Kapitel 18 - Fremdes Gefühl
Fynch
Ich wusste, was es für Hector bedeutete ein guter Gastgeber zu sein und damit verband er auch die Pflicht seinen Gästen ein Frühstück zu machen. Dieses Frühstück bestand aus selbstgebackenem Brot, Karotten und Gurken von seinem Feld und ein wenig Haferschleim, der mit ein paar Nüssen verfeinert war. An sich eigentlich lecker, nur besaß Hector keinerlei Talent fürs Backen, wodurch sein Brot erst einmal schrecklich schmeckte und dann auch noch halb verbrannt war.
Bei jedem Besuch war ich nicht drumherum gekommen, wenigstens eine Scheibe Brot zu essen. Hector hatte mir das Frühstück auf dem Tisch gestellt, während er seine Arbeiten auf der Farm nachgegangen war. Ich hatte sogar die Tür absperren dürfen, damit mein alter Freund mich nicht überraschen konnte, wenn ich die Maske nicht aufhatte. Doch dieses Mal, konnte ich das Frühstück auslassen, da es schwierig gewesen war getrennt von Echo zu sein. Ein vernünftiger Mensch hätte in diesem Fall wohl auf das nagende Gefühl des Hungers gehört und die Maske einfach abgenommen, doch meine Vernunft hatte schon vor langer Zeit damit aufgehört ihre Arbeit zu machen.
Während Echo am Tisch saß und etwas aß, nutzte ich die Zeit, um die von Hector bereitgestellten Lebensmitteln in die Tasche mit dem Proviant zu verstauen: Ein bisschen Gemüse und getrocknete Streifen Fleisch. Ich schaute dabei zwar nicht in ihre Richtung, doch ich konnte bei jeder meiner Bewegungen Echos Blicke auf mir spüren. Vielleicht war sie noch wütend auf mich, da ich gestern Abend absichtlich ihrer Frage ausgewichen war. Aber warum sollte ich auch einer Abtrünnigen irgendwelche Informationen weitergeben, die meinen Auftrag betrafen? Es betraf sie zwar direkt, aber das war noch lange kein Grund für mich meine eigenen Regeln über den Haufen zu werfen. Egal welche Rolle sie spielte, sie war immer noch eine Abtrünnige und Landesverrätern musste man nichts erzählen.
,,Das ist nett von Hector uns noch ein paar Vorräte mitzugeben", ließ Echo auf einmal anmerken. ,,Dabei brauchen wir für unseren Weg nicht mehr solange."
,,Wir werden sehen", erwiderte ich und stopfte missmutig eine Decke in die Tasche. Sie war dünn, aber gut genug, dass keine Fliegen den Geruch des Proviants bemerkten und auf ihrer dummen Weise nerven konnten. ,,Zu einem ist der Kreuz-Clan noch hinter dir her und die Soldaten könnten auch noch in der Nähe sein."
,,Ich bin immer noch überrascht, dass sie hier waren. Wieso schickt man zuerst dich und dann die Soldaten los?"
Wenn ich könnte, hätte ich ihr geantwortet, aber das konnte ich nicht. Mir fielen nicht einmal die richtigen Worte ein, um sie gekonnt abzulenken. Dabei wollte ich auch gerne eine Antwort auf diese Frage haben, denn auch mir geisterte sie durch den Kopf. Wegen meinem wenigen Wissen hatte ich Hector eine falsche Antwort geben müssen und es war ein Wunder, dass der alte Profi meine Lüge nicht entlarvt hatte. Ich wusste nicht was passieren würde, wenn die Soldaten uns noch finden würden, lieber wollte ich Lady Ascillia direkt darauf ansprechen. Die Scalras gab es offiziell seit fünfzehn Jahren und noch nie hatte man nachträglich zu einem Auftrag Soldaten losgeschickt – warum also jetzt?
Weil ihr noch nie ein Auftrag so wichtig gewesen war. Lady Ascillia möchte den Auftrag geheim halten. Sie hat die Zielperson mehrere Jahre lang überwachen lassen und hat die stärkste Geist-Beschwörerin des Imperiums mit dazu geholt...
