Kapitel 21 - Ein Scalra ruft
Fynch
,,Moment Mal. Du bist was?"
Ungläubig starrte Mikhael mich an. Unglaube? Oder viel mehr Verwirrung? Ich konnte nicht glauben, dass Mikhael mich für einen Lügner hielt. Wahrscheinlich war es für ihn genauso unglaublich zu erfahren, wie für mich. Ich hatte vieles erwartet, von dem was wir hier treffen würden, aber das es ausgerechnet meine verlorene Familie war, hätte ich niemals gedacht. Mikhael schien dasselbe zu denken.
Ich blickte weiter zu Echo. Sie stand im Türrahmen meines Zimmers, die Arme nachdenklich vor ihrer Brust verschränkt und den Blick gesenkt. Ich konnte nicht erkennen woran sie dachte. War sie froh? Traurig? Oder plagte sie ein anderes Gefühl?
,,Das ist verwirrend." Nachdenklich strich mein Bruder über Ares's glatten Rückenpanzer. Der Skarabäus ruhte auf seiner Schulter, wo er laut Mikhael den ganzen Tag schon geruht hatte. ,,Ich meine...sollen wir dich jetzt Fynch oder Clayton nennen?"
Schmunzelnd griff ich nach meinem Becher, der mit einem dunklen, violetten Saft gefüllt war. ,,Wenn du deine Zähne behalten willst, rate ich dir, mich weiterhin richtig zu nennen."
Mikhael grinste. ,,Nun gut. Aber es wäre zu verführerisch dich anders zu nennen."
,,Schön, dass dich meine Erkenntnis nicht runter zieht."
Verwirrt hob Mikhael eine Augenbraue und griff selbst nach seinem Becher. ,,Warum sollte es?"
,,Nun ja. Da finde ich meine Familie, der ich vor Jahren entrissen wurde...und du bleibst einfach nur weiterhin Mikhael."
Beinah verschluckte sich Mikhael am Saft, als er über meine Worte lachen musste. Gut, ich verstand. Mikhael freute sich für mich, nicht mehr und nicht weniger.
Doch es blieb weiterhin die Frage, was war mit Echo? Noch immer zeigte sie keine Regung und obwohl sie den Blick gehoben hatte, blieb ihr Gesichtsausdruck weiterhin leer. Da zeigten schon Sommer und Efeu mehr Gefühle.
,,Melari, was ist los?"
Als hätten meine Worte sie aufgeschreckt, zuckte Echo zusammen. Beinah alarmiert schaute sie mich an, was mich nur noch mehr fragen ließ, was mit ihr los war. ,,Nichts", antwortete Echo schnell – zu schnell. ,,Ich freue mich für dich, Fynch. Wirklich. Es ist schön nach so langer Zeit wieder seine Familie gefunden zu haben."
Schnaubend bewegte ich den Becher in meiner Hand. Die Flüssigkeit schwappte dabei ein wenig über und befleckte neben dem Boden auch meinen Handschuh. ,,Als hätte ich vorher keine Familie gehabt." Mit meiner anderen Hand hob ich meine Maske an wenig an und trank einen Schluck vom Saft, der aus mehreren schmackhaften Beeren gemacht worden war.
Mikhael verdrehte kurz die Augen, als Antwort auf meine Worte. ,,Du weißt, wie sie das meint. Ich meine...dir ist doch hoffentlich klar, was für ein Geschenk dir damit gemacht wurde."
,,Offenbar nicht."
,,Mann Fynch, das ist wichtig! Du hast Menschen gefunden, mit denen du eine Vergangenheit teilst, du teilst Blut und Erinnerungen mit ihnen. Stell dir doch mal vor, du wärst nicht vom Imperium entführt worden."
,,Das möchte ich mir aber nicht vorstellen!", knurrte ich. ,,Dir ist schon klar, wenn ich nicht entführt worden wäre, dann würden wir uns nicht kennen. Ich wäre dann nicht Fynch!"
Mikhael wollte noch etwas sagen, doch er stockte. Wahrscheinlich war ihm dieses kleine Detail erst jetzt aufgefallen.
,,Aber jetzt bist und bleibst du Fynch Krane." Echo löste sich vom Türrahmen und setzte sich neben mich. ,,Hast du Angst, dass du jetzt zu Clayton werden musst?"
Ich zuckte mit den Schultern. ,,Vielleicht."
,,Das würden wir aber niemals zu lassen."
Mikhael nickte. ,,Ecy hat recht. Mir wurde vor zwei Tagen erst meine Schwester genommen. Denkst du wirklich, ich lasse nun zu, dass ich auch meinen Bruder verliere? Und wenn Cleve etwas anderes von dir verlangt, werde ich ihm zeigen, was ich davon halte."
