulter. »Elion wird zurückkommen, darauf verwette ich meine Erstausgabe von Dantes Inferno.«
»Du kannst nicht etwas verwetten, das dir nicht gehört«, belehrte Lay ihn. »Die Erstausgabe gehört dem Orden. Alles gehört dem Orden, während der Einzelne nichts besitzt.« Es klang, als rezitierte sie die Hausregeln einer Studentenverbindung.
»So lange die Ausgabe in meiner Sockenschublade liegt und niemand sie findet, gehört sie sehr wohl mir!«, beharrte Simon stur. »Und sie wird mir morgen auch noch gehören, weil ich die Wette gewinnen werde! Weiß der Teufel, was Elion geritten hat, doch mit Sicherheit ist er nicht abgehauen!«
Und damit begann das Warten darauf, wer von beiden Recht behalten sollte. Die ersten Risse im Team zeigten sich schneller, als ich befürchtet hatte.
Lay wollte Salma, die still und unentwegt weinte, zurück auf ihren Posten schicken.
»Lass sie in Ruhe«, grollte Simon und zog sein ascheverschmiertes schwarzes Tuch über die Nase. »Ich übernehme ihre Wache. Wie wär's, Marika«, wandte er sich an mich, ohne mir dabei in die Augen zu sehen, »willst du mir dabei nicht Gesellschaft leisten? Etwas Bewegung könnte deinen ... nun, angespannten Nerven guttun.«
»Das Mädchen verlässt nicht das Haus!«, kam Lay meiner Antwort zuvor. »Und schon gar nicht mit dir zusammen. Ab sofort verbiete ich es euch beiden, konspirativ die Köpfe zusammenzustecken und dabei eine Meuterei auszuhecken!«
Simon salutierte so nachlässig, dass es einer Beleidigung gleichkam. Lay bemerkte es nicht. »Aye, aye, Kommandantin Lay.« Ein letztes Mal drückte er Salmas Schulter, dann verließ er das Haus.
Ich wischte mir eine Träne aus den Augenwinkeln. »Was hast du vor, wenn Elion nicht wiederkommt?«
Lay griff nach einem neuen Teller, füllte ihn mit Ravioli und stellte ihn vor Salma, die leise schluchzend den Kopf schüttelte. »Dafür sorgen, dass du nicht weiter einen Keil in mein Team treibst«, sagte sie. »Dazu gehört, dir keine sensiblen Informationen über unser weiteres Vorgehen anzuvertrauen. Elion war zu nachsichtig mit dir, und als Dank dafür hast du ihn in die Enge getrieben.«
Ich prustete los. Nachsichtig war nicht gerade das Wort, mit dem ich Elions Umgang mit mir beschrieben hätte.
Lays Miene umwölkte sich. »Ich weiß nicht, was daran so witzig sein soll.«
»Ich auch nicht«, kicherte ich und kniff die Augen zusammen, als mein Blick erneut verschwamm. Wie hätte ich auch erklären sollen, dass der größte Witz in diesem Raum ich selbst war? Ich hatte versucht, die Kontrolle über die Geschehnisse zu gewinnen, und hatte damit nicht nur mich, sondern alle Beteiligten ins Chaos gestürzt. Es wäre tragisch gewesen, wenn es nicht gleichzeitig so verdammt vorhersehbar gewesen wäre. Der Kern meins Daseins bestand aus Scheitern. Er zeigte sich in den ganz einfachen Dingen des Lebens wie die Unfähigkeit, mir für den nächsten Morgen einen Wecker zu stellen, aufzustehen und etwas Sinnvolles mit dem Tag anzufangen, und endete bei komplexeren Zusammenhängen wie etwa der Überlegung, was ich mit meinem verkorksten Leben anfangen wollte. Sobald ich versuchte, diesem Leben einen Weg zu weisen, zeigte es mir einen Vogel und schlug mir ins Gesicht, bis ich zu benommen war, um den Weg überhaupt zu finden.
Also tat ich, was ich in solchen Momenten immer tat: Mich zurücklehnen und so zu tun, als ginge mich mein eigenes Leben nichts an. Geschweige denn die Menschen, die in ihm auftauchten und wieder verschwanden, weil sie die Nase voll von mir hatten – oder mich umbringen wollten.
Nur fiel es mir diesmal schwerer als sonst. Mein Blick glitt immer wieder zum Fenster und ich lauschte angespannt auf jedes Geräusch von draußen. Es war ja nun nicht gerade so, als hätte ich Elion nicht hatte loswerden wollen. Aber nicht so. Nicht nachdem er mir das Leben gerettet und dabei sowohl seinen Vater, als auch seinen besten Freund verloren hatte. Ich hatte mich noch nicht einmal dafür bedankt, dass er mich aus der Gewalt der Mithrae befreit hatte. Und obwohl ich mich nach Kräften bemühte, nicht zu tief in mich hineinzuhorchen, spürte ich dennoch die nagenden Zähne eines schlechten Gewissens.