Die Taschen fertig gepackt, stellte ich sie auf den Boden und trottete rüber zum Tisch an dem noch Echo saß. Ohne Worte ließ ich mich neben ihr auf die schmale Bank fallen, wo ich letzte Nacht unruhig geschlafen hatte. Mittlerweile lustlos, rührte der weibliche Daegor mit dem Löffel im Haferschleim rum, von dem sie mindestens erst die Hälfte gegessen hatte. Sie war dazu noch schlau genug gewesen das Brot nicht anzurühren, allerdings hatte sie es gelassen auch noch das Gemüse zu essen. Ich erinnerte mich zurück an meine Beobachtungen in den Tunneln und sofort kam eine neue Frage in mir auf.
Die Feuerseele in Echo schien anhand der Farbe des Feuers ein normaler Nakre zu sein und etwas anderes wurde als Daegor auch nicht gezeigt. Wieso also war diese Feuerseele so wichtig für das Imperium?
Nach so vielen Jahren hatte das Imperium akzeptiert die friedlichen Daegors in der Gesellschaft leben zu lassen. Solange niemand begann Menschen zu töten oder zu verletzen, war es ihm erlaubt zu leben, doch benahm er sich falsch, wurde er festgenommen und sein Schicksal von der Laune des Imperators bestimmt. Vor ein paar Tagen wurden so viele Menschen von Daegors in Eridia getötet und von denen hat man bisher nur drei Stück finden und hinrichten können. Lady Ascillia meinte, sie bräuchten noch einen Daegor, den sie dem Mord am Imperator zuschieben mussten, aber ich glaubte nicht, dass sie deswegen Echo brauchte.
Vor meinem Aufbruch hatte ich mir die Akte von Violet Ravenstein angeschaut und dort stand nur eine Vermutung, das in ihr eine Feuerseele lebte. Niemals war erwähnt worden, dass sie wirklich ein Daegor sei oder das sie irgendwo als Daegor rumgewütet hatte. So gesehen fiel mir kein guter Grund ein, weshalb das Imperium sie festnehmen wollte.
Seufzend stand ich auf und strich mir frustriert über den Kopf. Oh Götter steht mir bei.
,,Du bist also wirklich ein Mensch", sagte Echo plötzlich.
Erst als ich mich verwirrt über das plötzliche Brechen ihres Schweigens wieder zu ihr umdrehte, fiel mir auf, was sie damit meinte. Ungewollt hatte ich mir meine Kapuze runtergestreift. Die Maske schützte mein Gesicht zwar noch, aber den Rest meines Kopfes hatte ich damit offenbart. Mit einem genervten Stöhnen ließ ich den Kopf hängen. Einmal nicht aufgepasst...
,,Macht dich sympathischer", fuhr Echo unbeeindruckt fort. Komischerweise hatte sie auch nun einen viel heiteren Gesichtsausdruck. ,,Auch wenn es so aussieht, als wüsstest du nicht was eine anständige Frisur ist."
,,Sagt diejenige, die wahrscheinlich seit einem Monat kein anständiges Bad mehr gehabt hatte."
,,Zwei Monate", korrigierte sie mich und warf demonstrativ ihr nun sauberes Haar über die Schulter. ,,Aber warum benutzt du nicht so eine Rune wie bei mir? Oder einen Ätherkristall?"
,,Weil es keinen zu interessieren braucht wie ich aussehe", antwortete ich bissig. ,,Die sehen sowieso alle nur die Maske und die Kapuze. Außerdem ist der letzte Mann, der mein Gesicht gesehen hat, kurz darauf gestorben – es ist dann wohl ein schlechtes Omen hinter den Stein zu schauen."
Unter Echos weiterhin belustigten Blick, setzte ich mir die Kapuze wieder auf. Und obwohl ich genau dies in den letzten Jahren, kaum in der Gegenwart eines anderen Menschen - vor allem nicht in der Gegenwart eines fremden Menschen - getan hatte, machte es mir komischerweise nichts aus, dass ausgerechnet meine Beute mir dabei zusah. Ruhig wie immer, schob ich mir die Kapuze über und klemmte die etwas längeren, dunklen Strähnen in die Vertiefung der Maske. Die Abtrünnige hatte recht: Ich musste bald etwas gegen die langen Strähnen tun, sonst wurden sie bald von mehreren Menschen bemerkt.
,,Wo kommst du eigentlich her?", fragte Echo weiter. Mittlerweile schaute sie mich ernsthaft nachdenklich an. Es sah aus, als würde sie über ein unlösbares Rätsel nachdenken. ,,Du sprichst sowohl alt-ashlyvisch, als auch tauisch. Ich glaube deshalb, du stammst aus einem der beiden südlichen Länder."
,,Es kann auch einen anderen Grund dafür geben", erwiderte ich und setzte mich vor unseren Taschen auf den Boden. ,,Ich hatte eine sehr gute Ausbildung, die beinhielt auch das Erlernen von Sprachen. Und wegen meinem damaligen Interesse, bin ich der einzige Scalra, der alle neun Sprachen spricht."
,,Du bist also ein Streber."
,,Was ist mit dir?", fragte ich und drehte dadurch den Spieß um. ,,Bist du der tauischen Sprache bemächtigt? Deiner natürlichen Haarfarbe nach, hast du eindeutig Wurzeln aus Tauen."
Schmunzelnd ließ Echo ihren Löffel in den Haferschleim fallen. ,,Ich kann tauisch, zumindest ein bisschen. Ich habe es in der Schule gelernt, sowohl in Johran als auch in Feyna. Nachdem meine Eltern sich haben versetzen lassen, musste ich mich in Feyna doppelt anstrengen."
Den Kopf schräg gelegt, musterte ich sie aufmerksam. ,,Muss schwierig gewesen sein, so ein plötzlicher Umzug in ein ganz anderes Land."
,,Ach." Schulterzuckend griff Echo wieder nach ihrem Löffel und begann aufs Neue darin rumzurühren. ,,Ich hatte in Johran kaum Freunde gehabt, da konnte ich in Feyna neu anfangen." Das schelmische Aufleuchten in ihren Augen, konnte ich selbst von meiner Position aus sehen, bevor sie dann mit einem Seitenblick zu mir schaute. ,,Schwieriger war es bei dir doch bestimmt diese Maske tagtäglich aufzusetzen. Oder war es einfacherer, da dein Gesicht ohnehin nicht der schönste Anblick ist?
Entnervt schüttelte ich den Kopf und unterdrückte den Drang mir wieder über den Kopf oder über das Gesicht zu streichen – ein Fehler pro Tag reichte. Meine Verspannung war scheinbar gut erkennbar, denn ein amüsiertes Grinsen breitete sich über Echos Lippen auf. Diese Hexe spielte mit mir und es schien ihr zu gefallen. Und obwohl sie mich bei ihren Gemeinheiten ein wenig beleidigte, musste ich zugeben, das es doch recht amüsant war. Ein gut verstecktes und unerkennbares Lächeln konnte ich dann auch zulassen.
Vielleicht ist das einer der Gründe, überlegte ich und wurde sogleich wieder ernst.
Bevor ich sie zu offensichtlich anstarren konnte, wandte ich mich ab und richtete meine Aufmerksamkeit wieder aufs Gepäck. Bisher hatte ich so etwas noch nie gehabt. Ich hatte gar nicht gewusst, dass ich so etwas überhaupt haben konnte, aber wahrscheinlich nur weil ich bisher noch nie so sehr an die Unschuld einer Abtrünnigen geglaubt hatte. Mit einem tiefen Atemzug, versuchte ich mich zu beruhigen, aber es brachte nichts. Stattdessen spürte ich nur noch mehr, wie das Gefühl des Verrats anstieg.
So fühlt es sich also an Zweifel zu haben.
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