Im Inneren
Der größte aller Sünder ist stets derjenige, der sich selbst für einen wahrhaftig Heiligen hält.
Die feurigen Geschosse des Imps rasten auf mich zu, leuchtend wie Kometen in einer klaren Nacht. Die Hitze war eine greifbare Entität, ein wildes Tier, das mich mit seinen glühenden Krallen zu umschlingen drohte. Das scharlachrote Glühen des ersten Feuerballs spiegelte sich bereits in der Bläue meiner Augen wider, und ich war mir sicher, dass ich im nächsten Moment nicht nur meine Augenbrauen, sondern auch meine Sehkraft einbüßen würde.
Dann endlich, spürte ich es.
Ich spürte die dunkle, verbotene Macht, die sich wie ein bittersüßes Gift durch meine Adern schlängelte. Ein Raubtier, das in den Tiefen meiner Seele brüllend die Augen aufschlug.
Salis, wie ich meinen unwillkommenen Gefährten einst getauft hatte, war aus seiner oberflächlichen Trance erwacht und er war alles andere als gut gelaunt.
Schneller als das menschliche Auge erfassen konnte, schoss meine entstellte Rechte durch die Luft und traf die herannahenden Feuerbälle mit einer Präzision, die übernatürlich war. Obwohl es zweifellos mein Körper war, der sich bewegte, war es doch nicht mein Geist, der ihn lenkte.
Krachend knallte das erste Geschoss in die Decke über mir. Putz und verkohlte Holzsplitter prasselten in einem Platzregen zu Boden. Ich spürte, wie sich meine Finger zu Krallen verformten, wie sich meine Sinne schärften. Ich war nicht mehr nur ich selbst; ich war etwas Dunkleres, Gefährlicheres - ein Wesen, das an der Schwelle zwischen Menschlichkeit und dem Abgrund tanzte.
Feuer umschmeichelte meine Finger und obwohl ich die Hitze fühlen konnte, spürte ich doch keinen Schmerz. Der Geruch von angesengtem Leder stieg in meine Nase, mischte sich mit dem Duft von Schwefel und Rauch. Auch der nächste Feuerball, von meiner Hand gelenkt, landete in der Decke. Wieder bröckelten Teile der Bausubstanz auf mich herab. Verflucht, wenn ich nicht acht gab, würde das Obergeschoss über mir einstürzen und mich begraben.
Einen Feuerball nach dem anderen pflückte ich aus der Luft, schleuderte sie achtlos zur Seite, als spielte ich eine Partie Ball. Dumpf nahm ich das leise Zischen wahr, welches aus Richtung des Imps drang. Der kleine Scheißer hatte offensichtlich nicht damit gerechnet. Fast tat mir der Narr leid, wusste ich doch im Gegensatz zu ihm bereits, wie das hier ausgehen würde.
Die Luft um mich herum flimmerte, als Salis gegen die unsichtbaren Fesseln meines Geistes rebellierte. Meine Finger krampften sich vor Anspannung, während sie sich gegen meinen Willen immer wieder öffneten und schlossen. Dunkelheit, die in ihrer Erscheinung an zähen Teer erinnerte, begann sich in meiner Handfläche zu sammeln, quoll über den Rand und tropfte in zähflüssigen Strängen zu Boden, wo sie sich in einer Lache um meine Füße sammelte.
Der Feuerdämon stieß beim Anblick der pechschwarzen Flüssigkeit ein markerschütterndes Kreischen aus, das in meinen Ohren nachhallte. Die allgegenwärtige Hitze wich zurück, als hätte sie die lauernde Gefahr erkannt, doch es war bereits zu spät. Für einen Moment schien die Welt innezuhalten, als sich mein Mund wie von selbst öffnete.
Worte in der Sprache der Hölle strömten wie Wasser über meine Lippen, vorgetragen in einer Stimme, die zwar der meinen ähnelte, jedoch keineswegs menschlich war.
»Schwach«, donnerte Salis durch meinen Mund. »Unwürdig.« Meine Lippen verzogen sich zu einem breiten Grinsen, das eher an das Fletschen von Fangzähnen erinnerte als an eine freundliche Geste. Instinktiv leistete ich Widerstand gegen Salis' Einfluss. Wenn ich ihn nicht unter Kontrolle hielt, würde die ganze Angelegenheit nicht nur für den Feuerdämon schlecht enden.
Trotz meiner Anstrengungen hörte ich erneut das höllische Äquivalent meiner Stimme. » Du wirst Futter sein«, versprach das Wesen in mir, und nicht einmal ich selbst wusste, wen von uns beiden es damit meinte - den Feuerdämon oder mich.
Der Feuerkokon des Imps flackerte, wie eine Flamme, der man langsam den Sauerstoff entzieht. Der hitzige Höllenscheißer kreischte noch immer, und langsam verlor selbst ich die Geduld. Salis schien es ähnlich zu gehen, denn plötzlich erhob sich ein Teil der schwarzen Schliere in die Luft.
Wie eine Lawine aus tiefschwarzer Nacht rollte sie voran, verschlang auf ihrem Weg alles, was sich ihr in den Weg stellte. Sie löschte das Inferno des Dämons, bis nichts als Asche und Rauch übrig blieb.
Die Dunkelheit ergoss sich wie eine Flutwelle in den Raum, ein schwarzer Ozean, der unaufhaltsam voranschritt und die lodernden Flammen verschlang. Sie kroch über den Boden, schlängelte sich an den Wänden empor und breitete sich über die Decke aus, ein alles verzehrender Schatten, der das Feuer erstickte. Die Schwärze wogte und pulsierte, als sie sich um den Feuerdämon legte. Wie ein Messer durch Butter glitt sie durch den schützenden Flammenkokon, entblößte Stück für Stück, was sich darunter verbarg, und legte den kohleartigen Kern des Imps frei.
Keine Spur mehr von dem arroganten Dämon, der mir nur wenige Minuten zuvor gedroht hatte - übrig blieb eine vor Angst zitternde Kreatur, die mit aller Macht versuchte, ein winziges Glimmen aufrecht zu halten.
Mit einem verzweifelten Aufschrei versuchte der Feuerdämon, sich aus der dunklen Umklammerung zu befreien. Seine Flammen zuckten und flackerten, als er gegen die erdrückende Macht ankämpfte, die ihn zu verschlingen drohte. Doch das Netz aus Finsternis war unerbittlich, zog sich bei jeder seiner hektischen Bewegungen nur noch enger um ihn.
Salis lachte, ein tiefes, grollendes Geräusch, das in meiner Kehle schmerzte.
» Siehst du es, Mensch? Erkennst du, wie leicht sie brechen?«, spottete er, während er immer mehr die Kontrolle übernahm. Ob ich es sah? Fuck, ich war ja nicht blind.
Der Imp schrie erneut auf, ein schrilles, verzweifeltes Kreischen, das die Luft erzittern ließ. »Bitte«, flehte er, seine Stimme ein schwaches Wispern gegen die Dunkelheit. Keine Spur mehr von dem hitzigen Großmaul von zu vor, an seiner Stelle war ein Häufchen Elend getreten, das wie ein altes Weib bettelte . »Erbarmen.«
Erbarmen? Es grenzte an Hohn, ein solches Wort aus dem Mund einer Höllen Kreatur zu hören. Erbarmen, Gnade, Nachsicht - Nichts davon existierte in der Hölle.
» Erbarmen?«, echote nun auch Salis. So wie er es sagte, klang es wie eine Drohung. Ich spürte deutlich, wie sich eines meiner Beine anhob. Erst ein Schritt, steif und unnatürlich, dann noch einer.
Mein Gang wirkte wie der einer Marionette, die ein wenig geschickter Puppenspieler an Fäden führte. Automatisch kämpfte ich dagegen an. Klammerte mich an den Teil meines Verstandes, der mir gehörte und rang um Kontrolle, während sich Salis' Macht unaufhaltsam durch meine Adern fraß.
Die Dunkelheit war nicht nur um mich herum, sie war in mir, ein Teil von mir, der nach Freiheit verlangte. Sie flüsterte mir Lügen über Macht und Glückseligkeit ins Ohr, die mein sein könnten, wenn ich nur endlich kapitulierte.
»Stopp«, flüsterte ich, aber meine Stimme war kaum mehr als ein Hauch gegen den Sturm, der in mir tobte. »Ich brauche ihn lebend.«
»Nein«, sagte Salis, und ich spürte, wie sich sein Griff um mein Innerstes verstärkte. Noch immer bewegte ich mich über die verkohlten Bodendielen auf den Imp zu. Wenn ich nicht endlich etwas unternahm, würde Salis ihn tatsächlich verschlingen! Also mobilisierte ich jede Faser meines Willens und fokussierte sie auf den gegenwärtigen Moment.
Halt.
Mein linkes Bein hob sich leicht, ein Vorbote des drohenden Versagens. Es war an der Zeit die Arschbacken zusammen zukneifen und mir meinen verfluchten Körper zurückzuholen!
Bleib stehen!
Ein Zucken durchfuhr es, als wäre es in ein unsichtbares Tauziehen verstrickt. Ich spürte, wie Salis' Macht sich aufbäumte, wild entschlossen, in diesem stummen Duell die Oberhand zu gewinnen. Doch ich war ebenso wenig bereit, aufzugeben.
DU WIRST JETZT NICHT NACHGEBEN!
1239 Worte
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