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Kapitel 8

Das Taxi hielt an der von ihm genannten Adresse im Herzen L.A.s. Justus bezahlte den Fahrer und stieg aus. Zögernd blickte er sich um. Er war sich immer noch nicht sicher, ob dies wirklich eine gute Idee war. Lange hatte er sich Zeit gelassen, mit seiner Entscheidung. Die Worte Peters kamen ihm dabei immer wieder in den Sinn.

Lass die Finger davon!

Aber dann hatte doch die Neugierde gesiegt. Die Neugierde, zu erfahren, wie es seinem ehemaligen besten Freund ergangen war. Und welche Rolle dabei seine geheimnisvolle Gattin einnahm.

Er stand vor einem modernen Gebäude, das fast in seiner gesamten Breite im Erdgeschoss aus Fenstern zu bestehen schien. Während sich die Galerie über das Erdgeschoss erstreckte, schien im ersten Stock eine kleine Wohnung anzuschließen. Justus konnte einige Fenster mit eleganten Vorhängen und einen kleinen Balkon ausmachen.

In den Fenstern im Erdgeschoss wurde ihm bereits ein kleiner Einblick in das Angebot der Miller&Son's Gallery gewährt. Hauptsächlich schienen es zeitgenössische Gemälde zu sein, auf denen kein wirkliches Motiv erkennbar war und deren Sinn sich erst bei genauerer Betrachtung - oder auf Nachfrage beim Künstler - erschließen konnte. Aber auch einige ältere Stücke waren darunter.

An einem Bild blieb seine Aufmerksamkeit jedoch hängen. Aus der Ferne sah es aus, wie eine verzerrte Darstellung einer der berühmten Pueblos Blancos in Spanien. Diese Dörfer bestanden aus weiß gekalkten Häusern, die sich von den Hügeln, in die sie gebaut wurden, als deutlicher Farbkontrast abzeichneten. Justus hatte erst letztens in einem Magazin über diese Dörfer und ihre Historie gelesen. Bei näherer Betrachtung des Bildes wurde aus den Häusern jedoch eine zufällig wirkende Anordnung von Pinselstrichen aus unterschiedlichen Blau- und Grautönen. Das Bild faszinierte ihn, auch wenn er eigentlich kein Fan moderner Kunst war.

Unwillkürlich musste er an Eyleen Andrews denken. Was ihn wohl hier erwarten würde? Würde ihre Geschichte bei genauerer Betrachtung klarer werden, oder auch verschwimmen? Er hoffte inständig, dass es kein Fehler war herzukommen. Aber was hatte er schon zu verlieren? Nein, die Neugierde siegte weit vor dem verletzten Stolz.

Er gab sich einen Ruck und öffnete die Glastür zur Galerie. Die Weite des Raumes nahm ihn sofort gefangen. Der Boden bestand aus einem dunklen Parkett, dessen Holzmaserung sich deutlich sichtbar abzeichnete und in einem starken Kontrast zu den schneeweiß gestrichenen Wänden stand, an denen diverse Kunstwerke aufgehängt waren. Von verschiedenen Künstlern, denn der Stil der einzelnen Bilder unterschied sich gravierend voneinander. Um den Raum besser zu nutzen, waren weitere freistehende Wände eingezogen worden, die ihm aber nichts von seiner imposanten Erscheinung nahmen. Die Decke bestand fast vollständig aus Lampen, die hinter einem milchigen Glas installiert waren und den Raum hell erleuchteten, aber nicht ungemütlich wirken ließen. Auf seiner rechten Seite erblickte Justus eine lange Theke aus dem gleichen dunklen Holz, wie der Boden. Dahinter sah er einen dunklen Haarschopf hervorschauen.

Eyleen Andrews war gerade mitten in einem Telefongespräch. Als sie ihn bemerkte, stockte sie kurz, dann erschien ein zufriedenes Lächeln auf ihren Lippen – als hätte sie ihn bereits erwartet.

Mit einer Handbewegung bedeutete sie ihn, dass sie gleich bei ihm sei.

