3. Beinahe - 𝑬𝒍𝒍𝒆
Ich starrte gedankenverloren auf meine drahtigen Finger. Ich war nicht spargeldünn, ich war schlank, aber trotzdem kamen mir meine Finger immer zu knochig und zu dünn vor. Seufzend liess ich die Hand neben mich auf das weiche Polster der Couch sinken und suchte an der verzierten Decke etwas neues, dass ich anstarren konnte. Es war nun schon eine ganze Woche her, obwohl mir jeder einzelne Tag ungefähr dreifach oder vierfach so lange vor kam. Der Schwester meines besten Freundes möglichst unauffällig aus dem Weg zu gehen und gleichzeitig das schlechte Gewissen ihm und ihr gegenüber zu verstecken, war selbst für mich eine Herausforderung. Immerhin schien es so, als ob auch Maggie sich vor mir versteckte, zumal sie immer gleich umdrehte oder ihre Schritte verschnellerte, wenn wir uns doch einmal sahen. Das machte die Situation wenigstens ein bisschen einfacher.
Am liebsten würde ich mich irgendwo verkriechen. An einem verlassenen Ort, der nicht zu staubig war und eine kleine Couch und einen Fernseher beinhaltete. Ich würde mich in meine lieblingskuscheldecke, schwarz mit rosa Herzen verziert, einwickeln, würde mir ein prickelndes Feuer vor mir vorstellen und würde mich in die Welt einer Serie verlieren. Wie schön das nur wäre.
An sich war es ja nicht das schlimmste auf der Welt, es der Schwester des besten Freundes besorgt zu haben, allerdings war sie seine kleine Schwester. Er konnte nicht damit umgehen, dass sie älter wurde und dachte überhaupt nicht daran, dass sie auch Bedürfnisse in diese Richtung haben könnte. Ich wäre tot wenn er wüsste, was ich getan hatte. Und genau das war der Punkt. Jace war der erste Mensch in meinem Leben der wirklich für mich da war, so schwer dies auch zu glauben war, und ich wollte ihn weder verletzen noch verlieren.
In diesem Moment schwang die Tür des Gemeinschaftsraumes auf. Langsam setzte ich mich auf. "Endlich, du hast dich verspä", doch es war nicht Jace. Ich erblickte dem feuerroten, lockigen Schopf von Maggie. Gerade als sie sich umdrehte und verschwinden wollte, hielt ich sie auf: "Nein, warte!" Was tat ich da bitte? Wieso sollte sie? Und ich? Was war mit meinem Vorhaben ihr aus dem Weg zu gehen? Doch sie blieb stehen und drehte sich zu mir um.
Schnell erhob ich mich, trat ihr gegenüber und räusperte mich. Und was jetzt? Das hast du ja mal wieder super hingekriegt Miss Evans. "Hast du Jace erwartet?" Ich nickte stumm. "Und wieso hast du mich aufgehalten wenn er jederzeit kommen könnte? Er sollte uns nicht gemeinsam sehn." Verdammt, musste sie solche Fragen stellen? Sah ich aus, als hätte ich darauf Antworten? Doch ich liess mir meine Unsicherheit nicht anmerken, tat ich schliesslich nie.
"Nun ja, ich finde so geht das nicht mehr weiter. Ich werde bei allen Selection Events dabei sein und es werden immer weniger Leute da sein, hinter denen wir uns verstecken können." Das stimmte, ich dachte schon oft darüber nach, dachte jedoch nie daran mit Maggie darüber zu sprechen. "Eigentlich haben wir doch auch nichts schlimmes getan, Sex ist etwas vom natürlichsten was es gibt."
"Shh, spinnst du?", zischte der Rotschopf und schloss hastig die Tür hinter sich.
Als sie sich auf einem der Sessel nieder liess, bemerkte ich erst was sie in den Armen hielt. Ein Buch, womöglich holte sie gerade in dem Bücherregal neben der Tür. Der ganze Raum war sehr vielfältig. Von Büchern, zu Schreibtischen mit Pergament, bis zu Musikboxen. Jeder der Prinzen und Prinzessinnen durften etwas an der Einrichtung beitragen, zumal das ihr Gemeinschaftraum war. Ich hatte bloss Zutritt wegen Jace und weil ich vorübergehend im Schloss wohnte. Das Bücherregal war von ihr. In ihrem Zimmer hatte sie keinen Platz mehr, weshalb sie eines noch hier rein stellen liess und ab und zu eines der Bücher auswechselte durch eines aus ihrem Zimmer.
Ich setzte mich auf den Sessel ihr gegenüber und musterte sie. Ich liebte ihre Sommersprossen auf Nase und Wangen, welche durch das Sonnelicht, welches hinter mir durch ein Fenster kam, nur noch mehr strahlten und ihre dunklen Augen, die beinahe schon schwarz waren. Sie bildeten einen schönen Kontrast zu den meinen, welche beinahe schon in einem zu hellen blau leuchteten.
"Ich denke wir sollten vorsichtig sein. Besonders Jace sollte nicht erfahren, dass wir, du weisst schon, das eben gemacht haben." Ich lachte auf. Klar, sie hatte recht, aber ich fragte mich gerade eher wieso sie es nicht ausgesprochen hatte.
"Du brauchst bei mir nicht auf den Mund zu sitzen, sprich es ruhig aus. Wir hatten Sex." Ich verstand diesen Scham um dieses Thema nie. Am Ende tat es praktisch jeder und es war ja nichts verbotenes. Andererseits lernte Maggie das vermutlich nie. So wie ich das bisher mitbekam, durfte sie nicht einmal daran denken einer Person zu nahe zu kommen auf diese Art und Weise. Und das was sie vor einer Woche mir gewährt hatte, war vermutlich eine riesen Sünde. Nur schon wie Jace von ihr tagtäglich erzählte. Ich stellte schon mehrmals ernsthaft in Frage, ob wir die selbe Maggie kannten.
"Ja, okay", murmelte sie, holte dann jedoch wieder aus, "aber du stimmst mir doch zu, oder?" Ich nickte und seufzte, während ich meine Hände in einenader verschrenkte und prfüfund zu Maggie sah.
"Willst du es nicht sagen?"
"Was?" Sie war offensichtlich verwirrt.
"Das wir Sex hatten, hier sollte uns ja gerade niemand hören." Mir war durch aus bewusst, dass sie es nicht laut aussprechen musste, aber ich wollte es von ihr hören. Irgedendwas daran, dass sie sich schämte es laut vor mir auszusprechen, triggerte mich.
"Wieso willst du das denn jetzt aufeinmal?" Ich seuzfzte und erhob mich. Sie verfolgte mich mit ihrem Blick, als ich auf sie zu lief und mich schliesslich zu ihr hinunter beugte.
"Was ist so schwer daran? Sag es doch einfach." Ich spürte ihre Unbehaglichkeit. "Sags für mich.", raunte ich ihr leise zu.
"Meine Güte, na schön. Wir hatten Sex, zufrieden?"
Ja, ich war zufrieden. Ich entfernte mich wieder etwas von ihr, woraus jedoch nicht gerade viel wurde, denn sie war schneller. Sie erhob sich und küsste mich. Es war ein kurzer, aber dennoch stürmischer Kuss. Nun war ich die verwirrte. Es kam mir vor wie Stunden, in denen wir einfach nur da standen und uns gegenseitig musterten. Ich liebte ihre Nase, die leicht stupsartig war. Ihre kleinen, aber vollen Lippen. Sie war allgemein ein bisschen kleiner als ich, was mich doch etwas wunderte. Ich selbst war schliesslich schon klein. Zum Beispiel war ich ein ganzer Kopf kleiner als Jace und seine Zwillingschwester.
Reflexartig stiess ich Maggie zurück auf den Sessel und drehte ihn gegen die Tür, als sich eben diese mit einem leisen Klicken öffnete. Und tatsächlich, Jace trat ein. So ein Mist.
"Was los? Du stehst doch nie freiwillig wenn du warten musst." Er sprang über die Lehne des Sofas und legte sich hin.
"Nichts. Was dagegen, dass ich stehe?" Zum Glück war Jace nicht der Aufmerksamste. Ansonsten hätte er bemerkt, dass der Sessel seltsam da stand, in Richtung einer der weissen Wände, aus der kleinen Lounge aus weiteren Sessel und Sofas hinaus gedreht. Maggie kauerte sich mittlerweile so gut es ging auf dem Stuhl zusammen.
"Nönö. Du bist doch nicht genervt, dass ich zu spät bin, oder?" Er schloss seine Auge, nur um gleich wieder eines zu öffnen. Er warf mir einen kritischen Blick zu, der mich zum Grinsen brachte.
"Also bitte, du kommst doch immer zu spät, dann wär ich ja vierundzwanzig sieben angepisst." Ich verschrenkte die arme vor der Brust und setzte mich auf den kleinen Holztisch in der Mitte der Lounge, so das ich Maggie jedoch noch aus dem Augenwinkel beobachten konnte.
"Was wolltest du mir jetzt eigentlich sagen?" Ich sah wie Maggie sich anspannte. Dachte sie wirklich, ich würde sie, oder besser uns, verpetzen? Hoffentlich nicht.
"Genau, was ich dir sagen wollte. Ich hab von nem Typ acht VIP Karten bekommen für die Party am Freitag. Das bedeudet gratis Alkohol und Zugang zur VIP Lounge. Klasse, nh?" Maggie entspannte sich wieder etwas, jedoch nicht ganz. Alkohol. Ja ich wusste nun wie sie dazu stand. Aber ich wollte gerade einfach ehrlich sein und nicht eine dämliche Ausrede erfinden weshalb ich ihn hier her bestellt hatte.
"Gott Elle, wie kommst du immer zu solchen Sachen? Verkaufst du dich etwa?", lachte Jace und setzte sich auf. Ich erwiderte sein Lachen, auch wenn es nicht echt war. Es war schwer zu lachen, wenn es da jemanden in meinem Augenwinkel so gar nicht lustig fand. Maggie verstand dieses Humor vermutlich nicht. Ich zu Beginn auch nicht, ich bin da irgendwie herein geflutscht.
"Nein, ich hab einfach Glück. Aber wie auch immer, acht sind etwas zu viel für unser Grüppchen, dass bedeutet, dass Ace und du wer mitbringen können. Ace wird wahrscheinlich Lil mitbringen. Weisst du schon wen du mitbringen könntest?" Ace schmiss sich auf Lilith und ich auf Maggie und beide waren Schwestern von Jace, toll. Lilith war wenigstens schon lange nicht mehr unverdorben, aber Maggie war es noch. Oder zumindest bisher.
Jace zuckte mit den Schultern. "Wahrscheinlich frag ich Chris, da muss ich ohne hin noch eine Wette gewinnen." Diese verdammet Wette, er konnte wirklich ein Arsch sein. Harper und Ace meinten, Jace würde es nie schaffen Chris, eine neue Zofe im Schloss, zu entjungfern. Sie wedeten sogar um ganze 100'000 Crowns. Das ganze entstand, weil Jace normalerweise jede bekam ausser sie. Bisher zumindest. Sie korbte ihn sogar. Trotzdem war diese Wette einfach nur verwerflich und ich war froh, dass Nova genauso darüber dachte.
Ich zog vor ungefähr einem Monat vorübergehend hier ein, doch vor einem Jahr trat ich der Clique bei, als die ganze Freundschaft mit Jace began. Harper ist der Sohn der reichsten Familie in der Stadt, abegsehen natürlich von der Königsfamilie. Er kam vor sieben Jahren mit Nova, einer damals frisch eingestelten Zofe im Schloss, zusammen. Lola ist Harpers Cousine und war schon immer in Jace verknallt, sie mochte ich am wenigstens. Das sie bei der Wette der Jungs mitfieberte, sollte dabei eigentlich schon alles erklären. Ace stiess vor drei Jahren auf einer Party hinzu, wo er herkam wusste keiner. Zumidnest wurde mir das so erzählt. Zusammen waren wir die coolste Gang auf Partys. Die Gang, die in der bequemsten Lounge sassen und die jeder beineidete. Das wurde auf jedenfall so herum erzählt.
"Tu ihr bitte nicht weh, das hat sie nicht verdient."
Genervt vedrehte er die Augen und erhob sich. "Jaja, schon gut. Sonst noch was, oder war das alles?"
"Du kannst gehn." Er konnte wirklich anstrengend sein. Ein Glück, dass ich ihn lesen konnte wie ein Buch, was mir in so manchen Situationen schon geholfen hatte, die Nerven nicht zu verlieren.
Jace nickte und verliess den Raum. Es dauerte nicht lange bis Maggie hinter dem Sessel wieder auftauchte und ebenfalls zur Tür stiefelte. Sofort stand ich auf. "Cookie, ist was?" Sie wirkte beschämt, bedrückt, so als fühlte sie sich absolut nicht wohl.
"Es tut mir leid Elle, aber du bist wohl gleich schlimm wie mein Bruder was Partys und trinken angeht. Ich brauche nicht noch eine trinkende Person in meinem Leben." Aua, doch bevor ich was zu meiner Verteidigung sagen konnte, war sie bereits verschwunden.
Gleich schlimm? Klar, ich trank, ich konnte viel trinken. Doch wenn Jace trank, dann aus einem anderen Grund als ich und vollkommen verbissen. Er wollte sich dann so betrinken, bis er nichts mehr fühlte. Er wollte Schmerz weg trinken. Ich sorgte wenigstens immer dafür, dass ich mich noch einigermassen unter Kontrolle hatte und wusste wo links und rechts ist. Aber ich wollte auch nicht zu streng sein mit ihr. Ihr wurde so ein Trinkverhalten, wie ich es hatte, nie vorgelebt. Ihr Vater war genauso so wie sein Sohn und Lilith war kein Stück besser. Viyana, Will und ihre Mutter verzichteten gänzlich darauf und stempelten Alkohol als was schlimmes ab.
Ich wollte nicht, dass sie mich so anblickte wie gerade eben. So entsetzt und entäuscht. Ich wollte sie für mich gewinnen. Ich wollte, dass sie mich mochte.
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