#101 Der Geruch von Blut
Jungkook
Völlig übermüdet begab sich Jungkook in sein Zimmer. Er schlief schlecht, denn er hatte zu viele Sachen, die ihn nachts beschäftigten. Eine davon war Taehyung. Es war ihm noch immer nicht geheuer, was er fühlte, sobald der Flieder auf der Bildfläche erschien.
Er war atemberaubend. Immer wenn er ihn sah stand die Welt eine kleinen Moment still und Jungkook konnte nichts anderes tun, als ihn einfach nur zu betrachten. Seine schönen Gesichtszüge konnten töten. Ernsthaft. Ihm war es ein verdammtes Rätsel, dass der Flieder bisher Single war. Von den Zehen bis in die Haarspitzen eine eindrucksvolle Erscheinung. Er war der Chef der Warrior-Association. Das hatte Jungkook auch mitbekommen und er machte seinen Job ziemlich gut, wenn er den Stimmen, die er über ihn reden hörte so glauben schenkte.
Dennoch hielt er sich zurück... wenn man nicht sogar sagen konnte, dass er ihm aus dem Weg ging, denn er war einfach nicht er selbst in Taehyungs Nähe. Manchmal kam er sich vor, wie ein verrücktes Fangirl. Dass diese Dinge einfach in seinen Kopf rein gesetzt worden sind passte dem Schwarzhaarigen gar nicht und er begann es wieder und wieder zu zerdenken.
Das mal ausgeblendet, hatte Jungkook nichts gegen Taehyung. Im Gegenteil. Er war seit langem mal wieder eine Person, die ihm nicht unendlich auf den Sack ging. Wenn man bedachte, dass Jungkooks Freundeskreis aus zwei Personen bestand, dann war es schon eine Leistung. Er wollte gern sein Freund sein. Aber daraus wurde allein schon deswegen nichts, weil er unregelmäßigen Herzschlag bei dem Schwarzhaarigen auslöste.
Jungkook seufzte.
Er stieß die Tür zu seinem Zimmer auf und blieb stehen. Ein altbekannter Geruch stieg ihm in die Nase und löste ein Gefühl von Panik aus. Metallisch, schwer... Blut. Der junge Mann konnte es fast auf der Zunge schmecken. Hecktisch sah er sich um, konnte aber erst mal nichts weiter erkennen.
Der Geruch würde aber kaum von ungefähr kommen. Er registrierte, dass das hier auch nicht sein Zimmer war. Er hatte sich verlaufen. Okay... warum sahen die Gänge auch alle gleich aus?! Jungkook sah sich erneut um, dann umrundete er das Bett, nur um dort einen leblosen Körper vorzufinden.
Blut sickerte aus den frischen Wunden an seinen Armen. Jungkook wusste, dass er keine Zeit hatte, um in eine Schockstarre zu fallen. Er schob die Panik und die Übelkeit, die in ihm aufkam zur Seite und handelte einfach. Das war nicht das erste mal, dass er jemanden sah, der versuchte sich das Leben zu nehmen.
Nicht heute, Kleiner, wer auch immer du bist. Jungkook hatte keine Ahnung, denn er hatte noch mit kaum jemanden gesprochen. Er war eben ein Assi, was sollte er machen? Ruhelos irrten seine Augen über das Bild, dass sich ihm bot, auf der Suche nach etwas, dass er zerreißen konnte, um einen Verband daraus zu basteln. Er hatte nicht viele Alternativen. Das was er sich zuerst schnappte, war ein Bandana, dass über dem Stuhl hing.
Schnell band er damit den ersten Arm kurz über der Wunde ab, ohne darauf zu achten, wie viel von dem Blut an seine Kleidung oder Hände kam. Es war belanglos. Die Klamotten gehörten eh nicht ihm. Er konnte nicht mal sagen, wem sie gehörten. Wahrscheinlich Tae, er hatte sie ihm geben. Als zweites nahm er ein Kleidungsstück, das auch auf dem Stuhl herumlag und biss es an einer Stelle kaputt, damit er Streifen rausreißen konnte.
Also auch der zweite Arm abgebunden war, was den Blutfluss schon mal eindämmte, suchte er nach etwas, dass er auf die Schnitte tun konnte. Er legte die Arme hoch und auch die Beine, damit der andere bessere Chancen hatte und wandte sich dessen Schrank zu. Die Tür flog auf und Tae stand plötzlich im Raum. Jungkook hielt inne. "Was ist los?", fragte sein Mate nur und der Junge Mann kam nicht umhin sich zu wundern, woher er schon wieder wusste, dass Jungkook am Rande des Wahnsinns war. Nach außen hin, war er komplett ruhig, doch im Inneren rannte eine Stampede in die eine und eine zweite in die andere Richtung und trampelte jeden klaren Gedanken platt.
"Ist das Blut?!"
Oh, das war auch noch. Ja, dann war es doch ein wenig offensichtlich, huh?
"Jungkook, es ist nicht die Zeit, um mir stumm im Kopf zu antworten!"
Gott, verdammter!
"Er." Mehr sagte der junge Mann nicht, denn er hatte auf seiner Suche zwei Schals gefunden. Er nickte mit dem Kopf zu dem am Boden liegenden jungen Mann und warf einen Schal Taehyung zu, der diesen aus der Luft fing. "Chen!!" Er war ums Bett gekommen und beschleunigte seine Bewegungen. Er nahm sich den Arm auf seiner Seite vor und Jungkook kniete sich auf die andere Seite des Bewusstlosen. Gleichzeitig wickelten sie die Schals um die aufgeschnittenen Arme.
Dann nahm Taehyung einen Pager hervor... so einen wie Jin auch schon von irgendwo geschnurrt hatte. Wahrscheinlich holte er Hilfe. Jetzt hieß es warten und dabei die Wunden so gut es geht zudrücken, damit so wenig wie möglich Blut dem folgte, was schon den Boden und ihre Kleidung bedeckte. Sie schwiegen. Es dauerte nicht länger als zwei Minuten und gleich drei Heiler stürmten in das Zimmer. Einer von ihnen verscheuche Jungkook und auch Taehyung machte ihnen Platz.
Einer von ihnen war Bob. Er schien genau zu wissen, was er tat. Zumindest sah es so aus. Seine Handgriffe und Anweisungen waren so klar und ruhig, dass Jungkook fast schon beeindruckt war. "Okay, wir haben ihn", sagte er und träufelte ihm etwas in den Mund. Abgesehen davon, dass sie ihm schon Infusionen gelegt hatten, schien dieses Zeug Wunder zu wirken.
Ladaretechnik. Genial.
Chen kam zu sich. "Ferrys", sagte er schwach. "Ferrys?" Er nickte. Taehyungs Blick verdunkelte sich. "Junge, was machst du nur?", fragte Bob erst einmal, "Wenn du Probleme hast, dann rede doch..." "Das war er nicht", murmelte Taehyung leise, jedoch laut genug, dass Bob zu ihm aufsah. "Der Schnitt auf der linken ist komplett gerade, der auf der Rechten ist schief. So würde das bei einem Rechtshänder aussehen, Chen hier ist Linkshänder, abgesehen davon ist er der fröhlichste Landare, den ich kenne und wenn er Probleme hätte, dann wüsste ich davon." Er machte eine kurze Pause. "Du hängst zu viel mit Jimin rum", urteilte Bob mit einem schwachen Lächeln. Taehyung grinste kurz, aber verhalten. Sie hatten hier schließlich Chen. "Chen braucht Schutz. Und jemand muss Ferrys auftreiben, hier stimmt was absolut nicht. Lasst Chen nicht aus den Augen, bis ich oder ein anderer Warrior bei ihm sind."
Bob nickte uns sie luden den Verletzten auf eine Liege. "Tae... das war ich nicht...", die Worte kamen schwach über Chens Lippen, doch immerhin war er am Leben. Tae trat an ihn heran und nahm seine Hand. "Ich weiß, ich weiß... ich kümmere mich darum. Vertrau mir." Sie gingen los und Jungkook und Taehyung blieben zurück.
Der Schwarzhaarige wagte es endlich wieder zu atmen. Mit dem Handrücken tupfte er sich den Schweiß von der Stirn. Eben war nicht der Zeitpunkt gewesen zusammenzubrechen, aber dieser Zeitpunkt kam jetzt. Angst übermannte ihn. Man war nirgendwo sicher. Auch nicht in Curare. Schon gar nicht hier.
Jungkook ertrug nichts mehr. Die wirren Gedanken nicht, die Hitze, die sich zu stauen schien nicht, die Übelkeit nicht und erst recht nicht diesen Geruch. Also verließ er das Zimmer ohne ein weiteres Wort, stürzte halb raus in den Flur und riss ein Fenster auf, in der Hoffnung, dass die frische, wenn auch immer noch heiße Luft half, die aufkommende Panikattacke in den Griff zu bekommen. Er stützte sich auf das Fensterbrett und versuchte tiefer zu atmen, doch die aufkeimende Hysterie wollte sich nicht eindämmen lassen, zumindest nicht, bis sich zwei Arme um ihn schlangen.
Der junge Schwarzhaarige verspannte sich nicht einmal. Er wusste ja, dass es Taehyung war. "Shhh...", machte Taehyung tief und hielt ihn einfach fest. "Alles ist gut. Du hast ihn gerettet und er hat uns ja schon gesagt, wer ihn angegriffen hat", flüsterte er ihm beruhigend zu. Doch alles, woran Jungkook denken konnte, war das viele Blut und die Bilder, die er damit verband. Noch heute roch er es... das Blut seines Bruders.
Jungkook merkte nicht, dass er weinte, bis ihn ein Schluchzen schüttelte. Tae drehte ihn zu sich herum und schlang die Arme um ihn. Verschämt versteckte der Jüngere sein Gesicht an Taes Hals. Er wollte nicht heulen wie ein Baby, aber konnte gerade nicht anders. Dennoch half es. Die Panik klang viel schneller ab, als Jungkook es gewöhnt war. Da Gefühl von Taes Fingerspitzen, die durch seine Haare strichen trug nur mehr dazu bei und schon nach ein paar Minuten hatte er sich komplett beruhigt, was ihn selbst wunderte.
Wenn die Paranoia erst mal da war, wurde er die Beklemmung, die sie auslöste, normalerweise tagelang nicht los. Dass er sich nach ein paar Minuten schon beruhigt hatte, war die eine Sache. Eine andere war, dass er einfach an Taehyung gelehnt stehen blieb und es hinnahm, wenn nicht sogar ein kleines Bisschen genoss, wie Tae ihm den Nacken kraulte. Sie standen eine Weile so, Jungkook konnte nicht sagen wie lange. Er löste sich irgendwann von dem Älteren, der eine Hand an seine Wange legte.
"Geht es wieder?", fragte Taehyung mit seiner tiefen, samtenen Stimme. Jungkook zögerte einen Augenblick, um in sich hineinzuhören. "Ja", antwortete er dann wahrheitsgemäß.
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