»Ich wette dreißigtausend Euro, dass Elion zurückkommt«, platzte es aus mir heraus. Ich wusste selbst nicht, mit wem ich die Wette eigentlich einging. Womöglich mit mir selbst.
Lay setzte sich an den Küchentisch, legte die Unterarme auf die Platte und musterte mich abschätzig. »Für dich gilt dasselbe wie für Simon: Man kann nicht um etwas wetten, das man nicht besitzt.«
Ich kratzte mit meinem Daumennagel an der Tischkante. »Dann gilt ebenso, dass alles mir gehört, was in meiner Sockenschublade liegt, so lange es niemand findet.«
»Nur ist Simons Sockenschublade im Gegensatz zu deiner wenigstens real, also spar dir deine sinnlose Wette.« Lay beugte sich vor und drehte das Radio lauter.
Taylor Swift jauchzte fröhlich Shake it off.
Ich hätte sie gerne angebrüllt, dass es dafür schon lange zu spät war.
*******
Der graue Himmel hinter den Fenstern färbte sich erst schmutzigrot, dann schiefergrau und schließlich leblosschwarz. Die Zeit kroch davon und kein Auto näherte sich Delta-Drei. Ich zog meine Knie an die Brust und atmete möglichst flach, um den muffigen Geruch der Matratze nicht zu tief zu inhalieren. Ich stellte mir unsichtbare Schimmelsporen vor, die sich bei jeder meiner Bewegungen in die Luft absetzten. Sie krochen durch meine Nase und machten es sich dann in meiner Lunge gemütlich, ehe sie sich durch das Gewebe fraßen und mich von innen heraus in eine faulige Masse verwandelten.
Eigentlich gar keine schlechte Idee.
In einem Anflug verleugnender Selbstzerstörung atmete ich beim nächsten Luftzug tief ein, bis ich ein Brennen in den Spitzen meiner Lungenflügel spürte. Vielleicht taten die Schimmelsporen mir den Gefallen und zersetzen das Monstrum in mir gleich mit.
Ich hatte es mit dem Atemzug übertrieben und hustete trocken. Neben mir regte sich Salma. Ich presste die Lippen aufeinander und hustete mit geschlossenem Mund, um sie nicht zu wecken. Lay hatte es mir verboten, alleine zu sein; oder vielmehr hatte sie Salma befohlen, mich nicht alleine zu lassen, denn mir war Lays neue Position und Machtbefugnis innerhalb ihres schrumpfenden Teams herzlich egal.
Salma hingegen nicht. Mit Mühe und tausend Versprechungen hatte ich sie gerade noch davon abhalten können, mir aufs Klo zu folgen. Schon nach weniger als einer Minute hatte sie an die Badtür geklopft und mich angefleht, mich zu beeilen, bevor Lay von der Sache Wind bekam.
Danach hatte ich versucht, mir die Zeit in der Bibliothek totzuschlagen. Ich musste hunderte von ihnen aus den Regalreihen gezogen und aufgeschlagen haben, ehe ich einsah, dass alle in der mir unbekannten Schrift verfasst waren.
»Wir verwenden ausschließlich Keilschrift und eine frühe Form der sumerischen Sprache, wenn wir etwas niederschreiben«, hatte Salma meine Befürchtung bestätigt. »Kein Sterblicher kann diese Schrift entziffern, so bleibt unser Wissen geheim. Es wäre viel zu gefährlich, wenn sie sich wieder an die Idrin erinnern und womöglich beginnen, sie erneut anzubeten.« Salma hatte leise gesprochen, und unter jedem zittrigen Wort hatte ich ihren Kummer heraushören können. Er war mir unerträglich.
Schließlich hatte Salma gefragt, ob ich nicht müde sei. Ich hatte bereits mit dem Kopf schütteln wollen, als ich die dunklen Schatten unter ihren verquollenen Augen gesehen hatte. Sie würde selbst erst schlafen, sobald ich mich hinlegte. Also war ich ins Obergeschoss gegangen, hatte willkürlich eines der vier Schlafzimmer ausgewählt und das staubige Laken so schwungvoll vom King-Size-Bett gezogen, dass Salma und ich so lange niesen mussten, bis selbst mich die Erschöpfung gepackt hatte.