Schmunzelnd stellte ich meinen Becher ab. ,,Du? Du magst zwar einer der besten Attentäter von Eridia sein, aber gegen Cleve hättest du kein leichtes Spiel. Trotz seiner Verletzung."
Leise und mit grimmig verzogenem Gesicht, äffte Mikhael mir nach und beleidigend zirpte Ares mit seinen Flügeln. Als Mikhael mit seinem Becher in der Hand aufstand, hielt er aber kurz inne und grinste mich an. ,,Na ja, aber jetzt weiß ich wenigstens vorher dein Talent fürs Kämpfen kommt. Es liegt dir offensichtlich in den Genen, auch ohne Magie des Imperiums."
Bevor diese Magie ihn treffen konnte, eilte Mikhael schnell zur Tür hinaus und verschwand im Lager. Der harmlose Magieangriff traf die Tür und von außen war Mikhaels Lachen zu hören.
,,Dann ist diese Bryony deine Schwester?" Mit nachdenklichem Blick füllte Echo den letzten Becher mit dem Beerensaft. ,,Sie war nicht sehr glücklich über unser Erscheinen. Glaubst du, sie wird ihre Meinung ändern, sobald sie von dir weiß?"
,,Ich weiß nicht. Ich weiß auch nicht wie weit sich Cleves Blick auf mir und Mikhael verändert hat. Machst du dir darüber die ganze Zeit Gedanken?"
Echo hielt inne, als hätte ich sie bei etwas unsittliches ertappt.
,,Melari?", fragte ich mit etwas Nachdruck.
,,Heute bei meinem Training mit Kaz, sind wir einem anderen Wyvern begegnet. Er heißt Schattenpfeil und er soll Sternenkinder angreifen."
Verwirrt blinzelte ich sie an. ,,Warum? Ich dachte Wyvern und Sternenkinder sind Freunde."
Echo nickte. Ihr Blick war eisern und ernst. ,,Er soll vor mehr als tausend Jahren einen Daegor als Reiter gehabt haben. Sein Reiter wurde getötet und nun ist Schattenpfeil wahnsinnig vor Trauer und Wut. Zumindest hat Kaz es erzählt."
,,Und du glaubst, dass nicht?"
,,Ich denke...da steckt mehr hinter Schattenpfeils Verhalten. Ich habe es Kaz nicht erzählt, aber ich habe da mehr im Verhalten des Wyverns gesehen – und gefühlt." Seufzend rieb sie sich die Stirn und ihr Blick wurde weicher. ,,Das klingt verrückt, oder?"
Kopfschüttelnd legte ich einen Arm um Echo. Sofort lehnte sie sich gegen meine Schulter. ,,Du bist nicht verrückt. Aber in dir steckt eine unglaubliche Menge an Empathie. Und du achtest mit deinem Mitgefühl mehr auf die Außenseiter."
,,Meinst du damit speziell mein Mitgefühl für dich?"
,,Eigentlich meinte ich Mikhael."
Echo lachte auf. In diesem Moment der Ungewissheit gegenüber der Zukunft, war dies eine willkommene Abwechslung.
Dieser Moment wurde allerding schnell beendet, als plötzlich die Tür aufgerissen wurde und Mikhael stolpernd hereinstürmte. ,,Fynch, du musst unbedingt mit rauskommen!"
Verwirrt schauten Echo und ich uns an, bevor wir aufstanden und meinem aufgeregten Bruder nach draußen folgten. Draußen, auf dem Geländer unserer Wohnebene, saß ein Tier, welches auf dem ersten Blick nicht hier hin gehörte. Es war eine große, schwarze Eidechse mit blassen, orangefarbenen Musterungen auf ihrem stämmigen Körper. Ein wenig ungelenkig versuchte sie auf dem schmalen Geländer zu bleiben, wobei ihre kurzen, schwarzen Krallen immer wieder vom glatten Holz abrutschten.
,,Was ist das?", fragte Echo, die verwirrt das Tier anstarrte.
,,Eine Gila-Krustenechse", antwortete Mikhael. ,,Diese Echsen leben ausschließlich in den Südlanden, wahrscheinlich kennst du sie deswegen nicht."
,,Und warum ist sie dann hier?"
,,Sieh dir ihre Augen an und du weißt es."
Dass die Antwort in den Augen lag, hatte ich schon vorher gewusst. Bei diesem Ræna-Exemplar war es schwer zu erkennen, denn seine Augen waren so dunkel, dass man es kaum als Blau erkennen konnte. Genau wegen diesen Augen, wusste ich sofort wem der Ræna gehörte.
