
Kapitel 6 - Live Spiegelung
Montag, 18. Mai
CÆRON, Sektion 23, Delaware, New Cove
Es machte keinen Spaß mehr, CÆRON zu betreten. Ich vermisste SK 12, ich vermisste das Fliegen, ich vermisste lachende und feixende Kollegen.
Meine Gedanken waren düster. Ich musste das schnellstens ändern. Wie konnte ich Jarod das Leben erleichtern, wenn ich selbst wie ein Pestüberträger daherkam? Ich trat aus dem Aufzug und wurde sofort von Scott überfallen.
»Lyle, wir beginnen pünktlich um 8.00 Uhr.«
Ich sah auf meinen Chronometer. »8.01 Uhr, Scott - wenn Sie mit mir um Sekunden feilschen wollen, suchen Sie sich einen anderen Tag aus. Ich bin heute mit Links aufgestanden.«
»Mit Links?«
Auch noch begriffsstutzig »Vergessen Sie es.« Ich zog das Buch aus der Tüte. »Kann Jarod das haben?«
»Was ist das?«
Sieh doch auf den Umschlag! »Ein Astronomischer Bildatlas.«
Scott blätterte in dem Buch herum.
»Bilder. Ich sehe kein Problem. Ist hiermit autorisiert.«
Wie nett. »Ok. Was liegt an?«
»Schauen Sie in Ihr Databook. Die aktuellen Termine für die nächsten zwei Wochen wurden übermittelt. Mittwoch und Donnerstag habe ich frei. Da werden Sie sich alleine um alles kümmern. Fühlen Sie sich dem gewachsen?«
»Ja. Er wird spuren.« Ich sah mir die Termine auf dem Data an und stockte. »Wir sind nächste Woche in Houston?« Das war genial!
»Ein neues Projekt. Die TITAN-Mission. Jarod wird zunächst aktuelle Informationen zum Thema Schlafkammer im Space Center einholen. Ich habe nur unter der Woche Termine bekommen. Die Spiegelungen übernehme ich, aber ich werde Ihre Unterstützung benötigen. Externe Termine sind immer heikel, wie Sie wissen. Kommen Sie.«
Heimbs hielt tatsächlich Wort. Jetzt ging es los! Titan! Ich atmete tief durch. Selbstdisziplin. Keine Gefühle zeigen. »Natürlich, Scott.« Ich folgte ihm zu seinem Büro.
»Er wird dort acht Personen spiegeln. Bei Personen aus dem Militärbereich sind Spiegelungen immer schwierig. Deswegen habe ich zwei Tage dafür eingeplant. Ich lasse A2 heute spiegeln, damit Sie es live sehen können.«
»Ich habe doch die Aufnahmen gesehen. Reicht das nicht aus?«
»Live ist es nachdrücklicher.«
In Scotts Büro war eine Frau, die von seinem Schreibtischstuhl aufstand. Wer war sie?
»Scott, können Sie das abzeichnen?« Sie kam um den Tisch und reichte Scott ihr Data.
»Das ist Penelope. Sie ist aus dem Urlaub zurück.« Er unterschrieb mit seinem Daumenabdruck. »Penelope, das ist Lyle Parker, der neue Betreuer von Jarod.«
Penelope war etwa Ende 30 und musterte mich deutlich. Man konnte aus ihrem Gesicht Abscheu lesen. Sie entsprach nicht dem Standard-Sekretärinnen-Weibchen. Sie war etwas übergewichtig und trug ihre blonden Haare zu dicken Zöpfen. An den Gummis, die die Haare zusammenhielten, waren Trolle . Ihre übergroße rote Brille verdeckte fast ihr ganzes Gesicht. Sie passte so gar nicht zu Scott.
»Penelope Glenn. Freut mich, Sie kennen zu lernen, Lyle.« Ihre Stimme klang kühl und geschäftsmäßig. Na prima, doch passend.
Mein Lächeln fiel etwas gezwungen aus. Ich konnte mit ihrer Abscheu mir gegenüber nicht umgehen. »Ganz meinerseits, Penelope.« Ich bemerkte, wie ihr Blick an mir herabglitt und an meinen Stiefeln hängen blieb. Kurz hob sich eine ihrer Augenbrauen.
»Penelope arbeitet seit Jahren hier. Gehört zum Inventar.«
Es klang wie ein Scherz, aber die Geringschätzung in Scotts Stimme war unüberhörbar. Vielleicht war sie doch anders. Ich wagte einen Vorstoß. »Ich wusste nicht, dass solch strahlenden Diamanten zum Inventar von CÆRON gehören.«
Penelope wurde rot und lächelte.