Nur reichte Erschöpfung bei mir nicht aus, um Schlaf zu finden. Lange hatte ich Salma dabei zugehört, wie sie lautlos in ihr Kissen weinte. Sie trauerte bereits jetzt um Elion wie um einen Toten. Ich fragte mich, ob zwischen ihr und Elion etwas gelaufen war, doch irgendwie wollte das Bild nicht passen. Elion wirkte zu professionell, als dass er etwas mit einem Teammitglied angefangen hätte. Never fuck the company. Abgesehen davon war er ein unsensibler Kotzbrocken, und widerwillig sprach ich ihm ausreichend Anstand zu, nicht ausgerechnet etwas mit Salma anzufangen, die wirkte, als bräuchte sie einen einfühlsameren Typen als Kommandant Grumpy. Oder war er doch die Sorte Mann, dem solch emotionale Kleinigkeiten egal waren und der sich nahm, was er wollte, ohne Rücksicht auf andere?
Bevor ich meiner Neugierde nachgehen und Salma fragen konnte, war ihr stockender Atem gleichmäßiger geworden.
Während Salma schlief, versuchte ich, nicht durchzudrehen. Sobald ich die Augen schloss, sah ich das Gesicht der grauhaarigen Frau, die durch die Windschutzscheibe ihres Autos gekracht war und im Tod gen Himmel geblickt hatte. Elion, seine leuchtende Hand auf Arveds reglosen Brustkorb gelegt. Den kleinen Jungen, der vor meinen Augen ertrunken war, weil ich eine beschissene Centmünze verloren hatte.
Vor Kälte zitternd zog ich die Knie noch weiter an meinen Körper, bis ich glaubte, mein Rückgrat müsse jeden Moment wie eine überspannte Feder aus meiner Haut schnellen und klappernd an der Wand hinter mir zerschellen.
Diesen Moment hatte ich mehr als alles andere gefürchtet: Alleine zu sein, ohne das Hintergrundrauschen willkommener Ablenkungen, und sei es auch nur ein kindischer Streit mit Lay. Erinnerungen waren Arschlöcher, die sich am liebsten dann aufdrängten, wenn man alleine mit sich selbst war.
Während meiner Gefangenschaft hatte ich sie vertrieben, indem ich stundenlang bis zur körperlichen Erschöpfung in meiner Zelle auf und ab gegangen war. Danach hatte ich die Kacheln an den Wänden gezählt und mich, kurz bevor ich drohte, damit zu einem Ende zu kommen, mit Absicht verzählt und von vorne begonnen.
Bei schönem Wetter hatte ich mich an das vergitterte Fenster gestellt und hinaus auf den Hof gesehen, wo die anderen Insassen mit schlurfenden Schritten ihre Runden gedreht hatten. Jedem von ihnen hatte ich einen bescheuerten Namen gegeben: Gundula, Wolfbert, Schinkenkopf.
Dann hatte ich mir Geschichten über ihr Leben ausgedacht und wie sie hier hergekommen waren: Gundula hatte sich im Supermark ein lebendiges Huhn auf ihren Kopf gesetzt, verlautet, die Königin der Vögel zu sein und alle Eier im Laden für sich beansprucht. Einer Kassiererin, die sie rausschmeißen wollte, hatte sie das panisch gackernde Huhn in den Rachen gestopft, bis die Kassiererin daran erstickt war. Das Huhn hingegen hatte überlebt.
Wolfbert wiederum war Wirtschaftsprofessor an einer renommierten Universität gewesen und hatte seinen Studierenden beigebracht, der Kapitalismus sei gescheitert und ein neues Wirtschaftssystem müsse entwickelt werden, um die stetig wachsende Kluft zwischen Arm und Reich endgültig und nachhaltig zu schließen. In meiner Vorstellung hatte der Verfassungsschutz ihn noch im Hörsaal verhaftet und ohne Umwege hergebracht.
Und Schinkenkopf war schlicht und ergreifend ein Kannibale gewesen, der nur aufgeflogen war, weil er versucht hatte, seinen eigenen Kopf in der Fritteuse zu braten, um ihn – schön knusprig frittiert – selbst essen zu können. Diese Vorstellung lag nahe, denn Schinkenkopfs Kopf war bis auf die untersten Hautschichten verbrannt gewesen, haarlos und von dunklen Flechten übersät.
Ich riss panisch die Augen auf. Es ging los: Die Erinnerungen griffen immer weiter nach mir und zogen mich stückchenweise in der linearen Kette der Ereignisse zurück. Bald würden sie in der Januarnacht vor mehr als einem Jahr ankommen und mir Evelin und Robert zeigen, und dann war es nur noch eine Frage der Zeit, bis sie am Anfang von allem angelangte.
