Kapitel 35.2 - Der Brecher und die Dunkle
Fynch
Ich wusste nicht was genau geschehen war, nachdem ich mich wie zuvor Mikhael auf das Sofa gesetzt hatte, wachte ich plötzlich auf. Leise fluchend strich ich mir die Maske vom Gesicht und fuhr mir mit einer Hand über die warme Haut, bevor ich mir die Maske dann wieder aufsetzte. Ich war wirklich eingeschlafen!
Ein langgezogenes Krächzen ließ mich nach vorne blicken. Ares war inzwischen wach geworden und blinzelte mich aus tiefschwarzen Augen an. Vielleicht bildete ich es mir ein, doch ich meinte ein belustigtes Schimmern in seinen Augen zu erkennen und als er wieder krächzte, klang es nach einem Lachen.
,,Halt den Schnabel!", zischte ich ihn wütend an und verscheuchte ihn mit der Hand.
Sofort schaute ich zum Bett und wie erwartet lag Echo noch dort. Vorhin war sie wohl sehr müde gewesen, denn sie war gar nicht dazu bekommen die verdreckten Klamotten gegen saubere zu wechseln. Und wie sie so ruhig und friedlich da lag, wurde mir wieder einmal klar, dass sie nichts von all dem verdient hatte, was gerade um sie herum geschah. Hätte sich die Feuerseele niemals mit ihr verbunden, würde sie wahrscheinlich noch ein ruhiges, geordnetes Leben führen – vielleicht hätte sie noch ihre Familie an ihrer Seite.
Sie hat aber mich an ihrer Seite. Und Mikhael und Caitlain. Das müsste für den Moment reichen. Hoffentlich, denn wenn nicht, würde der Weg nach Ashlyver zu einer noch größeren Herausforderung werden als gedacht.
Ich fand es immer noch riskant ausgerechnet die Sternenkinder um Hilfe zu bitten. Was wenn wir sie gar nicht fanden oder sie uns sofort wieder vertreiben würden, eben weil drei von uns ehemalige Scalras waren? Echo hatte soviel durchmachen müssen, es war mir wichtig, dass sie irgendwo eine langanhaltende Zuflucht fand, wo man ihr half und sie beschützte.
Kurz schmunzelte ich, als ich mich zurück an ihre Rettung erinnerte. Sie war so erleichternd gewesen als der Kopfgeldjäger keine Gefahr mehr gewesen war und alle Schattenfresser tot waren. Und dann war sie mir in die Arme gefallen. Es war auch jetzt noch ein unfassbares Gefühl. Ich hatte ihre Erleichterung, Freude und Zuversicht in ihrer Umarmung gespürt und noch immer meinte ich ihre dünnen Arme wahrzunehmen und wie sich um mich geschlungen hatten, als würde sie nach Schutz suchen. Sie hatte sich tatsächlich gefreut mich zu sehen, dabei war ich doch derjenige, der sie in diese ganze Situation gebracht hatte. So viel vertrauen einem imperialen Elite-Soldaten entgegen zu bringen war naiv, aber noch naiver war wohl ein imperialer Elite-Soldat, der bereit war sein ganzes Leben für seine Beute zu opfern.
So leise wie ich konnte, stand ich auf und ging in die Richtung des kleinen, angrenzenden Bades. Cayde dachte manchmal an so viele Dinge, dass er manchmal auch kleine Dinge vergaß – wie zum Beispiel etwas zum trinken. Doch auf halbem Wege bemerkte ich aus dem Augenwinkel eine Bewegung und blieb stehen. Zuerst war es nur der Federfuchs, der noch an derselben Stelle lag und vor sich hin gedöst hatte, bis er plötzlich den Kopf hob und Echo direkt ansah. Und dann bewegte sich auch Echo.
Zitternd öffneten sich ihre Augen und ihr Blick suchte die Kristalllampen an der Decke auf. Der Federfuchs war sogleich Feuer und Flamme. Mit einem leisen Winseln stand er auf, drückte sich an Echos Seite und rieb sich an ihr, solange bis sie reagierte und ihm über den schmalen Kopf strich. Mit einem schwachen Lächeln setzte sie sich auf und der Federfuchs legte sich sogleich dicht neben sie, wo er dann von ihr weiter gestreichelt wurde.
,,Wie lange willst du noch so tun, als wärst du nicht hier?", fragte sie plötzlich, bevor ihr funkelnder Blick auf mich fiel.
,,Vielleicht wollte ich dich auch nur erst Mal wach werden lassen", erwiderte ich und setzte mich neben sie auf die Bettkante. ,,Mikhael meinte du wärst sofort eingeschlafen."
,,Es waren ein paar harte Tage..."
,,Sie werden aber leichter."
Wenig überzeugt ließ Echo den Kopf hängen. Mit ihrer Hand graulte sie in Gedanken versunken den Federfuchs. Mehrere Strähnen hatten sich aus ihrem unordentlichen Zopf gelöst, eine fiel ihr über die Stirn und verlieh ihrem Gesicht eine beinah kindliche Erscheinung.
,,Wirst du mich wirklich nicht im Stich lassen?", fragte sie leise. Mit schwachen Augen blickte sie zu mir hoch.
Ich nickte. ,,Niemals. Ich weiß was die Kaiserin von dir möchte und was sie dir antun wird und das werde ich auf keinen Fall zu lassen. Und um umzukehren ist es auch schon zu spät. Nun bin ich ein Abtrünniger."
,,Der Brecher, der gefährlichste Abtrünnige in ganz Eridia!"
Sanft stieß ich der kichernden Echo mit der Hand gegen die Schulter. ,,Spotte du nur, Melari. Doch an deiner Stelle würde ich mich lieber ausruhen. Morgen schon werden wir aufbrechen und bis nach Ashlyver ist es ein langer Weg."
,,Ashlyver? Dort willst du hin?"
,,Möchtest du lieber nach Thyra oder Tauen?"
Schweigend senkte sie wieder den Blick. Ahnungslos, sie war ahnungslos und deswegen sagte sie nichts. Vielleicht gefiel es ihr genauso wenig wie mir. Aufmunternd griff ich nach ihrer Hand. Kaum berührte ich sie, drückte Echo fest zu, als würde sie nach meiner Nähe oder einem sicheren Halt suchen. Kurz war ich überrascht, aber ich ließ es zu.
,,Wir werden die Sternenkinder aufsuchen und sie um Hilfe und Schutz bitten. Für dich stehen die Chancen gut, immerhin bist du ein Daegor."
,,Aber ohne dich werde ich ihre Hilfe nicht annehmen."
,,Es wird schon gut gehen", versuchte ich sie weiter aufzumuntern. ,,Wir werden das alle zusammen schaffen: Du, Mikhael, Caitlain und ich."
,,Und wenn wir das alles umsonst auf uns nehmen?"
Verwirrt blinzelte ich sie an. Doch auch als ich vorsichtig ihre Hand drückte, zeigte sie keine Reaktion und wirkte abwesend. Erst als ein feuchter Schimmer über ihre Wange fiel, bemerkte ich den tiefen Schmerz in ihr. Sie hatte Angst, Angst die eng mit Trauer verknüpft war.
Bevor ich sie fragen konnte, kam Echo schon selbst mit ihrer Sorge heraus. In ihrer Stimme schwangen die Angst und Furcht, die ich in ihrem Inneren spüren konnte und wieder drückte sie meine Hand, aber dieses Mal, tat sie es wahrscheinlich mehr unbewusst und instinktiv als gewollt.
