chapter 76
„Wann hatte ich aufgehört, diese Reise zu fürchten, und angefangen, Angst vor ihrem Ende zu haben?" – Julia Dippel
Ich spürte, wie mein Herz aufhörte zu schlagen.
Ramiel sah nicht gut aus. Er war blass, hatte violette Ringe unter den Augen, zu denen die der letzten Woche nichts waren. Von seinen Schatten waren keine Spur zu sehen. Mein Blick blieb an einer Bisswunde an seinem Hals hängen. Einer Bisswunde, die nicht von mir war. Ich erinnerte mich an Alicias Kommentar über eine Dämonin, die von einem Dämon Blut trinkt und seine Macht aufnimmt.
Dann wanderte mein Blick zu der Krone auf seinem Kopf. Zu seinen Händen, die er hinter dem Rücken verschränkt hatte. Zu seinen Handgelenken, die nicht gefesselt waren. Zu seinem nackten Oberkörper, der sich hob und senkte. Zu dem Schlangentattoo auf seiner Brust. Ramiel sah auf einen Punkt zwischen seinem und Alicias Knien und mied meinen Blick. Hinter mir erinnerte mich ein aufgeregtes Raunen an die Anwesenheit der Anderen. Ich drehte den Kopf, soweit es das Halsband zuließ. Der Offizier beobachtete mich genüsslich. Er wartete gespannt auf meine Reaktion.
Azalee. Meine Augen weiteten sich, als ich sie in den Reihen der unbekannten Dämonen erkannte.
„Er macht das für dich", flüsterte sie lautlos. Ruckartig drehte ich mich wieder nach vorne und zwang die Anspannung aus meinem Körper heraus. Ich sank in mich zusammen.
Der Offizier schnalze missbilligend. „Ich hatte mehr erwartet."
Ich schloss die Augen. Zog mich in mein Innerstes zurück. Dorthin, wo das Schild seinen Ursprung hatte.
„Das lässt du schön sein." Er zog mich näher zu sich und hob mein Kinn an und löste meinen Knebel. Mein Kiefer knirschte unter seinem harten Griff. Ich öffnete die Augen und schaute ihn mit verklärtem Blick an, unfokussiert glitt mein Blick zu Ramiel und wieder zurück.
Jemand zischte dem Offizier gelangweilt etwas zu. Er stieß ihn drohend zurück.
Und diesen Moment nutzte ich, stürzte mich auf ihn und schlug meine Zähne in seinen Hals. Mühelos durchdrangen sie die feine Haut. Ich begann zu trinken, noch bevor der Offizier realisierte, was passiert war. Die ersten Tropfen reichten und meine Magie erwachte grollend zum Leben. Ich schloss den Schild, den ich kurz geöffnet hatte, um uns beide. Der Offizier wehrte sich mit allem was er hatte. Doch seine Magie verdampfte an mir wie Regentropfen auf sonnenerwärmten Stein. Seine Tritte und Schläge merkte ich kaum und bevor er an seine Messer kam, fesselte ich ihn mit meiner Magie am Boden.
Dämonische Magie schoss gegen mein Schild, in so vielen verschiedenen Formen, dass ich einen Moment überrascht innehielt. Da war dämonische Magie in Form von schwarzen Ketten, Messern und Schwerter, Blitze in allen Farben schlugen gegen mein Schild. Alles donnerte und tobte. Der Offizier unter mir stöhnte vor Schmerz.
„Du...Du bist eine Dämonin?", stammelte er. Die schwarzen Augen ungläubig aufgerissen. „Wieso bist du so stark? Du kannst mich nicht töten." Zufriedenheit spiegelte sich in seiner Miene wider, überdeckte das Entsetzen, die Angst.
„Ich würde es aber gerne probieren." Ich zwinkerte ihm zu, bevor ich meine Zähne erneut in seine Kehle schlug. Zähne, an denen kaum noch etwas Menschliches war. Sein Blut schmeckte alt und mächtig. Und ich wollte mehr. Da war sie wieder, die blutrünstige, mordlustige Seite in mir. Mein dämonisches Erbe. Stärker als je zuvor.
„Weißt du, was witzig ist", fragte ich ihn als ich mich schließlich von ihm löste. Er schwebte am Rande der Bewusstlosigkeit.
„Dass du denkst, das Blatt hätte sich gewendet?" Er hustete. „Es gab vor dir schon andere, die dachten, sie hätten mich besiegt. Aber ich bin unsterblich und ich werde dich kriegen, so wie ich sie gekriegt habe. Ich zeige dir das Verließ mit all meinen verbrauchten Liebhaberinnen, damit du weißt, was dir blüht. Ich werde dich finden, Viona."
„Nein", antwortete ich ungerührt. „Dass du denkst, ich kann dich nicht töten."
Der Offizier kicherte. Sein selbstgerechtes, arrogantes Auftreten kehrte mit einem Schlag zurück. „Du bist größenwahnsinnig. Wärst du in einem anderen Jahrhundert geboren, hätte ich dich geheiratet und vor den Augen deiner Freunde und deiner Familie wegsperren lassen, ohne dass sie etwas dagegen hätten tun können. Und das alles ganz legal und auf deiner Erde. Das wäre ein Vergnügen gewesen, das seinesgleichen sucht. Ich werde es als eine unserer ersten Fantasien vormerken."
Ich knurrte warnend. „Und Ramiel? Er hat dir nicht erzählt, dass er der Kronprinz der Hölle ist, oder? Er hat dir nicht von seinem Fluch erzählt oder von Alicia, das hast du alles selbst rauskriegen müssen, also sag mir, meine Liebe, wie genau willst du ihm dieses Mal verzeihen?"
Ich zitterte. Die Magie in mir schwoll zu einem unbeständigen, reißenden Brüllen an. „Und hat er dir von eurem Gefährtenbund erzählt? Dass er so schwach ist, weil du nicht bereit bist, ihn einzugehen? Dass er niemals in diese Lage gekommen wäre, wenn er wegen dir nicht so geschwächt gewesen wäre?"
Ich sah rot. Alles um mich herum verschwamm. Da war nur noch das überhebliche Grinsen des Offiziers. Und nichts in der Welt wollte ich lieber, als dass es ihm verging. Für immer. „Die Welt und selbst die Hölle wird ein besserer Ort sein ohne dich." Dann nahm ich eines seiner Messer. Betrachtete es in aller Seelenruhe. Etwas in seiner Miene verrutschte. „Hast du vergessen, wieso mich die Engel und die Dämonen gejagt haben?"
„Die Waffe..." Jegliche Farbe war aus seinem Gesicht gewichen. „Aber du hast... du hast sie nicht. Oder?" Er lugte zur Seite, zu den Soldaten seiner Hohen Garde, die ihm nicht zur Hilfe eilen konnte und noch immer versuchten, mein Schild zu durchdringen.
„Nein", bestätigte ich „ich habe sie nicht." Dann lächelte ich und beugte mich zu seinem Ohr und flüsterte: „Ich bin sie. Ich bin die Waffe."
Ich ließ Magie in das Messer fließen, bis es zu glühen begann. Bis es in Flammen stand, die heller waren als das Höllenfeuer selbst, bis die silberne Klinge in gleißendes rotweißes Feuer getaucht war, dem Blutmond nicht unähnlich. Dann stach ich zu und sah atemlos dabei zu wie der Offizier sich aufzulösen begann, wie er zu schwarzem Rauch wurde, der sich augenblicklich zu verflüchtigten begann.
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Ich habe einen Moment überlegt, ob das hier das Ende wird 👀
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