Er wandte sich ab. Wenn er schon warten musste, konnte er sich auch weiter in der Galerie umsehen, beschloss er. Langsam und bedächtig ging er weiter. Seine Schritte hallten leise durch den Raum. Hier und da blieb er stehen und betrachtete die Bilder an den Wänden oder die Skulpturen, die in diversen Ecken aufgestellt waren.

»Ja, natürlich ist das kein Problem«, hörte er sie am Telefon sagen. »Señor Ruiz, das lässt sich ohne weiteres bewerkstelligen ... Natürlich.« Ihr Lachen erklang. »Das werde ich Mr. Miller sehr gerne ausrichten. Verbleiben wir also bis nächste Woche Mittwoch?« Pause, während sie ihrem Gesprächspartner zuhörte. »Sehr schön. Dann mache ich soweit alles für Sie fertig.«

Während Justus mit einem Ohr ihrem Gespräch lauschte, war er zu einem Bild gestoßen, was dem im Schaufenster stark ähnelte. Nur, dass der Künstler in diesem Bild statt Blau oder Grau verschiedene Ockertöne verwendet hatte. Aber auch dieses Bild erinnerte ihn sehr an die kleinen weißen Dörfer an den Felswänden. Er blieb stehen und betrachtete es eine Weile, während er seinen Gedanken nachhing.

»Ein wunderschönes Werk«, hörte er kurze Zeit später eine Stimme neben sich. »Der Künstler stammt aus Europa und hat es geschafft, eine wunderbare Stimmung einzufangen. Es erinnert mich immer an Spanien und an kleine verwinkelte Gässchen. Fast könnte man meinen, Flamenco-Gitarren und Kastagnetten in den Straßen zu hören und frisch gekochte Paella zu riechen.«

Justus wandte sich zu ihr um. Sie stand jetzt neben ihm, die Arme locker um den Körper geschlungen. Ihre Augen hatten einen verträumten Ausdruck angenommen. Sie trug ein nachtblaues Etuikleid, das ihrer schlanken Figur schmeichelte, ihr gleichzeitig aber ein sehr professionelles Auftreten verlieh. Die Haare hatte sie wieder zu einem lockeren Dutt nach oben gebunden. Unwillkürlich fühlte sich Justus in seiner Jeans und dem einfachen weißen T-Shirt völlig underdressed.

»Ist dir aufgefallen, dass man von weitem genau zu wissen glaubt, was es darstellt?«, fuhr sie fort. »Und wenn man dann näherkommt, ist es plötzlich nicht mehr ganz so klar. Dieses Bild macht uns darauf aufmerksam, dass nicht die Details zählen, sondern die Betrachtung des Ganzen manchmal das Entscheidende ist. Es erzählt uns eine Geschichte. Wir müssen nur aufmerksam hinsehen.«

Justus musste schmunzeln. »Und das wäre der Zeitpunkt, wo ich Preis und Kaufvertrag überreicht bekomme. Richtig?«

Sie lachte auf und hob ergeben die Hände. »Fast. Wenn es so schnell gehen würde, sollte ich meinen Chef um eine Gehaltserhöhung bitte. Entschuldige, das war die Revanche für die Schale.« Mit einem spitzbübischen Grinsen streckte sie ihm die Hand entgegen. »Ich befürchte, wir sollten das mit dem Vorstellen noch einmal wiederholen. Hallo, ich bin Eyleen Andrews. Aber nenn mich bitte Lin.«

Ihr Lachen war hell und ansteckend. Wenn sie lachte, lachten ihr gesamtes Gesicht mit und auf ihren Wangen erschienen kleine Grübchen. Justus Skepsis nach ihrem ersten Aufeinandertreffen, wich augenblicklich einer tiefen Sympathie für diese Frau.

Er ergriff die Hand ohne zu zögern. »Justus Jonas.« Er ließ seinen Blick durch den Raum schweifen. »Eine beeindruckende Sammlung habt ihr hier.«

Lins Freude über das Lob war ehrlich und aufrichtig. »Danke. Ich bin mit dem Ergebnis auch ganz zufrieden.«

»Sind das alles Künstler aus L.A.?«

Lin nickte. »Vorwiegend, ja. Aber wir haben auch einige internationale Stücke hier ausgestellt, wie du siehst. Ich bin aktuell noch dabei, unser Angebot zu erweitern und ein umfangreiches Netzwerk aufzubauen.«

»Aufzubauen?«

»Ja, die Galerie hier wurde erst vor wenigen Monaten von uns übernommen.«

Er drehte sich langsam und ging weiter bis zur nächsten Wand. Mit dem Kinn deutete er auf das dort hängende Kunstwerk. Es zeigte ein Tango tanzendes Paar vor einem schwarzen Hintergrund. Die Dame trug ein weites rotes Kleid, welches sich an ihre langen Beine schmiegte, während sie sich zu einem Ausfallschritt gestreckt hatte. Ihr Partner – ganz in schwarz gekleidet, mit einem schwarzen Hut – hielt sie in seinen Händen und presste sie eng an sich.

»Das ist ein Blanchard, richtig? Ein beeindruckendes Bild und sehr typisch für ihn. Durch die Lichtreflexe wirkt es fast plastisch. Und die Art der Pinselführung verleihen dem Bild eine Lebendigkeit, als hätte man es mit einer Fotografie zu tun und nicht mit einem Ölgemälde.«

Sie war überrascht und nickte anerkennend. »Ich bin beeindruckt, Justus. Ein Jammer, dass wir uns nicht schon früher über den Weg gelaufen sind.«

»Wie viel würde mich dieses Bild kosten? 10.000 Dollar?«

»40«, sagte sie nur und grinste über seine Reaktion. Dann wandte sie sich ab. »Möchtest du einen Kaffee? Mein Chef hat mir eine wahnsinnig gute Espressomaschine hingestellt, die ebenfalls ein Vermögen gekostet haben muss. Aber sie ist jeden Cent wert. Ich verspreche dir, du wirst den besten Espresso bekommen, den du je getrunken hast.«

Während sie sprach, führte sie ihn um eine Ecke und bedeutete ihm auf einer kleinen – passend zum Rest – sehr modern eingerichteten Sitzecke Platz zu nehmen.

»Da habe ich doch fast keine Wahl mehr«, erwiderte Justus und setzte sich auf die schwarze Ledercouch, die aussah, als wäre sie nur selten in Benutzung.

Wenige Minuten später kam sie mit zwei kleinen dampfenden Espressotassen wieder und setzte sich ihm gegenüber in einen der Sessel.

Eigentlich hatte Justus eine Abneigung gegen das bittere Gebräu. Aber als er vorsichtig an der kleinen Tasse nippte, musste er tatsächlich zugeben, dass der Espresso hervorragend schmeckte.

»Nur das Beste für die reiche Kundschaft. Und ab und zu darf das Fußvolk auch davon profitieren.« Lin grinste verschmitzt und beobachtete ihn neugierig über ihre Tasse hinweg.

»Ich freue mich«, begann sie dann, »dass du doch noch gekommen bist. Ich hatte schon befürchtet, dass ich dich durch meine Aktion vergrault habe.«

»Naja«, Justus räusperte sich. »Dein Auftritt war zugegebenermaßen ... beeindruckend.«

Sie biss sich auf die Lippen. »Ja, verzeih mir. Ich habe einen Hang zum Dramatischen. Meine Erfahrung hat mich gelehrt, dass ich mit direkten Fragen keine Antworten erhalten. Also dachte ich mir, warum nicht eine kleine Geschichte darum spinnen und es etwas spannend machen.« Sie zuckte entschuldigend mit den Schultern. »Und es hat ja geklappt. Oder hättest du mir zugehört, wenn ich gleich mit der Wahrheit gekommen wäre?«

»Vermutlich nicht.«

Sie nickte zufrieden. »Dachte ich mir.«

Ihre Ehrlichkeit war entwaffnend. Und sie verstand es diese geschickt einzusetzen und ihrem Gegenüber den Wind aus den Segeln zu nehmen. Justus hatte sich das Gespräch eigentlich anders zurechtgelegt. Er wollte sie zur Rede stellen, in Anbetracht ihres Auftritts. Doch nun fand er sich auf einer bequemen Designercouch sitzend wieder, vergnügt plaudernd und Espresso schlürfend. Justus konnte nicht anders. Er mochte sie und registrierte jetzt verwundert, wie schnell seine Wut sich in Nichts aufgelöst hatte.

»Du hast gerade davon gesprochen, dass ihr die Galerie erst vor kurzem übernommen habt?«

Lin nickte. »Ja, vor fünf Monaten um genau zu sein. Ich wurde damit beauftragt, die Umstrukturierung vorzunehmen, bis der Laden läuft. Dann werde ich wieder zurückgehen.«

»Zurück?«

Lin lächelte. »Nach San Francisco. Dort ist der Hauptsitz der Firma. Und dort leben Bob und ich seit einigen Jahren.«

»Wie geht es ihm?«, fragte Justus.

»Im Großen und Ganzen gut«, sagte sie und ihre Augen begannen dabei zu leuchten. »Er arbeitet sehr viel, aber er liebt seinen Job. Und ich bin, was das Arbeitspensum angeht, auch nicht viel besser.«

»Ich habe einige seiner Artikel gelesen. Sie sind wirklich gut.«

Lin hob verwundert die Augenbrauen. Überraschte es sie tatsächlich, dass er das wusste? Dann nickte sie und zwinkerte ihm zu. »Willkommen im Fanclub. Der Chefredakteur ist es auch nicht mehr so weit weg, wenn du mich fragst. Verdient hat er es schon lange.«

»Ihr habt euch im Studium kennengelernt?«

»In Seattle. Ich hab dort Kunstgeschichte studiert, er Journalismus. Wir sind uns in der Bibliothek über den Weg gelaufen.«

Justus lachte leise auf. »Das hätte ich mir fast denken können.«

Lin sah ihn fragend an.

»Bücher haben schon immer eine unglaubliche Anziehungskraft auf ihn ausgeübt. Nicht umsonst war er für Recherche und Archiv zuständig.«

Lin schwieg kurz und schien ihre nächste Frage abzuwägen. »Recherche und Archiv. Was hat es damit auf sich?«

Justus zögerte. Über die Zeit zu sprechen, in der sie noch zu dritt gewesen waren, fiel ihm schwerer als erwartet. Er griff in seine Hosentasche und zog die Visitenkarte hervor, die Lin auf seinem Schreibtisch liegen gelassen hatte. ›Wir übernehmen jeden Fall.‹

Unseren Letzten hätten wir besser nicht übernommen, dachte er verbittert.

Als er weitersprach klang seine Stimme belegt. Er begann zögernd, saß doch vor ihm eine ihm völlig fremde Person. Doch irgendetwas an ihr ließ die Worte schließlich doch wie ein Wasserfall aus ihm heraussprudeln. Er wusste nicht, wieso er das tat, aber er erzählte ihr die ganze Geschichte. Wie ›die drei Fragezeichen‹ entstanden waren und wie sich der Club zu einem ernstzunehmenden Detektivunternehmen entwickelte. Als er den Namen Alfred Hitchcock erwähnte, weiteten sich ihre Augen, unterbrach ihn aber nicht. Auch der Schrottplatz und nicht zuletzt ihre Zentrale beschrieb er ihr. Er hatte das Bedürfnis zu reden und in den Erinnerungen alter Zeiten zu schwelgen. Und er tat es. Weil es sich merkwürdigerweise gut anfühlte, nach all den Jahren des Schweigens.

»Steht sie immer noch da, die Zentrale?«, fragte sie schließlich.

Justus lächelte. »Ja. Sie steht noch an ihrem alten Platz. Peter und ich haben es nicht übers Herz gebracht sie aufzugeben, auch wenn zu viele Erinnerungen dranhängen. Irgendwann wird sie noch zum Museumsstück.«

Lin lachte auf. »Warum die Fragezeichen?«, fragte sie weiter.

Justus musste unwillkürlich an die vielen Male denken, in denen er diese Frage schon beantwortet hatte und grinste. »Das ist ... das war unser Firmensymbol. Sie stehen für die vielen Rätsel und Geheimnisse, die es zu lösen gilt.«

»Das klingt nach einer tollen Zeit, die ihr da hattet.«

Justus nickte nur.