,,Delia."
,,Eure Schwester, die sich in Shar Tylan vom Imperium abgewandt hat?"
,,Ich verstehe das nicht." Mikhael trat vor und sein Blick wanderte von Ræna aus, weiter zu mir. ,,Sagtest du nicht, Delia wollte nachkommen? Wieso schickt sie dann einen Ræna."
,,Sie sagte, sie versucht es."
Als der Ræna den Namen seiner Besitzerin hörte, richtete er aufmerksam den Kopf auf. Sein kräftiger Schweif fuhr aufgeregt durch die Luft. Ich wusste zwar nicht, warum Delia ihn geschickt hatte, aber so wie er sich verhielt, musste Delia irgendwie in Schwierigkeiten stecken.
Als ich vortrat, riss der Ræna sein Maul auf. Kein Ton drang aus seinem Maul, wodurch es wie ein tonloser Schrei wirkte. Ich ließ mich dadurch nicht verschrecken, wissend dass dieser Ræna genauso wie Delia zwei Seiten besaß: Eine stille und eine tödliche Seite. Der Ræna bewegte sich nicht und hielt sein Maul weiterhin weit offen, als ich vor ihm stehen blieb und meine Hand auf seinen dicken Kopf legte. Augenblicklich löste sich der Ræna in weiße Magiefäden auf, die auf ihrem Weg zum Himmel bis zur Unkenntlichkeit verblassten.
Dabei hörte ich eine Stimme in meinem Kopf. Delias Stimme mit ihrer Nachricht: ,,Fynch, ich brauche deine Hilfe. Komm so schnell wie möglich nach Jórvak."
{...}
,,Seid ihr euch auch sicher, dass dies eine Nachricht eurer Schwester war?", fragte Kona und runzelte dabei skeptisch die Stirn.
Natürlich war er im Mondhaus bei Kaileena und Ominis gewesen, als wir die Priesterin wegen Delias Nachricht hatten aufsuchen wollen. Und natürlich hatte Kona sofort nach Bryony und Cleve rufen lassen – die beiden Personen, die ich gerade nicht gerne in meiner Nähe haben wollte.
Auch wenn ich froh darüber war, mehr über meine wahre Herkunft erfahren zu haben und mich irgendwie darüber freute, dass wahre Blutsverwandte von mir noch lebten, so war es merkwürdig die beiden in meiner Nähe zu haben. Cleve hielt sich zum Glück zurück und hatte mir bei seinem kommen nur einen kurzen Blick zugeworfen, bevor er neben Kona Platz genommen hatte und seitdem nur zu Kaileena schaute. Bryony dagegen warf mir und Mikhael immer wieder einen hasserfüllten, giftigen Blick zu, weswegen ich glaubte, dass Cleve ihr nichts über unsere Erkenntnis erzählt hatte. Vielleicht war es im Moment auch besser so.
Nickend schaute ich zurück zu Kaileena. ,,Ziemlich sicher. Ich kenne Delias Ræna und ich habe ihre Stimme gehört. Sie braucht Hilfe, deswegen müssen wir gehen und ihr helfen."
,,Ihr habt vor den Augen der Sterne einen Schwur gegeben", fauchte mich Bryony sogleich an. ,,Ihr seid Sternenkinder. Euch braucht nur noch zu interessieren, was innerhalb des Walls passiert und nicht außerhalb. Und schon gar nicht interessieren uns Dinge in Tauen."
,,Sie ist unsere Schwester!"
Schnell trat Mikhael vor und berührte flüchtig meinen Arm. Sein eindringlicher Blick verriet alles. Bleib ruhig.
Doch Bryony war noch nicht fertig. ,,Wer sagt denn, dass es keine Falle der Scalras ist?"
,,Delia ist kein Mitglied des Imperiums mehr." Ich bemühte mich um eine ruhige Stimme, doch meine Nerven waren weiterhin angespannt. ,,Sie hat in Shar Tylan ihren Tod vorgetäuscht, damit sie sich vom Imperium lösen konnte. Sie wollte für eine Zeit lang Schutz bei einem Freund suchen, scheinbar in Jórvak."
,,Das sagst du. Wer sagt, dass wir ihrer Nachricht vertrauen können? Wer sagt, dass wir dir vertrauen können?"
,,Schluss jetzt!"
Cleves Stimme donnerte durch den Raum. Er stand nicht auf, aber sein respektvoller Einfluss füllte den ganzen Raum. Seine sturmgrauen Augen bohrten sich tief in die von Bryony. Sogleich senkte die vorlaute Generalin den Blick, doch weiterhin funkelte Wut in ihren Augen.
