Kapitel 7
Dort angekommen, ging er ohne große Umwege zu dessen Besprechungsraum. Ein großer Raum mit weißen Wänden und zahlreichen Gemälden an der Wand, die Szenen aus Lucifers Reich darstellen. Es gab sogar eine Szene aus dem Inferno. Viele dachten, es sei zur Abschreckung oder Lucifer hatte keinen Geschmack – doch das war nicht der Grund, warum diese an den Wänden hingen. Es war eine Warnung an ihn selbst, worüber er herrschte und was seine Aufgabe war. Er hatte als Wächter über diese Seelen eine große Verantwortung den Göttern gegenüber, denn wenn diesen etwas passierte, musste er sich rechtfertigen.
Neben den Gemälden waren auch zahlreiche Waffen in Vitrinen ausgestellt oder hingen an den Wänden. Der Höllenfürst war ein wahrer Waffenliebhaber und sorgte auch dafür, dass diese gepflegt wurden. Das war auch der Grund, weshalb er mit fast jeder Waffe, die es gab, bewandert war und diese beherrschte.
Zuletzt der große Thron, der sich mittig an der hinteren Wand befand. Er war aus Stahl geschmiedet und überall waren Knochen befestigt. Die Rückenlehne war mit zahlreichen Schädeln bestückt. Ob man es glaubte oder nicht, es war ein Geschenk gewesen von einem engen Freund. Dieser hatte ihm dieses Ding mit dem Kommentar, „passend zu den Bildern und deinem Scheinimage" geschenkt. Cypher hatte es kaum glauben können, doch er war dabei gewesen – ein Zeuge aus erster Hand. Lucifer hatte nur gelacht und sich bedankt.
In all den Jahren hatte der Höllenfürst nur von bestimmten Personen Geschenke angenommen und diese hatte er immer gehegt und sicher aufbewahrt. Das wusste natürlich niemand, denn sonst würde das Bild, das alle vom gefallen Engel – vom Rebellen Gottes – hatten, zerstört werden.
Lucifer stand vor dem großen Tisch, auf dem einige Dokumente ausgebreitet waren. Es war eine große Landkarte, auf der verschiedene Orte markiert waren. Die aschgrauen Flügel standen majestätisch ab und fingen das Licht ein. Seine aschblonden Haare hingen ihm in sein engelsgleiches Gesicht und ein angestrengter Ausdruck stand in diesem.
„Kuro", begrüßte er den Dämon mit einer respektvollen Verneigung. Dieser schaute ihn nicht an, sondern winkte ihn nur her.
„Schau auf die Karte und sag mir, was du siehst, Cypher", sagte die sinnliche Stimme des Dämons. Mit dieser konnte er so gut wie jeden verführen, wenn er das wollen würde. Betonung lag auf würde.
Cypher schaute sie sich genau an. Er versuchte ein Muster zu finden, doch er fand keines. „Diese Orte sind willkürlich gewählt. Sie haben keine strategisch wichtige Lage, gleichen sich weder der Einwohnerzahl oder anderem. Das Einzige, was mir auffällt, ist, dass sie in jedem Reich der Fürsten genau einmal vorkommen." Mehr konnte er nicht sagen, doch der gefallene Engel nickte.
„Und bald werden sie bei uns sein. Sie werden kommen und den Spiegel suchen. Hast du ihn gefunden?", fragte Lucifer seinen General und dieser zog etwas aus der Tasche.
„Ich weiß nicht, ob das der Richtige ist. Wenn nicht, werde ich meine Suche fortsetzen, Kuro."
Der Höllenfürst nahm das Schmuckstück entgegen und betrachtete es von allen Seiten. Er spürte nichts Besonderes, doch es passte auf die Beschreibung, war also gut genug. „Setze ihn auf den großen Felsen in Bhuvarloka. Zudem möchte ich, dass du dich für die nächste Woche durchgehend im Inferno aufhältst."
„Warum, Kuro?", fragte er den gefallenen Engel. Viele würden es nicht wagen, zurückzureden, doch er musste wissen, warum er das tun sollte. Unwissenheit führte zu Fehlern und das wollte er vermeiden.