»Verschwindet«, murmelte ich und schlug mir mit der Faust sacht gegen die Stirn. »Keiner braucht euch.« Stattdessen richtete ich meine Gedanken auf die nahe Zukunft aus – auf eine ohne Elion, der mich beschützen würde. Mit Lay als Kommandantin sah diese Zukunft nicht rosig aus. Ohne sie zwar auch nicht, aber sobald ich wieder auf mich allein gestellt sein würde, wäre ich für die Farbschattierungen meines Lebens wenigstens selbst verantwortlich.
Berlin war weiterhin das Ziel meiner Planung, auch wenn dort Zombiegötter und Mithrae auf mich warteten. Die Stadt war groß genug, um sich bedeckt zu halten, und ich würde dort nur so lange bleiben wie notwendig. Unter einigen losen Dielen eines halb verfallenen Lagerhauses lag seit zwei Jahren ein Treckingrucksack, darin Kleidung, eine Herzchensonnenbrille, ein gefälschter Reiseausweis sowie ein Reiseführer über Peru, alles wasserdicht in Gefrierbeuteln verpackt. Und in einem schwarzen Beutel die dreißigtausend Euro, die ich Norbert gestohlen hatte. Oder vielmehr ein halbes Kilo verschnittenen Koks, das ich innerhalb von weniger als vierundzwanzig Stunden in bedrucktes Papier mit erheblichem Wert verwandelt hatte. Die Energie sowie den Mut, die für diesen Coup notwendig gewesen waren, hatte ich von dem gestohlenen Päckchen geschnorrt und durch die Nase gezogen, bis ich mich wie die Königin der Welt gefühlt hatte und nicht wie eine Zwischendealerin, die bescheuert genug gewesen war, ihren Boss abzuziehen. Es war ein angemessenes Gefühl gewesen, denn den meisten Stoff war ich im Regierungsviertel losgeworden, wo sich die Tütchen so spielend leicht verkauften wie ... nun ja, wie Koks.
Auch damals hatte ich einen Plan gehabt. Dieser Plan umfasste den Treckingrucksack, einen One-Way-Flug Richtung Lima und die vage Vorstellung einer Alpaka-Zucht.
Auch damals hatte ich nicht zu weit in die Zukunft geplant, und vielleicht war das der Fehler gewesen. Mit einem konkreteren Plan hätte ich mich nicht von Robert und Evelin überzeugen lassen, es doch noch mal mit einem gewöhnlichen Leben zu versuchen. Eigentlich hatte ich mich nur von ihnen verabschieden wollen – den einzigen Menschen, die mich nicht hatten fallen lassen. Na schön, ein Jahr später hatte Robert meinen Kopf in die Wanne getaucht, bis ich Wasser einatmete, aber bis dahin hatte ich die beiden für wirklich, wirklich nette Leute gehalten, die mir einfach nur eine Chance hatten geben wollen.
Erneut schlug ich mir gegen die Stirn, um die Erinnerungen zu vertreiben. Sie waren geschickt darin, sich anzuschleichen, selbst wenn man über die Zukunft nachdenken wollte. Ich fokussierte meine Gedanken auf den Treckingrucksack. Ich würde ihn nicht sofort holen, sondern die Gegend vorher beobachten müssen. Zwei Jahre waren eine lange Zeit, aber Norbert war auch jemand mit einem langen Groll. Niemand wusste von diesem Versteck, aber dumme Zufälle gab es immer wieder, und sobald Norbert eins und eins zusammenzählte, würde er sich nicht damit begnügen, das Geld zu nehmen und die Sache auf sich beruhen lassen.
Sobald ich sicher sein konnte, dass die Luft rein war, würde ich mir den Rucksack schnappen und mich im Dachstuhl einer Kirche auf der anderen Seite der Stadt verstecken, bis die Luft rein war. Buchstäblich, denn bei dem Ascheregen würde wohl kaum ein Flugzeug starten.
Angestrengt nachdenkend kaute ich auf der Haut an meinem Daumennagel herum. Mit der Samadu an der Hand konnte es schwierig werden, durch die Sicherheitsschleuse am Flughafen zu gelangen. Ich konnte behaupten, es sei etwas Medizinisches und es bestünde akute Lebensgefahr, sobald ich es ablegte. Das war dicht genug an der Wahrheit dran, um es glaubhaft zu verkaufen – auch wenn sich die akute Lebensgefahr auf die Menschen um mich herum bezog und nicht mich selbst. Bei dem Gedanken lächelte ich finster.
Die Idee mit der Alpaka-Farm verwarf ich. Robert hatte recht gehabt: Solch ein Unternehmen war risikobehaftet, fraß meine Ersparnisse, wie er sie genannt hatte, und am Ende stand ich ohne Geld in einem fremden Land da und würde in alte Muster verfallen. Mach eine Ausbildung, hatte er vorgeschlagen. Etwas Handfestes, womit du dir ein Einkommen sicherst.
Wir helfen dir dabei, hatte Evelin versichert. Alles, was du dafür brauchst, ist ein Schulabschluss. Du bist klug genug, um ihn innerhalb eines Jahres nachzuholen, und dann kannst du immer noch nach Peru.
Ich war nicht klug genug gewesen, die Falle zu riechen, in die Evelin und Robert mich damals locken wollten.
Widerwillig knurrte ich. Warum krochen meine Gedanken ständig rückwärts statt vorwärts? Der Mord an Robert und Evelin hatten mich nicht nur meine Freiheit, sondern auch meinen Abschluss gekostet. Das letzte Zeugnis, das mir ausgehändigt worden war, stammte aus der achten Klasse. Ich wusste nicht einmal, wo es war. Vermutlich in der Jugendeinrichtung verbrannt, als die Feuerwehrleute vergeblich versucht hatten, sie zu löschen. Ich erinnerte mich an den Rauchgeruch, der sich mit dem Gestank meiner angesengten Haare vermischt hatte.
Ruckartig richtete ich mich auf und rieb mir fest übers Gesicht. Es war zwecklos: Die Stille in diesem Raum brachte zu viele Erinnerungen und mich um den Verstand.
So leise wie möglich, um Salma nicht zu wecken, raffte ich die kratzige Baumwolldecke zusammen, die aus einer der Kisten im Esszimmer stammte. Im Salon hatte ich letzte Nacht schlafen können, eingelullt vom Gelaber aus dem Radio zwei Zimmer weiter. Ich würde Lay Bescheid geben, dass ich auf der Couch schlafen würde, damit Salma keinen Ärger bekam. Es gab keinen Grund, die Heilerin zu wecken und sie aus dem Bett zu vertreiben, nur weil Lay mich für gemeingefährlich hielt.
Ich hatte gerade meine nackten Füße auf den Dielenboden gestellt, als ein leises Klackern am Fenster ertönte.
Angespannt hielt ich den Atem an und lauschte. Die schweren braunen Vorhänge waren nur zur Hälfte geschlossen. Dahinter erstreckte sich die Dunkelheit der Nacht.
Wieder klackerte es, als werfe jemand kleine Steinchen gegen das Fenster. Da ich nicht davon ausging, Zombieengel würden sich auf solch diskrete Art und Weise bemerkbar machen, wickelte ich die Decke um mich, stand auf und trat ans Fenster.
Direkt unter mir musste sich die Bibliothek befinden. Dort waren die Vorhänge geschlossen, sodass kein Lichtschein nach draußen drang. Doch auf der zentimeterdicken Ascheschicht, die sich bis zum Horizont wie eine Schneedecke unter dem undurchdringlichen Nachthimmel erstreckte, war die Welt eine Ansammlung deutlich sichtbarer schwarzer Schatten, hinter denen sich Bäume und Sträucher verbargen.
Der Schatten, der unter dem Fenster stand, war weder Baum noch Strauch, auch wenn er ebenso reglos war. Hätte ich nicht gewusst, dass ein Halbgott dort draußen Wache hielt, hätte ich vermutlich vor Schreck einen Herzinfarkt erlitten. So war es nicht schwer, die breiten Schultern Simon zuzuordnen. In der Dunkelheit wirkte seine Gestalt noch größer, eine optische Täuschung durch den Mangel an Farben und Texturen, wie ich annahm.
Er hob den Arm und winkte.
Zögernd winkte ich zurück. Für ihn musste ich ebenso ein schwarzer Schatten sein wie er für mich. Erkannte er mich oder hielt er mich für Salma? Ich hob deutlich sichtbar meinen Mittelfinger, um eine Verwechslung auszuschließen.
Langsam senkte Simon den Arm. Dann schrumpfte seine Gestalt jäh, nur um sich gleich darauf wieder zu strecken. Er hatte eine Verbeugung gemacht.
Ein Grinsen zupfte an meinen Mundwinkeln. Ich mochte Simon.
Erneut hob er den Arm und machte mit ihm eine Bewegung, die unschwer als Aufforderung zu deuten war, zu ihm nach unten zu kommen.
Rasch warf ich einen Blick über meine Schulter. Salmas helles Gesicht war mir zugewandt, doch ich war mir sicher, dass ihre Augen geschlossen waren. Sie schlief, und ich hoffte, ohne Albträume. Ich wandte mich wieder dem Fenster zu.
Simon wiederholte die Bewegung. Er musste lang genug gewartet haben, bis er davon ausgehen konnte, dass Salma schlief, um dann Steinchen ans Fenster zu werfen und auf sich aufmerksam zu machen. Nur so konnte er sichergehen, dass Lay nichts mitbekam. Vermutlich hatte er längst einen Plan ausgeheckt, wie er ihr Kommando sabotieren konnte, und wollte mich einweihen.
Langsam und grotesk übertrieben schüttelte ich den Kopf, damit er meine Antwort sehen konnte. Es war eine Sache, die Nacht auf der Couch zu verbringen statt direkt an Salmas Seite in einem muffigen Bett. Lay würde kaum etwas dagegen haben, so lange sie selbst ein Auge auf mich werfen konnte. Doch sich für ein konspiratives Treffen mit Simon hinaus zu schleichen war eine andere Nummer. Dass Lay Simon und mir die Hölle heißmachen würde, sobald sie etwas davon mitbekam, war mir beinahe egal. Aber zusehen zu müssen, wie Lay Salma zur Schnecke machte, weil diese nicht auf mich aufgepasst hatte, grenzte an Grausamkeit. Salma war so sehr darauf bedacht, es allen recht zu machen, dass ihr vermutlich nicht einmal auffiel, dass niemand versuchte, es ihr recht zu machen. Ich fragte mich, ob sie deshalb ein ganzes Stück kleiner war als die anderen Nephilim ihres Teams, weil sie in der Hackordnung ganz hinten stand und sich ständig kleinmachen musste.
Simon wiederholte die Armbewegung, diesmal energischer.
Genauso energisch schüttelte ich erneut den Kopf. Elions Verschwinden hatte Salma schwer getroffen. Ich würde nicht der Grund für einen weiteren Schlag gegen sie sein. Wenn Simon und ich Lay einen Strich durch die Rechnung machen wollten, dann ohne die Heilerin da mit reinzuziehen.
Ich legte meine Finger zusammen und fuhr mit ihnen über das Fensterglas, als würde ich etwas aufschreiben. Wenn Simon mir ein Geheimnis mitteilen wollte, dann auf die klassische Art: mit Zettelchen und kurzen Botschaften. Sollte Lay etwas davon mitbekommen, war Salma wenigstens aus dem Schussfeld. Blieb nur zu hoffen, dass Simon nicht auf die grandiose Idee kam, in sumerischen Krähenfüßen zu schreiben.
Seine Gestalt wurde massiger, als er die Hände in die Hosentaschen schob. Er schien nachzudenken. Dann nickte er.
Ich reckte meinen Daumen seitlich von mir in die Höhe, damit er ihn gut erkennen konnte. Simon sollte wissen, dass ich prinzipiell auf seiner Seite stand. Vielleicht hatte er sogar eine Idee, wie Elions Todesurteil abgewendet werden konnte – immerhin hatte ich ihm dafür mit der Geschichte von Gruberts Notizbuch eine gute Vorlage geliefert.
Ich sah, wie er mit den Schultern rollte, ehe er zur Frontseite des Hauses sah, sich dann abwandte und davon schlenderte.
Verwundert runzelte ich die Stirn. Simon schlenderte nicht. Bisher hatte jeder seine Schritte ausgesehen, als berechnete er dabei die maximale Effizienz für seinen Muskelaufbau. Vermutlich hatte er sich eine seiner Spezialzigaretten gegönnt. Kein Wunder in Anbetracht der Umstände. Ich war ein kleines bisschen neidisch.
Salma schnarchte leise, als ich mich aus dem Zimmer schlich. Kaum hatte ich einen Fuß auf die Treppe gesetzt, streckte Lay den Kopf aus dem Durchgang zum Esszimmer.
»Wo willst du hin?«, fragte sie schneidend.
»Nach Lima«, antwortete ich unbeschwert. »Ich dachte, ich spaziere hinaus in die postapokalyptische Welt, gehe die Straße entlang, bis mir ein Auto entgegenkommt und fahre per Anhalter zum nächsten Flughafen.«
Lay trat in den Flur. Eine Hand lag auf der Pistole an ihrer Hüfte. »Das wirst du nicht tun!«
Ich unterdrückte mit Mühe ein Augenrollen. »Natürlich nicht, das wäre ja total bescheuert. Nein, in Wirklichkeit will ich auf die Couch umziehen. Ich kann nicht einschlafen, wenn Salma so laut schnarcht.«
Lays Hand entspannte sich. »Du hast wieder versucht, witzig zu sein.« Keine Frage, sondern eine Feststellung.
