chapter 40
Das hier war die Hölle. Wortwörtlich.
Ich musste nicht einen winzigen Augenblick überlegen. Es gab kein Zweifel. Nicht einen Hauch.
Es gab hier keine Farbe. Tausend Schattierungen von Grau. Unzählige Abstufungen von Schwarz. Doch kein weiß oder rot. Dabei roch es so stark nach Blut als wäre meine Kleidung darin getränkt worden. Die endlos hohen Felswände bestanden aus scharfen, schwarzen Kacheln. Und sie pulsierten, waren lebendig, nährten sich von dem Schmerz, der so greifbar war, wie der Geruch des Blutes.
Schreie hallten durch die Gänge, peitschten über meine Haut, während ich mich Zentimeter für Zentimeter vorarbeitete. Schweiß rann mir über den Rücken und perlte von meiner Stirn. Ich hielt mir eine Strähne vors Gesicht, doch auch die pinke Farbe war nun vollkommen verblasst. Es war absolut unwirklich, wie in einem Alptraum. Wie in meinen Alpträumen.
Aber ich hatte immer gewusst, dass ich träumte. Mit absoluter Gewissheit und mit genau dieser Gewissheit wusste ich auch, dass das hier der Realität entsprach.
Ich schob mich durch verschiedene Gänge, an unzähligen Kreuzungen und noch viel mehr Türen vorbei. Doch je weiter ich ging, desto genauer wusste ich, dass es auf diesem Labyrinth keinen Ausweg gab. Nicht für mich.
Zum ersten Mal wurden mir meine Träume bewusster. Ich erlebte Deja-vus, von einer, mir bisher unbekannten, Heftigkeit, sodass ich glaubte den Verstand nun vollkommen zu verlieren. Ich erinnerte mich in einem Ausmaß an verschiedene Details aus meinen Träumen, dass ich überzeugt war, mein Bewusstsein würde mir einen Streich spielen. Bis ich sie erblickte.
Die emporsteigende rotgelbe Feuersäule. Sie bildete das Zentrum der Hölle. Alle Wände, alle Wege, alles zentrierte sich auf diesen Punkt. Denn in meinen Träumen hatte ich nicht nur die Feuersäule gesehen, sondern auch worauf sie begründet war.
Je näher ich kam, desto überzeugter war ich. Die Dunkelheit selbst schien hier unten ihren Ursprung zu haben. Und der Teufel mit ihr.
Die Flammen des Höllenfeuers schossen nach oben. Es sah aus wie ein brennender unendlich hoher Obelisk. Hoch, so weit oben, dass ich es gerade noch erkennen konnte, prallten die Flammen gegen einen schwarzen Thron, nur um dann noch heller und noch feuriger höher zu schlagen.
Ein Punkt auf meinem Rücken begann zu kribbeln. Die rauen Felsen, an die ich mich stützte, schlitzen meine Hand auf. Ich war mir sicher, dass die Hitze des Höllenfeuers dafür sorgen würde, dass ich jeden Moment in Flammen aufgehen würde. Langsam, aber sicher kam ich wieder an diesen Punkt. Diesen Punkt, an dem ich auf der Reise in die Hölle mein Leben aufgegeben hatte.
Ich sank auf die Knie, die scharfen Kacheln tanzten vor meinen Augen, die felsigen Wände vibrierten vor Lachen, das Blut, das ich roch, war mein eigenes.
Ich dachte an meine Lieblingsmenschen in der Uni, an meine Oma, Azalee, Cael, Azael, Ramiel. Ich dachte an mich, an mein Leben, an alles, was ich so gerne noch erleben würde. An all das, was ich noch erfahren und all jene, die ich noch rächen wollte. Und in diesem Moment fällte ich sie. Die Entscheidung zu leben. Und ich katalysierte ihn, all meinen Schmerz, all meine zerschundene Wut, all die Reste meiner Magie und flehte sie an mich hier wegzubringen.
Mir wurde schwarz vor Augen, noch bevor ich auf dem Boden aufschlug und Schmerz explodierte in mir, bevor ich das Bewusstsein verlor.
„Du brauchst ihre Zustimmung", dröhnte eine viel zu laute und viel zu aufgebrachte Stimme zu mir durch.
„Sie stirbt, verdammt." Es rauschte in meinen Ohren. So laut, als würde ich den Kopf aus einem fliegenden Flugzeug halten. „Es ist absolut ausgeschlossen, dass sie die Hölle überlebt, ohne das Dämonenblut in ihr fließt."
„Du wirst es bereuen!"
„Lieber bereue ich das als ihren Tod!" Bei der barschen Stimme zuckte ich unwillkürlich zusammen und dann zuckte ich erneut zusammen, weil ein Hagelsturm aus Schmerzen unerbittlich auf mich einprasselte. Ich wimmerte und versuchte zwanghaft mich nicht mehr zu bewegen.
„Vio?"
„Vi?"
„Bist du da?"
„Kannst du mich hören?"
Jemand setzte sich neben mir und die Matratze senkte sich, sodass sich meine Muskeln automatisch anspannten und ich mich vor Schmerzen krümmte. Jeder Atemzug war eine Qual, doch da war etwas, ich konnte es zuerst nicht zuordnen, aber dann spürte ich es deutlicher. Ein Punkt an meinem Rücken, direkt auf meinem Schulterblatt war unverletzt. Der einzige Quadratzentimeter Haut, der nicht brannte, als würde er in Flammen stehen. Und ich heulte fast auf vor Erleichterung, als dieser Punkt begann sich auszubreiten.
„Ramiel?" Ich erkannte Ales zitternde Stimme.
„Was zur Hölle?" Ramiels Stimme entfernte sich und dann mit einem Mal veränderte sich die Atmosphäre.
Ich hörte Azael und Cael derbe fluchen und spürte, wie sich Ramiels Schatten näherten, dann war da ein leises Schnurren und eine wohlige Wärme erfasste mich, als sich etwas an mich kuschelte.
Dann war es also doch kein Traum gewesen. Die anderen waren beunruhigend still geworden, doch die Kraft, um die Augen zu öffnen fehlte mir noch immer. Ich driftete ab in einen leichten, erholsamen Schlaf in denen eine Horde junger schwarzer Panther miteinander balgten, und sich rangelnd in den Schlamm warfen.
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