Kapitel 32 - Sterne weisen die Zukunft
Fynch
Mit anmutigem Stolz und Glanz, betrat Kaileena das niedrige Podest. Hinter ihr prasselte ein großes Feuer, dessen Flammen nach dem Himmel zu greifen schienen. Obwohl das Licht der beiden vollen Monde weit über uns war, schien das gebündelte Licht des Kristall- und des Saphirmondes direkt auf Kaileena zu scheinen. Oder die Priesterin des Lichts hatte sich speziell so hübsch gemacht, dass es genau diesen Eindruck vermittelte. Ihr langes Haar besaß einen leichten, blauen Schimmer und war geschmückt mit silbernen Schnüren, in denen Saphire und Aquamarine eingefädelt waren. Ihr langes Kleid war genauso silberfarben und ein feiner, weißer Umhang fiel über ihre Schultern herab.
,,Meine Brüder und Schwestern, lange haben wir geschwiegen. Wir haben zugesehen und nicht gehandelt, weil wir einst geschworen haben Eridia zu helfen, in dem wir Zusammenhalten und nach Frieden suchen. Doch diesen Schwur mussten wir brechen."
Leises Gemurmel war zu hören, als Kaileena eine Pause machte und ihre Worte wirken ließ. Ich stand ein Stück abseits von der Masse und hörte und sah zu. Manch einer stimmte unserer Priesterin zu, andere wirkten ängstlich und verunsichert. Es stimmte, die Sternenkinder hatten heute einen gewaltigen Schritt nach vorne gemacht und gegen ihre eigene Moral gehandelt. Doch die meisten schienen zum Glück zu wissen, dass dieser Schritt nötig gewesen war.
An Kaileenas Seite standen Kona und Ominis. Kaileenas rechte Hand hielt genauso wie sie eine stolze Haltung, die einem Zuversicht und Sicherheit vermittelte. Kona selbst war erst kurz vor der Versammlung nach Antylar gekommen. Nach unserer Rückkehr nach Ashlyver hatten er und andere Sternenkinder Lady Ascillia in ein Gefängnis gebracht. Es befand sich tief in der Baumsavanne, bewacht von Sternenkindern und Wyvern. Kaileena und Kona hatten noch nicht entschieden, was sie mit Lady Ascillia tun wollten, doch es beruhigte mich das die Wahl der Tötung oder Hinrichtung nicht einmal gestellt wurde. Es schien, dass Lady Ascillia im Moment eine Art Geisel war und ihre Abwesenheit im Imperium dessen vorzeitiges Ende bedeutete.
Kaileena hob die Hände und sofort kehrte wieder Stille ein. ,,Ich weiß meine Freunde, dass viele von euch Angst haben. Um die Zukunft und ob unser Handeln gegen den Wunsch und den Willen der Blinden Brüder spricht. Glaubt mir, auch ich habe Angst. Doch im Moment lauert irgendwo in Eridia eine Gefahr, die jedes Leben in Eridia bedroht."
,,Aber wie können wir uns gegen gleich mehreren Gefahren wehren?", rief ein Sternenkind. ,,Das Imperium sinnt bestimmt auf Rache und wenn der Zeuge wirklich zurückgekehrt ist, wird er seine Rache auf uns lenken!"
Kaileena nickte. ,,Ich verstehe deine Sorge. Und ja, es scheint, als würde uns Gefahr von mehreren Quellen aus drohen. Aber wir werden diesen Gefahren nicht allein gegenüberstehen. In diesem Moment sind zwei Rænas auf den Weg nach Prodias und Tauen, um nach Hilfe und Unterstützung zu bitten. Von unseren Scalra-Brüdern wissen wir, dass wir in Prodias mit unserer Frage Erfolg haben werden. Bei Tauen wird es sicherlich ein wenig mehr als eine Anfrage brauchen, aber Fürst Osvald ist kein Narr. Er wird die Gefahr schon bald erkennen und uns sicherlich helfen. Wir dürfen nur eins nicht vergessen: Keine Zweifel haben oder zeigen. Solange unsere Herzen von Mut und Zuversicht erfüllt sind, werden wir niemals unsere Kraft verlieren. Es werden uns sicherlich keine einfacheren Zeiten erwarten, aber solange wir zusammenstehen und niemals das Vertrauen zueinander verlieren, wird keine Gefahr dieser Welt uns besiegen können."
Voller Inbrunst in ihrer Haltung und Stimme streckte Kaileena die geballte Faust in die Luft und rief: ,,Mosrai Yashka!" Die Sterne steigen!
Genauso wie sie streckten sämtliche Sternenkinder ihre Faust in die Luft. ,,Mosrai Yashka!"
Auch ich hob meine Faust. ,,Mosrai Yashka!" Die Sterne steigen!
Die Sternenkinder wirkten nun allesamt überzeugt und sicher. Sie glaubten und vertrauten Kaileenas Worten. Auch ich glaubte, dass Kaileena mit ihren Worten recht hatte. Wenn wir alle an unsere Zukunft glaubten und in uns gegenseitig vertrauten, würden wir die Gefahr an beiden Fronten überstehen können. Und Prodias würde uns, ohne zu zögern helfen. Wahrscheinlich hatte Cayde die Nachricht von der gefangenen genommen Kaiserin schon erreicht und wie ich ihn kannte, würde er vor Freude eine Runde in seinem Vekal ausgeben.
,,Irgendwie kommt mir all dies hier schon wie ein Sieg vor."
Mikhael gesellte sich zu mir. Genauso wie ich, ließ er seinen Blick über die Sternenkinder schweifen, die aufgeregt miteinander redeten und sich freudig an ihren Getränken ergötzten. Die Versammlung wirkte nun viel mehr wie ein Fest der Freude.
,,Dabei steht uns noch eine Menge Herausforderungen bevor."
,,Hast du Zweifel an unserem Volk?", fragte ich neckend. Ich wies zum Podest, auf dem noch immer Kaileena und Kona standen und miteinander redeten. ,,Oder bist du der Meinung, dass deine Liebste nur Lügen erzählt?"
Mikhael presste den Mund zusammen und versuchte zittern das Lächeln zu unterdrücken, welches seine Mundwinkel anhob. Aber auch so stieg ihm die Röte ins Gesicht, die seine Wangen zum glühen brachte. Bis jetzt hatten wir nicht darüber geredet, aber nach unserer Ankunft hatte ich gesehen wie sich mein Bruder und unsere Priesterin des Lichts geküsst hatten. Ich wusste nicht ob ich froh oder beleidigt darüber sein sollte, dass mein Bruder in meiner Abwesenheit problemlos hatte weiterleben können. Aber ehrlich gesagt, freute ich mich, dass er es geschafft hatte seine Fassade als Scalra vollständig abzuwerfen und Liebe zu finden.
Weiter vorne, nah am Podest fand ich Delia und Jolyon. Sie unterhielten sich gerade mit ein paar Sternenkinder. Auch mit Delia hatte ich gleich nach meiner Rückkehr nach Antylar gesprochen. Sie, Jolyon und Merlin hatten es unbeschadet hierhergeschafft und auch Sommer war mit ihnen gekommen – wenn auch mit deutlichem Widerwillen. Crystal jedoch war an ihrer Wunde gestorben. Zwar hatte auch sie es nach Antylar geschafft, doch die Heiler hatten nichts mehr tun können. Ich überlegte, ob es Jolyon schaffen könnte Kontakt zu den anderen Verbrecher-Clans aufzunehmen. Einst waren sie Rivalen gewesen, doch wohlmöglich könnte man in den Verbrecher-Clans weitere Verbündete gegen das Imperium finden.
,,Egal wie die Dinge jetzt stehen", sagte Mikhael und wich dabei gezielt der Tatsache aus, dass ich ihn direkt auf seine frische Beziehung angesprochen hatte, ,,sie werden besser. Merlin hat mir erzählt, dass man versuchen wird das Daegor-Rudel um direkte Hilfe zu bitten. Eine Armee aus Sternenkinder, Wyvern und Daegors wird stark sein."
Ich schmunzelte. ,,Bestimmt."
{...}
Ich blieb noch für ein paar Minuten auf der Versammlung. Aber irgendwann zog ich mich auf eine der höheren Ebenen zurück und betrat eine der Heiler-Hütten. Es war der Ort, an dem ich hier in Antylar aufgewacht war. Das Innere der Hütte war dunkel nur eine einzelne Laterne brannte am Ende des Raumes. Dort lag die derzeit einzige Patientin. Die anderen Patienten waren trotz ihrer leichten Beschwerden oder Knochenbrüche dennoch zur Versammlung gegangen.
