chapter 55
In vino veritas.
Wir trugen blau. Seit dem frühen 16. Jahrhundert stand diese Farbe für Lügen und Täuschungen. Ellies Haarbänder war blau. Sie hatte ihren hübschen Afro zu zwei Knäulen gebunden. Alex trug einen schwarzen, enganliegenden Jumpsuit, der größtenteils transparent war und knallblaue Highheels. Sumis Kurven wurden von einem weiß blau karierten Skaterkleid betont, zu dem sie ihre geliebten Chucks trug und ich bewegte mich nicht nur am Rande meiner Komfortzone, sondern hatte mich mit diesem Kleid im Asterix und Obelix Style aus ihr herauskatapultiert.
Es war tiefblau, kurz und eng. Dass ich mein Doc Martens dazu trug, war meine Rettung, denn ansonsten hätte ich genau jetzt, wo sich der halbe Raum bei unserem Eintreten zu uns umdrehte, kehrt gemacht. Alicia und Olivia entdeckte ich sofort. Sie wirkten tatsächlich überrascht und ich konnte es mir nicht verkneifen sie provokant anzugrinsen und ihnen spielerisch zuzuwinken.
Wir waren nicht unvorbereitet in die Höhle des Löwen gegangen. Im Gegenteil. Mir war nicht ganz wohl dabei, aber wir trugen jeweils einen Ring, von dem die Gesellschaft gedacht hatte, er schirme Magie ab. Sie waren in einem kleinen Fach im Umschlag eines der ledernen Aufzeichnungsbücher gewesen. Wir hatten mit meiner Magie getestet, ob sie funktionierten und da das der Fall war, sie als überaus hilfreich befunden. Dennoch wurde mir etwas übel bei dem Gedanken etwas von dieser Organisation zu tragen. Vor Allem weil wir erst vor ein paar Tagen über Versuchsprotokolle gestolpert waren, in denen der Einfluss von Dämonenblut bei Menschen untersucht wurde.
In unseren Handtaschen befand sich zusätzlich ein Parfumfläschchen mit einem Gebräu, bei dessen Geruch Dämonen schläfrig werden sollten. Seine Funktion hatten wir nicht getestet, wir hatten mit dem Gedanken gespielt, ihn letztendlich jedoch abgelehnt. Und, alle guten Dinge waren schließlich drei, Sumi hatte eine lateinische Formel auswendig gelernt, die angeblich alle Dämonen zurück in die Hölle verbannte. Wir wollten sie nur im Notfall verwenden und wusste auch nicht, ob sie funktionierte oder wie lange, aber der Gedanke gab uns Sicherheit und Hoffnung.
Wir gingen schnurstracks zu der Theke und griffen zu einer bisher ungeöffneten Weinflasche. Sicher war sicher. Ich entkorkte die Flasche und schenkte uns vier Gläser ein. Alex kommentierte schmunzelnd mein Schulterzucken, als ich die Flasche dann leer zurückstellte.
Um uns herum widmeten sich alle wieder ihrem Gespräch oder dem, was sie vorher gemacht hatten. Dennoch fing ich den ein oder anderen amüsierten Blick eines Dämons auf, eine andere zwinkerte mir sogar anzüglich zu. Und einige, weniger freundlich gesinnte, starrten mich unverhohlen feindselig an.
Ich nippte an meinem Wein und schlug meine frisch lackierten Nägel klirrend gegen das Glas. Erstaunlich viele Menschen hatten sich in diesem Verbindunghaus eingefunden, das, soweit ich verstanden hatte, der Elite gehörte. Mein Blick glitt weiter über die Einrichtung, die überhaupt nicht zu einer Studierendenbude gehörte. Dafür war sie zu protzig. Die Farben waren dunkel gehalten, bis auf vereinzelte goldene Kerzen und es gab ein paar Akzente, die ich jetzt ganz anders wahrnahm. Dazu gehörten die vielen Spiegel, der große Kamin und der enorme Kristalllüster, von dem sicher alle annahmen, dass er unecht war. Obwohl ich daran zu zweifeln begann.
Bei näherer Betrachtung erinnerte mich alles an diesem Raum an den Spiegelsaal in der Hölle. Und zu meinem Entsetzten fand ich auch das Pendant zu den mit Blut gefüllten Kristallgläsern. Und zwar in meiner Hand.
Als würde Alicia meinen Gedanken folgen, prostete sie mir mit ihrem Glas zu und nahm ein Schluck. Die blutrote Flüssigkeit blieb an ihren Lippen hängen und sie leckte genüsslich darüber. Ich verdrehte die Augen und wandte mich schnell ab.
„Na Leute, wie fühlt ihr euch?"
Sumi musste sich eindeutig zurückhalten, um die Dämonen, alle voran Alicia und Olivia nicht zu neugierig zu mustern. Die letzten Wochen hatte ihre Neugier nur angefacht und sie in ihrer Begeisterung bestärkt. Alex fügte sich derart gut hier ein, dass sie auch jetzt schon in ein Gespräch mit einem überaus hübschen Dämon vertieft war. Ich konnte nicht einmal genau sagen wann, aber in den letzten Wochen hatte ich irgendwie ein Gefühl dafür entwickelt, wer ein Mensch war und wer nicht. Um die Dämonen herum waberte oft ein dunkler Schatten, kaum wahrnehmbar, aber wenn ich mich konzentrierte, konnte ich ihn sehen. Es war wie eine magische Aura, über die Menschen nicht verfügten.
