3. Kapitel
Desmond
Mit Summer an der Hand laufe ich durch den Korridor der Berkeley Pacific Primary School. Sie wurde diesen Sommer eingeschult und geht zu meiner Erleichterung noch gern zur Schule, aber ich weiß, dass das binnen weniger Monate kippen kann. Ich hoffe sehr, dass sie in diesem Punkt nicht nach mir kommt. Denn ich wollte die Schule bereits nach einem halben Jahr abbrechen. Lernen, im Unterricht aufpassen und gute Noten mit nach Hause bringen, war nicht mein Ding. Glücklicherweise habe ich in der Highschool Football entdeckt. Das hat mir in jeder Hinsicht den Arsch gerettet. Leider ist das für Summer keine Option. Unabhängig davon hoffe ich, dass sie keine Karriere in der Öffentlichkeit anstrebt. Sie soll studieren und etwas aus ihrem Leben machen. Damit will ich nicht sagen, dass ich nichts aus meinem Leben gemacht habe. Mir würde es einfach gefallen, wenn sie Ärztin oder Anwältin werden würde. Der Gedanke, dass mein Kind von tausenden, wenn nicht Millionen von Menschen bewertet wird, lässt mich innerlich ausflippen. Noch dazu möchte ich nicht, dass sie Reality-Star wird, wie ihre Mutter.
Wir betreten ihren Klassenraum und ihr Klassenlehrer kommt lächelnd auf uns zu.
»Guten Morgen, Summer«, begrüßt er meine Tochter freundlich und nickt mir zu.
»Guten Morgen, Mr. Darcy«, antwortet Summer und sieht mich an. »Tschüss Daddy.«
Ich beuge mich zu ihr herunter und drücke ihr einen Kuss auf die Haare. »Tschüss, mein Schatz«, erwidere ich. »Ich wünsche dir einen schönen Tag. Linda holt dich heute Nachmittag ab.«
»Gut.« Sie nickt und läuft zu ihrem Sitzplatz, wo sie sogleich ihre Tischnachbarin Rose begrüßt. Die beiden waren schon zusammen im Kindergarten. Roses Vater ist ein millionenschwerer Unternehmer, der sein Geld in der IT-Branche gemacht hat. Genaueres weiß ich nicht. Ab und zu sehe ich ihn mit seiner Frau im Stadion.
»Könnte ich Sie kurz sprechen, Mr. Darcy«, wende ich mich an Summers Klassenlehrer. Mr. Darcy ist Anfang dreißig, ungefähr einen Meter achtzig groß, hat kurze blonde Haare und einen hageren Körperbau. In der Regel trägt er Poloshirts und eine Jeans. Absolut nicht mein Stil, solange es nicht zum Golfen geht. Aber er ist ein guter und aufmerksamer Lehrer. Mehr muss ich über ihn nicht wissen. Dass ich ihm nun erneut beibringen muss, dass ab sofort unsere Haushälterin Summers Betreuung übernimmt und nicht mehr ihre Nanny, behagt mir nicht.
»Was kann ich für Sie tun, Mr. Price?«, fragt er freundlich, nachdem wir vor die Tür des Klassenzimmers getreten sind. Ich hole tief Luft.
»In den folgenden Tagen und vielleicht auch Wochen wird meine Haushälterin Mrs. Barrios Summer abholen und nach mir die erste Kontaktperson für die Schule sein.«
Er stutzt, das sehe ich ihm an. Ehe er sich räuspert und eine dicke Furche zwischen seinen Augenbrauen zu sehen ist.
»Mr. Price.« Seine Stimme ist gesenkt, aber ich höre den tadelnden Ton durchaus heraus. »Ich bin Summers Lehrer, mir steht es nicht zu, Ihnen, als ihren Vater, zu sagen, wie Sie Summers Betreuung am besten organisieren sollen.«
»Aber?«, will ich gepresst wissen. Denn gewissermaßen tut er das gerade schon.
»Aber ich denke, dass Sie Summer damit keinen Gefallen tun«, fährt er fort. »Die immer wechselnden Bezugspersonen und das Fehlen der Mutter ...«
»Summers Mutter ist kein Thema in ihrem Leben«, nehme ich ihm sogleich den Wind aus den Segeln. Jenna ist ein Tabuthema. Auch für die Schule.
»Das weiß ich«, erwidert er. »Aber Summer ist sechs Jahre alt und ein Mädchen. Denken Sie nicht, dass eine feste weibliche Bezugsperson ihr nicht guttun würde?«
»Wollen Sie mir sagen, dass ich nicht gut für mein Kind sorge, Mr. Darcy?«, knurre ich.
»Ich will Ihnen sagen, dass das, was Sie tun, nicht gut für Summers Entwicklung ist.« Ich schlucke heftig bei dieser Aussage und muss mir eingestehen, dass er recht hat. Ich hasse es, wenn jemand anderes Recht in Bezug auf meine Entscheidungen für mein Kind hat. »Summer ist ein schlaues Mädchen. Sie wird diesen stetigen Wechsel schon bald für sich nutzen.«
Auch das ist mir bewusst. Ich atme tief durch, ehe ich ihm antworte.
»Mrs. Barrios ist eine Übergangslösung. Das verspreche ich, aber ich kann jetzt nicht wieder eine neue Nanny einstellen und sie in wenigen Wochen entlassen. Diesmal muss jemand her, der absolut und für die nächsten Jahre zu uns passt.«
»Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei der Suche, Mr. Price«, sagt er und wendet sich der Tür zum Klassenzimmer zu. »Summer ist ein tolles Kind. Wenn die richtige Person gefunden ist, wird es gut laufen. Bis dahin gebe ich die Info bezüglich Mrs. Barrios weiter.«
»Danke«, sage ich und schüttle zum Abschied seine Hand. »Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag, Mr. Darcy.«
»Den wünsche ich Ihnen auch«, antwortet er. »Und dass die Bees am Wochenende gewinnen.«
Kaum habe ich ihm zugenickt, wende ich mich ab und gehe den Korridor, den ich vor wenigen Minuten mit Summer gegangen bin, zurück zum Haupteingang der Schule.
Ich verlasse das Gebäude und ziehe meinen Autoschlüssel aus meiner Jeans. Als Erstes werde ich alle laufenden Verträge mit der Nanny-Agentur kündigen. Sie sind nicht mehr der richtige Ansprechpartner für mich. Als Nächstes muss ich mir einen Plan überlegen, wie ich auch ohne Agentur so schnell wie möglich an eine neue Betreuung für meine Tochter gelange. Vielleicht höre ich mich mal bei meinen Teamkollegen um, die Kinder haben. Einige von ihnen haben auch Nannys und können mir vielleicht weiterhelfen.
Ich steige ins Auto, lege meinen Schlüssel und das Smartphone in die Mittelkonsole des Wagens und starte den Motor. Sofort zeigt mir der Bordcomputer an, dass ich mit meinem iPhone verbunden bin. Ein entgangener Anruf von Summers Mutter Jenna lässt mich stutzen. Normalerweise ruft sie mich nie frühmorgens an. Ich habe gerade nicht den Nerv mit ihr zu sprechen, aber umso schneller ich es hinter mich bringe, desto eher kann ich mich meinen anderen Problemen widmen.
»Hey, Desmond«, begrüßt sie mich fröhlich.
»Hi«, antworte ich deutlich weniger euphorisch. »Was gibt es?«
»Nichts Besonderes«, erwidert sie, was mich schon mal erleichtert ausatmen lässt. »Wie geht's Summer? Ist alles in Ordnung bei euch?«
Sensibilisiert von den Vorkommnissen der letzten Tage und Wochen, presse ich die Lippen aufeinander und zögere einen Moment, ehe ich Jenna antworte. Auch wenn ich das alleinige Sorgerecht habe, will ich sie nicht anlügen. Sie wird niemals die Mutter der Nation werden, aber dennoch macht sie sich Gedanken um Summer.
»Ich musste Harriet feuern.«
Einige Sekunden ist es still am anderen Ende der Leitung, bis Jenna ein verächtliches Schnauben von sich gibt.
»Und wieso?«, will sie genervt wissen. »Das war die fünfte Nanny in weniger als einem halben Jahr. Du hast gesagt, dass du es im Griff hast.«
»Das habe ich auch«, wehre ich mich.
»Das sehe ich«, spottet sie.
