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𝐂𝐄𝐍𝐈𝐂𝐈𝐄𝐍𝐓𝐀
3 Monate später
Es ist kurz nach Mitternacht als ich höre wie die Schlafzimmertür aufgeht, ich blicke nicht auf, drehe mich nicht um und sehe ihn an, weil ich weiß, er ist betrunken oder High oder beides. So wie jeden Abend seit der Beerdigung.
Ich habe Penelope versprochen, ihn nicht fallen zu lassen, aber ich kann das alles nicht mehr, es macht mich kaputt, ihn so zu sehen, aber vor allem macht mich sein Verhalten kaputt. In diesem Zustand verdient er mich nicht, ich weiß es, aber ich liebe ihn, er trauert, aber das ist kein Grund, so mit mir umzugehen.
Mich zu ignorieren, mich anzuschreien, mich wie Dreck zu behandeln.
Die Tränen auf meinen Wangen sind schon seit Stunden getrocknet, 3 Monate, ich habe gehofft, es ändert sich etwas, er fängt an darüber wegzukommen, aber er tut es nicht. Es wird nur schlimmer und schlimmer, mit jedem Whisky und jedem Joint, von dem er zieht.
Er versucht, seine Schmerzen zu betäuben, aber so funktioniert das nicht.
Ich weiß nicht, ob er das weiß, aber ich sage nichts, ich halte alle meine Worte in mir verschlossen. Mein Versprechen für ihn da zu sein kann ich nicht einhalten, wenn er mich so von sich stößt, er lässt mich nicht mehr an mich heran.
Verschwindet den ganzen Tag und kommt um Mitternacht wieder, um zu mir ins Bett zu steigen, als wäre nichts gewesen. Nachts ist die einzige Zeit, in der es scheint wie früher, aber es ist nicht wie früher, Kylian ist tot, und das können wir nicht rückgängig machen.
Wir können ihn nicht zurückholen, nicht jetzt und niemals in der Zukunft.
Ich höre ein leises Knallen und wie etwas auf dem Boden zerspringt, dann sein spanisches Fluchen. "Lass es liegen und geh einfach schlafen", hauche ich in die Dunkelheit herein und ich höre, wie er in seinem Fluchen innehält.
"Hab ich dich geweckt, Cenicienta?", er hört sich nüchtern an, aber er ist es nicht.
Jedes Mal versucht er nüchtern zu wirken, doch ich weiß, dass er sich den ganzen Tag betrunken hat, ich halte das nicht aus, aber ich tue es für ihn, er hat mich nicht geschlagen oder beleidigt, nur sein Verhalten verletzt mich.
Ich vermisse meinen Nicolas, den Mann, den ich liebe.
"Nein, ich kann nicht schlafen", erwidere ich und setze mich auf um aus unserem Bett aufzustehen, ich erkenne seine Silhouette in der Dunkelheit und schalte die Schwarz goldene Nachttischlampe ein, das Zimmer wird in einem warmen Licht gehüllt und ich spüre seinen Blick auf mir als ich mir meine Kuschelsocken anziehe.
"Geh schlafen, ich hole dir ein Glaswasser", sage ich, als er nichts sagt und ich nur seinen Blick auf mir spüre. Ich stehe auf und durchquere das große Zimmer, um an ihm vorbeizugehen, als er sanft nach meinem Arm greift und mich daran hindert, das Zimmer zu verlassen.
"Lass mich los und geh schlafen", murmele ich und versuche mich aus seinem Griff zu lösen, als ich seine andere Hand an meinem Kinn spüre, er hebt meinen Kopf und zwingt mich, ihn anzusehen.
Seine müden Augen, starren glasig in meine.
Ich kann nicht anderes, als ihn zu mustern, sein Gesicht wirkt eingefallen, seine Finger an meinem Arm kalt und gefühlt leblos, seine Locken fallen ihm durcheinander in die Stirn, er trägt ein weißes Hemd bei dem die ersten 3 Knöpfe geöffnet sind, die Schwarz Krawatte hängt locker um seinem Hals und die zerknitterte Anzughose schmiegt sich an seine Beine.
Er sieht so fertig und doch so gut aus, er sieht immer gut aus, egal was passiert ist.
"Du gehst mir aus dem Weg", murmelt er und seine Augen starren in meine, sie sehen mich wie hypnotisiert an und etwas in mir schmilzt, er sieht mich noch immer so verliebt an, wie seine zukünftige, die schönste Frau der Welt.
"Du bist betrunken, geh schlafen", ich versuche mich erneut aus seinem Griff zu befreien, doch er dreht uns um und mein Rücken prallt gegen die Wand, ich lege meinen Kopf in den Nacken. Nicht heute, ich kann das nicht.
"Du hast geweint, was ist passiert?"
"Ich habe nicht geweint, alles ist gut. Komm schon, geh schlafen und ruhe dich aus", sage ich, meine Stimme klingt fester als zuvor. "Du müsstest mittlerweile wissen, dass du mich nicht anlügen kannst, was ist passiert? Ist es wegen K -", doch er spricht seinen Satz nicht aus.
Ich stoße ihn von mir und gehe in schnellen Schritten die Treppe runter, ich höre seine Schritte hinter mir, sie sind schwer, aber langsam, sein schwerer Atem hallt in den Wänden. Meine Zähne krallen sich in meine Unterlippe, ich kann nicht heute mit ihm reden, nicht heute, ich werde etwas Falsches sagen.
