Ein Hauself Für Alle Fälle
„Sacrum-ne est?", sprach eine Gestalt in Latein.
Sie trug einen langen, roten Umhang, der bis zum Boden reichte und eine Kapuze hatte, mit der sie ihr Gesicht verdeckte. Eine zweite Person kam hervor, die war genauso gekleidet wie ihr Gegenüber. Sie nickte eifrig.
Auch sie benutzte die alte Sprache: „Sacrum non necare debemus."
Eine der Gestalten zog ihre Kapuze aus. Es war Constantin Selwyn, der seinen Zauberstab zum Vorschein brachte.
„Vivere non debet."
Er flüsterte leise einen Zauberspruch in die Finsternis. Eisige Wölkchen schwebten vor dem Zauberer. Von der Dunkelheit flog ein braunhaariger Mann auf Selwyn zu. Er war in magischen Ketten gebunden, seine Augen huschten beunruhigt durch den dunklen Raum. Sein braunes Haar und seine Sommersprossen waren im schwachen Licht einer schwebenden Laterne zu sehen.
„Lassen sie mich gehen!", bat er den Tränen nahe.
„Rudolf Levin Scamander", begann der Todesser mit einer kühlen Stimme, „Sie wissen, wieso Sie hier sind?"
Scamander erwiderte unruhig: „N-nein! Hören Sie mich an! Ich habe eine Familie, eine Ehefrau, zwei..."
„Sie gehören laut unseren Informationen zum neuen Orden des Phönix. Ist das wahr?", wollte Selwyn wissen.
Der gefangene Magizoologe biss sich auf die Lippe.
„Nein", log er. „Das ist nicht wahr."
Die andere Gestalt hob ihren Zauberstab. Scamander reckte seinen Kopf zu ihr.
„Crucio."
Rolf Scamander schrie auf. Selwyn wandte den Blick ab. Erst nach ungefähr drei Minuten verstummte Scamander. Auch die zweite Person zog nun ihre Kapuze aus.
„Bei Merlins Barte!", schimpfte der Magizoologe.
Quentin Finnigan, Sohn von Fergus Finnigan, sah ungeduldig in Scamanders verschwitztes Gesicht. Quentin war nämlich nicht nur irgendein Zauberer. Er war der Mann, der den kleinen Vorort Greenwich im Jahre 2012 angegriffen hatte. Er war es, der 2015 aus Askaban ausgebrochen war. Er hatte drei Jahre in Askaban verbracht, ohne verrückt zu werden.
Wie er auch oft pflegte zu sagen: „Was kaputt ist, ist schon kaputt."
Scamander kannte Quentin nur zu gut. Er selbst lebte in Greenwich, er und seine Familie hatten gesehen, wie Quentin ihr Haus mit einem einzigen Zauber in die Luft gejagt hatte.
„Du sagst uns jetzt alles über den Orden des Phönix." Quentins Stimme war rau und tief. „Wenn nicht, bist du tot."
„Dann soll es so sein!", rief Scamander zornig. „Töten Sie mich ruhig, aber ich begehe keinen Verrat."
„Das ist wirklich heldenhaft, Rolf", lobte Quentin ihn mit einem breiten Grinsen.
Scamander war ziemlich verwirrt, wie der gefürchteste Zauberer seines Jahrzehnts mit ihm sprach, und ihn heldenhaft nannte.
Quentin redete weiter: „Wie mutig bist du aber, wenn es um etwas kostbareres als dich handelt?"
„Mein Geld ist mir egal", zischte der Magizoologe.
„Es gibt natürlich wertvolleres als Geld", befürwortete Quentin ihn. „Wissen, Intelligenz, Ehrgeiz, Kreativität und, natürlich, die Familie."
Scamander weitete seine Augen, sein Mund klappte auf. Quentin wusste, dass er einen Treffer gelandet hatte.
„Deine Familie ist tot oder du bist tot. Du kannst entscheiden", sagte Quentin lächelnd.
Rudolf Scamander stand vor einer gigantischen Entscheidung, die wahrscheinlich das Leben von so vielen Leuten bestimmen würde. Scamander wollte nicht der Mörder seiner Ehefrau Luna und seiner zwei Söhne Lorcan und Lysander sein, aber er fürchtete sich auch vor dem Tod. Der Tod, hinterlistiger als ein Niffler, schrecklicher als ein Obscurus und unerwarteter als ein Re'em. Scamander hatte eigentlich noch vorgehabt, die neue Tierart Oluntosmaus, ein kleines Nagetiere, welches apparieren konnte, zu studieren, nachdem er sein Vorhaben beendet hatte. Nun stand er aber vor der großen Frage, ob er sich selbst oder seine Familie retten sollte. Würde Quentin aber nicht auch seine Familie vernichten, wenn Scamander sich für sie opfern würde?
„Wir warten", bemerkte Selwyn.
Scamander hatte bereits seine Entscheidung getroffen, doch er wollte nicht traurig sterben. Er erinnerte sich an all die Personen, die ihn so viele Male glücklich gemacht hatten. Er dachte an seine Frau Luna Scamander, die ihn mit ihren Theorien über Schrumpfhörnige Schnarchkackler immer wieder zum Lachen gebracht hatte, an seinen Sohn Lorcan, ein strenger Vertrauensschüler mit seinen Prinzipien, der dennoch witzig sein konnte, und an Lysander, der Quidditch genauso sehr mochte wie sein Vater. Er erinnerte sich an seinen Onkel Newt Scamander, der ihm so vieles über magische Tierwesen beigebracht hatte. Selwyn rüttelte an Scamander.
Quentin fragte: „Für was hast du dich entschieden?"
Scamander atmete tief ein und aus.
„Für den Tod von mir", erwiderte er.
„Wie rührend", behauptete Finnigan. „Du bist wahrlich ein Held."
Selwyn lächelte mordlustig: „Leider wird dein Leben nicht so lang sein, wie du erhofft hast."
„Sei nicht albern, Selwyn. Wir töten ihn nicht, Trottel", widersprach Quentin. „Ich wollte ihn nur testen. Bis jetzt ist er unsere einzige Quelle an Informationen."
Scamander konnte sein Glück nicht fassen. Selwyn schien sichtlich verärgert.
„Non necat, Selwyn!", redete Quentin. „Scamander vivere debet. Liberi Scamandri volo."
Selwyn nickte, bevor er disapparierte. Scamander hatte keine Ahnung, über was die beiden schwarzmagischen Zauberer gesprochen hatten. In Hogwarts unterrichtete man das Lesen von Runen und Sternenkonstellationen, aber Latein war nie Stoff gewesen.
„Ich habe eine Frage an dich. Wer ist Argus Filch?", wollte Quentin wissen.
Scamander antwortete: „Filch ist Filch, ist doch klar."
Quentin lachte plötzlich. Es war ein bösartiges Lachen. Er stoppte aber gleich wieder.
Er meinte: „Sie wissen, da-"
Der Rest seines Satzes war wegen einem lauten Brummen nicht zu hören, doch weder Quentin, noch Scamander nahmen Notiz davon. Der Magizoologe bewegte seinen Mund, er sah verängstigt aus. Quentin packte Scamander am Arm, bevor beide disapparierten. Das Licht der Laterne erlosch. Der Raum war dunkel, nichts war zu sehen.
Eine piepsige Stimme ertönte: „Ich muss den Orden warnen."
Zwei Augen, so groß wie Tennisbälle, sahen sich in der Umgebung um.
Die Gestalt führte ihr Selbstgespräch fort: „Mr Scamander ist in Gefahr! Was wird Miss Scamander dazu sagen? Mr Scamander und Mr Scamander werden auch untröstlich sein! Der Orden muss alles wissen. Mr Weasley braucht die Informationen. Aber ich kann nicht jetzt gehen. Lumi! Wieso geht das nicht? Lumi! Vielleicht ist das der falsche Zauberspruch. Lumas! Ja, ja, so ungefähr. Lumus! Ich habe das Gefühl, ich komme näher. Lumos!"
Die Spitze eines Zauberstabs erleuchtete den Raum. Eine kleine Gestalt hielt ihn in der Hand. Sie trug ein rotes Hemd. Der Hauself betrachtete jede Einzelheit im Raum genau.
„Etwas!", quieckte er. „Kinty hat etwas gefunden!"
Kinty lief nach rechts. Zum Vorschein kam ein gewöhnlicher Tisch aus Holz. Darauf lag aber ein Gegenstand, der einer Sanduhr ähnelte. Kinty schreckte auf und nahm es sofort an sich.
„Das muss hier weg! Sie haben einen Zeitumkehrer!", fiepste sie. „Aber was, wenn ich..."
Kinty überlegte fieberhaft. Was sie tun wollte, war sehr riskant. In die Zeit zu reisen, bedeutete, sie zu verändern. Kinty entschied sich dazu, erstmal nichts zu unternehmen.
„Nok! Warte, der war anders. Nop! Noj! Nojk! Nojkp! Nod! Nods! Nog! Nod! Hatte ich das nicht? Ich muss mich erinnern. Jetzt habe ich es! Nox!"
Das Licht des Zauberstabs verlosch. Die tennisballgroßen Augen verschwanden schlagartig.
Craig wachte abrupt auf. Er sah sich im Schlafsaal um. Die Gryffindors schlummerten friedlich. Craig dachte gar nicht erst daran, dass es eine Erinnerung von einer anderen Person war. Er legte sich wieder auf sein Bett und zog die Decke näher an sich heran. Er zitterte etwas, was ihn sehr störte, aber er wollte auch nicht wie ein Kleinkinder deswegen meckern. Er schloss seine Augen. Langsam, eigentlich sogar sehr langsam, betrat er die Welt der Phantasie und Kreativität. Nun schlief auch er tief und fest.
„Mr Weasley, sie haben Mr Scamander!"
„Was!?"
„Und sie haben einen Zeitumkehrer, Sir!"
„Einen Zeitumkehrer!? Hast du ihn, Kinty?"
„Ja, Sir!"
„Gott sei Dank! Ich verstecke ihn an einen sicheren Ort."
„Und was tue ich, Sir?"
„Du tust das übliche, verstehst du?"
„Natürlich, Sir!"
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