40 | don't judge a book by its cover
„Und dir geht es wirklich gut? Weißt du... Liebeskummer kann ganz schlimme Auswirkungen auf die Gesundheit haben. Es ist wichtig, dass du darüber redest. Du hast Taehyung seit drei Tagen nicht mehr gesehen. Ich kann..."
„Yoongi. Ist gut jetzt. Ich bin einfach nur müde von unserer Runde heute", gähnte Jeongguk und hielt sich die Hand vor den Mund, während Yoongi die Spielkarten zurück in die Verpackung sortierte und die leeren Aluschachteln entsorgte. „Sieben Kilometer ist mehr als es sich anhört."
„Bist du sicher? Gestern Nachmittag warst du nach sieben Kilometern immer noch nicht fertig", fragte Yoongi misstrauisch nach und legte den Kopf schief, als würde er wissen, dass Jeongguk log.
„Ja, ganz sicher. Heute ist einfach nicht so mein Tag", versicherte Jeongguk schnell und stand auf, um zu seinem Bett rüberzugehen. „Und es hat nichts mit Taehyung zu tun." Schwerfällig ließ er sich auf die Matratze fallen und vergrub das Gesicht in den Kissen. „Wir verstehen uns jetzt einfach ganz gut. Das ist alles."
Was tatsächlich der Wahrheit entsprach.
Am Montag hatten sie den ganzen Tag damit verbracht zu reden und durch das Angebot der Onlinekurse und Aufgaben zu stöbern. Taehyung hatte gefühlt jedes Fach gehabt, was dort angeboten wurde, plus den fünf Sprachen, die er fließend sprechen konnte, mitunter Latein und Spanisch.
Vor allem zu den geschichtlichen und politischen Themen, die man für einen Abschluss brauchte, konnte er Anekdoten und Ereignisse herunterbeten, als hätte er es studiert. Aber nicht auf diese langweilige, trockene Art. Wenn Taehyung von Geschichte und Politik redete, blühte er geradezu auf und schaffte es tatsächlich Jeongguk länger als eine Stunde zum Zuhören zu bringen.
Ein Kunstwerk, dass die meisten Lehrer an seiner alten Schule nicht einmal in einem Viertel der Zeit vollführen konnten.
Abends hatten sie sich Essen im Restaurant bestellt und aufs Zimmer bringen lassen, um sich weiter zu unterhalten. Erst gegen halb vier in der Nacht waren sie dann doch zusammen eingenickt und hatten bis weit in den Dienstag hinein nebeneinander geschlafen.
Am Dienstag allerdings hatte Taehyung losfahren müssen, um seiner Tante, die ganz in der Nähe ein Landhaus hatte, wenigstens einen Höflichkeitsbesuch abzustatten.
Seitdem hatte Jeongguk den Prinzen nicht mehr gesehen.
„Na immerhin. Besser als die Zeiten in denen ihr euch noch ständig angezickt habt. Der Rest kommt schon von selbst."
Jeongguk hörte, dass Yoongi grinste, und er verdrehte die Augen, auch wenn der Blonde es nicht sehen konnte.
Eigentlich war er sich selbst nicht ganz sicher, wie er zu Taehyung stand und was er sich von heute Abend noch alles erhoffte. Er wusste nur, dass er den Prinzen irgendwie gern hatte und es kaum erwarten konnte, dass Yoongi endlich abhaute und ihn allein ließ.
„Wow... nicht mal mehr darauf reagierst du. So langsam kauf ich dir echt ab, dass du müde bist", gab Yoongi überrascht nach und Jeongguks Lächeln wurde breiter, als er sich auf den Rücken drehte und sein persönlicher Aufpasser von seinem Stuhl aufstand.
„Danke", seufzte Jeongguk erleichtert. „Gehen wir morgen wieder zusammen laufen?"
„Wenn du willst. Ich hol dich nach dem Frühstück ab, okay?"
„Danke, Yoongi."
„Kein Ding. Schlaf dich aus."
„Werd ich. Gute Nacht."
„Gute Nacht."
So leise wie möglich, als würde Jeongguk schon längst im Land der Träume liegen, zog Yoongi die Tür hinter sich zu, bis sie einrastete. Wie schon die Tage zuvor jedoch schloss er sie nicht ab und Jeongguk merkte, dass er erleichtert ausatmete.
Yoongi vertraute ihm. Jeongguk würde sogar so weit gehen, dass sich zwischen ihnen eine Art Freundschaft entwickelt hatte, worüber er sich nicht oft genug wundern konnte. Wenn er gleich zu Beginn hätte sagen müssen, mit wem er besser auskommen würde, hätte er hundertprozentig auf Namjoon gesetzt. Wie sich die Dinge doch ändern konnten.
Noch ein paar Sekunden hörte Jeongguk auf Yoongi's Schritte im Flur. Dann stand er wieder auf, zog sich einen Hoodie über sein T-Shirt und seine Schuhe an und trat an das Fenster.
So leise wie möglich entriegelte er es und lehnte sich über den Rahmen um die frische Nachtluft einzuatmen. Die Sonne war schon untergegangen und am Himmel funkelten vereinzelte Sterne.
Eine nahezu perfekte Nacht.
„Rapunzel!", rief auf einmal jemand von unten und Jeongguk senkte seinen Blick auf das Gestrüpp in das er bei seinem ersten Fluchtversuch gefallen war. „Lass dein Haar herunter."
Ein Grinsen huschte über Jeongguks Gesicht.
„Wir sollten an deinen Anmachsprüche arbeiten, mein Prinz. Ich hatte mit Shakespeares Balkonszene gerechnet."
„Wenn du willst, bete ich dir Romeos Liebesbekundung gerne runter."
„Ein anderes Mal vielleicht. Bete lieber, dass Yoongi nicht zurückkommt", rief Jeongguk zurück und schwang seine Beine aus dem Fenster um langsam und vorsichtig, an der Regenrinne und dem Efeu herunterzuklettern. Er hatte es schon einmal gemacht, doch dieses Mal funktionierte es bei weitem besser. Ob es daran lag, dass er wieder angefangen hatte Sport zu machen oder Taehyung unten auf ihn wartete, wusste er nicht.
Als er jedoch kurz über dem Boden hing, verhedderte sein Fuß sich in einer Ranke.
„Probleme?", fragte Taehyung von unten, doch Jeongguk schüttelte verbissen den Kopf.
„Die Wand an unserem Haus war weitaus schwerer. Es ist nur... mein Fuß."
Verzweifelt, da seine Arme langsam nachgaben, fing Jeongguk an solange an der Pflanze zu reißen, bis sein Fuß wieder freikam. Allerdings hatte er den Kraftaufwand dabei unterschätzt, verlor den Halt und rutschte von der Wand.
Er wollte schreien, doch kurz bevor er auf dem Boden aufkommen konnte, spürte er zwei starke Arme um seinen Oberkörper und den Geruch eines Aftershaves, den er vermutlich nie vergessen würde.
„Man bist du schwer", stöhnte Taehyung und half Jeongguk auf die Beine zu kommen.
„Ich hab gerade gegessen. Für deine Spaghettiärmchen kann ich nichts", antwortete er frech und ließ seinen Blick einmal über die Erscheinung des Prinzen gleiten. Jogginghose, Hoodie und die spiegelnde Sonnenbrille, die er schon bei ihrer ersten Begegnung getragen hatte.
„Siehst du durch das Ding überhaupt was?"
Viel zu überschwänglich nahm Taehyung die Sonnenbrille ab, strich sich die Kapuze vom Kopf und fuhr sich mit einer Hand durch die dichten Locken.
„Nein, eigentlich nicht. Aber lieber renne ich blind durch die Gegend, als dass man mein Gesicht auf den Kameras erkennt."
„Memme. Es war deine Idee die Liste abzuarbeiten. Kriminelle Dinge, die du schon immer mal machen wolltest..." Er grinste.
„Nah...", machte Taehyung gleichgültig. „Wenn du genauso gut Einbrechen kannst, wie Wände herunterklettern, dann weiß ich echt noch nicht, ob ich dich nicht doch besser im Auto lassen sollte."
Verspielt boxte Jeongguk gegen Taehyungs Arm und stapfte hoch auf den sandigen Parkplatz des Hotels. Der Prinz folgte ihm. Stolz grinsend, dass der Punkt an ihn gegangen war.
„Ist der Hyundai echt dein Auto? Ich dachte Prinzen fahren mit Luxuskarren durch die Gegend."
„Das ist eine Luxuskarre. Du hast sie nur noch nicht von innen gesehen. Und ja, es ist das Geschenk meines Vater zum Achtzehnten."
Jeongguk lachte bitter. Sein Vater hatte ihm zum Achtzehnten einen Briefumschlag mit einem Fünfziger geschenkt. Ohne Karte, ohne Grußworte, einfach nur das Geld.
Taehyung lief um das Auto herum zur Fahrerseite und schloss auf.
„Das ist der lebende Beweis für Don't judge a book by its cover. Eine rein philosophische Sache", erklärte er stolz und Jeongguk öffnete die Beifahrertür, um sich reinzusetzen. Und tatsächlich... von innen war der Hyundai einmal rundum renoviert worden. Helle, bequeme Ledersitze, ein edles Armaturenbrett in dem gleichen Farbschema und ein piekmodernes Navi, dass sogar auf Anhieb erkannte, wo genau in der Pampa sie sich befanden.
„Faszinierend", murmelte er und strich über das Armaturenbrett. „Du bist schon seltsam."
„Er stand kurz vor der Verschrottung. Ich konnte doch nicht zulassen..." Er verstummte und warf einen Blick in die Seitenspiegel.
„Was ist?", fragte Jeongguk unsicher und wollte dich gerade ebenfalls umdrehen, doch Taehyung startete schon den Moto.
„Irgendjemand kommt."
„Woher weißt du..."
„Sechster Sinn", wimmelte Taehyung ihn schnell ab und rollte langsam vom Parkplatz, um so wenig Geräusche wie möglich zu machen. „Ich rieche es, wenn Namjoon und Yoongi in meine Richtung unterwegs sind."
Jeongguk lachte und sie bogen in den Wald ein.
„Du bist schon komisch", wiederholte er, doch Taehyung grinste nur schief und zuckte mit den Schultern.
„Stell dir vor ich wäre es nicht. Was dann alles anders gelaufen wäre."
Es ist so warm, was zur Hölle... wie haben wir 38 Grad überlebt, wenn das gerade einmal 28 sind?
Songempfehlung des Tages:
Period [Purple kiss]
♡
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