chapter 33
Hölle und die Vulkanebene und erstreckt
sich in alle Himmelsrichtungen bis in die Ewigkeit. Selbst für Dämonen ist es feindlicher Boden und nur die wenigsten Wesen können
in dieser Sandwüste überleben.
- Vios Aufzeichnungen, Seite 108
Ich fühlte nicht nur den Schmerz tausend eisiger Nadelstiche. Ich fühlte tausend brennende Dornenranken, die sich um meine Arme, meine Beine, meine Taille schlangen und drohten mich zu zerreißen. Meine Haut riss, meine Kehle war wund von meinen Schreien. Es war so heiß, dass ich mir sicher war, dass mein Blut bereits kochte. Es fühlte sich an, als würde ich von innen heraus verbrennen.
Und deshalb genoss ich den Moment, in dem ich aufgab, mich nicht weiter an mein Leben klammerte, sondern es losließ.
Dann, ohne Vorwarnung, war es plötzlich vorbei. Ich versuchte gerade mich aufzurichten und blinzelnd die Augen zu öffnen, als Erinnerungen auf mich einprasselten wie faustgroße Hagelkörner. Erinnerungen an meinen Vater, an seine bildschönen, blütenweißen Flügel. An jede einzelne Rune und ihre Bedeutung. An dem Umzug, gegen den mein Vater sich so gewehrt hatte.
An die Tatsache, dass meine Mutter nicht mehr wollte, dass ich zur Schule ging und mich zuhause unterrichtete. An den Überraschungsbesuch von meiner Oma, an die Freunde von meinem Vater, die ebenfalls Engel waren und ihn jeden Freitag besuchten. Und dann erinnerte ich mich auch an den Tag, an dem mir meine Erinnerung genommen wurde. Es war an dem Tag gewesen, an dem mein Vater starb. Definitiv nicht an einem Aneurysma. Er wurde hingerichtet.
Meine Hand grub sich in den rötlichen Sand neben mir, bis ein schmerzhaftes Ziehen durch meinen Körper raste. Ich begann zu schreien, während ich die Stimme meines Vaters hörte. Seine letzten Worte an mich waren: „Ich liebe dich, Fucha." Angelehnt an den Glücksdrachen Fuchur aus Die unendliche Geschichte. Tränen rannen mir wie Sturzbäche über die Wangen. Ich schrie meinen Schmerz hinaus, weil ich sonst an ihm zerbrechen würde.
Der Gedanke an meinen Vater und daran, dass ich ihn vergessen hatte und mir darüber nicht einmal bewusst war, zerstörte einen Teil von mir. Ich hatte vergessen, wie sehr er Märchen liebte, hatte vergessen, dass er mich oft ins Bett gebracht hatte und selbst, wenn ich schon eingeschlafen war, noch bei mir blieb. Ich hatte vergessen, wie wir über die Wiesen gerannt waren und ich mich gefühlt hatte, als würde ich fliegen, wie er jedes Tier, jede Pflanze, jedes Lebewesen wertgeschätzt und geliebt hatte. Sein Lachen. Seine Augen. Das verschmitzte Funkeln, wenn er Mama ärgerte. Die Art, wie er mich angesehen hatte, wenn er sagte, dass das Blau in meine Augen aussah, wie das schönste glitzernde Wasser auf der Welt. Wie sein größtes Glück.
Ich muss irgendwann bewusstlos geworden sein. Erst als etwas Raues über meine Wange strich, schlug ich blinzelnd die Augen auf. Meine Kehle pochte, jedes Schlucken war schmerzhaft. Meine Augen waren derart verquollen und angeschwollen, dass ich sie kaum öffnen konnte. Stöhnend richtete ich mich auf. Die Sonne brannte auf mich herab und der Sand, auf dem ich lag, war so heiß, dass ich mich wunderte, wie ich hier liegen konnte, ohne Verbrennungen davon zu tragen.
Neben mir ertönte ein tiefes Schnurren und ich blinzelte gegen die Helligkeit an, um zu erkennen, wer oder was mich gleich angreifen und umbringen würde. Ich saß noch immer und hob eine Hand, die blutverkrustet war, um mein Gesicht von der Sonne abzuschirmen. Und dann konnte ich auch erkennen, was da vor mir stand.
Ein schwarzer Panther.
Er schnüffelte in meine Richtung und seine Ohren zuckten aufmerksam. Die Augen schimmerten hell wie kanariengelbe Diamanten, in denen das Licht der Sonne gespalten wurde. Es mussten an die vierzig Grad heiß sein und dennoch fröstelte es mir. Die schwarzen riesigen Pfoten standen nur wenige handbreit von mir entfernt und er hatte den Kopf gesenkt. Was nicht unbedingt nach einem Angriff aussah, wobei ich mich aber auch täuschen könnte. Wäre ja nicht das erste Mal.
Während ich bringt er mich um, oder bringt er mich jetzt um in meinem Kopf spielte, kam er näher. Ich atmete tief ein. Würde es etwas bringen so zu tun, als hätte ich keine Todesangst? Der Panther drückte seine Stirn gegen meine.
Und ich schloss flatternd die Augen. Der Schmerz, der mich zerfressen hatte, mich zerschmettert hatte, klang ab. Immer weiter, bis ich ihn kaum noch spürte. Er wurde von einer bernsteinfarbenen Welle weggespült. Zurück blieb ein warmes Gefühl von Wärme und Vertrautheit.
„Danke", flüsterte ich. Ein kurzes Schnurren war die Antwort, dann verblasste die Wärme an meiner Stirn. Ich rappelte mich seufzend auf. Der Panther schaute noch einmal zurück, sein weiches schwarzes Fell glänzte, bevor er hinter einer Düne verschwand. Ich begann meine Umgebung genauer zu begutachten. Die Sonne tauchte alles in ein rötlich gelbes Licht. Wohin ich auch sah, überall waren Sand, Dünen und kleine Hügel. So weit das Auge reichte.
„Na gut, Vio. Auf geht's", sprach ich mir Mut zu. Dann stapfte ich los. Jeder Schritt war anstrengend und der sandige Untergrund mal so weich, dass ich mit meinem ganzen Fuß einsank und dann beim nächsten Schritt hart wie Stein. Leichter Wind peitschte mir Sandkörner gegen die Beine. Beine, die in zerrissenen Hosen streckten. Von meinem Hoodie war ebenfalls nur noch Fetzen übrig, aber die Kapuze hatte die Reise fast unbeschadet überstanden, so dass ich zumindest meinen Kopf vor der brennenden Sonne schützen konnte.
Meine Füße schienen den Weg zu kennen und ich ging einfach weiter. So lange, bis ich mich darüber wunderte, wie es sein konnte, dass die Sonne noch immer dieselbe gleißende Hitze ausstrahlte und ihre Intensität nicht langsam nachließ.
Irgendwann, es mussten weitere Stunden vergangen sein, wussten nicht mehr nur meine Füße in welche Richtung ich gehen musste. Ich hatte ein Gefühl in mir, dass mich lenkte, so verrückt das auch klang. Und ich spürte, dass ich meinem Ziel näherkam. Ob mein Ziel Ramiel war, wie zu Beginn dieser Reise, wusste ich nicht.
Die Landschaft um mich herum wurde ebener, die Dünen kleiner und der Wind legte sich. Ich strich über den schwarzen Stein des Ringes, den Alicia mir vorhin in die Hand gedrückt hatte. Vorhin musste er mir aus der Hand gefallen sein, denn ich hatte ihn nur wenige Schritte entfernt im Sand liegen sehen. Meine eigenen Ringe hatte ich auch abgezogen, denn sie waren in der Hitze heiß geworden und ich war mir nicht sicher, dass sie die Temperatur überstanden hätten.
Ich blieb stehen, als ich bemerkte, dass es inzwischen vollkommen windstill geworden war. Kein Sandkorn regte sich mehr. Die Stille, die den ganzen Weg lang meine treue Begleiterin gewesen war, nahm etwas Unheimliches an. Vor mir erhob sich eine Düne, deren Ende ich nicht erkennen konnte. Sie erstreckte sich bergkettenähnlich nach links und rechts. Ich war eingekesselt und ich wusste, dass ich irgendwie über dieses Hindernis kommen musste.
Selbst, wenn ich meine Augen vor der Sonne schützte, konnte ich nicht sehen, wie hoch diese Düne war. Unwillkürlich dachte ich an König Sisyphus, der dazu verdammt war einen Felsen immer wieder aufs Neue den Berg hochzurollen und es nie schaffte, die Spitze zu erreichen. Ich blickte auf meine Uhr, dessen Ziffernblatt zwar nicht gesprungen war, aber dennoch musste etwas kaputt gegangen sein, denn die Zeiger drehten sich durchgängig. Ich machte mich an den Aufstieg und je höher ich kam, desto öfter war ich gezwungen auf die Knie zu sinken, weil leichte Erschütterungen den Boden zum Beben brachten.
Meine menschlichen Bedürfnisse, Durst, Hunger, die Toilette besuchen oder Schlaf, all das schien es hier nicht zu geben. An diesem Ort.
Der Hölle.
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Wusstet ihr, dass Vio da landet?🔥
Und das war das letzte Kapitel für heute. Ich wünsche euch eine gute Nacht und schreibe fleißig weiter, weil ich nämlich Nachtschicht habe 🙈
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