,,Ich weiß nicht, ob es gut oder schlecht ist, dass der ehemalige General nicht an der Motivation-Versammlung teilnimmt", scherzte ich.
Cleve schaute nich auf, schmunzelte aber über meine Worte. Genauso wie einst bei mir, saß er am Fußende von Echos Bett und wartete auf ihr Erwachen. Echo ging es zwar besser und die Heiler hatten ihre Wunde heilen können, doch sie befand sich trotz allem in einem Koma ähnlichen Zustand. Es gab Wege sie da rauszuholen, aber die Heiler rieten davon ab, denn im Moment konnte sich Echo in diesem Zustand besser erholen, als wenn man sie mithilfe von Magie daraus riss.
Ich klopfte meinem Onkel zur Begrüßung auf die Schulter, bevor ich mich auf einen Hocker neben Echo setzte. Ihr jetziger Zustand wirkte friedlicher als in Schnellwasser und dieses Mal machte ich mir keine Sorgen um sie, denn sie lebte und dies würde sich nicht verändern.
,,Wie wird sie ohne die dunkle Gabe leben können?", fragte Cleve. ,,Mit oder ohne Feuerseele, sie trägt sie schon lange mit sich. Und ohne Gabe..."
,,Wäre ich noch ein Scalra des Imperiums, würde ich sagen, sie würde durch den Verlust keine Gefahr mehr sein. Aber ich bin nun ein Scalra der Sternenkinder. Und ich kenne Echo. Dieser Verlust wird sie stärker machen, da bin ich mir sicher."
Cleve lachte leise auf. Mit einem Seufzen lehnte er sich in seinen Stuhl zurück. Sein Gesicht fiel dadurch aus dem Licht der Laterne, aber seine Augen schienen trotz ihrer dunklen Farbe durch die Schatten zu dringen. ,,Solange hat der Krieg im geheimen getobt. Mit unserem Angriff auf Schnellwasser haben wir ihn in die Öffentlichkeit gebracht. Eridia wird gespaltet werden und die Sternenkinder werden zu einem Symbol. Die Sterne werden entscheiden, ob wir ein Symbol der Hoffnung oder Zerstörung werden."
,,Wenn wir uns gegen das Imperium stellen, werden wir die Chance haben uns für all das zu Rächen, was uns geschehen ist", erwiderte ich. ,,Du kannst deinen Bruder und deinen getöteten Neffen rächen."
,,Zorn sollte niemals der Grund für eine Tat sein, Fynch", widersprach Cleve mit Nachdruck in der Stimme. ,,Ich habe erlebt was mit hunderten Eltern geschah, als sie sich aus Zorn gegen das Imperium stellten. Handlungen aus Zorn oder Rache bringen meist Opfer mit sich."
,,Manch einer würde behaupten, du hättest dein Feuer verloren."
,,Manch einer, hat nicht das erlebt, was wir beide durchmachen mussten."
Seine Worte brachten mich zum Lachen. Bei unserem letzten Gespräch war es mir komisch vorgekommen in ihn einen Blutsverwandten gefunden zu haben, aber nun ich genoss ich seine Worte und seine Nähe. Bryony wusste noch nicht wer ich war, aber wahrscheinlich würde ich in den nächsten Tagen zusammen mit Cleve zu ihr gehen und mit ihr sprechen. Vielleicht würde sich dadurch ihre Einstellung zu mir, Mikhael und Delia verändern.
Mein Blick fiel zurück zu Echo. An ihrem Kopf befand sich noch ein Verband, aber laut den Heilern würde man diesen morgen ab machen. Gerne hätte ich in diesem Moment ihre Stimme gehört oder das Leuchten in ihren Augen gesehen, wenn sie von Zuversicht und Hoffnung erfüllt war. Stattdessen aber nahm ich ihre Hand in meine und genoss einfach ihre Nähe.
,,Glaubst du, wir haben eine Chance?", fragte ich meinen Onkel.
Dieser überlegte und zuckte mit den Schultern. ,,Niemand kann in die Zukunft sehen, deswegen kann niemand eine ehrliche Antwort darauf geben. Aber...die Sterne weisen für Reisende den Weg. Im Moment sind wir genau dies: Reisende. Wir fragen nach der Zukunft und die Sterne werden unseren Weg dorthin weisen."
Ich umfasste fester Echos Hand. ,,Und hoffentlich werden sie nicht fallen."
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