f i f t y - t h r e e
»Steig jetzt in das Auto« entnervt musterte mich Alex dabei, wie ich nicht einmal mehr geradeaus gehen konnte. Ich hatte nach dem Treffen mit James definitiv zu viel getrunken und konnte keinen Fuß vernünftig vor den anderen setzen. Ich selbst fand, dass Alkohol keine Lösung war, aber ich hatte für die restlichen Stunden auf der Party nicht mehr an ihn denken müssen. Ich hatte es geschafft, kurz meine Liebe, die ich für James empfinde, verschwinden zu lassen.
»Habe ich euch nicht gesagt ihr sollt aufpassen? Alvia??« wandte Alex sich nun an meine beste Freundin, welche vermutlich noch etwas nüchterner gewesen ist. Beschämt nickte sie und zwinkerte mir etwas heimlich zu, weil wir wirklich Spaß hatten. Schmunzelnd lehnte ich mich gegen das Auto. Die Geschehnisse dieser Nacht musste Alex ja nicht wissen. »Gute Nacht Bro und tut mir leid Alex« mit diesen Worten verabschiedete sie sich und verschwand wieder in Ellas Haus. »Naaaacht brooo« erwiderte ich lallend und winkte ihr solange hinterher, bis sie weg war.
»Du bist also schon so durch, dass du trinken musst« murmelte Lucas ironischerweise als ich mich ins Auto setzte und erstaunt fuhr mein Blick nach vorne. Mir war gar nicht aufgefallen, dass er ebenfalls im Auto wartete, doch meine Gedanken waren ein Chaos und meine Sicht war verschwommen. »Lucaaas« rief ich augenverdrehend und schnallte mich an. Woher ich in diesem Moment den Kopf dazu hatte, mich anzuschnallen, wusste ich nicht genau. Aber war mir klar gewesen ist: Ich hatte nicht den Kopf dazu mich mit Lucas oder Alex anzulegen. Um ehrlich zu sein fühlte ich mich mehr als nur nutzlos und verletzt. Aber der Alkohol in mir redete mir ein, wie schön die Welt doch sei konnte. Ich erblickte alles mit einem bunten Auge.
James Verhalten trieb mich in den Wahnsinn und brachte mich dazu, mich einfach mies zu fühlen. Ich finde es nicht schön wenn wir getrennt sind, aber genau so schlimm ist es auch, wenn wir zusammen sind. Wir passen nicht zusammen und er zerstört mein Leben. Ich erinnerte mich kurz an die Zeit, in welcher meine Brüder und ich genau so in dem Auto saßen, nachts herumgefahren sind und Spaß hatten. Schon lange ich hatte ich keinen Spaß mehr, schon lange fühlte ich mich nicht mehr so frei, wie vor James. Und schon lange hatte ich nicht mehr mit meinen Brüdern über die Dinge geredet, die mich so unglaublich bedrückten. Die Geheimnisse vor meiner Familie schränkten mich ein, machten mich fertig, sorgten dafür, dass ich mich nicht mal im Spiegel betrachten konnte ohne mich zu Fragen, was für ein schlechter Mensch ich doch bin. Mir war etwas schwindelig, weswegen ich meine Beine ausstreckte um mich hinzulegen. Seufzend schloss ich meine Augen.
Alex Sicht
Mit Lucas schaffte ich es, unsere humpelnde Schwester ins Zimmer zu tragen. Er schaute mich mit diesem Blick an, als wir sie aufs Bett gelegt hatte. Wir beide wussten, dass ihr dieses Verhalten nicht ähnlich war, dass das nicht ihre Art gewesen ist. Es war ein eindringlicher Blick. Ein Blick der mir verriet, dass er genauso wie ich wusste, dass sie Hilfe brauchte.
Bevor sie James traf war sie eine gute Schülerin, ein Mädchen, dessen Augen voller Freude gefüllt gewesen sind. Sie hielt nichts von Leuten in ihrem Alter, die tranken und Drogen nahmen. Sie hielt nichts von Menschen wie James. Doch mit jedem Tag der verging, veränderte sich auch meine Schwester. Meine Mutter würde sie morgen auf das Telefonat mit ihrer Lehrerin aufmerksam machen. Wir hatten erfahren dass sie schwänzte, dass sie schlechte Noten schrieb, ohne es unseren Eltern zu sagen. Die Situation mit Mia wurde immer schlimmer und wir hatten leider keine Ahnung, wie wir sie wieder in den Griff kriegen sollten.
»Ist dir schlecht, Mia?« fragte ich sicherheitshalber nach und Lucas hatte sich vorsichtig an ihre Bettkante gesetzt. Er war hart zu ihr, er war wirklich nicht nett zu ihr gewesen. Aber ihn nahm das alles mehr mit, als wir dachten und als ich mir je vorstellen konnte. Er hatte so ein enges Verhältnis zu ihr gehabt und das hatte sich glücklicherweise noch mehr ins Positive entwickelt, als ich zum Studieren wegzog. Ich wusste, dass obwohl ich weg war, hatte sie Lucas an ihrer Seite und hoffte dadurch immer wieder, dass sie den Halt hatte, der ihr fehlte. Aber anscheinend hatte dieser nicht gut genug auf sie aufgepasst. Oder irgendetwas fehlte ihr, wonach sie suchte. Vielleicht war es James, der ihr dieses etwas geben konnte. Er war womöglich der Jenige, der ihr die Liebe nach der sie sich sehnte vormachen konnte. Aber was mir klar gewesen ist: Mia hatte sich verloren und musste sich so schnell wie möglich wiederfinden. Ob mit oder ohne unserer Hilfe. Vielleicht sogar mit professioneller Hilfe. Und vor Allem musste sie sich von James fernhalten, denn wenn sie erfahren würde, welches Geheimnis er mit sich trug, würde unsere ganze Familie in die Brüche gehen.
Lucas wollte ohne Frage für Mia da sein und ihr zeigen, dass sie Jemanden hatte. Aber mit ihrem Verhalten und den Dingen, die sie lieber vor uns verbarg als uns zu erzählen, hatte er kein Vertrauen mehr in ihr. Es tat mir, dem ältesten Bruder verdammt weh, meine kleinen Geschwister so hilflos zu sehen und zu wissen, dass ich nichts dagegen machen konnte. Ich hatte die Kontrolle über sie verloren und hatte beide gehen lassen. Ich wusste nicht, wie ich das wieder geradebiegen sollte. Ich fühlte mich hilflos. Und ich konnte nicht einschätzen, was Mia von all den vergangenen Streitereien zwischen James und mir wusste, und was nicht. Ich hatte Angst, dass alles auffliegen würde.
Mias Gesicht war blass gewesen und ich bemerkte, wie sehr der Alkohol auf sie wirkte. Sie lag etwas erschöpft in ihrem Bett und starrte auf die Decke als würde sie uns etwas erzählen wollen. Aber sie zögerte.
»Wisst iiiihrrr...« fing sie an und ihr Blick glitt zu uns herüber. Sie schien etwas unsicher aber trotzdem wusste ich, dass sie jeden Moment aus sich herauskommen würde. Das sie sich uns anvertrauen würde. Sie musste es endlich tun.
»James ist ein Arschloooch, James kann mich mal. Ich habe alles für ihn getaaan, den Einbruch vertuscht, ich habe.. ihn in Schutz genommen..« sprach sie lallend weiter und Lucas starrte mich mit großen Augen an. Den Einbruch vertuscht?
»Einbruch? Welchen Einbruch?« hakte Lucas nach, obwohl er genau wusste, welcher Einbruch gemeint gewesen ist. Und sie musste lachen. Wieso lachte sie? Nahm der Alkohol sie so sehr mit?
»Unten, den Eibruch unten. Er hat uns alles genommen und ich.. ich bin so schwach gewesen, ihn zu lieben obwohl..« redete sie weiter doch stockte. »obwohl er Dinge mit mir gemacht hat, die nicht okay waren« beendete sie den Satz und deckte sich zu. Sie schien zu zittern. Mich trafen diese Worte hart und ich erkannte, wie die Hände meines kleinen Bruders sich zu Fäusten ballten. James war bei uns eingebrochen. James hatte uns zerstört. Sie schloss ihre müden Augen, die sich mittlerweile mit Tränen gefüllt hatten. James hatte sich an uns gerächt und das mit Hilfe unserer kleinen Schwester.
»Du hast das unterstützt, Mia?« fragte Lucas fassungslos und gleichzeitig verletzt doch behutsam legte ich meine Hand auf seine Schulter. »Sie bekommt nichts mit. Lass sie, Lucas. Sie weiß nicht, was genau sie sagt« brachte ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und überredete ihn dazu, Mia schlafen zu lassen. Ich wusste, dass sie die Wahrheit sagte, welche sie sich nüchtern niemals trauen würde uns zu offenbaren, doch ich hatte keinen Überblick darüber, was wir glauben konnten und was nicht. Aber eins war klar gewesen. Wir beide wussten genau, dass wir zu James mussten. Ich wollte ihn töten, ich wollte ihm zeigen, dass das nicht okay gewesen ist. Ich wollte ihn dahin bringen, wo er hingehörte. Ich wollte, dass er im Gefängnis verreckte und wolle dafür sorgen, dass er weder Mia, noch meine ganze Familie jemals wieder zu Gesicht bekommen würde. Ich wollte, dass er die Natur nur hinter Gittern betrachten konnte. Und als ich fassungslos in Lucas Gesicht geschaut hatte, wusste ich, er dachte genau dasselbe wie ich. Und niemals dürfte Mia die Wahrheit erfahren.
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