9. Türchen
by: fan_fiction_books and ronxstorysx
Take Me To Church
(P.o.V.: Louis)
Der Dezember. Meiner Meinung nach einer der schönsten Monate im Jahr. Wieso? Vielleicht liegt es daran, dass mein Geburtstag und Weihnachten beide in diesem Monat liegen. Dazu kommt noch Silvester und außerdem jeden Sonntag der Advent. Von den Weihnachtsmärkten wollte ich gar nicht erst anfangen zu reden. Jeder mochte Weihnachtsmärkte und die Stimmung, die zu der Zeit herrschte. Oftmals scheint alles in dieser Jahreszeit so unbeschwert und dank der aufkommenden Weihnachtsstimmung fühle ich mich bereits jetzt, Anfang Dezember schon viel leichter als zu anderen Zeiten im Jahr.
Ich liebte den Schnee, den wir hier in England hatten. Es war nicht unbedingt sonderlich viel dieses Jahr, aber trotzdem ließ es mein Umfeld schöner aussehen.
Genau so dachten auch meine beiden jüngeren Schwestern, mit denen ich, wie schon so oft nach der Schule und sobald ich von der Uni zuhause war, raus ging. Gemeinsam spazierten wir immer auf die große Wiese bei uns in der Nachbarschaft, auf welcher wir im Sommer immer Fußball spielten. Auf der Wiese konnten wir all den Schnee, der in den letzten Tagen gefallen ist, einsammeln, damit Schneemänner bauen, Schneeengel machen oder Schneebälle hin und her werden.
„Louis, Louis! Guck mal! Ich kann auch rauchen.", schrie mir meine kleine Schwester Phoebe von etwas weiter weg entgegen. „Ich auch!", erwiderte Daisy sofort und machte ihrer Zwillingsschwester direkt nach.
„Fangt bloß nie damit an.", seufzte ich, schmunzelte aber leicht und zog an meiner richtigen Zigarette, nur um wie meine beiden kleinen Schwestern es gerade taten auch weißen Rauch auszustoßen.
Nur, dass es bei den Mädchen ihr eigener warmer Atem war, der in die kalte Dezemberluft gehaucht wurde.
„Wieso machst du es dann, wenn wir nicht damit anfangen dürfen?", fragte Daisy und hopste glücklich neben mir her.
Ich wollte gerade etwas erwidern, als mich das Klingeln meines Handys unterbrach. Sofort, da ich etwas verunsichert war, dass es meine Mutter oder mein Vater waren, die mir sagen wollten, dass ich schnell wieder nach Hause kommen sollte, zog ich es aus meiner Jackentasche.
Auf meinem Display stand in großer Schrift Hazza, was mich erleichtert ausschnaufen ließ.
„Gebt mir kurz eine Sekunde. Ich muss mit Harry telefonieren.", entschuldigte ich mich bei meinen Schwestern.
Gleich darauf nahm ich den Anruf entgegen. „Hey, was gibt's?"
Schon drang mir Harrys aufgeregte Stimme in mein Ohr. „Louis! Du musst sofort in die Gemeinde kommen!"
„Warum? Ist gerade tatsächlich ein bisschen ungünstig. Ich bin mit Daisy und Phoebe draußen. Wir sind auf dem Weg auf die große Wiese, wir wollten eine Schneeballschlacht machen." Nebenbei zog ich ein letztes Mal an meiner Zigarette und warf sie achtlos neben mich in den Mülleimer.
„Es ist ganz dringend. Aber ich kann es dir nicht über das Telefon sagen. Ich muss es dir persönlich sagen! Bitte, Lou. Du musst schnell kommen." Ich konnte mir nur zu genau vorstellen, wie Harry gerade am Schmollen war, was mich zum Lächeln brachte.
„Na, gut... Aber ich hoffe wirklich, dass der Grund wichtig ist. Du bist ein toter Mann, Harry, wenn du es mit mir hier nicht ernst meinst."
Ich hörte Harrys Lachen am anderen Ende der Leitung. „Ich mache keine Witze übers Telefon. Bis gleich. Und danke." Dann legte er einfach auf.
Lieber Harry, was geht schon wieder durch deinen Kopf durch? Wobei die wichtigere Frage war, was macht er an einem zufälligen Mittwoch in der Woche noch um die Uhrzeit in der Gemeinde?
* * *
Sobald ich die schwere Türe hinter mir schloss, klopfte ich mir den Schnee von den Füßen ab und direkt könnte ich mich an die Temperaturen hier drin gewöhnen. Draußen ist es aber auch so bitterkalt!
Der einzige Nachteil am Dezember; die Temperaturen.
„Harry? Man, Harry! Dann sag mir doch wenigstens, wo du bist und lass mich nicht noch länger warten!"
Das raue und tiefe Lachen meines guten Freundes ertönte ein paar Räume weiter. Ich rollte die Augen. Der Anruf wird hoffentlich sehr wichtig gewesen sein, sonst wird es wirklich noch Tote geben. Tote in einer Gemeinde, wenn ich dafür nicht in die Hölle komme, dann weiß ich auch nicht.
Mit schnellen Schritten folgte ich Harrys Lachen, stieß die Türe, welche nebenbei bemerkt nur angelehnt war auf und erblickte ihn vor mir auf dem Sofa sitzen.
„Hi!"
„Spar dir dein Hi. Sag mir endlich, was so wichtig ist!"
Harry machte eine dramatische Pause, grinste mich einfach nur an und stand in Zeitlupe von dem schwarzen Sofa auf. „Also... Du erinnerst dich doch sicherlich daran, dass Raymond uns vor ein paar Wochen die Organisation für das Krippenspiel überlassen hat. Ich habe lange nachgedacht, weil ich dieses Jahr mal etwas anderes wollte, weil jedes Mal die gleiche Geschichte mit den gleichen Abläufen, ist einfach total langweilig."
Raymond ist unser Diakon. Harry und ich sind jetzt seit etwas über zwei Jahren die Leiter einer evangelischen jungen Gemeinde. Zusammen betreuen wir einmal die Woche eine Gruppe von 15 Kindern, die alle gemeinsam schon ihre Konfirmation hinter sich haben.
Für dieses Jahr allerdings haben Harry und ich die Aufgabe bekommen, wie Harry schon gesagt hat, uns um die Krippenaufführung an Heiligabend zu kümmern. Dabei müssen wir uns in den kommenden letzten Wochen noch mit den Kindern auseinandersetzen, die noch etwas kleiner sind und noch nicht ihre Konfirmation hinter sich hatten. Bis jetzt war unsere Planung noch nicht wirklich fortgeschritten, weil Harry immer erst anfangen wollte, sobald er einen perfekten Plan hat. Wobei ich bis heute nicht verstanden hatte, was es groß zu überlegen gibt, weil wir sowieso jedes Jahr das gleiche Skript und das gleiche Set-Up haben. Wir hatten lediglich die Aufgabe das Spiel mit den Kindern zusammen zu proben, damit es zum 24. Dezember aufgeführt werden konnte.
Doch jetzt erschien alles einen Sinn zu machen. Harry wollte, wie man es von ihm gewohnt war speziell sein.
„Was ist denn dein super toller Plan, Mr. Styles?" Ich grinste und setzte mich auf den Tisch, auf welchem sogar noch Plätzchen standen. Grinsend schnappte ich mir einen Keks und ließ ihn in meinem Mund verschwinden. Mhh! Welche Mutter, oder welche Oma, die auch immer jedes Mal ihren Kindern mitgibt, ich will sie kennen lernen und noch mehr von den Keksen haben!
„Okay, hör zu. Ich habe schon mit Raymond darüber gesprochen und ich habe auch schon sein Okay zu meiner Idee bekommen. Er will nur, dass ich das mit dir abkläre und wir das zusammen auf die Beine stellen. Er wäre wirklich froh darüber, wenn das klappen würde und mich würde es auch mehr als nur glücklich machen!"
„Mach es nicht so spannend. Erzähl schon." Ungeduldig ließ ich meine Füße in der Luft baumeln und schob mir schnell noch einen zweiten Keks in den Mund.
Harry grinste breit und stellte sich vor mich. „Ich möchte die Geschichte ein bisschen verändern. Ich möchte nicht die Originalgeschichte wie jedes Jahr präsentieren. Ich will sie anpassen. An die heutige Zeit. An dieses Jahrhundert."
Mit gehobenen Augenbrauen sah ich ihn an. „Wie genau stellst du dir das vor?"
„Ich will die Geschichte von Maria und Josef umschreiben. Wir brauchen mehr Aufklärung in der Kirche und dafür ist auch Raymond. Wir müssen den Menschen, die an Heiligabend in die Kirche kommen aufklären und ihnen zeigen, dass nicht Maria und Josef die Vorlage für dieses Jahrhundert sind. Es geht auch anders."
„Ich glaube ich weiß, worauf du hinauswillst, aber- Nein ich glaube ich habe keine Ahnung, worauf du hinauswillst." Ich lachte und zog die ganze Schüssel der Kekse auf meinen Schoß. „Harry, weißt du, wer die immer backt?", lenkte ich kurz vom eigentlichen Thema ab.
Harry lachte. „Nein. Keine Ahnung. Aber hör auf von dem wichtigen Teil hier abzulenken."
Mit vollem Mund sah ich ihn an. „Das Geheimnis um die perfekten Plätzchen ist auch wichtig! Aber na gut. Erzähl weiter"
„Wir brauchen einen Josef und Josef."
Ich sah ihn kurz etwas perplex an, dachte dann aber für eine Sekunde über seine Idee nach. „Ein schwules Pärchen also?"
Harry nickte hastig.
Ich zuckte die Schultern. „Das hört sich wirklich gut an. Also wirklich. Ich finde die Idee toll. Die Umsetzung wird nur ein bisschen schwer, findet du nicht? Wie sollen wir das anstellen? Außerdem haben wir nicht mehr allzu lange Zeit."
„Genau deshalb habe ich dich hergeholt. Ich habe meinen Laptop dabei, wir können direkt anfangen, ein neues Skript zu basteln."
„Direkt? Harry morgen ist Donnerstag. Ich muss morgen früh in die Uni."
Harry wank ab. „Zwei drei Stunden kannst du doch hier wohl noch opfern. Du würdest doch sonst mit Sicherheit auch nicht vor Mitternacht ins Bett gehen, also haben wir sogar noch mehr als nur ein paar Stunden Zeit."
Ich gab nach und nickte. „Ja, was solls. Dann schreiben wir eben ein neues Skript."
„Ahh, Louis, du bist der aller beste Partner, den man sich wünschen kann! Danke, dass du das mit mir machst! Danke!" Überschwänglich fiel mir Harry um meinen Hals und sofort schloss ich auch meine Arme um seinen Oberkörper. „Du weißt, dass ich für sowas immer offen bin."
(P.o.V.: Harry)
Die Vorbereitungen von Louis' und meinem etwas anderen Krippenspiel liefen super und schneller als gedacht hatten wir auch schon unser persönliches Skript für dieses Jahr zusammengestellt.
Heute hatten wir wieder einer der Tage in der Woche, an welchem wir uns zusammen mit den Kindern trafen und unsere bestes gaben den Text und die Abläufe zu üben.
Louis übernahm hierbei meist die Hauptleitung, was ich nur mit einem belustigten Lächeln beobachten konnte.
„Colin! Text! Dein Text. Zum fünften Mal. Lerne deinen Text!"
Colin ist einer unserer Hauptcharaktere. Er spielte sozusagen Josef, doch den hatten wir in Ariel umgetauft und Ariels Mann hieß in unserem Stück Noam.
Unser Stück lief folgendermaßen ab: Wir hatten Maria und Josef in Ariel und Noam umgetauft. Zwei israelische Namen, da unsere Geschichte, wie auch das Original in Betlehem spielt. Die beiden Männer in unserer Weihnachtsgeschichte werden zu Beginn des Stückes mit den täglichen Diskriminierungen, in Form von Hass, Gewalt und Unterdrückung konfrontiert. Doch bereits dort versuchen wir unserem Publikum so gut wie möglich zu zeigen, dass die Liebe stärker ist als all das negative Verhalten der Mitmenschen.
Aber wie kommen wir denn jetzt zu dem Kind? Jesus. Immerhin können wir keinen der Männer schwanger werden lassen, da das offensichtlich ein Ding der Unmöglichkeit ist. (Selbst wenn die Geburt Jesu auch unmöglich war, weil Maria Jungfrau war. Just saying.)
Aus dem Grund haben wir uns überlegt, dass wir das Thema Adoption mit reinbringen. Es ist ein aktuelles Thema und auch wenn es heutzutage in manchen Ländern gleichgeschlechtigen Ehen erlaubt ist ein Kind zu adoptieren, ist es trotzdem noch in der Mehrheit der Länder ein Tabuthema und auch unter den Menschen fast verschwiegen.
Ariel und Noah wandern also von Stadt zu Stadt, fragen hier und da nach ihrem Glück und ihrem tiefsten Wunsch, aber überall werden sie abgelehnt. Auch wenn es in der Realität nicht so abläuft, dass man einfach fragt, wollten wir es so darstellen, da es so am einfachsten und verständlichsten ist. Die beiden Männer verbringen viele Tage und Nächte damit einen Ort zu finden, in dem es ihnen gewehrt ist einen Sohn zu adoptieren und in der Heiligen Nacht, am 24. Dezember finden sie ihren Ort, in welchem sie akzeptiert werden. Sie dürfen ein Kind zu sich nehmen. Daraufhin werden die Neuigkeiten sehr schnell verbreitet und Menschen aus aller Welt kommen zu dem Paar und bestaunen ihr Glück. Es ist fast so wie mit den heiligen drei Königen. Dann ist unser Stück zu Ende.
Leise musste ich über Louis' erneuten kleinen Wutausbruch kichern. Es fiel mir schwer mir ein breites Grinsen zu verstecken, was auch noch dazu führte, dass ich meine Augen wegen dem vielen lächeln zusammenkniff und das einzige in meinem Sichtfeld allein mein Partner ist. Mein Krippenspiel-Partner.
„Harry. Harry wir machen hier Pause. Ich brauche ne Zigarette. Kinners, Pause. Esst was, trinkt was. Colin, lerne deinen Text!"
Leicht schüttelte ich meinen Kopf. „Was?" Ich war so sehr damit beschäftigt Louis anzugucken, dass ich gar nicht mitbekommen hatte, dass er das hier abbrechen will. Zumindest für ein paar Minuten.
„Pause.", wiederholte Louis.
Schnell nickte ich, nahm mir meine Winterjacke und Mütze und ging mit Louis nach draußen. „Ist dir denn nicht kalt?", fragte ich ihn, weil er nur einen Pulli anhatte.
Louis wank ab und zündete sich seine Zigarette an. Auch wenn ich nicht viel vom Rauchen hielt, konnte ich nicht abstreiten, dass es Louis verdammt heiß aussehen lässt. Ich seufzte leise und drehte mich weg. Klare Gedanken fassen, Harry.
„Das wird nie was in zwei Wochen.", murmelte Louis.
„Gib ihnen Zeit. Wir können nicht erwarten, dass sie ihre Texte jetzt schon perfekt können. Das wird schon. Da bin ich mir sicher."
Louis brummte und stieß den weißen Rauch in die kalte Luft aus.
Ich räusperte mich leise. „Du hast an der Aufführung Geburtstag.", begann ich ein Gespräch. Unsicher sah ich Louis wieder an. Irgendwie erhoffte ich mir von ihm eine Einladung. Wir verstanden uns immer so gut, wenn wir zusammen etwas mit den Konfi-Kindern einmal die Woche machten. Wir verstanden uns seit dem ersten Tag gut, aber bisher kam es wirklich selten vor, dass wir auch mal außerhalb der Gemeinde etwas unternommen haben. Ich kannte nicht einmal einen von Louis' Freunden. Vielleicht ist das auch der Grund, weshalb ich keine Einladung zu seiner Party bekomme. Vielleicht passe ich einfach nicht in die Gruppe.
Louis nickte. „Ja. Aber ich werde trotzdem in der Kirche sein. Immer hin muss ich doch unser Meisterwerk bestaunen und die Reaktionen darf ich mir auch nicht live entgehen lassen." Kurz lachte er, weshalb ich sofort anfing zu lächeln. Sein Lächeln könnte mir sofort alle Tränen aus den Augen zaubern.
„Also feierst du erst nach dem Gottesdienst?"
Wieder nickte Louis. „Davor aber mit meiner Familie. Eltern, Großeltern und so."
Ein kleiner, aber schmerzhafter Stich durchfuhr mich, als er das sagte. Es traf mich genau ins Herz. Mitten rein. Offensichtlich waren wir uns nicht nahe genug, als dass er mich einladen wollte.
Ich fragte mich, warum mich das so sehr mitnahm. Ich hatte mich doch nicht wirklich in Louis verguckt? Nein sicher nicht. Vielleicht nur ein kleiner vorübergehender Crush. So oft sahen wir uns auch gar nicht, dass ich mich in ihn verlieben könnte.
Wir sind Partner, Konfi-Gruppenleiter und vielleicht sind wir in Louis' Augen tatsächlich auch einfach Arbeitskollegen und nicht sowas wie Freunde...
(P.o.V.: Louis)
Fluchend blieb ich vor der roten Ampel stehen.
Ich werde zu spät kommen! Ich werde nur wegen diesen beschissenen ständig roten Ampeln zu spät kommen! Werde doch endlich grün!
Ungeduldig stampfte ich mit meinem Fuß auf den Boden und drückte jetzt schon bestimmt zum zwanzigsten Mal den gelben Schalter an der Ampel, der mit immer noch in roter Schrift zeigt, dass das Signal gleich kommt. Aber wann bitte schön ist gleich?!
Ich wäre sehr gerne mit meinem Auto gefahren, aber weil ich heute wegen meinem Geburtstag doch ein paar Shots und Bier in mir hatte, konnte ich mir das abschminken. Aber ich konnte mir schließlich auch nicht nehmen nicht mit meiner Familie ein bisschen zu feiern. Außerdem kann ich nicht auf eine Feier zu meinem zwanzigsten Geburtstag verzichten. Wer wäre ich denn, wenn ich nüchtern bleiben würde?
Endlich sprang die Ampel auf Grün und ohne ein Vorbild für die Kinder neben mir zu sein, sprintete ich über die Straße und weiter zur Kirche. Harry wird so sauer auf mich sein. Er musste jetzt bestimmt alles allein aufbauen und so wie das hier aussieht trafen auch schon die ersten Besucher ein. Es waren sehr viele Menschen auf den dunklen Straßen und sehr viele davon waren auf dem Weg in Richtung Kirche.
Atemlos stürmte ich in die Kirche und sprintete vor zum Altar. Es war schon alles aufgebaut. Alles bis ins kleinste Detail, aber von Harry war keine Spur. Er muss also in einer der extra Räume sein, wo auch die Kinder warteten.
Schleunigst machte ich mich auf den Weg in besagten Raum und war tatsächlich erleichtert, dass Harry da war. Selbst wenn er nirgendwo anders hätte sein können, war ich froh ihn hier zu sehen. Ich fühlte mich schlecht, dass ich ihm nicht geholfen hatte die letzten Organisationen vor der Aufführung gemeinsam mit ihm zu machen. Ich hätte wenigstens Bescheid sagen können.
Doch es blieb kaum Zeit mir mehr Gedanken, um Harry zu machen, selbst wenn das mein Verhalten in keinster Weise besser machte. Unsere jungen Schauspieler waren allesamt nervös und das war absolut kein gutes Zeichen, denn in weniger als einer halben Stunde müssen wir allesamt wieder da raus und unser Krippenspiel vorführen.
Ich schluckte leicht, hob meine Hand, um Harry kurz zu winken und setzte mich neben Evan. Er war unser zweiter Hauptdarsteller, denn er war Ariels Mann Noam. In kürzester Zeit gab ich mein bestens ihm Mut zuzusprechen. Immer wieder musste ich ihm sagen, dass alle Proben super liefen, er immer seinen Text perfekt konnte und das jetzt absolut kein Zweifel bestand. Er musste sich einfach nur auf das Stück konzentrieren und die Menschen im Hintergrund so gut es ging ausblenden.
Zusammenfassend konnte ich mit Stolz behaupten, dass unser etwas anderes Krippenspiel ein voller Erfolg war. Evan war überhaupt nicht mehr nervös. Keiner der anderen Jungen und Mädchen zeigte Nervosität und Colin hatte zum Glück kein Mal seinen Text vergessen. Selbst, wenn ich da gestern zur Generalprobe noch Zweifel hatte. Auch wenn ich nicht viel von den Resonanzen der Eltern, Verwandten und Anderen persönlich mitbekommen habe, scheint es trotzdem sehr gut angekommen zu sein. Zumindest ist niemand mittendrin aufgestanden und gegangen oder hat einfach so angefangen zu beten, damit wir wieder auf klare Gedanken kommen. Sie trugen alle ein Lächeln auf den Lippen, soviel konnte ich zumindest von meinem Standpunkt aus beobachten.
Jetzt ist es schon wieder so weit, dass er Gottesdienst vorbei ist und alle, sogar unsere Mini-Schauspieler die Kirche verlassen hatten. Nur noch Harry und ich waren hier und hatten die Aufgabe alles aufzuräumen.
Ich hatte immer noch nicht die Chance mich bei ihm zu entschuldigen, für das, was vor dem Krippenspiel passiert ist. Nämlich gar nichts. Weil ich Genius nicht aufgetaucht bin zu unserem verabredeten Zeitpunkt und nicht einmal Bescheid gesagt habe, dass ich nicht rechtzeitig kommen kann.
