Kapitel 43
Song: If You Need Me - Julia Michaels
Louis war am Montagabend direkt von Harry nach Hause gefahren und hatte einen Koffer gepackt. Wahllos hatte er alle Habseligkeiten zusammengesucht, die er für ein paar Tage benötigte und sie in einem kleinen Koffer verstaut. Er hatte seinem Chef eine E-Mail geschrieben, dass er sich für den Rest der Woche krankmelden musste und Niall ebenfalls Bescheid gegeben, dass sie sich vor Weihnachten nicht mehr sehen würden, er sich aber keine Sorgen machen müsse.
Mitten in der Nacht hatte er noch mit seiner Schwester telefoniert und sie gefragt, ob er die nächsten Tage zu ihr kommen könnte, bevor sie an Heiligabend gemeinsam zu ihrer Familie fuhren. Lottie hatte natürlich sofort zugestimmt und so hatte sich Louis keine halbe Stunde später auf den Weg zu ihr gemacht.
Seine kleine Schwester hatte ihn mit offenen Armen empfangen und ihn direkt in eine feste Umarmung gezogen, als sie Louis mit bedröppelter Miene vor ihrer Haustür hatte stehen sehen. Louis hatte ihr daraufhin von allen Geschehnissen der vergangenen Stunden berichtet, hatte ihr von Harry erzählt und ihr ebenso seine Gefühle gegenüber dem Lockenkopf offenbart. Erst spät in der Nacht, als schon fast wieder die Sonne aufging, fielen die beiden Geschwister todmüde in Lotties großes Doppelbett.
Am morgen des 24. Dezembers brachen sie gemeinsam zu ihrer Familie, im Randgebiet Londons auf und verbrachten Louis' Geburtstag mit leckerem Essen, einem Spaziergang mit kleinem Zwischenstopp auf dem Spielplatz (auf Wunsch von Ernest und Doris) und einigen Gesellschaftsspielen. Louis liebte die Zeit mit seiner Familie und besonders zur Weihnachtszeit verbrachte er gerne Zeit in seinem Elternhaus. Wenn alles weihnachtlich geschmückt war, der Kamin im Hintergrund knisterte und eine besinnliche Stimmung herrschte.
Allerdings hallten bei Louis immer noch die Auswirkungen der vergangenen Tage nach. Die ganze Sache mit Harry machte ihm zu schaffen und ließ ihn nicht vollständig zur Ruhe kommen. Sein Handy hatte er schon vor zwei Tagen ausgeschaltet, nachdem der Lockenkopf ihm unzählige Nachrichten geschickt und ihn in Dauerschleife versucht hatte zu erreichen. Louis hatte keine Lust sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Er war immer noch sauer und er brauchte einfach ein paar Tage, um wütend zu sein. Außerdem musste er sich erstmal selber über ein paar Dinge klar werden und das ging nicht, wenn Harry seine Gefühle noch mehr aufwühlte.
Kurz vor Mitternacht verabschiedete sich Louis von seinen Großeltern und Lottie, die noch gemeinsam im Wohnzimmer vor dem warmen Kamin saßen und wünschte ihnen eine Gute Nacht. Seine anderen Geschwister waren bereits im Bett, die Vorfreude auf Weihnachten war bei den Jüngeren groß.
Trotz seiner Müdigkeit fiel es Louis schwer in den Schlaf zu finden. Immer wieder wälzte er sich in dem Bett seines alten Kinderzimmers hin und her und fand keine ruhige Minute. Er versuchte seinen Kopf auszuschalten, an nichts zu denken, er versuchte es sogar mit dem Schäfchen zählen und schließlich schlief er doch irgendwann ein.
Doch an einen ruhigen Schlaf war nicht zu denken. Plötzlich tauchten zwei braunhaarige Frauen in seinem Traum auf. Beide leichenblass, die Gesichter eingefallen, ihre Statur ungesund. Die ältere der beiden, eine Frau mittleren Alters lag plötzlich in einem sterilen Krankenbett. Louis stand neben ihr, hielt ihre Hand und weinte. Im nächsten Moment war sie weg und Louis kniete auf dem Boden neben der anderen braunhaarigen Frau, ein junges Mädchen, viel zu jung um von dieser Welt zu gehen. Louis schnappte nach Luft, als er seine Schwester so dort liegen sah, leblos. Plötzlich schrie er auf. "Nein! Fizzy, Mum, nein!"
Louis schreckte aus dem Schlaf hoch und sah sich panisch in dem dunklen Raum um. Sein Herz wummerte gegen seinen Brustkorb und das laute Rauschen des Bluts in seinen Ohren machte ihn fast taub. Er strich sich die verschwitzten Haare aus der Stirn und versuchte wieder zu Atem zu kommen. Der Traum war nichts Neues für Louis, er hatte sie immer wieder, sie verliefen immer gleich, gingen immer gleich aus und entsprachen leider der traurigen Realität.
Müde fischte Louis nach seinem Handy auf dem Nachtschränkchen, um die Uhrzeit zu checken, doch es war aus. Louis hatte es noch nicht wieder eingeschaltet, doch jetzt drückte er länger auf die Entsperrtaste und der Bildschirm des Geräts leuchtete hell auf und blendete ihn. Sofort wurden ihm etliche Nachrichten, verpasste Anrufe und Mailboxnachrichten von Freunden angezeigt, die ihm zum Geburtstag gratulieren wollten. Darunter auch unzählige von Harry. Gerade wollte er eine der Nachrichten anklicken, als ein neuer Anruf einging und das Bild von Harry und dem Babyesel groß auf seinem Display auftauchte.
Sofort fing Louis' Herz an schneller zu schlagen. Er blinzelte kurz zur Uhrzeit und wunderte sich, warum Harry ihn um zwei Uhr nachts noch anrief. Kurz haderte Louis mit sich, focht einen innerlichen Kampf aus, bevor er seufzte und den Anruf schließlich wortlos entgegennahm.
„Geh ran, geh ran, geh ran", hört er Harrys Stimme murmeln, sobald er den grünen Hörer gedrückt hatte. „Ehm, Harry?", fragte Louis verwundert und rieb sich einmal über die müden Augen. Er hörte, wie Harry am anderen Ende der Leitung die Luft scharf einzog. Fast so als würde er nicht glauben, dass wirklich jemand abgenommen hatte. „Lou! Du bist drangegangen. Oh Gott sei Dank, es tut mir so leid, Lou, ich bin ein riesen Arschloch und ich kann das erklären, hör-" „Harry, nicht jetzt okay? Es ist mitten in der Nacht."
Der Lockenkopf verstummte prompt und kurz herrschte Stille zwischen den beiden. „Okay, sorry. Happy Birthday, Lou", flüsterte Harry. Louis konnte sein Lächeln nicht verhindern. "Danke, Harry." „Warum bist du noch wach? Kannst du nicht schlafen?" Harrys Stimme hatte sich verändert. Sie war nicht mehr so aufgewühlt, jetzt sprach er in seinem ruhigen tiefen Ton, der Louis' Nerven direkt etwas beruhigte.
„Mhh", brummte Louis zustimmend und zog sich die Bettdecke bis zum Hals. „Hattest du wieder einen Albtraum?" Die Worte kamen Harry zögerlich über die Lippen und Louis wollte am liebsten weinen, weil Harry sich daran erinnerte und weil sein Traum leider die traurige Realität war. „Ich sehe sie immer wieder. Mum, wie sie im Krankenbett liegt, die ganzen Schläuche und Infusionen an sie angeschlossen und Fizzy da... da auf dem Boden liegend." Louis unterdrückte ein Wimmern, er drückte sich das Handy dicht ans Ohr und presste seine Augen so fest er konnte zusammen, um sich am Weinen zu hindern.
„Oh, Lou. Ich wünschte, ich wäre jetzt bei dir und könnte dich in den Arm nehmen. So wie letztes Mal, weißt du noch?" Louis lächelte leicht bei der Erinnerung, er hatte sich in Harrys Armen so geborgen gefühlt. Louis kuschelte sich tiefer in seine Decke und stellte sich mit geschlossenen Augen vor, dass Harry ihn jetzt in seinen Armen hielt.
„Mhh, das wäre schön. Aber, Harry?" „Ja, Sunshine?" Sunshine. Louis' Herz setzte einen Schlag aus, nur um kurz darauf in doppelter Geschwindigkeit weiterzuschlagen. Harry hatte ihm noch nie einen Kosenamen geben, doch es gefiel ihm. Sunshine klang schön. „Singst du mir trotzdem etwas vor?", fragte er mit leiser Stimme und hielt, die Antwort abwartend, kurz die Luft an. „Aber natürlich, Lou." Louis lächelte zufrieden, er stellte sein Handy auf Lautsprecher, bevor er es sich neben das Kopfkissen legte und die Hände unter der Bettdecke vergrub, welche jetzt nur noch einen Teil seines Kopfes freigab. Und plötzlich hörte er Harrys unvergleichliche Stimme durch den Lautsprecher, die ihm eine wohlige Gänsehaut bereitete.
"But if you need me, I'll be right there when you're dreaming all your nightmares. I'll come tackle the monsters, I'll find where they hide in the nighttime.
If you need me, I'll be right there when you're happy and when you're scared, I can still be your shoulder. I'll be by your side, even if I'm not next to you."
Von Louis war nach einer Weile nur noch ein gleichmäßiges Atmen zu hören, was Harry glücklich lächeln ließ. „Gute Nacht, Lou", flüsterte er, bevor er den Anruf beendete und hoffte, dass Louis für die restliche Nacht in einen friedlichen Schlaf ohne Albträume gefallen war.
Sie hatten ihre Probleme für den Moment hinten angestellt, hatten die Pausentaste gedrückt. Doch selbst, wenn sie für diese Nacht in den Hintergrund gerückt waren, waren sie lange nicht vergessen. Louis war immer noch sauer auf ihn, völlig zurecht und Harry war ihm eine Erklärung schuldig. Und diese würde er Louis liefern, vielleicht sogar früher, als dieser damit rechnen würde.
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Achja, ich wollte dieses Kapitel schon so lange schreiben! 😍 Die Idee mit dem Albtraum und das Harry ihm dann vorsingt geistern mir schon so ziemlich seit dem Anfang im Kopf herum und dieses Lied passt wie die Faust aufs Auge dazu! Deshalb freue ich mich so, dass ihr es jetzt auch endlich lesen konntet 🥰
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