9. Türchen
von peaceanne28
TW Erwähnung von Depressionen
Kurz vorab, alles was ich hier schreibe hat nichts mit der Realität zu tun. Ich habe keinerlei Erfahrungen, wie der Ablauf in psychiatrischen Kliniken ist, erst recht an Weihnachten und denke mir das alles deshalb selbst aus :)
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Jedes Jahr zu Weihnachten habe ich Schicht und wie jedes Jahr gibt es keinen Ort, an dem ich lieber wäre als hier. Fast alle Patienten bekommen Besuch von ihren Familien und Freunden und verbringen Weihnachten gemeinsam hier in der Mensa. Ich finde es wirklich berührend, dass die Familien und Freunde ihre Liebsten hier an Weihnachten besuchen und das Fest hier mit ihnen verbringen.
Gerade sind alle schon in der Mensa, aber ich brauche noch einen Moment für mich, um meine Gedanken ein bisschen zu sortieren. Warum brennt in Zimmer 28 noch Licht, es sind doch alle in der Mensa? Als ich vor der Tür stehe merke ich, dass jemand da drin sein muss. „Hallo?", frage ich, nachdem ich angeklopft habe. Es kommt keine Antwort. Ich klopfe nochmal. Diesmal höre ich ein leises Schniefen. „Ist alles okay?". Keine Antwort. „Ich komme jetzt rein", sage ich, während ich die Tür langsam und vorsichtig öffne.
Was ich sehe, bricht mir fast das Herz. Da sitzt zusammengekauert auf dem Bett eine Gestalt. Er hat verwuscheltes, haselnussbraunes Haar und strahlend blaue Augen voller Tränen, die mich mit so einer Traurigkeit anschauen, dass mir glatt das Herz in die Hose rutscht. „Louis, hey, was ist denn los? Warum bist du hier so allein und warum weinst du so?", frage ich, während ich mich langsam dem Bett nähere. Er schüttelt heftig den Kopf und ein lautes Schluchzen erfüllt den Raum. Schnellen Schrittes überbrücke ich den letzten Abstand zum Bett und drücke den bebenden Körper an meine Brust. „Hey, es ist alles gut, alles ist gut." Ich wiederhole es immer wieder, wie ein Mantra und es scheint zu wirken, er wird ruhiger.
Es vergehen einige Minuten, aber dann hat er sich endlich beruhigt. „Tut mir leid." – „Es gibt nichts, wofür du dich entschuldigen müsstest, jeder hat mal so einen Zusammenbruch, vor allem hier ist es nichts ungewöhnliches als Pfleger mal die Patienten beruhigen zu müssen." Ich streiche ihm weiter beruhigend über den Rücken, während wieder Stille eintritt.
Nach einigen Momenten traue ich mich dann doch zu fragen: „Louis, möchtest du erzählen was los ist und warum du nicht bei den anderen bist?" Er löst sich von mir und lehnt sich an die Wand hinter sich an. Kurz denke ich, dass er sich mir verschließt, signalisiert mir aber, dass ich mich neben ihn setzten darf, also lehne ich mich neben ihm an die Wand, drehe mich aber etwas zu ihm.
„Ich liebe Weihnachten. Eigentlich. Ich liebe dieses Gefühl, schon in der Vorweihnachtszeit durch die Stadt zu laufen und alles ist so wunderschön geschmückt. Ich bin immer gerne mit meiner Familie, vor allem mit meinen Geschwistern, über den Weihnachtsmarkt gelaufen. Aber dieses Jahr kann ich nichts davon. Nach meiner Diagnose vor einem halben Jahr hat meine Familie den Kontakt abgebrochen. Meine älteste Schwester hat noch versucht etwas zu retten, aber nach meiner Einweisung hat sie sich auch abgewandt. Ich stehe allein da. Keine Familie, keine Freunde. Nur ich. Dabei ist doch Weihnachten, die schönste Zeit im Jahr und... und..." Er fängt wieder an zu schluchzen, weist mich diesmal aber ab. Nach einem kurzen Moment spricht er weiter.
