Kapitel 9
Ein Klopfen an der Tür ließ beide aufschrecken. Die Sonne stand hoch am Himmel. Wie lange habe ich geschlafen? Normalerweise war Aaron kein Langschläfer, außer sein Körper musste sich erholen. Er hatte bereits bemerkt, dass er zwar schneller heilte, doch er dafür auch viel mehr schlief, um seine Energiereserven aufzuladen. Als zehre es an seinem inneren Akku. Sex tat das Gleiche.
Cypher stand widerwillig auf, zog sich eine schwarze Hose an und ging zu der Eingangstür seines Quartiers, schloss die Schlafzimmertür. Vor dieser stand ein Botendämon, dem es sichtlich unangenehm war, hier zu stehen. Egal, was für eine Nachricht er brachte, es war deutlich, dass er überall sein wollte, nur nicht hier.
Der Dämon räusperte sich und sagte: „Fürst Lucifer möchte Euch... sprechen."
Daraufhin kniff Cypher die Augen misstrauisch zusammen. Lucifer will mich sprechen?
Der Dämon begann zu schwitzen, wartete auf die Erlaubnis, gehen zu dürfen. Als er diese endlich erhielt, war er schneller verschwunden, als man auf drei zählen konnte.
Cypher drehte sich um und ging zurück zum Schlafzimmer. Meine Zeit ist abgelaufen. Er hatte gewusst, dass es früher oder später passieren würde. Also zog er seine Kampfkleidung und den Mantel, sowie die schwarzen Handschaue an. Aaron beobachtete ihn, sagte aber nichts.
Er ging zu dem Menschen und sagte: „Mein Fürst hat mich gerufen. Du wirst dieses Zimmer nicht verlassen, bis ich wiederkomme. Nahrung ist im Besprechungszimmer, falls du Hunger bekommst."
Überraschung zeigte sich auf Aarons Gesicht. Wieso macht Cypher einen solch ernstes Gesicht? Der Höllenfürst musste eine große Nummer sein und wenn es sich tatsächlich um den Lucifer handelte, wusste er auch, warum der Dämon keine Freudensprünge machte. Er hatte kein gutes Gefühl, doch er würde nichts sagen. Ich bin nur ein Gefangener. Das geht mich nichts an. Einen Moment später: Mache ich mir etwa Sorgen um ihn? Er verstand sich nicht.
Der Dämon stand nun neben ihm, legte seine Hand an den Hinterkopf und zog ihn zu einem Kuss an die Lippen. Es war nur ein kurzer Kuss, doch er änderte alles. Cypher ging, ließ ihn allein. Alleine mit einem brennenden Gefühl auf den Lippen. Was ist hier gerade passiert? Seine Brust zog sich zusammen. Komm bloß zurück, du Bastard.
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Als Cypher durch die Tür des Besprechungszimmer lief, sah er gerade, wie Kloe und Iken aufstanden. Beide waren mehr als eingeschüchtert, starrten ihn mit einem entschuldigenden Blick an. Also haben sie geredet. Es wunderte ihn nicht und er trug es ihnen auch nicht nach. Wenn Lucifer Antworten verlangte, erhielt er sie. Punkt.
Sie liefen gerade an ihm vorbei, als ein Tongefäß direkt neben Cypher an der Wand einschlug. Eine leichte Blutspur lief über seine linke Wange, wo es sie gestreift hatte. Beide Dämonen zuckten zusammen und liefen schneller. Cypher blickte seinen Fürsten an und er sah Wut in seinen Augen. Keine guten Voraussetzungen. Wenn Lucifer schlecht gelaunt war, waren fliegende Tongefäße sein kleinstes Problem.
„Setz dich", erklang eine angepisste Stimme.
Er kniete sich vor den Thron, auf dem der Höllenfürst saß und senkte den Kopf. Er war unerwartet ruhig. Vielleicht weil er wusste, warum er hier war.
„Hast du mir etwas zu sagen, Cypher?"
„Ich nehme jede Strafe an", mehr sagte er nicht.
Lucifer schaute den Dämon an. Er ist absolut ruhig. Sein innerer Dämon ebenfalls. Eine Vermutung beschlich ihn. „Was hast du dir dabei gedacht?", fragte er ihn. Er wollte wissen, wieso er sich von einer menschlichen Seele an der Nase herumführen ließ.
„Wie bereits gesagt, ich nehme für meine Handlungen jede Strafe an."
„Bereust du sie?", fragte Lucifer, dessen Laune immer schlechter wurde.
Endlich schaute der rothaarige Dämon auf. Er sah es in seinen Augen. „Nein", antwortete dieser und der Höllenfürst wusste, dass es die Wahrheit ist. Er ist mir nach wie vor loyal und doch riskiert er seine Stellung für eine menschliche Seele.
Er knurrte. „Hast du sein Einverständnis gehabt? Du weißt, dass es uns nicht erlaubt ist, Gefangene anzufassen. Das ist ein Tabu." Wenn es keines wäre, würden deren Seelen beschmutzt werden und nicht die Läuterung erfahren, die sie benötigten. Das Foltern war ein Reinigungsprozess, das was Cypher getan hatte nicht.
Sein Untergebener schaute ihn an. An diesem haftete ein fremder Duft. Er war bei ihm, bevor er hergekommen ist. Wieso hat dieser Junge einen solchen Einfluss auf ihn? Iken und Kloe hatten ihm berichtet, dass der Junge es ihm mehr oder weniger erlaubt hatte. Es war eine Grauzone.
Cypher machte ein unentschlossenes Gesicht. „Mehr oder weniger."
Dieselbe Antwort wie von den zwei. Ich muss den Jungen wohl selbst fragen. Er schickte eine mentale Botschaft an einen Diener.
„Cypher. Du dienst mir nun schon seit Jahrhunderten loyal. Dir ist nie ein Fehler unterlaufen. Wieso bei dieser Seele?", fragte er die Furie.
Auf dessen Gesicht zeichnete sich ein Schauspiel aus Nachdenklichkeit, Unwissenheit und Ratlosigkeit.
Er weiß es selbst nicht.
„Ist er dein Herz?"
Als Cypher diese Worte hörte, schnappte er nach Luft. Was? „Nein, er ist-", doch er brach ab. Nicht mein Herz... Ist er? Nein. In seinem Kopf überschlugen sich die Gedanken. Sein Dämon war unruhig, doch er lieferte ihm keine Antwort. Er war ratlos.
Der Fürst hatte mit dieser Antwort gerechnet. Es ist schlimmer als gedacht.
Schritte ertönten und die Tür öffnete sich.
Als Cypher den Geruch wahrnahm, drehte er sich sofort um und schaute in granatrote Augen. Aaron stand in der Tür, mit einer schwarzen Hose aus seinem Schrank bekleidet, der Oberkörper und die Füße nackt. Wieso ist er hier?
Lucifer bedeutete dem Angestellten, der den Menschen geholt hatte, zu gehen. Er war also wirklich in seinem Schlafquartier. Einen Raum, in den Cypher nie jemanden gelassen hatte. Er betrachtete den jungen Mann. Er ist ein Baby. Doch er hatte eine faszinierende Anziehungskraft. „Tritt nach vorne zu mir, Mensch."
Aaron spürte die mächtige Aura. Vor ihm stand ein wahrhaft mächtiges Wesen. Ist das Lucifer? Vor wenigen Minuten war ein fremder Dämon in Cyphers Zimmer gestürmt und hatte ihn mitgenommen. Er hatte sich glücklicherweise vorher eine Hose angezogen. Nun schaute er in die trüben Augen dieses engelsgleichen Wesens. Er war unglaublich schön und doch beschleunigte sich sein Herz nicht. Dieses Wesen kann mich mit einem Gedanken töten.
Langsam trat er nach vorne und mit jedem Schritt wurde die Gänsehaut auf seinem Körper schlimmer, doch er verzog keine Miene. Er blieb einen Meter entfernt stehen, schaute dem Höllenfürsten in die Augen.
Lucifer war überrascht, denn der Mensch zeigte keine Angst, hielt seinem Blick statt. Selbst seine Aura schien ihm nichts anzuhaben, auch wenn es sich auf seiner Haut zeigte. Faszinierend. Er erhöhte den Druck, doch die Reaktion, die er erhielt, war alles andere als das, womit er gerechnet hatte. Seine Beine zitterten, gaben jedoch nicht nach. In den Blick des Menschen schlichen sich eine Wildheit und Wut. Diese Augen forderten ihn heraus, denn sie sagten: Ich werde mich dir nicht beugen.
Dieser Blick ist es also, von dem die beiden berichtet hatten. Dieser kratzte auch ihn auf, er wollte ihn brechen. Doch dafür war er nicht hier. „Nenne mir deinen Namen."
Aaron war nicht dumm. Er wusste, wenn er nicht antwortete, würde der Dämon ihn wahrscheinlich sofort töten. „Aaron."
Der Höllenfürst schaute ihn an und fuhr fort: „Wie alt bist du?"
Der Mensch antwortete: „Dreiundzwanzig."
Cypher schwieg, schaute zu Boden. Aaron, tu nichts Unüberlegtes.
„Was fühlst du für den Dämon neben dir?", fragte Lucifer als nächstes.
Überraschung zeigte sich auf dem Gesicht und diese Reaktion war so ehrlich, wie dessen Antwort. „Ich weiß es nicht." Aaron hatte keine Ahnung, was er fühlte, denn er war einfach nur durcheinander. Cypher hatte ihn jegliche Emotion durchlaufen lassen. Er wollte ihn nicht als jemand nahes sehen, gleichzeitig wollte er aber auch das sein. Er war nicht so dumm, um sich selbst zu belügen.
Die Antwort schien Lucifer nicht zu gefallen. „Dann werde ich mir die Antworten eben aus deinem Kopf holen."
Bevor Aaron reagieren konnte, spürte er eine Hand an seiner Schläfe. Es war der Moment, in dem etwas in seinen Geist drang. Er hatte keine Chance, konnte sich nicht wehren. Mit aller Kraft riss er sich los, riss seinen Kopf weg und taumelte zurück.
Der Höllenfürst schaute zu dem Menschen, in dessen Augen sich lodernde Wut sammelte. So ist das also. Damit hatte ich nicht gerechnet. Der Junge hätte sich nicht losreißen können, wenn er nur eine einfache Seele gewesen wäre. Langsam beschlich ihn eine Vermutung. Zeit, diese zu überprüfen.
„Aaron, was bist du?", fragte er den Gefangenen.
„Ein Mensch oder eher eine menschliche Seele", erwiderte dieser, nahm eine abwehrende Haltung ein. Sie sagte deutlich: Ich lasse nicht zu, dass du mir erneut wehtust. Was für ein tiefgreifender Irrtum.
Lucifers Mundwinkel zuckten. Er ist der festen Überzeugung, dass er ein Mensch ist. Doch sein Verdacht erhärtete sich mit jeder Minute, die verging und der Junge nicht unter dem Druck, der im Raum herrschte, zusammenbrach. Er sah, dass Cypher damit zu kämpfen hatte, doch der Junge stand immer noch aufrecht dort, wobei sich das jede Sekunde ändern würde. Er riskiert bewusstlos zu werden und wofür?
Mit einer Bewegung der Hand flog die Eisenkette zu dem Höllenfürsten und zog Aaron automatisch mit sich.
Cypher spürte die Magie aufwallen. „Nein!", schrie er, doch er wurde zurückgeschleudert und an die Wand gepresst. Er konnte kein Gliedmaß bewegen, denn Lucifers Macht hatte ihn dort fixiert.
Aaron sah schockiert zu diesem, dann sah er die glühende Hand des Dämons vor sich. Bevor er es verhindern konnte, stieß diese in seine Brust. Ein grauenvoller Schmerz schoss durch seinen Körper. Er schrie. Er konnte es nicht verhindern, denn dieser Schmerz war auf einer elementarer Ebene. In diesem Moment riss sein Rücken auf und zwei aschgraue Flügel schossen hervor. Er verlor jedoch das Bewusstsein, bevor er dies alles realisieren konnte.
Blut tropfte aus den Rissen an seinem Rücken zu Boden, benetzte die Flügel. Cypher schaute entsetzt zu Aaron, der nur von Lucifers Hand gehalten wurde, die an dessen Halsring lag.
„Habe ich es mir gedacht. Dieser Junge ist kein Mensch - zumindest nicht vollständig. Er ist zur Hälfte ein gefallener Engel", sagte Lucifer. Einer, der noch niemals seine Flügel entfaltet hat.
Der Bann löste sich von Cypher und er rutschte zu Boden. Er musste sein wild schlagendes Herz und seinen fauchenden Dämon unter Kontrolle bekommen. Er durfte Lucifer nicht angreifen. Ruhig atmen. Ruhig atmen. Immer wieder wiederholte er diese Worte in seinem Kopf.
Lucifer sendete einen Energieimpuls in Aarons Körper, sodass sich dessen Flügel zurückzogen. Der Junge war kein Mensch, das änderte alles.
Cypher kam zu Aaron und der Fürst übergab ihm diesen. Er hielt ihn in den Armen und schaute den gefallenen Engel an. Was würde nun mit ihnen passieren?
„Einen Monat."
Die Furie schaute auf, schaute Lucifer fragend an.
„Ich gebe dir einen Monat. Wenn sich herausstellt, dass er dein Herz ist, lasse ich ihn gehen und du kannst ihn zu dem Deinen machen. Wenn nicht, wird er in die Unterwelt geschickt und jegliche Erinnerung an dich verlieren."
Schlimmer hätte es nicht kommen können. Die Unterwelt war der Ort der Verdammnis für Dämonen, das Äquivalent des Reichs der Verdammten Seelen, nur für Dämonen. Doch dort herrschten andere Regeln. Wenn sie Aaron dorthin schicken würden, bestand die Gefahr, dass er starb. Dann würde er sich unweigerlich in ein Phantom - eine leere, willenlose Hülle ohne jeglichen Charakter oder Erinnerung - verwandeln.
Der Höllenfürst hatte ihnen beiden gerade ein Ultimatum gestellt und die Zeit lief ab jetzt.
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Aaron ist ein gefallener Engel.
Habt ihr damit gerechnet?
Was wird Cypher nun tun?
Nach diesen paar Kapiteln, was denkt ihr über Lucifer? Hat sich euer Bild von diesem geändert?
Eure Mausegöttin
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