Ich stieg die Treppe hinab. »Ich wollte nur sehen, ob du tatsächlich so humorbefreit bist, wie es scheint.«
»Ich habe Humor.« Lay folgte mir in den Salon, als wollte sie sich überzeugen, dass ich wirklich nur den Schlafplatz wechselte und nicht versuchte, abzuhauen.
»Echt?« Ich griff nach einem Samtkissen, lehnte es an die Couchlehne und legte mich hin. Durchgesessene Federn drückten gegen meinen Rücken. »Wann hast du das letzte Mal gelacht?«
»Vor siebenunddreißig Tagen«, erwiderte Lay sofort.
»Ach.« Elions Geruch nach Sonnenschein und Wiese haftete noch im Stoffbezug der Couch und ließ mein Herz schwer werden. »Zu welcher Gelegenheit?«
»Arved hat einen Witz erzählt.«
Erwartungsvoll hob ich die Augenbrauen.
»Du willst ihn hören?«
»Unbedingt«, beteuerte ich. »Dann hätte ich auch endlich mal wieder einen Grund zum Lachen.«
»Gut. Was schenkt ein Mathematiker seiner Frau zum Geburtstag?«
»Einen Taschenrechner?«, riet ich ins Blaue.
»Nein, sondern einen Polynomring, verpackt in einer Intervallschachtelung.«
Die Pointe hatte ich offensichtlich verpasst. Lays Wangen zuckten und die Winkel ihrer schmalen Lippen kräuselten sich. Dieser Anflug ungezügelter Heiterkeit verschwand so schnell, wie er gekommen war. »Ich werde Arved vermissen. Sobald ich Zeit dafür habe«, fügte sie hinzu und streckte sich. Dann hatte sie sich wieder im Griff. »Wenn du versuchst, abzuhauen, kette ich dich im Keller an eines der Regale.«
»Das wäre sehr vernünftig«, bestätigte ich nachsichtig. Es irritierte mich, nicht nur so etwas wie Humor, sondern gleich darauf auch Trauer an Lay zu entdecken und beschloss, geduldiger mit ihr zu sein, so wie Elion es von mir gefordert hatte. Nur weil sie sich meistens wie ein Roboter verhielt, bedeutete das nicht, dass sie einer war. Sie versuchte ihr Bestes – und so wie ich scheiterte sie immer wieder an sich selbst. Lay war genug gestraft, auch wenn es ihr vielleicht nicht bewusst war.
Die Seherin sah zur Haustür, dann wieder auf mich. »Es ist nicht deine Schuld, dass er gegangen ist«, stieß sie unwillig hervor.
Ich musste nicht fragen, wen sie meinte. »Aber ich habe ihn auch nicht daran hindern können.«
»Das kann niemand.« Lay fuhr sich mit dem Zeigefinger über ihre fast weiße Augenbraue. »Er ist jetzt der Primus, der Erste im Orden. Seinem Befehl müssen sich alle unterordnen.«
Ich stützte mich auf meine Ellenbogen und richtete mich auf. »Alle?«
»Das habe ich doch gerade gesagt«, erwiderte Lay verwirrt. »Hast du ein Problem mit den Ohren? Soll Salma sich darum kümmern?«
Nachsichtig sein, erinnerte ich mich selbst an meine guten Vorsätze. Sie kann nichts dafür. »Danke, aber mit meinen Ohren ist alles bestens. Wenn du sagst, alle müssten sich seinem Befehl unterordnen, meinst du dich, Simon und Salma, richtig?«
»Falsch. Ich meine mich, Simon, Salma und alle anderen Nephilim unseres Ordens. Deshalb sagte ich alle statt wir.«
Lay machte es mir aber auch wirklich nicht einfach. Es brauchte eine Menge Willenskraft, um bei ihrer stoischen Besserwisserei gelassen zu bleiben. »Wenn alle seinem Befehl Folge leisten müssen, warum hebt er dann nicht einfach das Urteil gegen sich auf?«
»Weil er dann nicht der Primus wäre, sondern ein Despot, der unsere Gesetze nicht achtet. Die Macht eines Primus' muss begrenzt werden, und dies geschieht durch den Ältestenrat. Ein Primus ordnet sich seiner Entscheidung unter.«
»Aber er muss nicht«, hakte ich nach.
»Doch, so will es das Gesetz.«
Ich atmete tief aus. »Aber jetzt mal rein theoretisch: Elion könnte sich über diesen Ältestenrat hinwegsetzen, sagen wir, wenn es um sein eigenes Überleben geht.«
Lay spitzte die Lippen. Sie verstand, worauf ich hinauswollte. »Theoretisch, ja.«
»Aber solch einen Befehl würde Elion natürlich nie geben, weil er ein braver kleiner Soldat ist«, zitierte ich Simon. Ich schloss die Augen und lehnte mich zurück. Statt des Kissens traf mein Hinterkopf dumpf auf die hölzerne Couchlehne. Und außerdem ist er ein Riesenidiot, fügte ich still in Gedanken hinzu.
»Ich bin nicht genau darüber informiert, wie der Geschichtsunterricht bei euch Sterblichen aussieht«, belehrte mich Lay, »aber wir Nephilim wissen, was passiert, wenn alle Macht in den Händen eines Einzelnen liegt, und hat er noch so gute Absichten. Der Ältestenrat besteht seit fünftausend Jahren, und genauso lange hat sich jeder Primus ihm untergeordnet. Zerschlägt Elion die Macht des Ältestenrats, zerfällt der Orden in Chaos. Man würde versuchen, ihn zu stürzen, während er gleichzeitig befehlen kann, dass wir auf unsere eigenen Brüder und Schwestern losgehen, die sich gegen ihn auflehnen. Er hätte nichts gewonnen, außer einem geschwächten Orden, der den Idrin nichts mehr entgegenzusetzen hätte.«
»Und was bringt es dann, ein Primus zu sein?«, fragte ich frustriert.
»Verantwortung«, sagte Lay schlicht.
Sie überließ es mir, über die Bedeutung des Wortes selbst nachzudenken, als sie mir etwas steif eine gute Nacht wünschte und zurück in die Küche ging.
Ich hatte nur eine blasse Ahnung, was Lay gemeint haben könnte. Verantwortung war kein Wort, das in meinem Leben allzu häufig aufgetaucht war. Weder hatte man sie mir übertragen, noch hatte ich jemals darum gebeten. Das einzige Mal, als ich mich daran versucht hatte, war eine Kröte namens Herbert daran krepiert. Danach hatte ich dankend darauf verzichtet, in irgendeiner Weise für jemanden Verantwortung übernehmen zu wollen.
Die Couch knarzte gefährlich, als ich mich auf die Seite drehte und meine linke Hand betrachtete. Die Samadu zeichnete sich deutlich unter dem Verband ab. Ein Spritzer Tomatensauce zierte ihn.
Elion war in dem Moment Primus geworden, als Nabor starb. Alle Verantwortung, die dieser als vorheriger Primus getragen, waren mit seinem Tod nicht nur schlagartig auf seinen Sohn übergangen – mich hatte es noch als Zugabe obendrauf gegeben, eine unkalkulierbare Bedrohung. Ich dachte daran, wie erleichtert er gewirkt hatte, sobald Simon die Samadu um meine Hand gelegt hatte.
Ich rutschte etwas tiefer, bis mein Kopf nicht mehr so unangenehm gegen die Couchlehne drückte. Elion konnte nicht viel älter sein als ich, höchstens Mitte zwanzig. Obwohl ich keine Ahnung hatte, was es bedeutete, Verantwortung für andere zu übernehmen, erschien er mir zu jung, sie auf seinen Schultern tragen zu müssen: Nicht nur für sein Team, sondern für einen Orden, dessen Aufgabe es war, die Menschheit vor Zombiegöttern zu beschützen. Und nebenbei musste er aufpassen, dass ich keine unschuldigen Leute ertränkte.
Widerwillig musste ich zugeben, so etwas wie Verständnis für Elions unausstehliche Art zu entwickeln. Er hatte versucht, alles in den Griff zu bekommen. Dank mir war er von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen.
Während die letzten Spuren seines warmen Geruchs mich in einen trägen Dämmerzustand versetzten, fragte ich mich, ob Elion und ich nicht doch mehr gemeinsam hatten, als es den Anschein erweckte.
Hätte man mir solch eine Verantwortung aufgebürdet, hätte ich fluchtartig das Weite gesucht. Ob ich hingegen den Mut gefunden hätte, meine Flucht in einem Todesurteil enden zu lassen, bezweifelte ich. Aber ein aussichtsloser Fall wie ich bedurfte womöglich aussichtsloser Entscheidungen.
Ich drückte meine Nase tiefer ins Polster und atmete ein. Beinahe glaubte ich, Sonnenstrahlen kitzelten meine Nasenspitze. Bitte sei nicht so ein Riesenidiot wie ich, dachte ich noch. Bevor ich endgültig einschlief, ahnte ich am Rande meines trüben Bewusstseins, wie egoistisch dieser Gedanke im Grunde war: Statt selbst die Verantwortung zu übernehmen über das, was mit mir geschah, was ich tat, hoffte ich, Elion würde morgen diese undankbare Drecksarbeit wieder übernehmen. Aber es war mir, egal, wie selbstsüchtig das war.
Hauptsache, er kehrte zurück.
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