"Alyvia", ich stütze meine Hände auf die Küchentheke und fahre mir durch die Haare, als ich mich umdrehe, er steht direkt vor mir und sieht mich intensiv an. Er steht am anderen Ende der Kücheninsel, nur sie trennt uns voneinander.
"Rede mit mir", haucht er und ich spüre wie eine Träne über meine Wange läuft.
"A-", er will auf mich zukommen, doch ich gehe in die andere Richtung der Kücheninsel. "Nein, bitte, sei einfach leise. Es ist alles gut, bitte sag einfach nichts, ich -", doch dieses Mal unterbricht er mich und seine Stimme hebt sich leicht, ich zucke zusammen.
"Nichts ist oke, wenn du mir aus dem Weg gehst und ich keine Ahnung habe, wieso", zischt er und ich sehe ihn an, etwas in meinem Inneren reißt, legt sich um wie ein Schalter und ich sehe ihn an. "Ernsthaft? Willst du mich eigentlich veraschen?", eine weitere Träne läuft über meine Wange und etwas in mir bricht.
"Drei Monate", hauche ich und er sieht mich an, vernebelt.
"Drei verdammte Monate habe ich versucht, für dich da zu sein, ich habe deiner Schwester versprochen, auf dich aufzupassen. Aufzupassen, dass du nicht in ein Loch fällst wie nach dem Tod deiner Mom und Myra, ich habe es ihr verdammt nochmal versprochen. Aber ich kann das alles nicht mehr, du machst mich kaputt, dein Verhalten macht mich kaputt", meine Stimme bricht als ich sie hebe und Nicolas sieht mich an, er scheint gar nicht richtig zu realisieren, was ich gerade gesagt habe, seine Worte sind wie Magneten, die sich an mein Herz hängen und es zerquetschen.
"Ich trauere, ich trauere um meinen besten Freund, er ist tot, Alyvia, tot und all das ist meine Schuld. Sie wollen mich und nicht ihn, sie wollen euch umbringen, um mich leiden zu sehen. Ich tue das alles nur, weil ich euch liebe", seine Stimme hebt sich und mein Herz wird schwerer.
Er gibt sich die Schuld, natürlich, mein Atem wird schwerer.
"Es ist nicht deine Schuld, aber wenn du sagst, du tust das alles, weil du uns liebst? Das hat für mich nichts mehr mit Liebe zu tun, du behandelst uns wie Dreck und du bemerkst es nicht einmal", meine Stimme bricht nicht, mein Körper zittert und ich schluchze auf, Tränen rinnen über meinen Wangen wie ein Wasserfall.
"Alyvia -", ich unterbreche sein Knurren und spreche die Worte, die ihm weh tun werden, aber ich weiß, mich werden sie härter treffen. Ich atme ein und sehe ihn an, er sieht mich an, stumm, ich erkenne etwas Gefährliches in seinen Augen und ich kneife meine zusammen, atme aus und sehe ihn an.
"Sich zu betrinken ist verdammt keine Lösung, es gibt noch andere Sachen, die deinem Leben einen Sinn geben, nur bist du zu blind, um das zu sehen. Die Trauer macht dich blind, der Alkohol macht dich krank"
"Was für Sachen geben meinem Leben noch einen Sinn, mh? Mein Leben ist eine dauerhafte Gefahr, ihr seid in dauerhafter Gefahr und das ist kein Lebenssinn. Also was soll meinem Leben einen Sinn geben, du?", fragt er mich und mein Herz bricht.
Ich bleibe stumm, stille zieht sich durch den Raum, die Tränen laufen stumm über meine Wangen, sein Blick sieht aus wie der eines getretenen Hundes. Es ist nur eine Sekunde, dann ist da wieder nichts als der Nebel des Alkohols in seinen Augen.
"Weißt du was? Ich dachte, das hier wäre für immer, ich dachte, du wärst derjenige, mit dem ich mein Leben verbringen kann. Für immer, aber schon wird uns ein riesiger Stolperstein in den Weg gelegt und wir fallen, aber wäre das hier für immer, dann wären wir wieder aufgestanden, aber das sind wir nicht. Ich bin aufgestanden, während du dich noch immer nicht mit der harten Realität anfreunden kannst, all das hier macht mich kaputt. Ich kann das alles nicht mehr, wenn du Hilfe brauchst, ruf mich nicht an. Das alles ist Geschichte, und das ist alles deine Schuld"
"Alyvia-", ich sehe ihn an und schüttle den Kopf.
"Lass es einfach"
Ich renne die Treppe hoch zu unserem Schlafzimmer und packe ein paar Klamotten in eine Sporttasche und sehe mich um, es sollte unser neues Zuhause sein und jetzt ist es das Ende, von für immer.
Ich fahre mir durch die Haare.
Er tut mir nicht gut, er macht mich kaputt.
Ich gehe die Treppe runter und erkenne ihn bewusstlos auf dem Sofa liegen, ein Whiskyglas zersprungen auf dem Boden, der nasse Fleck, der das Glas an der Wand hinterlassen hat.
Er hat es gegen die Wand geworfen ... so wie er mich in den Dreck geworfen hat.
Ich greife nach meinen Autoschlüsseln und sehe noch einmal zu ihm, ich kann das nicht, ich liebe ihn, aber das alles macht mich kaputt, ich brauche Abstand und Zeit, in Sekunden macht sich mein schlechtes Gewissen bemerkbar, aber nein.
So ist es richtig, nur für eine Zeit, bis es besser wird, wenn es besser wird ...
...
Herzenbrechen ist meine Lieblingsbeschäftigung
Übertrieben oder gerechtfertigt?
Team Alyvia oder Team Nicolas?
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