Lucifer schaute ihn an und er spürte die Macht, sah sie in diesen getrübten Augen, in denen er sein eigenes Spiegelbild sah. Doch der Dämon war nicht wütend, sondern seine Mundwinkel zuckten leicht. „Du wirst von dem Orakel Nix Besuch erhalten. Ich möchte, dass du ihn einfach nach Bhuvarloka weiterleitest. Sie sollen den Spiegel dort selbst holen."
Cypher nickte nur, das war genug. Er hatte eine klare Anweisung erhalten und würde diese durchführen. Gerade, als er den Raum durch die Türe verlassen wollte, sagte Lucifer etwas, das ihn innehalten ließ. „Ich habe gehört, dass du im Inferno die Bestrafung einer Seele selbst vornimmst. Gibt es einen Grund dafür?"
Um Lucifer gab es viele Gerüchte. Eines davon war, dass er Lügen schmecken konnte, also wählte er seine Worte sorgfältig. „Diese Seele konnte von meinen Wärtern nicht gebrochen werden, also habe ich mich ihr angenommen", sagte er in einem neutralen Ton. Er sah ein Nicken des Fürsten und ging.
Lucifer schaute dem Dämon nach. „Ach Cypher, deine Worte haben nichts verraten, doch deine Augen alles." Solange der Dämon ihm treu ergeben war, würde er nicht eingreifen, doch er würde es im Auge behalten. „Was hast du vor, du verdammtes Orakel?", flüsterte er und konzentrierte sich wieder auf die Karte vor ihm.
༻✧༺
In seinem Anwesen angekommen, setzte er sich erst einmal auf sein Bett und legte sich hin. Was ist nur los? Seit dieser Engel aufgetaucht ist und diese Prophezeiung gesprochen wurde, scheint die Hölle durchzudrehen.
Er ruhte sich etwas aus, dann begann er einige Dinge zusammenzupacken, die er für den Aufenthalt im Inferno benötigen würde. Er würde dieses nicht mehr verlassen, bis das Orakel angekommen war, so war die klare Anweisung.
Bevor er den Raum verließ, um sich von Josei und den anderen zu verabschieden, schaute er noch einmal zu der Kommode mit der Schublade. Dann drehte er sich um und ging.
Im Inferno packte er die Sachen in den Schrank, dann nahm er ein langes Bad. Er brauchte Zeit, um über einiges nachzudenken.
Die Worte, die die Händlerin gesagt hatte, und auch Lucifers Frage hatten ihn durcheinander gebracht. Was war Aaron? Aaron war eine menschliche Seele, die aufgrund seiner Taten im schlimmsten Bereich der Hölle gelandet war. Von den insgesamt neun Bereiche, die nach Schweregrad der Sünden gegliedert waren, war das Inferno der Ort der größten Verdammnis. Hier rotteten die verdorbensten Seelen, dass es sogar seine Wärter teilweise anwiderte. Doch was hatte Aaron getan? Sie wussten es nicht, denn er würde ihnen nicht antworten.
Warum denkst du an ihn? War es dieses attraktive Gesicht, der süße Geruch nach Klee und Nebel bei Morgengrauen, oder waren es diese verfluchten Augen und der Blick darin? Vielleicht waren es auch die rauchige Stimme, die einem unter die Haut ging, oder dessen vor Lust geprägtes Gesicht, als er ihn zu einem ekstatischen Höhepunkt gebracht hatte.
Nein, die Antwort war eine andere. Es war sein ganzes Wesen, sein ungebrochener Wille. Er faszinierte ihn und langsam aber sicher wusste er nicht mehr, ob er die Spinne war oder die Fliege, die im Netz gefangen war.
Cypher wollte diesen Menschen ergründen, mehr über ihn erfahren – aber dafür musste er ihm vertrauen. Entschlossen stieg er aus dem Becken und trocknete sich ab. Nachdem er sich seine schwarze Kleidung, den Mantel und die Handschuhe angezogen hatte, lief er zu den verdammten Seelen, zu Aarons Stein. Er hatte ihn dort nach ihrer Vereinigung zurückgelassen, hatte sich nicht verabschiedet.
Als er um diesen Stein lief, sah er eine Hand, dann einen Arm. Aaron saß mit geschlossenen Augen an den Stein gelehnt. Für einen Moment spürte er so etwas wie Freude, doch er unterdrückte das Gefühl. Seine Beine trugen ihn weiter, bis er vor dem Gefangenen stand.
Dieser öffnete jedoch nicht die Augen, hielt sie geschlossen, obwohl Cypher wusste, dass er wach war. Er ließ seine Aura aufflammen und die Frau nebenan quiekte und rollte sich zu einem kleinen Paket zusammen. Keine Reaktion.
„Öffne die Augen, Lämmchen, oder ich reiße sie dir aus", sagte der Dämon mit wütender Stimme.
Die Augenlider hoben sich und granatrote Augen mit einem Blick voll Hass schauten ihm entgegen. „Nur zu", war die Antwort der rauchigen Stimme, die er vermisst hatte. Daraufhin schlossen sich die Augen wieder.
Wie kann er es wagen? Wut schoss durch seinen Körper. Sein innerer Dämon fauchte. Mit kalter Stimme antwortete er dem Lämmchen: „Du hast gerade einen fundamentalen Fehler begangen. Du hast eine Furie erzürnt."
Als Aaron die kalte Wut hörte, spürte er für einen Moment Angst. Ich habe es zu weit getrieben. Doch die Wut des Dämons konnte er mit seiner erwidern. Als er aufgewacht war, war er vor diesem Stein gelegen. Keine warmen Arme, keine Nähe. Dieser Dämon hatte mit ihm geschlafen und danach einfach hierher zurückgetragen. Stundenlang hatte ihn das beschäftigt, doch das war der Punkt. Wieso? Wieso machte es ihn wütend, dass er ihn „benutzt" und anschließend weggeworfen hatte? War es nicht das gewesen, was er wollte? Dass er das Interesse verlor.
Aaron war durcheinander und diese Gefühle, die ein Chaos in ihm verbreiteten, machten alles nur schlimmer. Wieso war dieser Ring an seinem Finger? War das ein Geschenk gewesen? War das eine Art Hundemarke, mit der der Dämon seinen Besitz markierte? Er konnte ihn nicht abziehen, er hatte es mehrfach versucht.
Keiner konnte ihm die Antwort auf diese Fragen liefern und mit jeder Minute, die vergangen war, war sein Hass gestiegen. Er wollte, dass dieser Dämon verschwand und nicht mehr in seinen Gedanken herumpfuschte oder gar mit Gefühlen, die er zuvor nie gehabt hatte.
Tu mir weh, dann kann ich dich vergessen.
Ruppig wurde er an der Kette hochgerissen, doch anstatt ihn mit sich zu ziehen, umschlang die Furie seinen Oberkörper und warf ihn sich über die Schulter. Wie einen Sack trug er ihn einfach durch die Gegend. Aaron konnte es nicht fassen, begann zu strampeln, doch es half nichts. Der Dämon lief mit ihm zu einer Vertiefung am hinteren Ende des Kessels und setzte ihn dort ab. Keine Seele konnte sie sehen, doch sie konnten ihn hören, das wusste er.
Was hat er vor?
Der Dämon zog ihn auf seinen Schoß und ließ die Kette nach hinten verschwinden. Im nächsten Schritt wurden Aarons Handgelenke hinter seinen Rücken gezogen und dort mit einem Zauber fixiert. Er konnte nicht fort.
Eine Hand legten sich an seine Wange und sie wurde nach rechts gezogen, wo sie auf die sündigen Lippen des Dämons trafen. Eine Hitze breitete sich in seinem Mund aus, sodass er erschrocken die Augen aufriss.
Nein. Das hast du nicht getan.
Kalte Wut stand in dem roten und goldenen Auge des Dämons. Als sich die Hitze in seinem Körper ausbreitete, hatte er Gewissheit. Sein Körper wurde sensibel, machte sich bereit. Sein Atem und Herzschlag beschleunigten sich.
„Zeit, dass du deine Strafe erhältst. Bedenke, jeder kann dich hier hören, also lass sie an deinem Vergnügen ruhig teilhaben", grollte der Dämon in sein Ohr, sodass er erschauerte.
Wieso tust du das? Aaron würde keinen Ton von sich geben.
_____________________________________________
Es ist wie ein Hund-und-Katz-Spiel, doch wer ist der Hund und wer ist die Katze?
Eure Mausegöttin
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro