50 | come back home
„Ey, du Weichei. Ich hab dich gesehen."
Mit zittrigen Knien zog Jeongguk sich am Fensterbrett hoch und lehnte sich noch einmal über den Rahmen, bis das bleiche Licht des Vollmondes auf sein Gesicht fiel.
„Was zur Hölle macht ihr hier?", zischte er laut, doch Jimin zuckte nur mit den Schultern.
„Keine Ahnung. Dich retten?"
„Hast du noch alle Körperteile oder müssen wir hochkommen und dir da raushelfen?", fragte Hoseok und war schon im Begriff die Wand am Efeu hochzuklettern, doch Jeongguk winkte hastig ab und blickte panisch zurück.
Yoongi würde ihm nicht den Kopf abreißen, doch das Hoseok und Jimin hochkommen und sein kleines privates Reich entdecken würden, machte ihn sofort sehr nervös. Nicht zuletzt, da sein Laptop noch offen stand und seine Notizen, Skizzen, Bücher und Klamotten überall im Raum verteilt waren. Es sah aus, als hätte er hier Urlaub gemacht, anstatt entführt worden zu sein.
Was ja in gewisser Weise auch stimmte, doch dadurch hatte er eine erstaunlich enge Bindung zu diesem Ort. Hier hatte ihn jeder in Ruhe gelassen. Er war auf Händen getragen worden. Er hatte seine Sachen nicht einmal selbst waschen und bügeln müssen.
Und jetzt war es vorbei.
Seine Zeit hier war vorbei.
Er würde nach Hause kommen und Jimin und Hoseok hatten ihn hier rausgeholt. Erinnerungen kamen zurück; sie würden es am nächsten Wochenende noch einmal versuchen ihn zu suchen. Heute war Montag.
Er würde nach Hause kommen.
Unschlüssig blieb sein Blick kurz an der unabgeschlossenen Tür hängen, dann drehte er sich wieder zu seinen Freunden.
„Ich...", fing er an, doch bevor er seine Gedanken aussprechen konnte, verschwanden sie. „Ich..."
„Sicher, dass es dir gut geht? Haben die dir die Hände zusammengebunden? Kannst du klettern?"
„Ja, ich... gebt mir zwei Minuten. Dann komme ich zu euch", rief er hastig und drehte sich dann vom Fenster weg, um sich schnell eine frische Jogginghose anzuziehen und Taehyungs Winterjacke überzuwerfen. Auch wenn sie viel zu dick war, aber irgendwie brauchte er gerade ein wenig Halt und Wärme.
Dann ließ er sich am Tisch nieder und verfasste eine schnelle Nachricht an Yoongi, in der er ihm beschrieb was geschehen war, ihn darum bat seine Klamotten und alles, was hier verteilt war, nach Hause mitzubringen und sich bei ihm entschuldigte.
Nach Hause...
Er würde nach Hause kommen.
Je länger er darüber nachdachte, desto weniger Lust hatte er darauf. Auf alles, was ihn erwarten würde. Seine Eltern, sein Job... würde alles so werden wie vorher?
Mit schmerzendem Kopf stand er wieder auf und lief zum Fenster. Eins stand auf jeden Fall fest. Wenn er hier blieb, würden Hoseok und Jimin hochkommen und entweder feststellen, dass nicht einmal seine Zimmertür abgeschlossen war, oder Yoongi über den Weg laufen. Und so leid es Jeongguk auch tat, zwei gegen einen war noch nie sonderlich gut gelaufen. Yoongi war einfach kein Tony Stark.
„Man, ich bin so froh dich zu sehen, Guk", rief Jimin von unten, als er ein Bein aus dem Fenster schwang und sich beinahe schon aus Gewohnheit dort festhielt, wo er schon die zwei Male zuvor runtergeklettert war.
„Ich dachte schon, die hätten dich richtig zugerichtet, aber wenn du noch klettern kannst..."
Jeongguk antwortete nicht. Er war an der Stelle angekommen, an der er beim letzten Mal mit dem Fuß im Efeu hängen geblieben war und die Pflanze bei einem Befreiungsversuch heruntergerissen hatte. An dieser Stelle klaffte ein Loch im Efeu und gab nur die glatte Wand als Halt frei.
„Ist alles in Ordnung?", rief Hoseok hoch.
„Nicht wirklich. Ich hab... keinen Halt." Verbissen versuchte Jeongguk sich irgendwo anders abzustützen, doch die Ranken am Rand hätten sein Gewicht nicht tragen können, sodass er ein wenig hilflos von einer Möglichkeit zur anderen wanderte.
„Du bist schon an viel schlimmeren Sachen runtergeklettert...", meinte Hoseok irritiert, doch genau in diesem Moment trat Jeongguk auf die jüngeren Pflänzchen, rutschte ab und verlor den Halt.
Es war nicht sonderlich hoch gewesen. Auch damals nicht. Doch dieses Mal landete er wie ein nasser Mehlsack auf dem sandigen Boden und blieb regungslos liegen. Er hatte sich in den letzten Wochen viel zu oft ein Veilchen oder irgendeine andere Verletzung eingefangen, dass er sich fast schon daran gewöhnt hatte ab und zu ein wenig zu leiden, doch dass hier war anders. Sein linker Arm pochte und brannte gleichzeitig und seine Beine fühlten sich vor Adrenalin und Schmerz zu schwach an, um sich auch nur einen Zentimeter zu bewegen. Schmerzerfüllt stöhnte er auf und hob die Hand seine gesunden Arms, in der Hoffnung sie würden ihm aufhelfen.
