Kapitel 6.2 - Ein gefallener Stern
Echo
Die Flammen des Feuers fraßen sich mit einem knisternden Schmatzen durch das Holz. Die dürren Stöcke konnten nicht lange durchalten und ihre gesunde, braune Farbe wurde schnell zu einem toten Tiefschwarz. Der Geruch von verbranntem Holz breitete sich in meiner Nase aus und wurde mit jedem weiterem verbranntem Holzsplitter schlimmer und schlimmer.
Passiert dasselbe mit dem Körper eines Menschen, wenn sich eine Feuerseele in ihm einnistet?
,,Hier, trink das."
Caitlains Stimme und ein metallener Becher, der mir vor die Nase gehalten wurde, rissen meinen Blick vom Feuer los. Überrascht und ein wenig zögerlich nahm ich den Becher entgegen. Caitlain wandte sich sofort ab und setzte sich wieder zwischen ihrer Ansammlung aus Kräutern, Samen und verwelkten Blättern – ihrer Heiler-Ausstattung. Neugierig blickte ich in den Becher. In einer dampfenden Flüssigkeit – vermutlich Wasser – schwammen kleine, saubergeschnittene Blätter, ein regelmäßiges Glitzern im Wasser verriet die zusätzliche Benutzung eines Ätherkristalls.
,,Was ist das?", fragte ich und zählte in meinem Kopf die genaue Anzahl an schwimmenden Blättern.
,,Ein spezielles, für dich abgestimmtes Elixier", antwortete Caitlain, während sie mit flinken Fingern und einigen Werkzeugen an einem neuen Heilmittel arbeitete. ,,Es soll dir helfen gut zu schlafen und es unterdrückt die intensive Ausbreitung einer visionellen Präsenz. Da dies wohlmöglich dein erster Traum gewesen war, gibt es eine gute Chance es noch wie einen Infekt zu lindern."
,,Ich würde viel lieber erfahren wieso ich diese Krankheit auf einmal habe."
Mit einem traurigen Seufzen hob Caitlain den Blick. Mit einer Hand deutete sie hoch zum dunkelblauen und orangefarbenem Himmel. ,,Das wissen nur die Götter."
Und sie wissen noch so viel mehr, während wir unaufgeklärt und blind bleiben.
,,Trink, solange es noch warm ist", kam es noch von Caitlain.
Beide Hände waren beladen mit ihren geschnittenen Pflanzen, einem kleinen Topf mit Salbe, einem Säckchen voll Runen und einer Mullbinde. Mit diesen Dingen stand sie auf und ging rüber zu Ven-Gahn. Heute Nacht wollte sie ihm einen Verband mit besänftigenden Pflanzen, einer beruhigenden Salbe und intensiv heilender Runenmagie anlegen. Im Laufe des heutigen Tages war Vengys Bein angeschwollen und die mit Magie geschlossene Wunde war dick geworden – ein schlechtes Zeichen.
Mit halbgeöffneten Augen lag Vengy auf der Seite, den Kopf dabei auf einer zusammengelegten Decke ruhend. Sein Feuer war wegen seiner Kraftlosigkeit schwach und machte der Pracht unseres Lagerfeuers kaum Konkurrenz. Caitlain hatte es zwar nicht gesagt, aber jeder von uns wusste, dass Vengys gesundheitlicher Zustand kein gutes Zeichen war. Schweigend beobachtete ich Caitlain dabei, wie sie zuerst eine Rune auf Vengys Wunde drückte, anschließende die Salbe auftrug und einzelne der Blätter sanft auf die Salbe drückte.
Mit leichter Furcht schlang ich einen Arm um meine angezogenen Beine, die andere Hand umklammerte noch den Metallbecher mit dem Elixier. Es wäre nicht nur für unsere Sicherheit gut die Baumsavanne zu erreichen. Bei den Sternenkindern gibt es Heiler, die noch viel geübter sind als Caitlain – sie könnten für Vengy viel mehr tun.
Um nicht eine weitere strenge und dennoch freundliche Aufforderung von Caitlain zu hören, hob ich den Becher an die Lippen und nahm einen vorsichtigen Schluck der unbekannten Flüssigkeit. Es war eindeutlich Wasser, aber ich schmeckte den Geschmack der Blätter und die Wirkung des Kristalls heraus: Es schmeckte irgendwie nach Minze und besaß eine leichte Spur von Trauben. Wahrscheinlich waren die Geschmäcker dem Kristall zu verdanken. Ob es wirklich gegen meine tödlichen Träume half konnte ich noch nicht sagen, aber die angenehme Wärme half die Sorgen in meinem Geiste zu lindern. Stattdessen breitete sich die Wärme des Elixiers in mir aus und ein Gefühl des Wohlseins. Aber ganz konnte es die Sorgen nicht vertreiben.