,,Bryony hat recht", erhob wieder Kona das Wort. ,,Ihr seit nun Sternenkinder und habt eurem Leben dem Schutz eurer Mitmenschen und der Baumsavanne versprochen. Es wäre eine Gefahr für uns alle, solltet ihr ohne klares Wissen nach Jórvak aufbrechen."
Unbeeindruckt verschränkte ich die Arme vor der Brust. ,,General, ich verstehe deine Sorgen und Bedenken, aber egal was ihr davon haltet, wir werden gehen – wir wollten euch nur netterweise darüber informieren. Ich meine, ihr wollt doch sicherlich nicht zwei ehemalige Elite-Soldaten aufhalten, oder?"
Leise hörte ich Mikhales Seufzen, doch ich behielt meinen Blick starr auf Kona gerichtet. Die silberfarbenen Augen des Daegors verengten sich zu Schlitzen und ich spürte seinen Aufschub an Magie. Seine Feuerseele war wütend.
Die Spannung verschwand aber, als Kaileena aufstand und vor mich trat, womit sie gezielt meinen starren Blickkontakt zu Kona unterbrach. ,,Keiner möchte sich euch in den Weg stellen, Fynch. Aber ihr seit nun unsere Brüder und Schwester. Wir sorgen uns genauso um euch, wie wir uns um geborene Sternenkinder sorgen."
,,Aber sie haben doch einen Schwur abgegeben." Als Ominis sprach, hob sein Baakier aufmerksam den Kopf. ,,Dadurch wurden sie ein Teil unserer Gemeinschaft. Ist ihre Schwester nicht dadurch zur Hälfte auch ein Teil unserer Gesellschaft?"
Für einen Moment herrschte Stille. Ich sah wie Kona langsam Luft ausstieß, während Cleve zustimmend nickte. Echo, die neben mir stand, schielte zum blinden Beschwörer und lächelte still.
,,Er...hat recht", stimmte Kona zögerlich zu. ,,Sie ist somit ein entfernter Zweig unserer Gesellschaft."
,,Dann ist die Sache doch klar." Mikhael packte mich am Arm und trat nach hinten in Richtung Tür. ,,Dann werden wir uns morgen auf den Weg machen und unserer Schwester helfen."
Kaileenas nächste Worte, vereitelten jedoch Mikhaels Plan. ,,Nur einer von euch wird gehen."
Sofort fuhr Mikhael herum. ,,Und warum, wenn ich fragen dürfte?"
Kaileena lächelte geheimnisvoll. ,,Kennt sich denn jemand von euch gut in Jórvak aus?"
Mein Blick huschte sofort zu Echo. Sie zeigte im Gesicht keinerlei Reaktion, doch ihre Finger ballten sich für einen kurzen Moment zur Faust zusammen. Als ehemaliges Mitglied eines Verbrecher-Clans kannte sie sich wahrscheinlich gut in Jórvak aus, doch verband dieser Ort viele negative Erlebnisse.
Nur einmal hatte sie mir vage von dem erzählt, was ihre Stellung und Aufgaben im Kreuz-Clan gewesen waren und allein beim Gedanken daran wurde mir schlecht. Echo wollte nicht zurück in dieses Loch von einer unmoralischen Stadt und ich wollte sie auch niemals dazu zwingen,dorthin zurückzugehen. Auch wenn sie sich durch eine waghalsige Flucht vom Kreuz-Clan befreit hatte, so stand sie immer noch auf ihrer Tötungsliste. Dadurch hatte ich meinen Arm verloren, als wir auf unserem Weg nach Johran von einer Gruppe des Kreuz-Clans angegriffen worden waren. Zwar hatte die Kaiserin wegen diesem Vorfall einen großen Angriff auf den Kreuz-Clan befohlen, doch ich fürchtete dennoch um Echos Sicherheit, sollte sie jemals wieder einen Fuß in Jórvak setzen.
Deswegen schüttelte ich den Kopf. ,,Nein, niemand von uns kennt sich in Jórvak aus. Diese Kaiserin hatte niemals gewollt, dass ein Scalra in diese Stadt der Verführung und Dunkelheit eintrat."
Verwirrt schaute Echo mich an, doch ich schaute nicht zurück. Sie sollte bloß nichts über ihre Verbindung zur Stadt sagen, sonst würde Kona sie noch zwingen dort hin zu gehen.
Nickend trat Kaileena zurück und ließ sich auf das Sofa fallen, auf dem bereits Ominis saß. ,,Eine Gruppe aus drei Leuten ist zu riskant und würde in einer Gegend wie Jórvak sofort auffallen. Deswegen wird nur einer von euch gehen und ein Sternenkind, das sich in dieser Gegend auskennt, wird denjenigen begleiten."
,,Welches Sternenkind kennt sich denn in Jórvak aus?"
,,Merlin."
Mit kerzengerader Haltung, richtete sich Kona auf. ,,Du willst doch wohl nicht Merlin aus dem Wall schicken. Er kam erst wieder zurück und kam nur knapp lebend zurück!"
,,Aber er kennt sich in Jórvak aus", erwiderte Kaileena. ,,Und er hat Freunde dort, die bei der Suche nach einer abtrünnigen Scalra hilfreich wären. Deswegen wird er gehen."
Ein Daegor als Begleiter, nicht gerade die beste und vertrauenswürdige Begleitung, aber hierfür müsste es reichen.
,,Dann werden Merlin und ich morgen aufbrechen", entschied ich. Hinter mir schnaubte Mikhael empört auf. ,,Aber, wir werden nicht auf Wolvers reisen. Sommer und Efeu werden uns begleiten."
Bryony schüttelte den Kopf. ,,Sha'Kmals werden in Tauen sofort auffallen. Willst du Merlin etwa in Gefahr bringen?"
,,Ich vertraue keiner anderen Kreatur mehr als Sommer. Entweder er kommt mit, oder ich gehe allein."
Kaileena nickte. Als sowohl Bryony und Kona dagegen etwas sagten wollten, hob sie energisch die Hand. ,,Sommer wird mit dir gehen. Merlin darf selbst entscheiden, in welchem Reittier er sein Vertrauen schenkt. Die Sache ist hiermit beschlossen. Wir werden sofort einen Proviant für euch bereit stellen – Merlin wird bei Sonnenaufgang auf dich warten."
Dankbar verneigte ich mich vor der Priesterin. Dann drehte ich mich herum und verließ den Raum, gefolgt von Mikhael und Echo. Kaum das sich hinter uns die Türen schlossen, überholte mich Mikhael und stoppte mich mit einer Hand, die er fest gegen meine Brust drückte.
,,Was soll das werden? Du willst alleine nach Jórvak aufbrechen?"
,,Merlin wird mich begleiten. Und Sommer. Ich werde somit nicht alleine sein."
,,Du kennst die Geschichten über Jórvaks Dunkelheit genauso gut wie ich. Und was, wenn sich der Kreuz-Clan an dir rächen möchte, sobald man dich sieht?"
,,Man wird mich nicht erkennen. Und ich habe einen Daegor an meiner Seite, der wird schon auf mich aufpassen können."
,,Mikhael hat aber recht!" Ein beinah verzweifelter Ausdruck lag in Echos Gesicht und ein dunkler Schatten trübte ihre Augen. Kein Schatten von der dunklen Gabe, sondern ein Schatten aus Furcht. ,,Nicht nur vor dem Kreuz-Clan musst du dich in acht nehmen – du kannst dort niemanden vertrauen. Hinter jeder Ecke lauert ein Betrüger oder ein Spitzel, die dich ohne zu zögern ans Imperium verraten würden. Sobald du auch nur einen Fuß in Jórvak setzt, bist du in Gefahr!"
Echo hatte es wahrscheinlich nicht bemerkt, sonst wäre sie verstummt, aber ihre Stimme war lauter geworden und man hatte die Angst so deutlich gefühlt, als wäre sie in greifbarer Nähe gewesen. Sie hatte nicht einfach nur Angst vor dem Kreuz-Clan und den dort lebenden Menschen, sie fürchtete sich vor dem ganzen Ort. Als Kind war sie an diesen grausamen Ort gekommen, ein paar Tage nach dem Tod ihrer Eltern. Ich konnte mir nicht einmal ansatzweise vorstellen, wie dieser Ort aus Schatten und krimineller Energie auf ein Kind gewirkt haben muss.
Aufmunternd legte ich eine Hand auf Echos schmale Schulter. Sofort hob sie den Blick. Als ich eine feuchte Spur sah, die ihre Wange herablief, hob ich die andere Hand und wischte die Träne vorsichtig weg.
,,Mir wird nichts passieren, dass verspreche ich. Ich werde Delia finden und zusammen werden wir zurückkehren."
,,Solltest du wirklich solche versprechen machen?", fragte Mikhael zweifelnd. ,,Du wettest mit dem Schicksal."
Eine Wette? Damit hatte mein Bruder recht. Doch sicherlich war es keine Wette mit dem Schicksal. Es war eine Wette mit mir selbst.
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