Im Rausch Der Stille
Jisung PoV
Die eisige Luft traf mich wie eine Überraschung, als ich die Tür zur Eishalle durchschritt.
Sie war so klar und scharf, dass sie fast in meiner Lunge brannte, und ich konnte den feinen, metallischen Hauch von Frost in der Nase spüren. Das dumpfe Echo von Schlittschuhkufen, die über das Eis glitten, erfüllte die Halle, begleitet vom leisen Kratzen, wenn jemand eine schnelle Kurve drehte.
„Eine Eiskunstlaufhalle?“ fragte ich ungläubig, als ich stehenblieb und den Ort auf mich wirken ließ.
Das Licht war kühl und weiß, reflektiert von der glatten Eisfläche, die wie ein endloser, schimmernder Spiegel wirkte.
Minho blieb ein paar Schritte vor mir stehen, drehte sich dann mit einem leichten Lächeln um.
„Seit ich acht bin, ist das einer meiner Lieblingsorte.“
Ich starrte ihn an.
„Du? Auf dem Eis? Das hätte ich nie gedacht.“
Er zuckte mit den Schultern, als wäre es nichts Besonderes.
„Manchmal gibt es mehr in einem Menschen, als man auf den ersten Blick sieht.“
Ich konnte nichts darauf erwidern, also folgte ich ihm, obwohl meine Schritte langsamer und zögerlicher wurden, je näher wir dem Rand des Eises kamen.
„Also, du willst wirklich, dass ich das mache?“ fragte ich schließlich, als ich sah, wie er ein Paar Schlittschuhe aus einem Regal nahm.
„Natürlich.“
Er reichte mir ein Paar, das er scheinbar in Sekundenschnelle für meine Größe ausgewählt hatte.
„Ich bring dir das bei.“
Ich war mir nicht sicher, ob das beruhigend oder erschreckend war.
„Minho, ich kann kaum auf normalem Boden geradeaus gehen, geschweige denn auf…“
Ich zeigte auf das Eis, das fast bedrohlich funkelte. „...dem da.“
Er lachte leise, das warme, sanfte Geräusch, das mich immer gleichzeitig ärgerte und anzog.
„Du wirst nicht sterben, Jisung. Versprochen.“
Das erste Mal, als ich meinen Fuß auf das Eis setzte, war ich überzeugt, dass ich mich sofort auf den Boden legen würde.
Die Kälte schoss durch die dünne Sohle der Schlittschuhe und ließ meine Zehen taub werden.
Das Eis war so glatt, dass ich mich instinktiv an das Geländer am Rand klammerte.
„Oh mein Gott, das ist ein Todesurteil.“
Minho, der mühelos vor mir auf das Eis glitt, lachte laut.
„Es ist nur Eis. Es beißt nicht.“
„Es beißt vielleicht nicht“, murmelte ich, während ich vorsichtig den zweiten Fuß auf die Fläche setzte, „aber es wartet darauf, dass ich falle.“
„Komm schon.“
Er glitt zu mir zurück, hielt eine Hand aus und sah mich mit einem herausfordernden Blick an.
„Vertrau mir.“
Ich sah ihn an, dann seine Hand, dann wieder das Eis.
„Wenn ich sterbe, ist das deine Schuld.“
Trotzdem griff ich nach seiner Hand. Seine Finger waren überraschend warm in der kalten Luft und als er mich vom Rand wegführte, klammerte ich mich fast panisch an ihn.
„Oh Gott. Oh Gott. Oh Gott. Ich werde sterben.“
„Du bist nicht mal hingefallen“, sagte er und versuchte, ernst zu bleiben, aber ich konnte das Lachen in seiner Stimme hören.
„Noch nicht!“
Die ersten Minuten waren ein einziges Desaster.
Ich stolperte, rutschte und klammerte mich mehr an Minho als an meine eigene Balance.
Sein Lachen war fast konstant, ein tiefes, warmes Geräusch, das über das Eis hallte und mich gleichzeitig ärgerte und beruhigte.
„Du musst dich entspannen“, sagte er schließlich und zog mich wieder aufrecht, nachdem ich beinahe mit dem Gesicht voran gefallen wäre.
„Wie soll ich mich entspannen, wenn ich jede Sekunde denke, dass ich sterben könnte?“
Er schüttelte den Kopf, zog mich ein Stück näher und ließ mich langsamer gleiten.
„Du wirst fallen, ja. Aber das ist der Punkt. Es ist nicht schlimm zu fallen.“
Ich wollte widersprechen, aber genau in dem Moment verlor ich wieder das Gleichgewicht.
Meine Füße rutschten in verschiedene Richtungen, und ich griff blind nach dem nächstbesten Halt – Minho.
„Autsch!“ rief er, als ich uns beide fast zu Boden zog, schaffte es aber irgendwie, uns beide aufrecht zu halten.
Ich klammerte mich mit beiden Armen an ihn und schloss die Augen. „Ich hasse das. Ich hasse dich. Ich hasse alles.“
Er lachte so heftig, dass ich ihn spüren konnte.
„Das glaub ich dir nicht.“
Trotz meiner Angst konnte ich nicht anders, als mich zu entspannen, als er mich langsam weiter über das Eis führte.
Die Kälte war immer noch präsent, der scharfe, metallische Geruch des Eises immer noch in der Luft, aber es wurde weniger bedrohlich.
Minho hatte recht.
Als ich schließlich fiel – und das tat ich, mit einem ziemlich beeindruckenden Knall –, war es nicht so schlimm, wie ich gedacht hatte.
Es war kalt, ja, und mein Hintern würde morgen wehtun, aber als ich wieder hochsah, streckte Minho mir eine Hand entgegen.
„Siehst du?“ sagte er mit einem leichten Grinsen.
„Du bist nicht gestorben.“
Ich nahm seine Hand und ließ mich von ihm hochziehen.
„Noch nicht.“
Sein Lächeln wurde breiter und er hielt meine Hand fest, als wir wieder losfuhren.
„Du machst Fortschritte, Jisung. Und keine Sorge – wenn du fällst, bin ich hier.“
Es war eine einfache Aussage, aber irgendetwas daran ließ mein Herz schneller schlagen.
Vielleicht war es die Art, wie er es sagte, oder die Wärme in seinem Blick, die selbst das kälteste Eis erträglich machte.
Die Halle war still geworden.
Die Geräusche von anderen Schlittschuhläufern, das Lachen und das Kratzen der Kufen auf dem Eis, waren allmählich verklungen, bis nur noch das sanfte Echo unserer eigenen Bewegungen in der kühlen Luft widerhallte.
Ich bemerkte es kaum, zu beschäftigt damit, meine Füße unter Kontrolle zu halten und gleichzeitig Minhos Anweisungen zu folgen.
„Siehst du? Du wirst besser.“
Minho grinste, als ich ohne seine Hilfe ein paar Schritte glitt, bevor ich mich wieder unsicher an ihn wandte.
„Das sagst du jetzt,“ murmelte ich, „warte nur, bis ich wieder umfalle.“
Er lachte leise, ein Klang, der mein Herz ein bisschen schneller schlagen ließ.
Es war ein warmer Kontrast zu der eisigen Umgebung, so leicht und mühelos, als wäre dieser Ort ein Teil von ihm.
Wir glitten gemeinsam über das Eis, seine Hand immer wieder an meinem Arm, um mich zu stabilisieren, wenn ich ins Straucheln geriet.
Der Rest der Welt fühlte sich weit weg an, nur wir zwei in dieser funkelnden, frostigen Weite.
Plötzlich spürte ich, wie meine Füße wieder nachgaben.
Ein unkontrolliertes Rutschen, und Panik schoss durch mich.
Ich streckte die Arme aus, klammerte mich an Minho – zu fest, wie ich in seinem überraschten Ausruf erkannte.
Sein Gleichgewicht brach mit meinem, und bevor ich es realisieren konnte, lagen wir beide auf dem kalten Eis.
„Jisung!“ Minho keuchte, bevor er in schallendes Lachen ausbrach.
„Das war nicht meine Schuld!“ protestierte ich schwach, spürte jedoch, wie sich ein breites Grinsen auf mein Gesicht schlich, während ich versuchte, mich aufzurichten.
„Natürlich nicht.“
Seine Stimme war von Lachen durchzogen, und ich sah auf, nur um zu bemerken, dass er sich über mich gebeugt hatte.
Die Zeit schien für einen Moment stillzustehen.
Sein Lachen verklang, und ich konnte plötzlich alles an ihm so deutlich sehen: Seine dunklen Augen, die mich aus der Nähe fixierten, voller Wärme und einem Hauch von Neugierde.
Die blassen Wangen, auf denen sich jetzt ein leuchtendes Rot ausgebreitet hatte – ein Produkt der Kälte und vielleicht auch der Nähe.
Und seine Lippen.
Sie waren weich, fast rosig, mit einem Hauch von Feuchtigkeit, der sie noch einladender wirken ließ.
Sie schienen zu zittern, vielleicht vor der Kälte, oder vielleicht war es einfach nur meine Einbildung.
Mein Herz hämmerte laut in meiner Brust, während ich mich nicht von diesem Anblick lösen konnte.
Minhos Hände lagen an meinen Schultern, warm trotz der kalten Umgebung, und ihre Berührung hielt mich in diesem Moment fest.
Ich wusste nicht, was mich überwältigte – die Kälte, die plötzliche Nähe oder die Wärme, die trotz allem in meinem Inneren aufstieg.
Aber bevor ich mich bremsen konnte, bewegte ich mich.
Unsere Gesichter waren nur Zentimeter voneinander entfernt, als ich mich leicht nach oben streckte, meine Hände unsicher auf das Eis gestützt.
Meine Lippen berührten seine, sanft und zögerlich.
Sie waren kühler, als ich erwartet hatte, fast so kalt wie das Eis unter uns, aber gleichzeitig spürte ich eine unerwartete Wärme durch mich fließen.
Minho erstarrte für einen Augenblick, und ich hätte fast den Mut verloren, bis ich spürte, wie seine Hände fester wurden, mich sanft hielten, während er den Kuss erwiderte.
Es war nicht fordernd, nicht ungestüm – nur ruhig, ein stiller Moment inmitten der Kälte.
Als ich mich langsam zurückzog, war mein Atem schwer, meine Brust hob und senkte sich noch immer und mein Herz schien aus meinem Körper springen zu wollen.
Ich sah ihn an, suchte in seinen Augen nach einer Reaktion.
Sie waren warm, dunkler als zuvor, fast wie flüssiges Ebenholz, das etwas widerspiegelte, das ich nicht ganz benennen konnte.
Seine roten Wangen schienen noch auffälliger, fast ein Kontrast zu seinem blassen, makellosen Teint.
„Jisung…“ flüsterte er schließlich, seine Stimme leise, fast wie ein Windhauch, der über das Eis strich.
Seine Hände lösten sich von meinen Schultern und wanderten stattdessen zu meinen Seiten, hielten mich sanft fest, als wollte er sicherstellen, dass ich nicht wieder das Gleichgewicht verlor.
Ich lächelte unsicher.
„Sorry… ich wollte dich nicht überrumpeln.“
Er sah mich einen Moment an, sein Ausdruck weich, bevor ein kleines, schiefes Lächeln seine Lippen zierte. „Wer sagt, dass es schlecht war?“
Sein leiser Ton ließ mich erröten, und ich wandte meinen Blick kurz ab, unsicher, wie ich darauf reagieren sollte.
Die Kälte des Eises unter mir schien plötzlich nebensächlich, so wie alles andere um uns herum.
In diesem Moment, allein in der Stille der Halle, war es, als gäbe es nur uns beide – und das Gefühl, dass etwas Neues begonnen hatte.
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