Während ich weiter das Elixier schlürfte, ging mein Blick durch die zuckenden Flammen des Feuers hindurch auf die dahinterliegende Landschaft. Gegen Nachmittag hatten wir schon nach einem geeigneten Nachtlager Ausschau gehalten, denn durch unseren kleinen Umweg durch den Sumpf hatten wir den ursprünglichen Weg verlassen. Weit und breit befand sich nichts als Steppe mit kniehohem Gras. Bisher hatten wir auch kein einziges Dorf gesehen oder andere Anzeichen für menschliches Leben. Bis auf die Sternenkinder war Ashlyver noch nie groß besiedelt gewesen, aber seit der Übernahme des Imperiums waren nach und nach mehr Menschen aus anderen Ländern hier hergekommen. Waren denn alle in die Hauptstadt Noz gezogen?
Ein plötzlicher Windzug ließ die Flammen des Feuers aufwirbeln. Funken flogen wie brennende Glühwürmchen durch die Luft und verglühten noch bevor sie auf dem Boden landeten.
,,Mikhael", stöhnte ich genervt auf, ,,kannst du deinem Schattenfresser nicht sagen, er soll ruhig sein?"
Seit wir unser Lager aufgebaut hatten, war Ares so aufgeregt und aktiv, dass es einem schnell auf Nerven ging. Momentan flog er als Falke über uns am Himmel seine Kreise und stieß manchmal im waghalsigen Sturzflug zu uns nach unten, nur um dann wieder hoch zu fliegen. Das war die dritte Gestalt die er innerhalb der letzten Stunde angenommen hatte, davor war er schon eine flinke Ratte und eine laut gurrende Taube gewesen.
Mikhael hob bei meinen Worten den Kopf. Bevor Caitlain mir das Blätterwasser zubereitet hatte, hatte sie sich noch um seine Beschwerden gekümmert. Nun saß er am Feuer, umgeben von seinen eigenen Werkzeugen und einer kleinen Ansammlung aus gefundenen Stöcken. Mit einem Messer schnitzte er jeweils ein Ende der Stöcke zu Spitzen, wahrscheinlich um aus ihnen neue Pfeile zu machen. ,,Wäre es dir lieber, er würde sich weiterhin als Angsthase an mich klammern?"
,,Nein, aber muss er so übertreiben?"
Kurz hob Mikhael den Blick. Am dämmernden Himmel wirkte Ares wie ein Schatten. ,,Wohlmöglich hat er Hunger. Egal wie gut er erzogen ist, irgendwann muss jeder Schattenfresser einen Schatten zum verzehren finden. Wir können froh sein, dass Ares es nur auf die Schatten von Nagetieren abgesehen hat."
Mit einem schweren Seufzen stand ich auf. ,,Trotzdem kann er dabei ein bisschen langsam machen."
Ich sah noch wie Mikhael kurz die Augen verdrehte, dann wandte ich mich vom Feuer ab und zog mich zu meinem Schlafsack zurück, der nah bei den Sha'Kmals lag. Kurz blickte ich noch zu Fynch. Seit wir unser Lager errichtet hatten schlief er. Caitlain hatte eine besondere Heiltechnik angewendet um ihn gleich in den Tiefschlaf zu versetzen. Ich wusste immer noch nicht welche Argumente Caitlain benutzt hatte um ihn dazu zu überreden, aber ihre Heiltechnik half. Keine angespannten Zuckungen, kein nervöses hin und her werfen, er hatte einen ruhigen und erholsamen Schlaf. Ein Schlaf, der hoffentlich lang anhielt.
In der Nähe der Drachen roch es nach frischem Blut. Vor ein paar Minuten waren Sommer und Dämmer nach einer kurzen Beutesuche zurückgekommen. Drei Kaninchen hatten an den spitzen Zähnen und scharfen Krallen ihr Leben verloren, aber zumindest konten auch die Drachen nach ein paar langen Tagen wieder einmal ihre Leibspeise essen. Der Geruch störte mich nicht, deswegen legte ich mich auch hin und richtete meinen Blick zum Himmel. Wer lange Zeit in einem alten, stinkenden Tunnel in Orstellas Armenviertel überleben konnte, der konnte auch eine Nacht mit hartnäckigem Blutgeruch in der Luft überleben.
