Wachend
Mitten in der Nacht wachte Dani auf. Es war stockdunkel, selbst das Licht der entfernten Straßenlampen war erloschen. Er konnte sich nicht daran erinnern eingeschlafen zu sein, die relativ gemütliche Position, in der er sich befand, hatte ihn wohl schläfrig gemacht.
Doch jetzt war Dani hellwach, Tygrans unruhige Bewegungen hatten ihn aus dem Schlaf gerissen. Er bemerkte, wie der Größere neben ihm zitterte, jedoch konnte ihm unmöglich kalt sein.
"Tygran...?", flüsterte Dani, doch er erhielt keine Antwort. Vorsichtig suchte er mit seiner Hand nach seinem Handy. Nach ein paar Versuchen hatte er es geschafft seinen Arm aus dem Schlafsack herauszuwinden und schaltete die Taschenlampe ein. Die kalte Nachtluft ließ ihn sofort eine Gänsehaut bekommen und er kniff die Augen aufgrund der Helligkeit zusammen.
Etwas umständlich leuchtete Dani Tygran ins Gesicht. Seine Augen waren geschlossen, doch seine Lider zuckten unruhig hin und her. Er legte eine Hand auf Tygrans Stirn, nur um festzustellen, dass sie glühend heiß war. Er wurde doch nicht krank? Klar, durch die ganze Erschöpfung war sein Immunsystem enorm ausgelastet, aber der Idiot konnte doch jetzt kein Fieber bekommen! Und dazu auch noch, wie es schien, einen verflucht beschissenen Albtraum...
"Scheiße...", murmelte Dani leise. Schweißperlen hatten sich auf Tygrans Haut gesammelt und er wand sich neben Dani, sein ganzer Körper zuckte und verkrampfte. Dani glaubte ihn wimmern zu hören und merkte, wie er Panik bekam. Was sollte er jetzt tun? Ihn aufwecken?? Aber Tygran musste sich unbedingt ausruhen! Trotzdem, Dani konnte ihn nicht weiter leiden lassen.
"Okay, verdammt..." Er räusperte sich. Sein Arm fing an langsam taub zu werden. Vorsichtig rutschte er ein wenig höher, sodass sein Kopf beinahe auf dem feuchten Gras lag.
"Okay", flüsterte er erneut und zog Tygran an sich, seinen Kopf an seine Schulter bettend.
"Schhh..." Langsam fuhr Dani mit einer Hand durch die dichten, rotbraunen Haare, in der Hoffnung, er könnte Tygran irgendwie beruhigen. Er wusste nicht, ob es half, aber er glaubte zu hören, wie Tygrans hektischer Atem sich allmählich beruhigte.
"Ist okay... Schon gut...", murmelte Dani sanft, den warmen Körper an sich drückend. Beinahe zart streichelte er Tygrans Wange, während er weiter seine Finger durch sein Haar gleiten ließ.
Dani fiel ein Stein vom Herzen, als Tygran nur noch leicht zitterte. Ab und zu zuckten seine Augen, doch er schien sich zu erholen. Ohne viel nachzudenken küsste Dani seine Stirn, dort wo der Verband nicht im Weg war. Er wusste, dass Tygran gut darin war, seinen mentalen Zustand vor anderen zu verbergen. Denn Dani hatte keine Zweifel, dass es ihm in Wirklichkeit scheiße ging. Dass er litt, unter der Psychose, seinem Onkel und der ganzen Scheiße, die ihm widerfahren war. Und Dani wusste auch, dass Tygran ihm von sich erzählen würde. Er wollte es so, und es machte Dani glücklich, dass er ihm letztendlich vertraute.
Er blickte auf, als sein Handybildschirm kurz aufleuchtete, eine Nachricht von Sam. Dani seufzte, die Digitaluhr wies ihn darauf hin, dass es fünf Uhr morgens war. Allerdings erinnerte sich Dani, dass er momentan eine andere Pflicht hatte, als zu schlafen, wenn er auf den sich leicht hebend und senkenden Körper neben sich hinabblickte. Er würde wach bleiben, bis Tygran wieder ruhig schlief.
Daniiii! Abgesehen davon, dass du beinahe jemanden erschossen hast, wann zum Teufel wirst du Tygran endlich sagen, was du für ihn empfindest??
Er hätte es wissen müssen...
Keine Ahnung, tippte er zurück, was mit nur einer Hand ganz schön lange dauerte, da er mit der anderen immer noch Tygrans Kopf streichelte.
Aber du musst es ihm sagen! Gott, Dani, du bist doch verliebt, oder nicht??
Was, wenn das alles kaputt macht? Wieso sollte er in mir mehr als nur einen Freund sehen?
Ach, Dani... Seit wann bist du so unsicher? Ich verspreche dir, Tygran mag dich genauso sehr wie du ihn!
Woher willst du das wissen.
Hallo?! Weibliche Intuition!
Aha...
Dani, du musst es ihm sagen, denn Tygran wird sicher nicht mit der Sprache rausrücken, egal wie sehr er dich mag! Er ist ein süßes, unschuldiges Dummerchen und versteht seine Gefühle wahrscheinlich gar nicht. Deswegen liegt es an dir!
Wirklich?
Sei einfach ehrlich zu ihm, du wirst sehen...
Ich weiß nicht. Sein Onkel wird ihn fertigmachen.
Dani seufzte. Er würde auf keinen Fall zulassen, dass Tygran erneut so litt.
Der muss das ja gar nicht wissen! Apropos Toleranz, hat Tygran eigentlich schonmal was zu dem Thema erwähnt?
Er meinte, es ist okay, wenn ich schwul wäre...
Das ist doch ein Anfang!
Ich hab ihm gesagt, dass ich auf Mädchen stehe.
Schämen sollst du dich!! Dani, du musst aufhören, den Schwanz einzuziehen!! Außerdem, bei eurem "Bromance Moment" saht ihr schon aus wie ein Liebespaar, er muss doch irgendwas gesagt haben!
Er hat gesagt, dass er meine Augen mag.
Dani lächelte leicht. Jetzt würde Sam garantiert ausrasten.
Oh mein Gott!!! Dani, niemand sagt seinem besten Freund, dass er seine Augen mag! Tygran hat's richtig erwischt, der Arme weiß wahrscheinlich gar nicht, was mit ihm los ist!
Er hat mich gefragt, ob es schlimm ist, schwul zu sein. Dani verkniff es sich zu schreiben, dass Tygran seine Wange geküsst hatte. Schließlich wusste er nicht genau, ob das überhaupt stimmte, er war sich beinahe sicher, es sich eingebildet zu haben. Trotzdem wünschte er sich, dass es wahr wäre. Er sah wieder zu Tygran, der friedlich schlafend in seinem Arm lag. Danis Herz wurde ganz weich, jedes Mal, wenn er ihn ansah.
Daniiii, du Idiot!! Sobald ihr am nächsten Morgen aufwacht, küsst du die Seele aus seinem Leib, hast du mich verstanden?!?
...
Und falls du irgendwelche Bedenken hast, lies dir nochmal meine Wattpad-Geschichte durch!
Die mit dem Vampir...?
Genau die! Und jetzt gute Nacht!
Mit einem Schmunzeln legte Dani sein Handy beiseite. Er würde es zwar nie zugeben, aber Sam hatte ihm geholfen. Er würde ja auch nie ihre weibliche Intuition anzweifeln... Trotzdem hatte er irgendwie Angst, dass Tygran doch ganz anders reagieren würde. Schließlich kam er aus einem Land, in dem Homosexualität nicht gerade gefeiert wurde, und dazu noch aus einem Dorf, dass im letzten Jahrhundert feststeckte. Aber wenn Sam Recht hatte und Tygran vielleicht einfach nur nicht wusste, was er fühlte, war es wohl Danis Aufgabe, ihn darauf aufmerksam zu machen.
Er legte seine Hand auf Tygrans Wange und fühlte die Temperatur. Seine Stirn war nicht mehr so heiß und seine Augen hatten aufgehört zu zucken. Vorsichtig rutschte Dani wieder ein Stück zurück in den Schlafsack, bis er Tygran direkt gegenüber lag. Langsam näherte er sich seinem Gesicht, bis sich ihre Nasenspitzen berührten.
Dani konnte sein Herz schlagen hören, es raste im Vergleich zu Tygrans. Mit einem langen Atemzug schloss Dani seine Augen und überwand die letzten Zentimeter. Tygrans Lippen waren rau und warm, wie seine eigenen. Nach einer Weile öffnete er die Augen wieder und lehnte seine Stirn gegen Tygrans.
Vielleicht hatte er morgen die Chance auf einen richtigen Kuss.
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