»Umso weniger verstehe ich, warum Bob den Kontakt abgebrochen hat.«

»Der Einzige, der dir diese Frage beantworten kann, ist Bob«, gab Justus zu. »Wir wissen nicht, was passiert ist.«

Lin sah ihn ungläubig an und schüttelte den Kopf. »Die Antwort habe ich nun schon häufig genug gehört. Wie kann es sein, dass niemand etwas weiß?«

»Was hat er dir über den Unfall erzählt?«

»Dass er mit dem Auto von der Straße abgekommen ist«, sagte sie. »Dass das nur die halbe Wahrheit ist, weiß ich inzwischen. Ich habe einen Zeitungsartikel zu dem Unfall gefunden. Dort stand, dass man seinen Wagen im Straßengraben und ihn selbst erst Tage später irgendwo in den Bergen gefunden hat.«

Justus schluckte schwer. Seine Stimme war rau und Trauer schwang mit, als er zu sprechen begann. »Wir haben damals gegen einen Drogenschmugglerring ermittelt. Die Ermittlungen standen noch ganz am Anfang und wir wollten mehrere verdächtige Personen beschatten. Wir hatten uns aufgeteilt und getrennt. Peter und mir gelang es, unbemerkt zu bleiben, aber Bob wurde entdeckt. Er hinterließ uns noch eine Nachricht, dass er die Observierung abbrechen musste und früher zur Zentrale zurückkommen würde. Aber dort kam er nie an. Auf dem Heimweg kam er mit dem Auto von der Straße ab und verschwand. Was die darauffolgenden Tage mit ihm passierte, weiß niemand. Ein Spaziergänger fand ihn zufällig in den Bergen. Er wurde ins Krankenhaus gebracht und aufgrund seiner schweren Verletzungen ins künstliche Koma versetzt.«

Justus räusperte sich. Sein Mund war staubtrocken. Lin bemerkte es, eilte in die Küche und kam mit zwei Gläsern und einer Karaffe mit gekühltem Wasser zurück.

Er trank dankbar einen Schluck und fuhr fort. »Als er wieder aufwachte, war er nicht mehr er selbst. Als er uns sah, rastete er völlig aus und schrie, wir sollen ihn in Ruhe lassen und verschwinden. Wir waren alle völlig geschockt, dachten aber, dass sich dabei nur um eine vorübergehende Reaktion in Folge des Traumas handelte.« Er verstummte.

»Aber dem war nicht so?«, fragte Lin vorsichtig, als er nicht weitersprach.

»Nein. Sein gesundheitlicher Zustand verbesserte sich, aber seine Reaktion uns gegenüber blieb gleich. Er lehnte es vehement ab, mit uns zu sprechen und irgendwann ließ er uns durch seine Eltern mitteilen, dass wir von weiteren Besuchen absehen sollten.«

Lin starrte ihn entsetzt an. »Warum? Aus heiterem Himmel?«

Justus zuckte müde mit den Schultern. »Das ist ein Rätsel, was selbst ich niemals lösen konnte.«

»Habt ihr eine Ahnung, was in den Tagen passiert ist, in denen er verschwunden war?«

»Es gibt Vermutungen. Der Wagen sah aus, als wäre er abgedrängt worden. Am Unfallort wurden Reifenspuren und Fußabdrücke von mehr als einer Person gefunden. Außerdem hatte Bob Verletzungen, die nicht allein von einem Autounfall stammen konnten. Nur Indizien, aber ...« Justus brach ab.

»Großer Gott!«, entfuhr es Lin. Ihre Stimme war nicht mehr als ein Flüstern. »Und die Täter ...?«

»Wurden nie gefunden. Die Polizei hat irgendwann die Ermittlungen eingestellt.«

Lin nickte und dachte nach, den entsetzten Ausdruck immer noch im Gesicht. »Die Alpträume ...«, flüsterte sie. »Er hat seitdem Alpträume. Sehr heftig, sehr real. Wahrscheinlich durchlebt er in ihnen noch einmal, was ihm widerfahren ist.«

»Vielleicht. Wobei uns gesagt wurde, dass er sich an den Unfall selbst und die Zeit danach nicht erinnern kann.«

»Vielleicht ist das auch besser so«, meinte sie nur.

Justus nickte. Die Erinnerung an die Ereignisse machte ihm zu schaffen. Er dachte an ihr letztes Treffen in der Zentrale, bevor jeder zu seiner Zielperson aufgebrochen war. Nur wenige Stunden später war ihre Welt für immer zerstört worden. Seine Hände begannen leicht zu zittern. Schnell stellte er das Glas beiseite, was er immer noch in der Hand gehalten hatte, stützte die Ellenbogen auf den Oberschenkeln ab und fuhr sich durch die Haare.

»Du fühlst dich verantwortlich dafür, oder?«, ertönte Lins Stimme.

Er zuckte zusammen. Verdammt, er hatte gehofft, dass er nicht so leicht zu durchschauen war. Seufzend blickte er sie an. »Ich hatte ein mieses Gefühl. Von Anfang an. Und trotzdem hab ich es nicht abgebrochen. Ich hab die Gefahr unterschätzt. Außerdem hat er versucht mich zu erreichen, ich hatte aber das Handy bereits auf lautlos und seinen Anruf einfach nicht gehört. Er hat mir auf die Mailbox gesprochen. Vielleicht ... wenn ich rangegangen wäre ... «

In Lins Gesicht zeigte sich tiefes Bedauern. »Was hätte das geändert? Dich trifft keine Schuld. Du hast ihn nicht von der Straße abgedrängt. Das war jemand anderes.«

»Es hätte einen anderen Weg geben müssen. Hätte ich geahnt, welche Konsequenzen dieser kleine Fehler mit sich bringt, hätte ich anders entscheiden müssen.«

»Aber wie hättest du das wissen können? Oder gehört eine Glaskugel jetzt schon zum Repertoire eines Detektivs?«

Der trockene Kommentar brachte ihn dann doch zum Schmunzeln. »Nein, leider nicht.« Nach einigen Augenblicken der Stille räusperte sich Justus. »Und er hat nie ... ein Wort über uns verloren?«

Bedauernd schüttelte sie den Kopf. »Nein. Er hat kaum etwas aus seiner Kindheit und Jugend erzählt. Und wenn blieb er immer sehr vage. Eure Namen, der Schrottplatz ... darüber hat er geschwiegen.«

Auch, wenn er die Antwort bereits gekannt hatte, spürte er einen schmerzhaften Stich in der Brust.

Lin schien zu ahnen, in welche Richtung seine Gedanken abdrifteten. Sie beugte sich vor und sah ihm tief in die Augen. »Ich glaube nicht, dass er euch Vorwürfe macht. Er ist kein nachtragender Mensch. Was auch immer passiert ist, es muss einen anderen Grund geben, warum er sich von euch abgewendet hat.«

Justus nickte, war jedoch nicht wirklich überzeugt davon. »Warum interessiert dich das alles? Und was wirst du mit diesem Wissen jetzt anfangen?«

Lins Blick schweifte ab und ruhte auf einem fernen Punkt. »Ich weiß es noch nicht«, gab sie mit ruhiger Stimme zu. Sie blinzelte kurz und sah Justus wieder an. »Als wir uns kennenlernten, war er ein aufmerksamer, fröhlicher junger Mann, der gerne am Leben teilnahm. Als wir uns dann näherkamen, bemerkte ich seine andere Seite, die er sehr gut vor der Außenwelt verstecken kann. Es gibt Momente, da sitzt er einfach nur da und scheint mit den Gedanken ganz weit weg zu sein. In diesen Momenten ist er kaum ansprechbar. Seit ich ihn kenne, frage ich mich, was er in diesen Momenten sieht. Und dann noch diese Alpträume, die mir jedes Mal einen riesigen Schrecken einjagen. Wie wird es dann erst für ihn selbst sein? Als ich die Kiste fand, hatte ich sofort das Gefühl, dort die Antwort auf alle meine Fragen zu erhalten. Bob ist ausgerastet. Seine Reaktion hat mich zutiefst erschüttert und gleichzeitig mit noch mehr Fragen zurückgelassen. Und mit der Entschlossenheit, seine Reaktion verstehen zu wollen.« Sie zuckte mit den Schultern und machte eine kurze Pause, bevor sie fortfuhr. »Ich weiß nicht, wie und ob ich ihm helfen kann. Mein Instinkt sagt mir nur, dass ich weiter suchen muss. Auch wenn es heißt, sein Vertrauen auszunutzen und ihn zu hintergehen. Aber die Strategie, die er bisher verfolgt hat, hilft ihm nicht. Verdrängen bringt nichts.« Dann blickte sie ihn wieder an. »Was denkst du?«

Justus zögerte. »Das Ganze war auch für uns nicht einfach. Die Sorge um ihn, nachdem man sein leeres, völlig zerstörtes Auto gefunden hatte. Der Schock, als man ihn dann fand. Und schließlich seine offene Ablehnung uns gegenüber. Peter ist immer noch nicht darüber hinweg und hat ihm noch lange nicht verziehen.«

»Und du?«

»Ich sehe es rational. Es gibt einen Grund für sein Trauma und seine Reaktion. Was auch immer dieser Grund ist, wir werden es wohl nie erfahren, weil er sich nicht daran erinnern kann oder will.« Er fuhr sich durch die schwarzen Locken. »Ich habe die Situation, wie sie jetzt ist, akzeptiert. Ob ich ihm verziehen habe, weiß ich nicht, aber ich würde ihn nicht mehr abweisen, wenn er den Kontakt suchen würde.«

Lin nickte und schwieg.

Ein leises Klingeln riss sie aus ihren Gedanken. Eilig stand sie auf, lief zur Theke hinüber.

»Hallo? ... Hey Bob! ... Ich bin noch in der Galerie ... Kann ich dich später zurückrufen? Ich habe gerade noch Kundschaft hier. Okay ... Prima, bis später. Bye!«

Justus hörte ihre Schritte wieder näherkommen.

»Wenn man vom Teufel spricht«, meinte sie nur. Sie setzte sich wieder hin. Der Anruf schien in ihr etwas geweckt zu haben. Die bedrückte Stimmung war verschwunden und sie wirkte plötzlich zappelig und sprühte vor Energie. »Je mehr ich erfahre, desto mehr nervt mich das Ganze.«

Justus sah sie fragend an.

»Naja«, fuhr sie fort. »Wir sitzen hier und reden über damals, als würden wir uns schon ewig kennen. Dabei sind es insgesamt vielleicht maximal zwei Stunden.« Sie biss frustriert auf ihre Unterlippe. »Ich mag dich! Wirklich! Und mich nervt es sehr, dass ich nicht die Gelegenheit hatte, euch drei zusammen kennen zu lernen.«

Justus schmunzelte über ihre offene Art.

Plötzlich sprang sie auf, verschränkte die Arme und ging nervös auf und ab. »Es muss doch eine Möglichkeit geben, diesen Sturkopf umzustimmen und den Kontakt zwischen euch wiederaufzubauen.«

»Und du glaubst, du schaffst das, was andere vor dir jahrelang versucht haben?«, fragte er zweifelnd.

Mahnend hob sie den Zeigefinger. »Vielleicht haben sie es nur noch nicht richtig versucht? Zweifel du nur, Justus Jonas! Ich werde schon einen Weg finden. Ich bekomme in der Regel immer, was ich will.«

»Daran habe ich keine Zweifel«, sagte Justus nur. »Allerdings hast du bisher nur ein Drittel auf deiner Seite.«

»Na, immerhin.« Sie blickte ihn an, überlegte kurz und grinste schließlich. »Aber das lässt sich ja ändern. Ich hab dir einen Auftrag erteilt und dein Kommen fasse ich als Zugeständnis auf, dass du ihn angenommen hast. Jetzt wird es Zeit, dass du mich mit dem zweiten Drittel bekannt machst!«

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