Kurz musste ich Lächeln, so vertieft war ich in meinen Gedanken. Mit Orstella und dem Ghost-Viertel kehrten auch meine liebsten Erinnerungen aus der damaligen Zeit zurück. Eine schwierige, besorgniserregende Zeit mit drei geliebten Menschen. Mir fehlte Lunas verkochtes Essen, die ruhigen Gespräche mit Dario und das lustige Spielen mit Tobi. Dario hatte ich aus meiner Zeit aus dem Kreuz-Clan gekannt, Luna und Tobi waren Unbekannte für mich gewesen und dennoch war ich vom ersten Moment an mit Liebe und Vertrauen begrüßt worden. Diese wunderbaren Menschen, diese wunderbare Familie, hatte mich wie eine Blutsverwandte bei sich aufgenommen und diese Tat hatten sie am Ende mit ihrem Leben bezahlen müssen.
Meine Hand fand von allein ihren Weg zur Brusttasche meiner Jacke und fischte den verborgenen Gegenstand an seiner silbernen Kette heraus. Meine Taschenuhr hatte genauso viel erlebt wie ich, wahrscheinlich noch mehr, denn einst hatte sie meinem Vater gehört. Diese Uhr hatte mich überall hin begleitet und war wohlmöglich der wertvollste Gegenstand den ich besaß. In Orstella hatte ich mit dieser Uhr die metallenen Glühwürmchen im Tunnel angelockt und dank einer ihrer umgebauten Funktionen, hatte ich auch mit den Augen der Glühwürmchen sehen können. An manchen Nächten schwirrten zwar Glühwürmchen um uns herum, doch diese waren alle lebendig und aus Fleisch und Blut, ihre Augen konnten sich nicht mit meiner Uhr verbinden. Doch nun konnte diese Uhr mir nicht einmal mehr die Uhrzeit sagen. Ich wusste nicht bei welchem der vielen Zwischenfälle sie kaputt gegangen war, aber sie war es nun und wir besaßen in unserem Arsenal keine Runen oder Ätherkristalle die sie reparieren konnten.
Der laute Schrei des kreisenden Raubvogels ließ meine Hand mit der Uhr sinken. Ich verkniff mir einen genervten Ton, ich verkniff mir einen bissigen Kommentar. Ich stemmte einfach nur meinen Oberkörper hoch und blickte vorwurfsvoll zu Mikhael. Dieser nahm meinen Blick jedoch nicht wahr und schaute konzentriert zu Ares hinauf. Als ich seine angespannte Körperhaltung bemerkte, setzte ich mich verwirrt auf. Mikhael verriet ohne es zu sagen, dass irgendetwas nicht stimmte.
,,Was ist los?", fragte Caitlain, die in Ven-Gahns Behandlung innegehalten hatte.
,,Er sieht etwas", sagte Mikhael, ohne den Blick von seinem Gefährten abzuwenden. Seine Stimme klang belegt und tonlos, als wäre er mit seinen Gedanken ganz woanders.
Dann flog sein Blick plötzlich zur Seite, irgendwo hin aufs Steppenland. Angespannt folgte ich seinem Blick, doch konnte ich nichts sehen außer Landschaft und die ein oder andere Ansammlung an dichten Gebüschen. Als ich aber genauer hinsah, glaubte ich zu erkennen, wie sich ein besonders großer Schatten bewegte.
,,Was ist das?"
,,Möglicherweise nichts gutes", sagte Caitlain und stand auf. Mit einer Hand zog sie einen Griff ihrer Kamas von ihrem Waffengurt, während sie mit wachsamen Blick in die Richtung des unruhigen Schattens trat.
Schnell rappelte ich mich auf und folgte ihr. ,,Warte Cait."
Kurz bevor sie aus dem Licht des Feuers trat, blieb Caitlain stehen und schaute zu mir. Nach einem kurzem Zögern nickte sie. Als auch Mikhael aufstand, hob sie ihre freie Hand und deutete auf Fynch. Ihre Botschaft war klar: Fynch wecken, denn sollte es eine Falle sein, so wurde jeder von uns gebraucht.