»Du könntest dich nach sechs Jahren auch mal mehr um dein Kind kümmern, nicht?«, zische ich und schließe frustriert die Augen. »Sorry, das wollte ich nicht sagen.«
»Schon gut«, erwidert Jenna. »Was ist denn passiert mit Harriet?«
»Sie hat mir ziemlich unverblümt ins Gesicht gesagt, dass sie den Job nur angenommen hat, um mit mir im Bett zu landen.«
»Gott bewahre!«, ruft Jenna. »Dass du auch so dumm warst und jemals eine von ihnen in dein Bett gelassen hast.«
»Nicht direkt in mein Bett«, wiegle ich ab.
»Desmond!«, faucht sie. »Das ist doch scheißegal. Die nächste Nanny ist weg, weil du deinen Schwanz nicht in der Hose lassen kannst. Was hast du jetzt vor?«
»Mrs. Barrios übernimmt, bis ich jemand gefunden habe.«
»Gut«, erwidert sie. »Ich bin noch eine Weile in meine aktuellen Dreharbeiten eingebunden.«
Diesmal bin ich derjenige, der schnaubt. Jennas Job ist mir seit Jahren ein Dorn im Auge und auch der Hauptgrund dafür, dass ich darauf bestehe, dass sie sich in der Öffentlichkeit nicht als Summers leibliche Mutter outet.
»Danach würde ich euch gern besuchen und Zeit mit Summer verbringen«, sagt sie.
»Ich weiß nicht«, wende ich direkt ein. Ich will Jenna nicht in Berkeley haben.
»Ich aber!« Jennas Stimmlage ist entschieden. »Sie ist meine Tochter. Ich habe sie seit einem halben Jahr nicht gesehen.«
»Okay, okay«, lenke ich ein. »Ich muss vor dem Training noch die Nanny-Agentur anrufen und die Zusammenarbeit kündigen.«
»Und dann?«, will meine Ex-Affäre wissen. »Wo willst du eine neue Nanny finden, wenn nicht in der renommiertesten Agentur der Bay Area.«
»Das lass mal meine Sorge sein«, murre ich.
»Ruf mich an, wenn sich etwas ergibt«, bittet Jenna. »Diesmal überlasse ich dir die Entscheidung nicht allein. Und das diskutieren wir auch nicht. Ciao.«
Ein Knacken in der Leitung und sie hat aufgelegt. Frustriert lehne ich meinen Kopf zurück. Dass Jenna sich einbringen möchte, ist einerseits schön, aber macht alles noch komplizierter. Ein Vorteil daran, alleinerziehend zu sein, ist, dass man nichts absprechen muss. Das ist aber auch schon fast der einzige.
Über die Sprachsteuerung des Autos wähle ich die Nummer der Nanny-Agentur.
»Bay Area, Nanny-Agentur«, meldet sich eine Frauenstimme am anderen Ende der Leitung. »Sie sprechen mit Lindsay Thompson.«
»Desmond Price hier«, sage ich. »Ich möchte mit Mr. Peters sprechen.«
»Mr. Peters ist heute außer Haus«, erwidert sie. »Kann ich etwas ausrichten?«
»Ich möchte, dass Sie mir die Kündigungspapiere zukommen lassen.«
»Kü- ... Kündigungspapiere?«, stottert sie. »Einen Moment bitte.«
Ein Rauschen erklingt und im Hintergrund höre ich gedämpfte Stimmen.
»Peters«, erklingt es vom anderen Ende der Leitung und ich verdrehe die Augen. So viel zum Thema, dass er nicht zu sprechen ist.
»Guten Morgen, Mr. Peters«, melde ich mich. »Desmond Price hier.«
»Oh, Mr. Price«, flötet er. »Wie schön von Ihnen zu hören.«
Ein neuerliches Augenverdrehen spare ich mir, da er es sowieso nicht sehen kann. Seine Sekretärin hat mich mit Sicherheit angekündigt.
»Mr. Peters, ich möchte alle Verträge mit der Bay Area Nanny-Agentur kündigen.«
Es herrscht Stille, bis er sich räuspert. »Kündigen?«, wiederholt er meinen Wunsch.
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Die Leseprobe endet hiermit! Ich hoffe, dass es euch gefallen hat und neugierig auf mehr gemacht hat.
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