Kapitel 20 - Kampf
Echo
Nacheinander preschten Sommer und Efeu ins Licht, um sich beide auf einen der Jäger zu stürzen. Das Einzige, was man nur noch von den beiden hörte, waren ihre schrillen Schreie als Zähne und Krallen sich in ihre Köpfe und Oberkörper bohrten. Blut spritzte durch die Luft, um Waldboden und Baumstämme zu treffen und das Knacken von Knochen hallte durch den Wald.
Fünf Jäger waren tot, es blieben nur noch vier und Jericho. Fynch kümmerte sich gleich um die am nächsten zwei. Beide, eine Frau und ein Mann, beide bewaffnet mit Dolchen, stürzten sich auf ihn. Ich sah wie Fynch den Angriff der Frau abwehrte, in dem er ihr zuerst auswich, dann ihren Arm mit dem Dolch packte und sie mit einem gezielten Schlag gegen die Kehle zum Boden beförderte. Von hinten nährte sich der männliche Jäger, doch bevor er seine Klinge in Fynchs Schulter bohren konnte, griff der Scalra nach hinten, packte den Arm des ahnungslosen Mannes und zog ihn so heftig nach vorne, dass der Arme gegen Fynchs Rücken stieß.
Weiter schaute ich nicht zu, denn ich wollte mich um mein eigenes Problem kümmern. Es war vielleicht riskant, da Jericho ein viel erfahrenerer Kämpfer war als ich und mir dank der Unterdrückungs-Rune am Hals die Magie fehlte, aber ich musste Fynch helfen. Jericho war abgelenkt durch die Geschehnisse um uns herum. Er hatte sich durch das Auftauchen der Drachen erschrocken nach unten gebeugt und das nutzte ich zu meinem Vorteil. So fest ich konnte, hob ich den Kopf und knallte mit der Stirn voraus gegen Jerichos Nase.
Jericho fluchte erschrocken auf und ein Schwall aus Blut ergoss sich über mich. Beide Hände des Bluthundes flogen an seine Nase und dadurch ließ er den Revolver neben sich zu Boden fallen. Durch meinen Angriff verlagerte er das Gewicht und endlich verschwand der Druck von meinem Körper. Meine Hand griff von selbst nach der Waffe. Als ich ihr Metall an meiner Hand spürte, war es nicht mehr mein Instinkt, der reagierte, doch mein Verstand war genauso gut. Mit dem Arm holte ich aus und schlug die Waffe gegen Jerichos Schläfe. Der Bluthund brach in sich zusammen und blieb reglungslos am Boden liegen.
,,Mistkerl!", spuckte ich ihm wütend entgegen.
Mit vorgehaltener Waffe rappelte ich mich auf und zielte weiterhin auf ihn. Die Waffe war noch entsichert. Ich zögerte nicht lange und zielte auf seinen Kopf. In dieser misslichen Lage brauchte ich einfach nur den Abzug zu drücken und der Bluthund würde endlich sein Ende finden. Doch bevor ich zu dieser Chance kommen konnte, packte jemand von der Seite mein Handgelenk und zog es zur Seite, wodurch Jericho aus der Schussbahn fiel. Als ich meinen Angreifer ansah, blickte ich direkt Katja an und ohne mit der Wimper zu zucken, stieß sie mir das Messer in die Seite.
Der Schmerz war anders als der Schmerz in Orstella. Da war die Klinge von Jerichos Dolches nicht aus Silber gewesen. Das Silber reagierte sofort auf die Daegor-Magie, die sich mit meinem Blut vermischt hatte, weswegen dieser Schmerz tausendfach schmerzlicher war als normal. Kreischend ließ ich den Revolver in meiner Hand los. Tränen bildeten sich in meinen Augen und ich fühlte Halastjarnis tobende Wut in mir. Gerne würde er sie nun herauslassen, doch die Unterdrückungs-Runde verhinderte es. Katja sah mir schweigend dabei zu, mit einem genüsslichen Lächeln auf den Lippen. Sie war schon als Rose auf eine spezielle Art einzigartig gewesen. Durch ihren damaligen Verrat an mir, war sie im Ansehen des Kreuzritters wohl gestiegen, weshalb sie diese Stelle als Jägerin bekommen hatte. Schon ihre Stellung als Rose hatte ihr gefallen, doch wie es aussah, genoss sie das Töten mehr.
Das Lächeln hielt allerdings nur so lange an, bis ich es schaffte gegen den explodierenden Schmerz anzukämpfen und sie mit der wenigen Kraft, die ich aufbrachte, von mir zurück stieß. Dabei wurde der Dolch aus meiner Hüfte gezogen, was eine weitere Schmerzenswelle zufolge hatte. Die war es schließlich, die mich auf die Knie fallen ließ. Mit einer Hand hielt ich mir die blutende Wunde, mit der anderen stützte ich mich auf dem Boden ab. Tränen tropften von meinem Kinn, die sich einen zuckenden Weg über meine Wange nach unten gebahnt hatten.
Vor mir baute sich Katja auf neues auf. Von ihrem Schock durch den Stoß, hatte sie sich schnell erholt. Mit wutverzerrtem Gesicht stand sie vor mir und hob auf ein Neues das Messer. Das Blut, das als nächstes durch die Luft spritzte, stammte allerdings nicht von mir. Kleine, rote Spritzer nieselten wie Regen auf meine Haut nieder, als das Wurfmesser in Katjas Hals stecken blieb. Katja schaffte es noch irgendwie den Mund zu öffnen und gurgelte Blut, bevor sie vor mir ins Laub fiel.
Ich blickte in die Richtung, aus der das Messer gekommen war. Es war von Fynch gekommen. Die Jägerin lag neben ihm auf dem Boden, während er seinem anderen Gegner seinen Dolch in den Oberkörper rammte. Als sein Gegner zusammenbrach, drehte er sich zu mir um. Obwohl er eben in einem Kampf verwickelt war, sah er äußerlich noch in Ordnung aus, abgesehen von den Blutspritzern auf seiner Kleidung und auf der Maske. Die einzige Anstrengung, die er zeigte, war sein angestrengter Atem.
Eine Bewegung hinter ihm lenkte mich ab. Ich sah den letzten lebenden Jäger und wie er sich mit erhobener Waffe Fynch nährte: Eine Axt.
,,Fynch!", rief ich ihm als Warnung entgegen.
Doch meine Warnung kam zu spät. Noch während Fynch sich umdrehte senkte sich das scharfgeschliffene Blatt der Axt. Fynchs Schrei schoss wie ein Pistolenschuss über die Reste unseres Lagers und gleichzeitig fielen Haut, Blut und Knochen mit einem dumpfen Schlag auf den Boden. Während sich mir bei dem Anblick mein Magen umdrehte, schaffte Fynch es irgendwie noch, sich auf den Beinen zu halten. Sein keuchender, abgehackte Atem war nicht besonders laut, doch irgendwie drang er so nah an mein Ohr, als würde Fynch direkt neben mir darum kämpfen das Gleichgewicht und Bewusstsein zu behalten.
Der Jäger schaffte es allerdings, ihn dann doch zu Boden zu bringen. Statt ihm direkt die Axt in die Brust zu schlagen, stieß er sich mit der Schulter gegen den verletzten Scalra und stieß ihn so um. Zum Glück fiel er weiter, als die untere Hälfte seines Armes und landete so nicht direkt darauf. Der Jäger allerdings trat mit voller Absicht auf das abgetrennte Glied, als würde er Fynch damit verhöhnen wollen.
Diese Aktion kostete dem guten Mann allerdings selbst das Leben. Trotz seiner misslichen Lage hob Fynch seine vorhandene Hand. Der goldene Schimmer erschien wieder an seiner Handfläche und damit schickte er einen Stoß an Magie los, die den Jäger mit der Axt nach hinten warf. Man hörte, wie er unsanft aufschlug, als der Mann einen keuchenden Laut von sich gab. Dieser Laut wandelte sich alsbald in ein Kreischen aus Schmerz um, als Sommer sich mit einem Sprung auf ihn stürzte und seine nächste Beute verschlang.
Die Schmerzen an meiner Wunde hatten währenddessen ein wenig nachgelassen. Sie waren immer noch da, allerdings weniger Präsenz als das taube Gefühl, das die Wunde umlegte. Angestrengt stemmte ich mich auf die Beine und atmete zischend aus, als der Schmerz durch meine Beine schoss. Dennoch lief ich Schritt für Schritt weiter. Es waren zwar nur wenige Meter, doch es fühlte sich unter den körperlichen Bedingungen an, als würde ich mich eine halbe Ewigkeit schleppen, bevor ich neben Fynch wieder auf die Knie sank.
Der Anblick seines abgehackten Arms, war immer noch ein unangenehmer Anblick, weshalb ich mich darauf konzentrierte seine Maske anzuschauen. ,,Alles in Ordnung?" In dieser Situation, hätte ich mir bei der Frage am liebsten selbst eine gescheuert.
Fynch stöhnte auf, als er sich mithilfe seines Armes hockdrückte. Dennoch brachte er ein erschöpftes Nicken hervor. ,,Ist nur eine Fleischwunde, Melari. Alles gut."
Empört schnaubte ich auf. ,,Du nennst so etwas eine Fleischwunde?"
,,Was ist mit dir?", fragte Fynch, statt auf meine Worte zu achten.
Ich blickte auf die Wunde, deren Blut inzwischen schon durch den Mantel gesickert war. Fynch streckte seine Hand aus und berührte vorsichtig mit den blutverschmierten Fingern seines Handschuhs die taube Haut drum herum. Ein schmerzliches Stöhnen entwich meinen Lippen und sofort zog er die Hand zurück.
,,Wir brauchen Unterstützung", entschied er schließlich. ,,Deine mit Silber vergiftete Wunde und mein...So werden wir Johran nicht erreichen können, wir sind eine zu große Beute."
Gäbe es eine andere Möglichkeit hätte ich ihm widersprochen. Ich hätte diese Chance genutzt und Fynch hier und jetzt mit irgendeiner Waffe getötet und wäre dann einfach in den Wald gelaufen. Doch dieser Gedanke fühlte sich so falsch und unglaublich an, dass es für mich gar nicht möglich wäre ihn durchzuführen. Es lag nicht daran, dass Fynch in einer schwierigeren Lage war als ich oder, dass ich ohne ärztliche Hilfe sowie sterben würde. Ich konnte mir nicht vorstellen diesen Gedanken durchzuführen, da ich sonst weg von Fynch wäre und ohne ihn weiterleben müsste. Es klang vielleicht verrückt, da er gewissermaßen mein Entführer war, aber seit heute Morgen, spürte ich in dem Scalra keine Gefahr mehr. Ich spürte etwas vertrautes, etwas, was mich in irgendeinen Winkel meines Herzens an einen Freund erinnerte und nach so vielen Opfern wollte ich keinen weiteren Freund verlieren.
Deswegen nickte ich nur und Fynch tat was er tun musste.
Goldene Fäden aus Licht zogen sich aus seiner Hand und wanden sich in alle Richtungen wie Schlangen. Ein paar Meter von uns entfernt fuhren die einzelnen Fäden ineinander und ergaben eine strahlende Figur. Bei der Figur – bei dem Ræna – handelte es sich um eine Kobra mit braungoldenen Schuppen aus Licht. Als sie sich aufstellte und uns mit ihren klugen, blauen Augen anschaute, fauchte sie und streckte ihre Nackenhaut aus, was wie ein Fächer um ihren Kopf aussah. Als der Ræna Fynchs stummen Befehl bekam, senkte sie sich und schlängelte einige Meter in Richtung der Bäume davon. Kurz bevor er den ersten Baum erreichte, löste sich der Ræna in Licht auf und verschwand in der Luft. Er brach auf, um so schnell wie möglich Johran und das Imperium zu erreichen.
Mein Blick schweifte weiter über den mit Leichen verzierten Boden. Alle neun Jäger hatten hier ihr Ende gefunden, um eine ehemalige Rose zu töten. Sollte ich Glück haben, würde ich überleben, ihre Tode wären somit nicht umsonst gewesen. Mein Blick blieb schließlich an Jericho hängen. Er lebte noch. Noch war er bewusstlos, aber bald würde er aufwachen. Sollte die Unterstützung nicht schnell genug da sein, könnte er uns vielleicht überwältigen und wir wären beide tot.
,,Wirst du ihn töten?", hörte ich Fynch fragen. Ich wusste er meinte Jericho.
,,Ich kann nicht", flüsterte ich mit gebrochener Stimme. So gerne ich würde, ich konnte es nicht. Ich war nicht stark genug, um einen ehemaligen Peiniger das Leben zu nehmen. War das wohlmöglich feige von mir?
Fynch seufzte schwer auf. ,,Ich verstehe."
Aus dem Augenwinkel sah ich wie Efeu aufmerksam den Kopf hob. Er blickte in unsere Richtung und der Bewegung seiner zuckenden Ohren nach, schien er auf etwas zu warten. Auf den stummen Handbefehl von Fynch hin, wandte er sich an den bewusstlosen Jericho. Dann knurrte er tief und ging mit gespreizten Krallen auf den Bluthund los.
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