Mit vorsichtigen Schritten traten Caitlain und ich weiter vom Feuer weg. Das Sonnengeschöpf am Himmel war schon halb am Horizont verschwunden, doch spendete noch genügend Licht, um den Boden vor uns gut erkennbar zu machen. Allerdings machte mich meine Anspannung für so einige schwache Stellen am Boden blind, so dass ich mehrmals in eine feuchte Stelle trat und mit dem Fuß einsank. Caitlain benahm sich da besser. Sie wirkte wie eine leichtfüßige Katze auf der Jagd. Wie näher wir allerdings dem Schatten entgegen traten, umso mehr fiel mir etwas auf. Wie zuvor in der Nähe der Sha'Kmal lag auch hier ein besonderer Geruch in der Luft. Es war aber kein einfacheres Blut, es roch irgendwie auch nach Gift.
Als sich der Schatten ein weiteres mal bewegte, blinzelten uns plötzlich zwei hellbraune Augen an. Nach und nach bewegte sich mehr und der wahre Körper des Schattens kam zum Vorschein: Dichtes, hellgrau-weißes Fell, ein schmales Gesicht mit schmalen Ohren und einer langen Schnauze, einem dicken Schweif und vier kräftige, lange Beinen. Als die Kreatur den Kopf hob sah man das wohl außergewöhnlichste an ihn: Statt Pfoten, besaß es am Ende seiner zwei Vorderbeine große Vogelklauen mit langen, schwarzen Krallen.
,,Ein Wolver?" Überrascht ließ Caitlain die Hand mit ihrer Waffe sinken. ,,Was macht denn ein Wolver hier ohne sein Rudel?"
Uns seit Tagen verfolgen. Fynch hatte recht gehabt, wir wurden wirklich von einem Wolver verfolgt!
Mein Blick wanderte über den kräftigen, großen Körper der süd-landischen Kreatur. Ich hatte noch nie einen Wolver aus Fleisch und Blut gesehen, nur Zeichnungen in Büchern. Sie gehörten genauso zu Ashlyvers Kultur wie die Sternenkinder und waren vor vielen Jahren noch in Unmenge über die weite Landschaft gerannt. Doch genauso wie die Sternenkinder, lebten sie nun hauptsächlich in der Baumsavanne, an der Seite ihrer angeborenen Weggefährten.
Am Bauch des Wolvers blieb mein Blick schließlich hängen. Erst jetzt fiel mir die merkwürdige Liegeposition der Kreatur auf und zwischen seinen angezogenen Beinen lag ein weiterer, allerdings kleiner und eher menschlicher Körper. Ein Menschenkörper, von dem der merkwürdige Giftgeruch ausging.
Caitlain entdeckte den Körper sofort. Ihre Waffe wanderte zurück an ihrem Platz und mit nur einem Satz war sie bei der verletzten Person. Ihre Hände fühlten nacheinander am Handgelenk und dann am Hals nach dem Puls, sie legte sogar ihr Ohr an die Brust des Menschen.
,,Er atmet kaum", sagte sie mit einer überraschend standhaften Stimme. ,,Und sein Herzschlag ist auch schwach." Noch während sie den Oberkörper des Bewusstlosen hochdrückte, warf sie mir einen schnellen Blick zu. ,,Hilf mir, wir müssen ihn zu den anderen bringen. Ich brauche meine Ausrüstung um ihm helfen zu können."
Schnell trat ich an Caitlains Seite. Mit jeweils einem Arm des Verletzten über den Schultern, hielten wir ihn zwischen uns und trugen – vielleicht mehr schleiften– ihn in Richtung unseres Lagers. Der junge Mann war überraschend leicht, dafür das er so groß und stark aussah. Sein halbes Gewicht drückte sich zwar auf meine Schultern und ich geriet ein wenig ins wanken, doch Caitlain war zum Glück noch da und griff dem Verletzten schon ein wenig mehr unter die Arme. Der Wolver war die ganze Zeit über überraschend ruhig. Er zeigte uns gegenüber kein Misstrauen, zeigte auch keine besondere Sorge um seinen verletzten Menschen. Während wir mit dem Verletzten vorausgingen, kam er schnaufend auf die Beine und folgte uns mit ruhigen Schritten. Entweder war ihm egal was geschah oder er sah in uns einfach keine Gefahr.
Kurz bevor wir das Lager erreichten kam uns Fynch entgegen. Er und Caitlain wechselten keine Worte, er nahm ihre Position als Stütze einfach ab und sie eilte zu ihren Heilmaterialien.
,,Glückwünsch", stieß ich unter Anstrengung hervor. ,,Du hattest recht gehabt: Wir wurden verfolgt, unter anderem auch von einem Wolver."
Auch wenn ich zu sehr mit tragen und keuchen beschäftigt war, so konnte ich dennoch das leise Lachen von Fynch hören und die Maske konnte sein breites Grinsen nicht gänzlich verstecken.
Während Caitlain in Eile einige Dinge aus ihrem Vorrat aussuchte, legten wir den Bewusstlosen auf Fynchs Schlafsack ab. Die Kapuze seines dicken, mit Pelz gefütterten Mantels war dabei verrutscht, so dass sein kantiges Gesicht mit der großen Schnittwunde an der Wange frei war. Der Stoff seines Mantels war zusätzlich noch an ein paar andere Stellen mit Blut beklebt. Vielleicht das zusätzliche Blut von einer anderen Person?
Von hinten kam Mikhael an. Besorgt blickte er über Fynchs Schulter, der sich wiederrum neben den Verletzten hinkniete.,,Was ist mit ihm?"
Caitlain, beladen mit den allmöglichsten Dingen für Heilung, setzte sich an die andere Seite des Verletzten. Mit einer drehenden Handbewegung entfachte sie silberne Magie an ihren Fingerspitzen. Ihre Finger fuhren nah über die blutende Wange, ihre Magie zog dabei wie ein zarter Windhauch über die kaputte Haut und ließ die Wunde wieder zusammenwachsen. Mit der andere Hand fischte sie eine handtellergroße Rune aus einem Beutel und legte sie auf die beinah bewegungslose Brust des Mannes. Die eingravierte Rune im Stein leuchtete auf – sie hatte die Form eines geschwungenen S und beide Enden waren zu Blättern geformt. Caitlain legte wieder ihre Finger ans Handgelenk des Mannes, nach ein paar Sekunden atmete sie erleichtert auf.
,,Sein Herzschlag wird stärker. Durch die Rune hat er bessere Überlebenschancen."
,,Was fehlt ihm denn?", fragte ich.
Statt zu antworten begann Caitlain den Oberkörper des Mannes abzutasten. Mit einem genervten Schnalzen der Zunge, knöpfte sie den dicken Mantel auf und begann von neuem die Brust und den Bauch abzutasten. Mit einem zufriedenerem Gesicht zog sie dann das Hemd hoch. Darunter kam ein breiter, leicht geschwollener Schnitt zum Vorschein. Ein Stückchen höher befand sich noch ein Abdruck von zwei Vertiefungen. Die Haut war um beide Wunden herum beinah schwarz gefärbt, die Adern stachen geschwollen und schwarz angehaucht hervor. Der Geruch nach Gift wurde intensiver und mit verzogenem Gesicht drückte ich mir den Ärmel meiner Jacke auf die Nase.
,,Das sind Wunden, die durch einen Schattenfresser entstanden sind", sagte Mikhael. Mit einem Funkeln in den Augen klopfte er mir auf die Schulter. ,,Da hast du es, Ecy. Ares ist uns nicht einfach auf die Nerven gegangen. Er muss das Gift der Wunde gerochen haben."
,,Also wollte er uns warnen, dass andere Schattenfresser in der Nähe sind?"
Caitlain schüttelte entschieden den Kopf. ,,Ich glaube nicht, dass andere Schattenfresser in der Nähe sind – die Wunden sind ungefähr drei Tage alt. Normalerweise müsste unser Freund hier längst tot sein. Er muss Magie besitzen, sonst hätte das Gift sich viel schneller in seinem Körper ausgebereitet."
,,Er hat auf jeden Fall Magie in sich", murmelte Fynch finster.
Mit einer Hand drehte er den Kopf des Verletzten ein wenig zur Seite, mit der anderen Hand packte er den dünnen Kragen des Hemdes und zog ihn soweit es ging runter. Schwarze Linien zogen sich über den Hals, das Schlüsselbein und die Schulter – ein Tattoo. Es sah aus wie ein dürrer Baum, doch statt Blätter hingen winzige, schwarze Sterne an den Ästen.
Verwirrt runzelte ich die Stirn. ,,Ein Tattoo? Hat das irgendeine Bedeutung?"
Fynch nickte und ließ Kragen und Kopf los. ,,Für uns hat es sogar eine sehr große Bedeutung. Dieser Mann ist ein Sternenkind."
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