chapter 39
Mit jedem Tanz und jeder Stunde, die verging, wurde der metallene Geruch stärker. Im Waschraum lehnte ich mich an die kühlen Kacheln und meinte in ihnen das Echo der Schreie und der Verzweiflung zu hören. Ich spürte ihre Anwesenheit, ihre Nähe und als ich in den Spiegelsaal zurückkehrte, erkannte ich das goldene Licht in den gläsernen Kugeln als das, was es war. Seelen. In jeder dieser abertausenden Glaskugeln war eine verlorene Seele gefangen.
„Sieh mal einer an", durchschnitt eine scharfe Stimme die Musik. Ich brauchte nicht eine Sekunde nachzudenken. Mein Nacken kribbelte und ein kühler Schauer traf mich. Ich wappnete mich und als ich mich umdrehte, stand ich dem Offizier gegenüber. Er war in Begleitung von zwei anderen weißen männlichen Dämonen, in deren Armen zwei weibliche hingen. Diese waren allerdings nicht mehr in einem ganz so guten Zustand. Ich blickte mich um und sah immer mehr bewusstlos zusammengesunkene Dämonen und Dämoninnen, aber etwas an diesen beiden war anders.
„Hat es dir die Sprache verschlagen, Mäuschen?"
Er wollte nach meinem Arm greifen, doch ich wich ihm aus. „Keineswegs", erwiderte ich trocken. „Ganz im Gegenteil zu Ihren Begleiterinnen, nicht wahr?"
Er grinste schmierig. „Das mag wohl stimmen. Aber wie du sicher bereits bemerkt hast, zählen menschliche Leben im Gegensatz zu unseren eben nicht. Und dank dir sind heute die Regeln außer Kraft gesetzt." Lauernd wartete er auf meine Reaktion.
„Wenn ihr nicht in der Lage seid, euch ansprechbare Partnerinnen zu suchen, ist das wohl nicht mein Problem." Ich versuchte ihn zu reizen, an seinem männlichen Stolz zu kratzen, aber er grinste unbewegt weiter. Das Grauen, was mich mit jedem Augenblick, den ich hier stand, weiter befiel, schmeckte nach Asche und Metall. Ich biss mir auf die Zunge, um zu verhindern, dass er das Zittern meiner Lippen sehen konnte und versuchte mich mehr auf die Wut zu fokussieren. Das waren unschuldige Mädchen! Der aufsteigende Ekel und die Bitterkeit vermischten sich zu einem ungenießbaren Molotowcocktail.
„Vi!" Ale und ihre Freundin standen plötzlich neben mir. „Gibt es Probleme?" Sie schwankte leicht.
„Gar nicht." Ein lüsterner Ausdruck breitete sich auf dem Gesicht des Offiziers aus. „Wie wäre es, habt ihr Lust mitzukommen in meine Suite?" Mein Gesicht verwandelte sich in das kotzgrüne WhatsApp Emoji, so angeekelt war ich, aber Ale neigte nachdenklich den Kopf.
„Wie wäre es", schlug sie stattdessen vor, „wenn wir darum spielen. Sie zog eine Münze aus ihrem ledernen BH und funkelte ihn herausfordernd an. Ich wollte sie anbrüllen und sie davon zerren, aber ich war wie festgewurzelt. „Bei Kopf gehen wir mit dir. Bei Zahl kommen die beiden", sie deutete auf die bewusstlosen Mädchen, „mit uns."
Der Offizier schien überrascht, aber nicht abgeneigt. Er tauschte einen Blick mit seinen kahlköpfigen Dämonenkumpels aus und dann stimmte er zu.
Ale schnippte die Münze in die Luft, fing sie geschickt wieder auf und klappte sie auf ihren Handrücken. Ich hielt die Luft an und auch der Offizier kam näher.
„Zahl", jubelte Ale und deutete eine Verbeugung an. Sie griff nach dem Arm des ersten Mädchens und schob sie in meine Richtung. Ich nahm sie entgegen und fasste sie um die Taille. Der Offizier, deutlich unzufrieden mit der Situation, schien unentschlossen, wie er reagieren sollte. Bevor er sich entscheiden konnte, machten wir uns mit den beiden Mädchen schnell aus dem Staub.
„Puhh, das war knapp." Wir hatten den Ausgang erreicht. Ich drehte mich zu Ale um, bereit sie für ihren Leichtsinn anzumotzen, doch sie präsentierte mir verschmitzt grinsend die Münze. Beide Seiten waren mit Zahl geprägt. „Da hast du Glück, dass er es nicht bemerkt hat."
„Heyjo!", begrüßte uns ein Dämon. Ale schien ihn zu kennen, den sie übergab ihm kommentarlos die beiden Mädchen. „Die werden gar nicht wissen, was für ein Glück sie hatten, hier lebend wieder wegzukommen."
„Das stimmt. Danke, Dae!" Sie küsste ihn auf die Wange, dann wandte sie sich an uns. „Wie sieht's aus bei euch? Vi? Zenda?"
„Ich hätte kein Problem damit zu gehen", kommentierte sie und ich nickte zustimmend. Zenda hakte sich bei mir unter und wir machten uns auf den Weg zurück in Ales Zimmer. „Immerhin müssen wir morgen alle gut bei Kräften sein, nicht wahr?", erinnerte sie mich an das, was mir morgen bevorstand. Sie lachte über meinen Gesichtsausdruck. „Vi, du rockst das!"
Wenig später lagen wir in Ales Bett. Sie hatte mir ein großes T-Shirt gegeben und ich war froh das enge Korsett und den Rock endlich losgeworden zu sein. Sie erzählten mir das, was sie von anderen Prüfungen gehört hatten und ich wurde immer ruhiger. Das lag weniger als an ihren Erzählungen, sondern daran, dass ich mir einen Nachthimmel vor Augen rief. So wie ich ihn von unseren montäglichen Ausflügen kannte. Ich vermisste den Mond und den Sternenhimmel, aber ich war wenigstens nicht ganz allein.
Am nächsten Morgen, auf dem Campus war bestimmt noch nicht die Sonne aufgegangen, stellte ich es mir vor, dieses besondere Leuchten über dem Park, das allein der Moment vor einem Sonnenaufgang hervorrufen konnte, ich fühlte diese alles erfüllende Stille, roch den morgendlichen Tau und verbarg das Zittern meiner Hände in meinen geschlossenen Fäusten.
Ich stand vor etwas wogegen die Arena gestern unbedeutend wirkte. Vor mir erstreckte sich eine Flügeltür aus grauem Stahl. Trist. Unscheinbar.
Könnte man meinen.
Doch an dieser Tür befand sich, statt eines Knaufes, der Kopf einer Schlange. Schlangen, die im alten Griechenland als Beschützerin der Unterwelt galten. Ich war kurz davor zusammenzubrechen. Lediglich Azalees Arm, den sie um mich gelegt hatte, hielt mich davon ab. Ramiel verfolgte jede meiner Regungen mit ausdruckslosem Gesicht. Azael und Cael hinter ihm sahen weitaus besorgter aus. Der Offizier und sein Gesinde hingegen grinsten vorfreudig und er sandte ein boshaftes Zwinkern in meine Richtung, als er meinen Blick bemerkte.
Eine Bewegung aus dem Augenwinkel und ich richtete meinen Blick wieder auf das geöffnete Schlangenmaul, das allen voran zwei scharfe Giftzähne entblößte. Ich hätte schwören können, dass die gespaltene Zunge sich bewegte und ein listiges Zischen aus dem Maul hervordrang.
Ramiels Blick und dem Entsetzen, dass er langsam nicht mehr verborgen halten konnte, bestätigten meine Befürchtung. Ich wusste genau, wo ich mich befand. Am Eingang zur wahren Hölle. Zur wahren Hölle, in die Einlass lediglich Dämonen hatten. Engel, Menschen, Halbengel, es spielte keine Rolle, wenn ich die Hölle betreten würde, würde ich sterben.
Ich würde diese Prüfung nicht bestehen. Ich konnte sie nicht bestehen.
„Wir sehen uns auf der anderen Seite", spottete der Offizier. Er wusste es. Dass ich das hier nicht überleben würde. Seine drei weißen Dämonen zückten ihre Klingen und versperrten den Rückweg, als würden sie fest damit rechnen, dass ich gleich die Flucht ergreifen würde. Ein weiterer, der aus dem Schatten einer Säule hervortrat, richtete seine gezogene Klinge auf Caels Hals. Ramiel wirbelte herum noch bevor die Klinge Cael traf. Ich hielt den Atem an und Azalee begann zu zittern. Doch die Klinge verharrte an Caels Kehle.
„Nur eine Warnung. Eine Erinnerung." Der Offizier verbeugte sich spielerisch in Ramiels Richtung. „Keine Heldentaten, du weißt, dass ich das nicht dulden kann. Auch von dir nicht."
Ein leises Flüstern drang durch die Mauern, durch die anthrazitfarbenen Felsenwände, über das Schachbrettmuster des Bodens. Es donnerte und die Luft war mit einem Mal so geladen, wie in dem Moment vor einem Gewitter, in dem Augenblick bevor der Blitz einschlug und alles in seinem Umkreis zerstörte.
Ich sah Ramiel an, spürte wie der Boden bebte, die Temperatur in der unterirdischen Höhle unter der Palast anstieg und wusste, dass es gleich ein Blutbad geben würde. Ich konnte es schon riechen. Das Metall von Blut. Ich hörte das Brechen von Knochen, schmeckte den bitteren Geschmack elendigen Schmerzes, spürte die dunklen Klauen des nahenden Todes. Azalee spannte sich neben mir an. In dem Moment zogen Cael und Azael ihre Klingen und Ramiel rief seine Schatten. Ich konnte nicht zulassen, dass einer von ihnen wegen mir verletzt wird oder stirbt.
Deshalb tat ich das Einzige, was ich tun konnte und legte meine Hand in das Maul der Schlange.
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