„Bist ein bisschen aus der Form gekommen, hm?", hörte er Hoseoks Stimme über sich und spürte kurz darauf, wie seine Freunde ihn hochzogen und langsam zu dem verrosteten Van ihres Nachbarn schleppten.
„Ich hab für mehrere Wochen mein Zimmer nicht verlassen. Was erwartest du?", fragte Jeongguk und dachte daran wie schön die Joggingrunden mit Yoongi gewesen waren.
„Nicht viel. Eigentlich hatten wir sogar damit gerechnet, dass dir ein paar Finger fehlen oder sie dich ans Bett gekettet haben", grinste Jimin und öffnete die Tür des Vans, um Jeongguk reinzuhelfen und ihn auf die Rückbank zu setzen, während Hoseok nach vorne kletterte und den Motor startete.
„Brauchst du irgendwas gegen die Schmerzen?", fragte Jimin, während sie langsam vom sandigen Parkplatz des Goldenen Hasen rollten und Jeongguk nachdenklich zurück starrte.
Jetzt war es vorbei. Endgültig.
Nie wieder würde er mit Yoongi oder Taehyung durch den Park spazieren, sich freuen, wenn sein Frühstück ankam oder jemand mit ihm zusammen Abendbrot aß. Die Filmabende waren zu Ende. Sein ganzer Urlaub war zu Ende.
„Hey! Erde an Guk. Was gegen die Schmerzen?"
„Hm?", machte Jeongguk in Gedanken und sah von Jimin zu dem Flachmann, den er in der Hand hielt.
Ohne zu zögern, nahm er ihn entgegen und trank bis ihm die Luft ausging.
„Wie habt ihr mich gefunden?"
„Oh, das war ganz einfach. Wir haben deinen Brief bekommen. Mit dem Kennzeichen von dem Auto. Es hat ein paar Versuche gekostet, aber wir haben rausgefunden auf welchen Namen er gemietet und wo er zugelassen wurde. Und dann haben wir Stück für Stück das Gebiet abgeklappert, bis wir dich gefunden haben", berichtete Hoseok und Jeongguk wartete bis die Worte auch ganz sicher bei ihm angekommen waren. Sein Gehirn war so vernebelt, was natürlich einerseits den Schmerz in seinem Körper ein wenig betäubte, es ihm anderseits aber auch sichtlich erschwerte ein Gespräch zu führen.
„Welcher Brief?"
„Der, den du uns geschrieben hast. Wie auch immer du den einwerfen konntest."
„Geschrieben..."
Fieberhaft drehte Jeongguk sich so gut aus auf der Rückbank ging auf den Rücken und dachte nach. Wann hatte er einen Brief eingeworfen? Meinte Hoseok den Brief, den er geschrieben hatte, als er aufgewacht war und auf dem Tisch vergessen hatte? Was war damit passiert? Hatte Shuhua ihn vielleicht mitgenommen...
Der Gedanke kam Jeongguk so schnell, wie er wieder verschwand, als Jimin, der ihm gegenüber saß sich rüber lehnte und über seine Jacke strich.
„Coole Jacke", meinte er und legte dann misstrauisch den Kopf schief. „Ist die neu?"
Sofort wurde Jeongguk warm und er zog sich die Jacke aus, um sie als Kopfkissen zu benutzen.
„Es war... Ich hatte sie an, als sie mich in der Bahn überwältigt haben. Es war ein Geschenk von... naja..."
„Kim Taehyung... lass mich raten", schnaubte Hoseok abfällig und Jeongguk merkte, wie sein bester Freund schneller fuhr.
„Was haltet ihr eigentlich davon?", fragte er nach ein paar Minuten leise und starrte nervös auf seine Finger. Er war sich sicher, dass sie es alles andere als gut aufgefasst hatten, doch trotzdem wünschte er sich tief im Innersten sehr, dass sie ihn deswegen nicht verstoßen würden. Er war doch auch nur ein Mensch...
„Was? Dass der Prinz dich heiraten und als persönliches Spielzeug in seinem goldenen Käfig einsperren will?", fragte Hoseok und Jimin lachte abfällig als würde ihn der Gedanke allein schon anwidern.
„Hasst ihr mich deswegen?"
„Wir vertrauen dir, dass du genug gesunden Menschenverstand hast, um es nicht zu tun", erklärte Jimin überzeugt und sah an Jeongguk vorbei aus dem Fenster in die dunkle Nacht. Von irgendwoher kam ein Donner. „War ja nicht deine Entscheidung."
Jeongguk nickte und vergrub sein Gesicht in der Jacke, aus Angst er müsste anfangen zu weinen.
„Das stimmt", nuschelte er in den Stoff. „Eher lasse ich mir einen Finger abschneiden, als diesen Typen zu heiraten. Das hat mir bis jetzt auch nichts als Ärger eingebracht. Ärger und eine neue Winterjacke."
Jimin und Hoseok fingen an zu lachen und der Druck auf Jeongguks Brust wurde noch stärker.
✨✨✨
Es tut mir Leid, dass ich gerade nicht so regelmäßig auf Kommentare antworte... der Stress hört hoffentlich am Dienstag mit meiner Matheklausur auf
Songempfehlung des Tages:
Mago [Gfriend]
♡
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro