Prolog
Der Mann saß in der Ecke des Gefängnis, schwert atmend an der kalten Steinmauer gelehnt. Sein Gesicht war noch jung. Zu jung, um bereits seine Seele zu verlieren. Doch würde man die Frau fragen, die an seiner Seite kniete, wäre ihre Antwort bestimmt, dass es sowieso zu spät wäre. Der Mann hatte seine Seele bereits viel früher verloren. Ein Herz hatte er schon lange nicht mehr. Die Frau wusste nicht, warum sie noch hier war. Sie wusste nicht mal, was sie empfand. War es Zorn, Genugtuen oder die Sehnsucht, die sie zurückhielt?
Die ersten Sonnenstrahlen des anbrechenden Morgens fielen durch die mit einem Eisengitter und mehreren Flüchen versiegelte Tür. Sie trafen auf das dunkle Haar der Frau und ließen es rötlich aufschimmern.
Der Mann lehnte den Kopf zurück, beobachtete die Frau intensiv. Seine dunklen Augen schienen ihre Erscheinung förmlich aufzusaugen.
"Bleib", seine Stimme hallte klar und deutlich durch die kühle Luft, als die Frau sich zum Gehen abwandte. Sie hielt inne, aber erwiderte seinen Blick nicht. Stattdessen hielt sie den Kopf gesenkt und fixierte die dreckigen Steine unter ihren Füßen.
"Bitte", seine nächsten Worte waren leise, schienen nur mühsam über seine Lippen zu kommen. Doch seine Geste sprach mehr Worte, als er die Hand nach der jungen Frau ausstreckte, ein kaum wahrnehmbarer Ausdruck von Sehnsucht in seinem Gesicht. Und sie erfüllte ihre Wirkung. Die Frau kniete sich erneut neben ihn, umschloss sanft seine Hand mit der ihren.
"Hast du mich je geliebt, Barty?", fragte sie mit leiser, heiserer Stimme. Sie sah ihn immer noch nicht direkt an, wollte nicht, dass er ihre Tränen bemerkte, die sich bereits in ihren Augen ansammelten.
"Ich liebe dich mehr, als alles andere auf der Welt, Ilaria", verständnislos sah Barty zu ihr auf. Zu der Sehnsucht in seinen Augen mischte sich eine Spur von Wahn, "Hat je ein Mann zuvor deine Narben geküsst? Dich fühlen gelassen, als wärst du eine Göttin?"
"Du hast mir die Narben auch zugefügt", lautete Ilarias ernüchternde Antwort. Barty stieß ein kaltes Lachen aus.
"Nicht alle", beharrte er. Langsam verschwand das irre Lachen aus seinem Gesicht. Er legte seine schlanken Finger an Ilarias Kinn, zwang sie dazu, ihn anzusehen.
"Liebst du mich mehr, als die Dunkelheit?", nun, wo sie endlich aufsah, durchbohrten ihre klaren, leicht geröteten Augen beinahe schmerzhaft den jungen Mann vor ihr. Kalt wie ein Gebirgssee. Doch das schien ihn nicht zu verunsichern. Stattdessen genoss er die Aufmerksamkeit, die sie ihm schenkte.
"Liebst du mich mehr, als die Macht?", bei den letzten Worten zitterte Ilarias Stimme leicht.
"Du verstehst nicht, Ilaria", aufmerksam musterte Barty sie, "Ich würde diese Macht nutzen, um die Welt für dich in Flammen zu setzen, die Menschen dazu zu zwingen, vor dir zu knien." Nun zerfiel seine gefasste Maske entgültig. Der Wahn bedeckte wie ein Schleier sein hübsches Gesicht. Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, während er die Frau begierig ansah.
"Selbst ihn, dessen Name nicht genannt werden darf?", Ilaria ließ sich nicht anmerken, was sie dachte. Ihre Tränen waren versiegt. Sie sah Barty nur an. Doch innerlich zerrieß es sie. Wie hatte sie nur glauben können, dass es besser wurde? Wie hatte sie dem Glauben verfallen können, dass er seine Taten irgendwann bereuen würde? Vielleicht war es immer noch die Schuld der Liebe, die sie so sehr erblindet hatte. Sie hatte sich erneut in ihn verliebt. Nicht in den kranken, wahnsinnigen Mann, der immer häufiger die Überhand in ihm gewann. Sondern in den Mann, der sie festgehalten hatte, als ihre Vergangenheit gedroht hatte, sie zu überwältigen. Der Mann, der ihre Hand genommen hatte, stumm mit ihr zu einer Musik getanzt hatte, die nur sie beide hören konnten.
"Ich bin nicht lebensmüde, Ilaria", die Mundwinkel des Mannes zuckten, als er ein spöttisches Lächeln unterdrückte. Seine Augen flackerten unruhig über ihr Gesicht. Dann nickte er leicht: "Aber hätte ich die Macht, dann ja. Dann würde ich für dich selbst den dunklen Lord auf die Knie zwingen."
Die Eisentür öffnete sich mit einem lauten Quietschen. Barty zuckte zusammen und das erste Mal blitzte Angst in seinem Blick auf. Die Dementoren lauerten bereits auf dem Schulgelände. Ein Befehl von Cornelius Fudge reichte, damit sich die Biester über ihn hermachten.
"Miss Lestrange", es war nur Minerva McGonagall, die hinter den beiden zusammengekauerten Gestalten trat und sanft ihre Hand auf die Schulter der knienden Frau legte, "Mr Fudge ist auf den Weg hier her. Vielleicht wollen Sie nicht dabei sein, wenn...", sie atmete tief durch, "Wenn es so weit ist."
Nun fiel Bartys selbstsichere Maske endgültig in sich zusammen. Er klammerte sich an die junge Frau wie ein Schiffbrüchiger an ein Stück Treibholz. Panik glitzerte in seinen Augen und sein Atem ging schneller. Jegliche Farbe war aus seinem Gesicht gewichen. Ilarias Herz zerbrach unter seinem Leid, obwohl sie tief in sich wusste, dass er es nicht anders verdiente. Zu lange hatte er sich an der Zerstörung anderer Menschen ergötzt.
"Bleib hier, Ilaria", wiederholte er mit rauer Stimme. Sie griff nach seinen schweißnassen Händen und hielt sie einfach nur fest. Er klammert sich an sie.
"Küss mich", auch dieser Bitte kam sie widerstandslos nach, ließ zu, dass er seine Lippen begierig auf ihre drückte. Er küsste sie verzweifelt. Seine Hände legten sich an ihren Hinterkopf, um sie fester an sich zu drücken. Der Kuss schmeckte salzig. Sie löste sich von ihm. Erst jetzt bemerkte Ilaria, dass das Salz von ihren Tränen stammte. Schnell senkte sie erneut den Blick. Sie konnte es nicht glauben, dass alles hier endete. Mit einem letzten Kuss.
"Professor", Barty sah zu der Hexe auf, die in einiger Entfernung stand und sich respektvoll von den beiden abgewendet hatte, "Ist mein Rekord immer noch ungebrochen? Hat niemand nach mir die zwölf UTZ geschafft?" Die Professorin wandte sich mit wachsamen Blick zu dem jungen Mann zu, der zu ihr aufsah. Verschiedenste Gefühle flirrten so schnell über sein Gesicht, dass sie keines davon richtig erkennen konnte. Und sie war sicher, dass er selbst auch nach keinem mehr greifen konnte. Angst, Zorn, der Stolz auf seine schrecklichen Taten und der ständige Gedanke, nicht genug zu sein, trieben ihn in den Wahnsinn.
"Zwei Söhne der Familie Weasley haben es ebenfalls geschafft", Minerva McGonagall musterte ihn mit einer Mischung aus unendlicher Abscheu und einem Hauch von Mitleid, "Aber Ihr Talent hat Ihnen nie ausgereicht, oder? Sie wollten mehr. Ihr Vater hat sie nach Ihren hervorragenden Prüfungen immer noch nicht angesehen. Hat Er, dessen Name nicht genannt werden darf, Ihnen mehr gegeben?" Barty sah zu der Professorin auf. Für einen Moment erkannte sie in ihm das Kind wieder, das während seiner Schulzeit verloren gegangen war. Mit großen Augen sah er zu ihr auf. Doch der Anflug von Vertrauen verflog so schnell, wie er gekommen war. Er verwandelte sich in dunkles Gift.