„Ich kann nicht einfach in die Mensa und mir anschauen, wie glücklich alle sind, dass ihre Liebsten da sind. Ich mache seit Wochen keinen Fortschritt mehr, nicht den kleinsten. Dabei bin ich doch hier, um gesund zu werden." Ich nehme ihn in den Arm, wogegen der sich diesmal nicht wehrt. „Shh, alles ist gut. Du darfst nicht vergessen, dass du hier nicht einfach geheilt rausspazieren wirst. Hier wird dir geholfen, aber geheilt wirst du nicht direkt." – „Aber es soll aufhören, die Gedanken werden wieder schlimmer und ich kann nichts dagegen tun." – „Shh, bitte beruhig dich. Ich weiß es ist schwer mit einer Depression und diesen Gedanken zu leben, aber du darfst nicht aufgeben. Du bist stark, du kannst das. Du musst an dich glauben!" Einige Minuten lang passiert nichts mehr, wir sitzen einfach nur da, er in meinem Arm.
„Kann ich dir irgendwie helfen, dass du dich besser fühlst?" Er schüttelt nur mit dem Kopf. „Okay, ich überleg mir was... Ich habe vielleicht eine Idee, warte hier, ich bin gleich wieder da." Nach diesem Satz eile ich aus dem Zimmer in Richtung der Mensa. Als ich zur Tür hereinkomme, schauen mich direkt einige Augenpaare an, welchen ich allen einmal schnell frohe Weihnachten wünsche und mich dann auf die Suche nach meiner Chefin mache.
„Barbara!" – „Harry, was kann ich für dich tun?" – „Ich habe eine Frage und ich möchte, dass du mir erst ganz zuhörst, bevor du irgendwas dazu sagst." Nach einem zustimmenden Nicken ihrerseits beginne ich zu sprechen. „In Zimmer 28 ist noch ein Patient, Louis Tomlinson. Er hat keine Familie, keine Freunde und auch sonst niemanden, mit dem er Weihnachten feiern kann. Ihm geht es deshalb sehr schlecht. Er möchte nicht in die Mensa kommen und mit den anderen feiern, da ihn das zu fertig macht. Meine Schicht ist in einer halben Stunde zu Ende und ich wollte danach zu meinen Freunden auf den Weihnachtsmarkt, sie haben dort einen Stand. Kannst du vielleicht eine Ausnahme machen, dass ich Louis mitnehmen darf und ihn danach wieder herbringe? Ich weiß, eigentlich ist das verboten, aber Louis geht es seit Wochen nur schlecht und er hat hier ewig keinen einzigen Fortschritt gemacht, was ihn noch zusätzlich fertig macht. Ich verspreche gut auf ihn aufzupassen und übernehme die volle Verantwortung, falls etwas passieren sollte. Also, bitte?" Auch wenn sie mich sehr kritisch anschaut, mache ich mein hundebaby-Gesicht, welchem sie normalerweise nicht widerstehen kann.
„Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist Harry." – „Bitte, ich bin mir sicher, dass es ihm dadurch besser gehen würde!" – „Hm... Meinetwegen, aber du trägst die Verantwortung!" – „Danke! Du bist die Beste. Du wirst es nicht bereuen. Danke, danke, danke!" Ich umarme sie überschwänglich. „Dann musst du ihm wenigstens auch nicht sagen, dass ich es euch verboten habe", kommentiert sie lachend. „Naja, um ehrlich zu sein weiß er es noch gar nicht", peinlich berührt kratze ich mich am Hinterkopf. „Harry!", entsetzt schaut sie mich an. „Ich wollte ihn überraschen, außerdem wollte ich ihn nicht enttäuschen müssen, wenn du nein gesagt hättest." – „Meine Güte." – „Tut mir leid!" Den letzten Satz rufe ich ihr zu, während ich mich schon wieder auf den Weg aus der Mensa zu Louis' Zimmer mache.
Dort angekommen klopfe ich kurz an die Tür, nur um diese, ohne auf eine Antwort zu warten, aufzureißen. „LOUIS!" Geschockt schaut er mich mit riesengroßen Augen an und fasst sich ans Herz. „Willst du mich umbringen?!" – „Nein, eigentlich nicht. Ich habe gute Nachrichten!" Er seufzt und dreht sich ein Stück von mir weg. „Sicher, dass es gute sind?" – „LOUIS!" – „Boah Harry, irgendwann bekomme ich wegen dir noch einen Herzinfarkt!"