»Eine Schande, mit der Geheimhaltung.«
»Wenn Sie etwas brauchen, können Sie mich jederzeit ansprechen. Und... nette Menschen dürfen mich Penny nennen.«
»Sehr gerne, Penny.«
»Mir gefallen Ihre Stiefel.«
»Genug Höflichkeiten ausgetauscht. Wir sind über unserem Zeitplan. Geben Sie Penelope das Buch. Sie wird es in Jarods Zimmer legen.«
Typisch. Für Höflichkeiten war in Scott Hills Leben kein Platz.
CÆRON, Sektion 2, Sicherheit
Uns erwartete eine Art Verhörzimmer, das durch einen Einwegspiegel geteilt war. Ohne Aufforderung setzte sich Jarod auf einen Stuhl, der am Spiegel stand. Scott dirigierte mich so, dass ich seitlich von Jarod und ihm stehen blieb. Ich musste mich zwingen, konzentriert zu bleiben, denn meine Gedanken waren in Houston.
Meistens bedeutete es nichts Gutes, wenn ich außerhalb der dafür vorgesehenen Zeit spiegeln sollte. Die Tür auf der anderen Hälfte des Raumes schwang zur Seite. Ich hielt die Luft an und ließ sie dann erstaunt entweichen.
Ein Kind? Was machten Kinder hier?
»Wie Sie sehen, wird Jarod ein Kind spiegeln. Die Gefahr ist dadurch gering, dass er etwas Relevantes spiegelt. Wir haben im Moment in SK 4 eine Testreihe, bei der Kinder anwesend sind. Sehr günstig.«
SK 4 war die Virologie. Ich wollte mir nicht ausdenken, was man da für Experimente mit Kindern machte.
»Jarod, das ist dein Spiegelsubjekt. Das Ziel ist: Finde alles über Dinosaurier heraus.« Scott machte eine wegwerfende Bewegung mit der Hand in meine Richtung. »Das ist ein unverfängliches Thema. Das Kind ist ein Fan von Dinosauriern.«
Kinder in der Virologie. Und woher wusste Scott so viel über den Jungen?
»Nach dem Spiegeln werde ich Jarod Fragen stellen, um das Ergebnis zu überprüfen. Jarod, fang an!«
Jarod richtete seinen Blick starr auf den Jungen.
»Sehen Sie. Das ist Phase 1. Konzentration. Er schaltet alles um sich herum ab und für ihn gibt es dann nur noch den Jungen. In diesem Moment vergisst er, wer er selbst ist.« Scott verschränkte die Arme vor der Brust.
»Der hat es mal damit erklärt, dass es wie ein Sprung ist. Sein Geist springt in den Geist des Zielobjektes.«
Die Art, wie er über Jarod sprach, machte mich wütend. DER hat es mal damit erklärt... DAS Ding, das da sitzt und Dinge kann, die sonst niemand beherrscht. Ich kannte diese Gedankengänge und ich hasste sie. Der Junge hinter der Scheibe beschäftigte sich mit einem Comic und bekam vom Spiegeln nichts mit.
»Zweite Phase – die Augenfarbe verändert sich. Dieses seltsame Blau.«
Wie sich Jarod wohl dabei fühlte? Während er spiegelte, starrten wir ihn an. Scott sprach darüber, auf was ich achten musste, damit der abgerichtete Hund sich nicht selbstständig machte. Die Situation war extrem unangenehm.
»Dritte Phase. Das gesamte Auge wird eisblau. Kein Weiß mehr - wie bei einem Dämon. Wer weiß, vielleicht ist es eine Gabe vom Teufel.«
Wie bitte? Er verglich Jarod mit einem Dämon? Jetzt wurde mir alles klar. Pah! Eine Gabe vom Teufel. War Scott eifersüchtig auf Jarods Fähigkeit?
»Vierte Phase – wenn das Auge vollständig gefärbt ist, saugt er das Wissen auf. Je nachdem, wie kompliziert und vielfältig die Informationen sind, kann es unterschiedlich lang dauern. Es ist gruselig.«
»Wenn Sie meinen.«
»Das ging aber schnell. Die Augen nehmen Jarods ursprüngliche Augenfarbe an. Sie werden wieder klar. Die Herzschlagfrequenz erhöht sich und er schwitzt vermehrt.«
Das Data gab ein akustisches Signal von sich. Jarods Blutzuckerspiegel war rapide gesunken.
»Die Spiegelungen verbrauchen viel Energie und treiben den Blutzuckerspiegel nach unten.«
Scott nahm einen in Folie verpackten Quader aus der Jackettasche und reichte ihn Jarod. Er packte ihn aus und biss hinein. »Was ist das?«
»Ein Energieriegel. Wir stellen sie selbst her. Sie enthalten genügend Proteine und Kohlenhydrate, um den Haushalt des Körpers wieder auf ein normales Level zu heben.«
Es sah unappetitlich aus. Wie ein kleiner grauer Betonklotz. »Schmeckt das?«
»Geschmack ist dabei zweitrangig. Es erfüllt seinen Zweck. Das ist das Einzige, was zählt.«
Hab ich dich gefragt, Scott? »Jarod, schmeckt dir das?«
Ich schluckte den Bissen herunter. »Nein, Sir.«
Scott wirkte verärgert, aber das war mir egal. Er reichte Jarod ein Tablet.
»Beantworte die Fragen! Ich überprüfe jetzt, ob er das vorgegebene Ziel gespiegelt hat. Da er vorher nichts über Dinosaurier wusste, müsste er jetzt die gesamten Kenntnisse des Jungen haben.«
Schlimm genug, wenn man in diesem Alter nichts von der Existenz von Dinosauriern wusste.
»Fertig?«
»Ja, Sir.« Scott kontrollierte meine Lösungen. Ich schielte zu Mr. Parker. Viele Betreuer waren entsetzt über die Veränderung meiner Augen gewesen. Ob Mr. Parker es auch war?
»Scheint alles in Ordnung zu sein.«
Scott betätigte die Gegensprechanlage.
»Bringt das zweite Kind rein! Wissen Sie, Lyle, es kann vorteilhaft, aber auch nachteilig sein, dass Jarod immer nur einen Aspekt einer Person spiegeln kann. So haben wir immer die Gewissheit, dass er nicht unkontrolliert spiegelt. Wenn wir unterschiedliche Informationen von einer Person benötigen, ist es hinderlich. Es dauert immer einige Tage, bis er es erneut versuchen kann. Es ist unterschiedlich und wir wissen nicht, woran das liegt. Bei so einer Mutation muss man eben nehmen, was man bekommt.«
»Dämon, Mutant... was denn nun?«
Gespannt sah ich zu dem nächsten Jungen, der hereinkam und sich neugierig umblickte. Er war jünger und trug ein schwarzes T-Shirt. Ein Mann in roter Kleidung war darauf zu sehen und der Schriftzug Flash.
»Das ist irrelevant. Freak bleibt Freak. So, Jarod, du darfst einen Aspekt deiner Wahl spiegeln.«
»Danke, Sir.«
Einen Moment lang sahen wir schweigend zu. Es war alles so wie bei der ersten Spiegelung. Sie waren gleich, ob sie mit, oder ohne Erlaubnis ausgeführt wurden. Jarods Augenfarbe veränderte sich. Dann wurde das gesamte Auge blau. Ein Schauer lief mir über den Rücken. »Jarod, hör auf! Ich habe genug gesehen!«
Die Stimme kam wie ein Donnerschlag bei mir an und riss mich von meinem See weg. Schade. Ich wollte Informationen zu Geburtstagen abrufen. Mr. Parkers Ekel in der Stimme war mir nicht entgangen.
»Warum...«
»Es gibt keinen Unterschied bei den Spiegelungen. Sie sind alle gleich. Sie können mir nicht erzählen, dass Sie das in all den Jahren nicht bemerkt haben.«
»Wie konnten Sie das so schnell feststellen?«
»Ich bin Testpilot. Von solchen Beobachtungen hängt mein Leben ab.«
»Dann ist Ihnen jetzt klar, worauf Sie achten müssen.«
Ich nickte genervt.
»Beim Sportprogramm heute Mittag muss ich sicher nicht dabei sein. Da können Sie alleine mit Jarod hin und Ihre neu erworbenen Kenntnisse testen. So, wir gehen jetzt ins Labor. Wir liegen bereits etwas hinter dem Zeitplan.«
Wollte Scott damit angeben, wie gut er seine „Marionette" im Griff hatte? Ansonsten ergab diese groteske Vorführung keinen Sinn für mich. Scott war ein Ekel und früher oder später würden wir böse aneinander geraten.
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N/A: Wir hoffen, ihr hattet Spaß mit der Leseprobe.
Wer gerne den Rest der Geschichte lesen möchte:
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