"Sie denken das ist ein Spiel, oder?", nervös fuhr sich der Mann erneut mit der Zunge über die Lippen. Dann stieß er ein kaltes, irres Lachen aus: "Aber Sie verstehen nicht! Der dunkle Lord ist zurück, er hat es mir zu verdanken. Er hat mir mehr gegeben, als meine eigene Familie. Und ich hab ihm dafür alles gegeben, was ich hatte." Dann sah er zu Boden. Erneut fuhr er sich nervös mit der Zunge über die Lippen.
"Verdammte Weasleys", knurrte er.
Minerva McGonagall wandte sich von ihm ab. Er war verloren.
"Die Dementoren kommen, Miss Lestrange. Ich muss Sie bitten, draußen zu warten. Eine Sicherheitsmaßnahme", besorgt sah sie zu der Hexe, die mit Tränen in den Augen aufstand. Ilaria sah ein letztes Mal zu Barty. Wenn er sie das nächste Mal ansehen würde, würde er sie nicht wiedererkennen. Sein Körper wäre nur noch eine seelenlose Hülle, in dunklen Tagträumen gefangen, die keinen Sinn und kein Ende kannten.
Barty erwiderte Ilarias Blick. Er wollte ihr noch so viel sagen, doch kein Wort kam über seine Lippen.
Ilaria zwang sich dazu, den Blick von ihm loszureißen und wandte sich endgültig von ihm ab. Minerva McGonagall folgte ihr, legte tröstend den Arm um ihre Schulter, während sie nach draußen gingen. Sie zog sie in eine Umarmung, zwang sanft dazu, das Gesicht abzuwenden, als die Dementoren in Begleitung von Cornelius Fudge und Albus Dumbledore ankamen. Ilaria vergrub das Gesicht an der Schulter der Professorin und schluchzte leise auf, als die Kälte ihr die Anwesenheit der Dementoren verriet.
Eine Woge von Hass türmte sich in Barty auf, als er die Szene vor sich sah. Er hätte an dieser Stelle sein sollen. Er hätte Ilaria in den Arm nehmen sollen. Er biss die Zähne zusammen, um nicht vor Zorn aufzuschreien. Dann spürte auch er die Kälte. Sie kroch in seine Knochen, ließ sein Blut förmlich zu Eis erstarren und ließ ihn erschaudern. Sie waren da.
Tiefe, quälende Hoffnungslosigkeit breitete sich langsam in ihm aus. Als dieses Mal die Gittertür quietschend aufging, schloss er schwer atmend die Augen. Er streckte die Hand aus, suchte nach Halt. Für einen Moment hoffte er darauf, nach Ilarias warmer Hand greifen zu können, aber seine Finger kratzten nur hiflos über die kalte Steinmauer.
Als er erneut die Augen öffnete, beugte sich der Dementor bereits über ihn und streckte seine langen, knochigen Finger nach ihm aus. Er konnte kein Gesicht erkennen. Unter der schwarzen Kapuze befand sich nur undurchdringliche Dunkelkeit und ein Sog, der nach seiner Seele verlangte. Kalter Schweiß strömte dem Zauberer übers Gesicht, sein Herz raste. Er wollte weglaufen, aber hatte bereits jegliche Kontrolle über seine Glieder verloren. Sein gesamter Körper fühlte sich taub an.
Er schloss die Augen. Vielleicht konnte er die Realität ausblenden und so tun, als wäre es Ilaria, die sich über ihn beugte und ihn jeden Moment küssen würde. Ihm wurde speiübel. Nein, das konnte er nicht. Denn Ilaria hatte sich noch nie so kalt in seinen Armen angefühlt. Sein Kopf schmerzte, die Übelkeit nahm zu, die Hoffnungslosigkeit raubte ihm den Verstand. Wie aus weiter Ferne konnte er Ilarias schwaches Schluchzen hören.
"Ilaria", schwach kam ihr Name über seine Lippen.
Dann verlor er das Bewusstsein.
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