„Tut mir leid. Aber jetzt hör mir doch erstmal zu bevor du wieder anfängst so negativ zu denken." – „Meinetwegen." – „Danke. Also, ich habe gleich Feierabend und will dann zu meinen Freunden auf den Weihnachtsmarkt, die haben dort einen Stand. Ich habe mit meiner Chefin gesprochen und sie ist damit einverstanden, dass ich dich mitnehme!" Entsetzt schaut er mich an. „Du könntest auf einen Weihnachtsmarkt, zwar nur mit mir, aber immerhin. Du kommst hier raus und kannst Weihnachten so genießen wie du es willst! Natürlich nur wenn du Lust hast." Er weint, oh nein. „Es tut mir leid, wenn ich dich damit zu sehr überrumpelt habe. Ich wollte dich nicht überfordern oder so, ich wollte dir wirklich nur eine Freude machten!", stottere ich vor mich hin.
„Harry", schluchzt er, „das ist das Netteste, was jemals jemand für mich gemacht hat." Was?! „Hat sie das wirklich erlaubt?" – „Barbara? Natürlich! Ich würde dich niemals anlügen, erstrecht nicht, wenn es um sowas geht!" „Danke!" Er fällt mir um den Hals. „Danke, danke, danke!" „Habe ich gerne gemacht", sage ich lächelnd.
„Dann würde ich sagen, du machst dich fertig und ich bringe noch den Rest meiner Schicht in der Mensa hinter mich und dann hole ich dich gleich hier ab." – „Ja, JA!" Wir fangen beide an zu lachen. „Gut, dann bis gleich." – „Bis gleich." Mit diesen Worten verlasse ich das Zimmer und mache mich wieder auf den Weg zur Mensa. Dort angekommen fängt Barbara mich direkt ab. „Und, was hat er gesagt?" – „Er hat sich sehr gefreut." Antworte ich ihr lächelnd. „Das freut mich." Antwortet sie mir ebenso lächelnd.
Mit jedem Schritt, den ich Louis' Zimmer näherkomme, werde ich nervöser. Ich nehme ihn wirklich mit auf den Weihnachtsmarkt und stelle ihn dann ja auch meinen Freunden vor. Hoffentlich verstehen sich alle gut, aber so wie ich die drei kenne, werden sie sich super mit Louis verstehen. Und schon stehe ich vor seiner Zimmertür und klopfe an. Er öffnet sie, greift nach seiner Jacke und steht dann plötzlich direkt vor mir. Vorhin trug er noch eine Jogginghose mit Hoodie, jetzt trägt er eine Jeans mit Weihnachts-Strickpulli und schaut mich mit einem breiten Grinsen an. „Können wir?", fragt er ganz aufgeregt. „Bereit, wenn du es bist", antworte ich grinsend. Gemeinsam laufen wir die Gänge entlang bis zum Haupteingang. Ich halte ihm die Tür auf, was er mit einem Lächeln quittiert. Draußen angekommen machen wir uns direkt auf den Weg zum Weihnachtsmarkt.
Schon als der Weihnachtsmarkt nur in der Ferne zu sehen ist, merke ich, wie aufgeregt Louis ist. Je näher wir kommen, desto mehr fangen auch seine Augen an zu leuchten. „Deine Augen leuchten richtig", merke ich nach einer Weile unbedacht an. Beschämt und mit rötlichen Wangen schaut er auf den Boden. „Hey, ist doch alles gut. Man merkt einfach, wie sehr du dich freust", versuche ich die Situation zu retten. „Ich dachte nicht, dass ich dieses Jahr Weihnachten auch nur ein bisschen genießen kann und jetzt gehe ich sogar auf einen Weihnachtsmarkt. Das ist mehr, als ich mir hätte wünschen können. Danke Harry, ehrlich." – „Das mache ich doch gerne. Wie du gesagt hast, jetzt kannst du Weihnachten doch noch ein bisschen genießen." Lächelnd laufen wir weiter nebeneinanderher Richtung Weihnachtsmarkt.
„Wir sind da", haucht Louis ehrfürchtig. „Ja", gebe ich in derselben Tonlage von mir. „Was möchtest du zuerst machen?" „Mich umschauen", antwortet er mir, ohne den Blick von der Weihnachtsdeko zu nehmen. Über eine Stunde laufen wir über den Weihnachtsmarkt, halten an fast jedem Stand kurz an, essen etwas und genießen die Weihnachtsstimmung. Louis sieht so glücklich und zufrieden aus, er ist von allem so begeistert, es erwärmt mir das Herz. Wie kann man ihn bitte nicht mögen? Er ist so ein wunderbarer Mensch.
„Harry!", werde ich plötzlich gerufen. Ich drehe mich um und sehe meine Freunde. Ich drehe mich wieder zu Louis, welcher mich verwundert anschaut, greife ihn vorsichtig am Arm und ziehe ihn mit mir mit. „Komm, da ist der Stand meiner Freunde." Dort angekommen werde ich erstmal in eine Gruppenumarmung gezogen. Mich wundert es überhaupt nicht, dass Louis auch in dieser ist. „Leute, das ist Louis. Louis, das sind Liam, Zayn und Niall." „Hiii", ruft Niall direkt, wodurch wir alle kurz lachen müssen. „Du bist also Louis, unser Harry hat uns schon viel von dir erzählt", wendet sich Zayn verschmitzt grinsend an Louis und mich. „Keine Sorge, nur gutes", schiebt Liam schnell hinterher, als er Louis' Lächeln fallen sieht. „Freut mich", kommt es dann unsicher von Louis.
Die drei wenden sich wieder ihrer Arbeit zu, ich merke aber, dass sie uns noch beobachten, weshalb ich mit Louis ein paar Schritte zur Seite mache. „Tut mir leid, meine Freunde sind aber leider meistens so peinlich." – „Ach, alles gut, ist doch lustig. Außerdem finde ich es sehr interessant, dass du mit deinen Freunden über mich sprichst." Er stößt mir leicht gegen die Schulter, während ich immer weiter erröte. „Ach Harry, da musst du doch nicht rot werden." – „Wo kommt denn dieses ganze Selbstbewusstsein plötzlich her?" Provozierend schaue ich ihn an „Wer weiß, wer weiß", zwinkert er mir zu.
Oh mein Gott, ich will ihn küssen. Ich weiß nicht, wo das gerade herkommt, aber ich will ihn unbedingt küssen. Wir stehen uns gegenüber, ich mache einen kleinen Schritt auf ihn zu. Unsicher schaut er mich an, aber ich lasse mich nicht beirren. Wenn er es nicht will, wird er etwas dagegen unternehmen, rufe ich mir ins Gedächtnis. Vorsichtig lege ich meine Hand auf seine Wange. Er lehnt sich leicht gegen die Berührung. Ich beginne vorsichtig mit meinem Daumen über seine Wange zu streichen und ihn gleichzeitig ein wenig zu mir zu ziehen. Er lässt es zu. Langsam komme ich ihm immer näher. Intensiv schauen wir uns in die Augen, aber ich merke, dass sein Blick immer wieder zu meinen Lippen wandert. Meiner tut es ebenso. Sanft stoße ich mit meiner Nase seine an und warte auf seine Reaktion. Er lässt es wieder zu. Ich lege meinen Kopf leicht seitlich und streife mit meinen Lippen seine. Als er auch das zulässt, nehme ich all meinen Mut zusammen und lege meine Lippen vorsichtig auf seine.
Sanft beginne ich meine Lippen gegen seine zu bewegen, er tut es mir gleich. Wir finden einen gemeinsamen Rhythmus, lösen uns aber einige Momente später schon wieder. Lächelnd schaut er mich an, was mich auch lächeln lässt. Plötzlich wird applaudiert. Wir drehen beide unsere Köpfe zur Seite und da stehen Zayn, Liam und Niall in die Hände klatschend. Während Niall sogar beginnt zu jubeln, kommt Zayn zu uns, klopft uns auf die Schultern und nimmt uns dann beide in den Arm. „Wurde aber auch mal Zeit", höre ich nah an meinem Ohr. „Ich bin stolz auf dich Kumpel", kommentiert Liam. Als Niall mit dem Jubeln und dem Applaudieren fertig ist, kommt er zu uns, zieht uns alle in eine Gruppenumarmung und ruft: „Und das sogar direkt unter einem Mistelzweig!" Louis und ich schauen erst uns an, schauen dann nach oben, um dort wirklich einen Mistelzweig zu sehen, schauen wieder uns an und küssen uns nochmal, mitten auf einem Weihnachtsmarkt, an Weihnachten, bei meinen Freunden, unter einem Mistelzweig. „Das ist das schönste Weihnachten überhaupt", flüstert Louis mir nach unserem Kuss zu.
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