„Meine Begeisterung hält sich in Grenzen." Ellie fühlte sich unwohl. Sie hatte ihr Glas beinahe schon geleert und ihr Blick zuckte unruhig von einem Gesicht zum nächsten. Ich wollte gerade meine Hand auf ihren Arm legen, da drehte Alex sie zu sich und dem Dämon herum und bezog sie in das Gespräch mit ein. Alex hatte ein unglaubliches Gespür für die Gefühle ihrer Mitmenschen. Das erste was ich damals an siener Art zu schätzen gelernt hatte, war siene unglaubliche Empathie. Ich warf Alex dankbar einen Kuss zu und nahm Sumi bei der Hand, bevor wir uns ins Getümmel stürzten.
„Ich fühle mich gut. So unglaublich lebendig!"
Ich musste unwillkürlich lachen. „Auf diesen Gedanken kommst auch nur du." In einem Haus voller Dämonen, fügte ich gedanklich hinzu. Aber da ich über die stark ausgeprägten Sinne der Dämonen Bescheid wusste, riskierte ich nicht es auszusprechen.
Als wir etwas abseits einen Stehplatz ergatterten, schlang ich meine Arme um Sumi. „Hast du Nakir gesehen?", fragte sie dicht an meinem Ohr, während wir begannen uns zu der Musik zu bewegen.
„Du etwa nicht? Sie trägt heute einen roten Hidschab." Sumi lachte leise und ihre Power Ohrringe klimperten. „Ich weiß", kommentierte ich ebenso amüsiert. „Es ist so absurd, dass es schon wieder witzig ist."
„Rot, die Farbe der Warnung und wir in blau, der Farbe von Täuschung und List." Sumi kicherte und ich grinste, aber ich vergaß nicht, wieso wir hier waren. Das Lied war zu Ende und die ersten Klänge des neuen ertönten.
Sumi stöhnte. „Das ist ein Scherz, oder?"
Wir tanzten weiter und ließen uns nichts anmerken. Es lief Highway to Hell. Und mein Blick glitt suchend durch die Menge, bis er an einem vertrauen Paar Augen hängen blieb. „Du?", fragte ich laut. Er hatte kein Problem damit, mich über die Musik und die Feiernden hinweg zu verstehen. Der Dämon zwinkerte mir zu, löste sich von seinem Tanzpartner und hielt auf uns zu.
„Hallo meine Schöne, so sieht man sich wieder." Seine Stimme und sein Auftreten waren genauso elegant und anziehend wie letztes Mal. Nur trug er dieses Mal kein rotes Paillettenkleid, sondern tiefsitzende Jeans und ein schlichtes T-Shirt. Den üblichen Dress-Code für Dämonen auf der Erde.
Ich erwiderte sein ansteckendes Grinsen. „Was für eine Überraschung! Letztes Mal als wir uns gesehen haben, war das unter ganz ähnlichen Umständen." Das war ein Hinweis an Sumi und dem Druck ihrer Hand um meiner nach zu urteilen, hatte sie ihn verstanden.
„Stimmt, du trägst jetzt lediglich mehr Kleidung."
„So viel mehr nun auch nicht", hielt ich dagegen. Er musterte mich eingehend und Sumis Blick wanderte verwundert von mir zu ihm. Sie spürte die flirrende Anziehung zwischen uns ebenfalls.
„Wir haben noch etwas zu erledigen. Vielleicht sehen wir uns später, ja?"
„Versprochen?", fragte er mit einem schiefen Grinsen. „Frag einfach nach Zaph." Seine Augen glühten als er zu seinem Tanzpartner zurückgegangen war und ich löste meinen Blick erst von ihm, als Sumi mich in die Seite stieß.
„Konzentration!", forderte sie grinsend. „Wir haben eine Mission, Vio", flüsterte sie nah an meinem Ohr. Zaph beobachtete uns interessiert. „Oder planst du ihn zu benutzen?"
Ich schüttelte den Kopf und nahm sie an der Hand. „Genug getrödelt, komm jetzt." Sumi schnaubte, folgte mir aber, als ich die Treppe anstrebte und mich an den Feiernden vorbei schob.
„Wohin des Weges, Prinzesschen?" Alicia stellte sich uns in den Weg, noch bevor wir den ersten Stock erreicht hatten. Sie trug einen Lederrock, kniehohe Stiefel und ein schwarzen Spitzen BH.
„Zur Toilette." Ich nickte in Richtung der Schlange, die sich vor dem Badezimmer gebildet hatte. Wut begann in mir zu brodeln. Nicht dieselbe allumfassende, die mich bei dem Gedanken an den Offizier erfasste, aber dennoch Wut, weil ich an all das dachte, was ich wegen ihr durchmachen musste. Und Ramiel indirekt auch. Er war schließlich nur wegen meiner Anwesenheit in der Hölle überhaupt in die Situation mit dem Offizier gekommen.
„Deine Freundin kann sich ja schon mal anstellen. Mit dir würde ich gerne mal ungestört reden." Sie strich ihre glänzenden schwarzen Haare zurück und grinste herausfordernd. Ich drückte Sumis Hand und nickte schließlich. Sie hatte ungestört gesagt und wenn das bedeutete in ihr Zimmer zu kommen, würde das unseren Plan optimal in die Finger spielen. Natürlich war es eine Falle und diente irgendeinem Zweck, aber wir waren vorbereitet. Hoffte ich zumindest.
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Einige Kapitel haben eine Widmung. Damit möchte ich mich bei meinen Leser*innen bedanken. Fürs Voten, Kommentieren oder einfach eben fürs Lesen. Ich bin unglaublich dankbar für jede*n einzelne*n von euch. Ihr seid die beste Motivation!💛
Du kannst dich auf das nächste Kapitel freuen 💥💥💥 ich bin jedenfalls unglaublich gespannt auf deine Reaktion!🙈😂
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