,,Ich trage keine Feuerseele mehr in mir", flüsterte sie mit Furcht in der Stimme. ,,Halastjarni ist gegangen, er hat sich von mir gelöst und mir seine Magie überlassen. Ich glaube, er hat sein Leben aufgegeben und mich dadurch zum dunklen Daegor gemacht, ohne das ich ein richtiger Daegor bin. Und alle glauben, dass in mir noch diese eine Feuerseele steckt, die Eridia zum ersten Ätherkristall führen kann. Alle erwarten von mir, dass ich den Weg kenne. Und ich habe davor Angst. Was würden die Blinde Gesellschaft oder das Imperium denn mit mir machen, wenn ich wieder bei ihnen bin und sie erfahren, dass ich im Grunde nutzlos bin?"
Sanft hob ich mit meiner freien Hand Echos Kinn am, um ihren Blick zu heben. ,,Du bist nicht nutzlos! Es ist ganz egal ob du eine Feuerseele in dir trägst oder nicht, es ist auch egal ob du ein normaler Daegor bist oder der dunkle Daegor. Du bist in erster Linie nur du. Und um das Imperium und die Gesellschaft brauchst du dir keine Sorgen zu machen – solange ich bei dir bin, wird dir keine der beiden Seiten etwas antun."
,,Du solltest das nicht tun, Fynch." Kopfschüttelnd entzog sie ihre Hand aus meiner. ,,Nur weil du Schuldgefühle oder ein schlechtes Gewissen hast, solltest du nicht dein Leben für mich riskieren. Du schuldest mir nichts."
,,Aber ich schulde Eridia etwas. Ich habe für das Imperium Menschen verletzt und getötet. Die ganze Zeit habe ich geglaubt, es sei das Richtige gewesen. Aber inzwischen glaube ich, dass manche meiner Taten diesem Land geschadet haben und nicht geholfen. Und wenn ich das Leben eines besonderen Menschen beschützen kann, kann ich schon mal etwas wieder gut machen."
Dankbar lächelte Echo mich an. Die Kühle ihrer blau-grauen Augen schien Wärme zu entweichen, wobei ich mich kurz fragte, ob es wohl nicht eher der verräterische Schimmer eines Daegors war. Nichts destotrotz beugte ich mich vor und zog sie in eine sanfte Umarmung. Mit dem Kopf an meiner Schulter ruhend lehnte sich Echo an mich. Und so verharrten für einen langen Moment. Ich spürte wie die Angst von ihren Schultern fiel und ich vernahm die Wärme ihrer Magie. Sie genoss diese Umarmung, die ihr Schutz und Sicherheit bot. Und irgendwie gab mir die Umarmung dasselbe. Seit Tagen herrschte diese Leere in mir und es war Echo, die sie wieder füllte, was mich in meinem Handeln nur noch mehr bestärkte.
Ein erschrockenes Krächzen war es, was den Zauber des ruhigen Moments brach. Während dieser Zeit war der Federfuchs aufgestanden und war zum Tisch getrottet, auf dem immer noch Ares saß. Mit der Schnauze kam der Federfuchs der Krähe immer näher, was dieser so gar nicht gefiel. Immer wieder krächzte Ares auf, die Flügel dabei ausgebreitet und den Kopf hoch erhoben. Allerdings ignorierte es der Federfuchs.
Erst als Ares die nächste Aktion startete reagierte der Federfuchs, zu Beginn etwas verwirrt. Denn der Haufen Federn und Knochen löste sich auf einmal in einen tiefschwarzen, langgestreckten Körper auf. Wie eine dunkle Nebelwolke, nur mit funkelnden Augen, gedrehten Hörnern an den Schläfen und zwei langen Beinen mit scharfen Klauen. Und nun war es der Federfuchs, der bellend zurückwich, während Ares ihn mit schiefgelegten Kopf musterte.
Langsam ließ Echo mich los und richtete sich dabei auf. Den Blick starr auf Ares gerichtet und mit leichter Sorge in der Stimme. ,,Wusstet ihr schon, dass die Krähe ein Schattenfresser ist oder ist das neu?"
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro