Verlust
Dani konnte nicht anders als ihn sanft zu umarmen. Er war noch nie gut darin gewesen Leute zu trösten, aber Tygran musste wissen, dass er in diesem Moment nicht allein war.
"Es... Es ist alles gut. Tygran, ich bin hier, bitte... Bitte hör auf zu weinen..." Dani hatte einen Kloß im Hals, jedes Mal wenn er schluckte verschwamm seine Sicht als sich in seinen Augen Tränen sammelten. Er wusste nicht, wie er mit dieser Situation umgehen sollte. Was er von Tygran halten sollte.
Er war krank, offensichtlich. Psychisch instabil. Doch hätte Dani niemals gedacht, dass es so heftig sein konnte. Dass Tygran nicht mehr die Wirklichkeit erkannte und wie es schien... jede Nacht aufwachte und weinte.
"Es tut mir so leid, Dani, es tut mir so leid...", schluchzte Tygran.
"Ich wollte nicht-..."
"Ist okay... Ist schon gut. Alles ist gut..." Dani atmete zitternd aus als er beruhigend Tygrans Rücken streichelte. Die Zeit schien stillzustehen, Dani umarmte ihn immer noch vorsichtig, Tygran verbarg sein Gesicht in seiner Schulter und hielt sich an Danis T-Shirt fest. Mit der Zeit verlangsamte sich sein Herzschlag wieder, sein Atem wurde wieder regelmäßig und er hörte auf zu zucken.
"Es tut mir leid", murmelte Tygran schließlich bitter und löste sich von Dani, der ihn perplex losließ.
"Ich sollte gehen...", fügte er leise hinzu und machte Anstalten aufzustehen.
"Was? Gehen? Es ist mitten in der Nacht! Du kannst jetzt nicht gehen!", flüsterte Dani schockiert.
"Ich habe dich schon genug belastet..."
"A-Aber...!" Dani sprang auf und griff nach Tygrans Arm als dieser den Schlafsack öffnete und seinen Rucksack nahm.
"Warum erzählst du mir nicht einfach was los ist? Ich will dir helfen! Du brauchst Hilfe! Sogar professionelle Hilfe! Meine Mutter ist Psychotherapeutin, sie-..."
"Dani."
Seine Stimme war auf einmal kalt.
"Das ist nichts, was man einfach so erzählen kann. Und deswegen..." Tygran sprach leiser zum Ende hin.
"Deswegen sollten wir uns vielleicht nicht mehr so nahe stehen."
Die Worte fühlten sich an wie ein Stich ins Herz. Dani verstand es nicht. Wieso... Wieso sagte er so etwas? Am Abend sprach er noch davon wie glücklich er war, dass Dani sein Freund war, und jetzt...
"Nein... Nein, das machst du nicht. Du bleibst hier!" Er stemmte seine Hacken in den Boden als er Tygran am Arm festhielt.
"Lass mich los, Dani", warnte er ihn.
"Vergiss es!" Dani schüttelte den Kopf.
"Ich bin dein Freund! Und Freunde helfen sich!"
"Dani. Lass mich los."
"Nein!"
"Zwing mich nicht dir weh zu tun!!", zischte Tygran und fuhr auf einmal herum, ihn am Kragen packend, sein Gesicht war vor Wut verzerrt, bevor er Dani losließ und auf einmal... schuldig aussah. Als hätte er ein schlechtes Gewissen.
"Denn das will ich nicht. Aber so wird es kommen wenn du weiter in meiner Nähe bleibst", murmelte er leise, den Blick zu Boden gerichtet. Dani konnte sich nicht rühren. Er war verwirrt, schockiert, wütend... Er wusste nicht-... Was war nur los?
"Ich will nicht, dass dir etwas passiert."
Mit diesen Worten entglitt Tygrans Arm Danis Griff und er öffnete die Tür. Ohne ein weiteres Wort ging er, einfach so. Seine Schritte verhallten auf der Treppe und Dani hörte die Haustür zuschlagen. Doch er stand da wie paralysiert.
"Nein...", wisperte er.
"Nein!"
Er riss sich aus seiner Starre und sprintete die Treppe hinunter bevor er die Haustür aufriss.
"Tygran!!", rief er, doch es gab keine Spur von ihm.
"Tygran!!" Er schrie seinen Namen durch die Nacht, doch Dani wusste er war zu spät. Warum hatte er ihn nicht aufgehalten?! Warum nur?! Was hatte Tygran bloß?!
Dani starrte weiter in die Dunkelheit, die kalte Nachtluft hinterließ eine Gänsehaut auf seinem Körper. Doch Tygran würde nicht zurück kommen. Er war jetzt allein, im Dunkeln. Er fror bestimmt! Was wenn er den Weg nicht zurückfand? Er hatte kein Licht, was wenn er-...
Für einen Moment vergaß Dani zu atmen. Er konnte nicht mehr. Er sank zu Boden, kauerte sich zusammen vor der offenen Haustür. Ihm war kalt und als er fühlen konnte wie seine Finger und Zehen langsam taub wurden, schloss er die Tür und schleppte sich nach oben. Er würde nicht wieder einschlafen können mit dem Wissen, dass der Schlafsack neben seinem Bett morgen kalt und leer sein würde.
Kalt und leer.
Es ging alles viel zu schnell und Dani konnte nicht anders als er leise anfing zu schluchzen. Und seine Angst blieb.
"Dani?"
Dani rührte sich nicht als er am nächsten Morgen von seiner Mutter geweckt wurde. Es musste schon spät sein, doch Dani konnte sich nicht dazu bringen aufzustehen.
"Ist Tygran schon weg?", fragte sie verwundert. Dani nickte langsam.
"Aber er hat doch gefrühstückt?"
Er schloss seine Augen erneut und zog seine Bettdecke enger um sich.
"Dani? Ist alles in Ordnung?" Die Hände seiner Mutter strichen durch sein Haar als sie sich besorgt über ihn beugte.
"Ja...", log er, seine Stimme krächzend.
"Wirklich? Möchtest du über etwas reden?"
Er schüttelte den Kopf.
"Kommst du dann zum Frühstück?", fragte sie ihn sanft.
"Gleich", murmelte Dani. Kurz darauf hörte er, wie seine Mutter sein Zimmer verließ. Am liebsten würde er gar nicht aufstehen, einfach liegenbleiben und warten, bis Tygran zurückkam. Dass er vielleicht seine Zimmertür öffnete, sich leise entschuldigte und sich auf Danis Bett setzte. Und dann würde er sich hinunterbeugen und sanft seine Wange küssen, so wie er es in der Schule getan hatte.
Dani verbarg sein Gesicht in seinem Kopfkissen, Träumereien würden ihm jetzt auch nicht weiterhelfen. Vielleicht sollte er seiner Mutter doch von Tygran erzählen. Als Psychotherapeutin wusste sie bestimmt was er hatte. Und wie Dani ihm helfen konnte.
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