Die Villa
"Mum, ich übernachte mit Sam bei einem Freund. Bis übermorgen!", rief Dani am Samstagvormittag hastig, mit seinem Gepäck bereits die Tür öffnend. Er war jedoch nicht schnell genug, er konnte hören wie seine Mutter aus der Küche gerast kam und ihm die Tür vor der Nase wieder zudrückte.
"Nicht so schnell, junger Mann." Sie sah ihn streng an bevor sie ihn weit anlächelte.
"Du übernachtest bei einem Freund? Du hast einen Freund gefunden, Dani? Oh mein Junge, endlich wirst du erwachsen!"
Dani konnte den Armen seiner Mutter nicht ausweichen, als sie ihn an sich zog und fest drückte.
"Mum!" Er versuchte sich zu wehren, aber es war unmöglich der Umarmung zu entkommen.
"Pablo!", rief sie nun auch noch die Treppe hoch.
"Komm schnell runter, Dani hat einen Freund!!"
Sofort kam Danis Vater, ein schlaksiger nett aussehender Mann die Treppe herunter, um zu sehen was los war.
"Dani hat einen Freund außer Samira?" Er machte große Augen, den spanischen Akzent hörte man ihm nach all den Jahren kaum noch an.
"Ja! Oh mein Gott, Dani, wer ist es? Du weißt, dass dein Vater und ich dir ganz viel Spaß wünschen! Benimm dich ordentlich und mach dich nicht unbeliebt, versprich es mir!"
"Mum!" Genau deswegen hatte Dani schnellstmöglichst abhauen wollen...
"Ist es der Neue aus deinem Jahrgang?", fragte sein Vater beinahe so aufgeregt wie seine Mutter.
"Ugh... Jetzt lasst mich endlich gehen, ich komm noch zu spät!" Dani griff schnell nach der Türklinke.
"Sieh nur wie aufgeregt er ist sich mit seinen Freunden zu treffen! So ein guter Junge." Seine Mutter tat so als würde sie sich eine Träne wegwischen. Dani nutzte die Chance und machte sich mit seinem Rucksack flink aus dem Staub. Er holte noch kurz sein Fahrrad aus der Garage und machte sich dann auf den Weg. Aber es war richtig was seiner Mutter gesagt hatte, er fühlte sich wacher, lebendiger. Endlich konnte Dani sich mal wieder auf etwas freuen.
"Da bist du ja!", rief Sam ihm entgegen, sie wartete bereits auf der anderen Straßenseite auf ihn.
"Sag nichts...", grummelte Dani. Sam wusste wahrscheinlich, dass seine Eltern nun zu Hause saßen und vor Freude weinten. Als wäre er ein Küken, dass endlich flügge geworden wäre...
Die beiden bogen nach links, es gab nur wenige Wege, die zur Villa führten. Die Straße wurde irgendwann zu einem Schotterweg und der Abstand zwischen den Häusern wurde immer größer.
"Uff, ich hatte vergessen wie lang der Weg ist", keuchte Sam und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Sie kürzten ihren Weg ab als sie durch die Wiesen fuhren bevor sie wieder auf einen Waldweg gerieten. Die Bäume lichteten sich bald und der Weg endete an einer Kuhwiese. 200 Meter weiter ragte auch schon die weiße Villa über die Baumwipfel hinweg, daneben die riesige Pferdekoppel und ein ganzer Bauernhof. Dani und Sam schoben ihre Fahrräder auf den großen Vorhof, der mit weißen Kieseln bedeckt war. An der Villa rankten sich Kletterpflanzen und Stockrosen empor, links und rechts des Kiesweges befanden sich kleine Scheunen. Ein Hund sprang aufgeregt über den Hof und allgemein war die Luft auf einmal mit den Geräuschen vieler Tiere erfüllt. Dani hörte Hühner und Kühe von links, rechts wieherten die Pferde in der Ferne und er konnte auch ein paar Schafe entdecken.
"Guck mal, da ist Tygran!" Sam zeigte auf den Russen, nachdem die beiden sich genug umgesehen hatten.
"Hey!" Tygran schien sie auch gesehen zu haben und winkte ihnen zu, unter dem anderen Arm trug er einen Heuballen. Er legte ihn auf eine Karre neben der Kuhwiese und kam dann breit grinsend auf sie zu. Er trug ein ärmelloses schwarzes Shirt und sah ziemlich verschwitzt aus. Kein Wunder wenn man die ganze Zeit Sachen durch die Gegend schleppte während die Sonne auf einen herunterknallte.
"Ah, tut mir leid, ich sollte vorher vielleicht noch duschen gehen," lachte er. Seine Haare klebten an seiner Stirn und der Schweiß lief über die Kurve seiner Armmuskeln. Der tiefe Ausschnitt seines Shirts enthüllte sein Schlüsselbein und die obere Hälfte seiner glänzenden Brust.
"Keine Sorge, wir sehen uns solange um", antwortete Sam.
"Ihr seht auch ganz schön fertig aus. Ihr könnt eure Fahrräder vor dem Eingang stehen lassen, die klaut hier niemand. Kommt sonst erst mal mit rein und ich gebe euch was zu trinken", grinste Tygran und wischte sich mit seinem Shirt den Schweiß vom Gesicht. Automatisch blickte Dani auf seine hervortretenden Bauchmuskeln, als er den Stoff anhob und er erwischte Sam dabei, wie sie errötete.
"Kommt mir besser nicht zu nah, ich habe vorhin das Scheunentor geölt", lachte er und Dani bemerkte die dunklen Flecken auf seinen Armen und er hatte ein bisschen Öl auf der Nase. Er und Sam folgten Tygran durch die riesige Doppeltür der Villa. Das Innere des Anwesens hatte eine relativ altmodische Ausstattung, dazu schien alles ein wenig verstaubt. Das lag wahrscheinlich am Arbeitermangel, Dani hatte bis jetzt noch keine Angestellten gesehen.
"Okay, das hier ist das Wohnzimmer. Macht es euch auf dem Sofa gemütlich, ich hole euch kurz was zu trinken!" Tygran zeigte ihnen stolz ein gewaltiges Wohnzimmer mit etlichen Hirschgeweihen an der Wand, einem Sofa, mehreren Sesseln und einem kleinen Kastenfernseher auf einer Kommode. Durch eine weitere Tür mit Holzklinke verschwand Tygran kurz in der Küche, bevor er mit zwei Gläsern und einer Karaffe Wasser wiederkam.
"Ihr könnt euch ruhig ein bisschen umsehen, wenn ihr wollt, aber verlauft euch nicht. Und geht am besten nicht durch die Tür mit der Gravierung, das ist das Arbeitszimmer meines Onkels. Ich bin gleich wieder da!", informierte sie Tygran und verschwand wieder in einem der Gänge.
"Heilige Scheiße!", rief Danni und ließ sich aufs Sofa fallen.
"Hättest du echt gedacht, dass das hier so groß ist?", fragte er mit einem Pfeifen, doch Sam schien sich für etwas anderes zu interessieren.
"Tygran ist so sexy, findest du nicht auch?", sagte sie mit großen Augen.
"Kann sein", Dani zuckte mit den Schultern. Er könnte auch in so einem Shirt rumlaufen und Sachen durch die Gegend tragen...
"Nein, wirklich, Dani! Vielleicht sollte ich ihn beim Duschen stalken!"
"Nein, das tust du nicht!" Dani hielt Sam am Arm fest bevor diese auf die Idee kommen konnte, Tygran hinterherzulaufen um ihn irgendwie nackt zu erwischen.
"Du bist doof", seufzte sie gekünstelt und Dani streckte ihr die Zunge raus.
"Mach doch was du willst, ich seh mir mal die Villa an." Dani erhob sich vom Sofa und leerte sein Wasserglas, nicht ohne Sam vorher durch die Haare zu wuscheln. Sie beschwerte sich lautstark und schlug seine Hand weg. Dani lachte und verließ das Wohnzimmer. Tygran hatte Recht behalten, es war nicht wirklich schwer, sich in den vielen Räumen zu verlaufen. Natürlich öffnete Dani nicht jede Tür und sah herein, er wollte ja nicht herumschnüffeln, stattdessen schlenderte er eher durch die Flure und betrachtete die Bilder an den Wänden. Er fühlte sich auf einmal mindestens ein Jahrhundert zurückgesetzt und er wunderte sich, was für einen Wert die Villa hatte. Woher Tygrans Onkel wohl das ganze Geld hatte, wenn das russische Dorf aus dem Tygran kam doch so arm war?
Als Dani das Ende des langen Flurs erreichte, befand sich dort eine Tür. In der Mitte war ein Löwenkopf eingraviert und das Holz glänzte als hätte jemand es poliert. Das Arbeitszimmer von Tygrans Onkel. Dani wusste, er sollte den Rückzug antreten, doch die Tür stand offen. Er konnte es sich nicht verkneifen einen Blick hineinzuwerfen. Vielleicht bekam er einige Antworten auf seine Fragen. Der Raum war rund und nicht sonderlich groß. In der Mitte stand ein Schreibtisch mit einem alten Computer und einer Schreibmaschine. Daneben türmten sich unzählige Dokumente und Formulare. Auch die Regale an den Wänden waren mit Ordnern gefüllt, jeder mit einer russischen Beschriftung. Das Arbeitszimmer hatte keine Fenster und die Lampe erleuchtete den Raum nur schwach. Dani fragte sich, wie jemand in diesem Raum vernünftig arbeiten konnte.
Ihm fielen noch weitere Dinge auf. Über der Stuhllehne hing ein Gürtel, keinen den jemand im Alltag tragen würde. Er war groß und sah ziemlich schwer aus, wie ein Militärgürtel. Allgemein schien die Ausrichtung einen militärischen Stiel zu haben. Hinter dem Stuhl hing ein Wappen der Sowjetunion an der Wand und darunter ein Glaskasten mit Auszeichnungen. Danis Augen fielen schließlich auf das Gewehr in der Ecke. Er wusste, dass er gehen sollte, doch als er sich umdrehte und genau das vorhatte stand plötzlich jemand hinter ihm.
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Mal ein Cliffhanger zur Abwechslung ;)
Aber keine Sorge, die nächsten 7 Chapter sind bereits geschrieben xD
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