Zudem wollte ich Harry unbedingt auf meine Geburtstagsparty einladen, aber das konnte ich mir jetzt wahrscheinlich auch abschminken. Ich hatte das selbst verschissen und damit muss ich jetzt leben. Ich weiß nicht einmal, wie ich die peinliche Stille zwischen uns brechen kann, die gerade herrschte.
„Es tut mir leid.", flüsterte ich in die erdrückende Stille.
„Ist schon in Ordnung."
„Nein. Es tut mir wirklich leid, dass ich dir beim Aufbau nicht geholfen habe und dass ich nicht einmal Bescheid gegeben habe. Das war eine scheiß Aktion von mir und es tut mir einfach leid."
Harry griff nach der Wiege, in der unsere Babypuppe drin lag und zog das ohne Worte in den Raum, in welchem wir alle Utensilien lagerten. Ich folgte ihm und stellte mich hinter ihn. „Immerhin war es ein Erfolg, oder?" Ich versuchte meine Unsicherheit mit einem Lachen zu überspielen, woran ich offensichtlich scheiterte. Die Situation war schrecklich und ich kann nicht einmal sagen, wieso es mich so sehr mitnahm. Normalerweise nehme ich es immer auf die lockere Schulter, wenn ich mich bei Verabredungen verspäte.
„Ja. Scheint so, als hätte es allen gefallen.", erwiderte er.
Wieder legte sich eine unangenehme Stille über uns, in der Harry weiter Materialien sortierte und ich ihn einfach dabei beobachtete. Ich weiß, dass ich Harry mehr als einen normalen Freund mag. Mochte ich schon immer, höchstwahrscheinlich. Wir kennen uns seit unserer eigenen Konfizeit, welche schon gut sieben oder acht Jahre her ist. Er ist über die Zeit sehr gereift, während ich immer noch der unverantwortliche Chaot bin. Ich würde ihn wirklich gerne zu meiner Feier einladen, nur habe ich mich bis jetzt einfach nicht getraut.
„Harry.", ergriff ich wieder das Wort. Er dreht sich zu mir um und schenkt mir ein unsicheres Lächeln, bei dem seine Grübchen hervorschauen. Wie gerne ich hinein pieken würde.
„Ja?"
„Uhm... Also, ..." stotterte ich umher. Tief Luft holend schaute ich ihm in die jadegrünen Augen. „Ich wollte fragen, also nur wenn du Lust hast, du musst nicht wenn du nicht willst oder keine Zeit oder keine Lust oder so hast. Jedenfalls wollte ich wissen, ob du vielleicht zu meiner Geburtstagsfeier kommen möchtest?"
Zum Ende hin wurde ich immer leiser und schaute unruhig umher, nur nicht in seine Augen. Was ist, wenn er nein sagt? Er hat bestimmt Familie, zu der er muss. Oder keine Lust. Oder beides. Wir machen schließlich nur in der Gemeinde etwas zusammen.
Harry unterbrach meine Gedankengänge, indem er mit zwei Fingern mein Kinn anhob. Seit wann stand er so nah bei mir? Er lächelte sanft.
„Ich würde sehr gerne zu deiner Feier kommen, Louis."
Er sagt, er würde gerne kommen. Mein Herz meinte plötzlich, es müsse doppelt so schnell schlagen. Er kommt. Zu meiner Feier. Harry kommt zu meiner Feier. Ich fing an zu grinsen wie ein Irrer.
Harry schob sich an mir vorbei, um die letzten Materialien aus dem Altarraum zu holen, ich folgte ihm dabei. Auf den vorderen Bänken lag noch ein Mantel, welcher von Ariel als Kostüm benutzt wurde. Ich ging vor, um ihn zu holen, stolperte dabei jedoch und prallte mit meiner Hüfte genau gegen die Bänke.
„Aua. Ach verdammt." entfuhr es mir.
„Alles okay, Lou?" fragte Harry besorgt und kam auf mich zu. „Hast du dir weh getan?"
„Jaha" meinte ich gespielt weinerlich und tat so, als ob ich mir eine Träne wegwischen würde. Harry stieg darauf ein und fragte: „Soll ich dich gesund Küssen?"
Ich erstarrte. Harrys Stimme klang nicht sehr spaßend, sondern eher so als würde er es ernst meinen. Wie es wohl wäre ihn zu küssen und seine pinken Lippen auf meinen zu spüren?
„Ja, wenn ich es mir recht überlege, dann tun meine Lippen schon weh.", hauchte ich. Er war mir mittlerweile so nah, dass ich seinen Atem auf meinen Lippen spüren konnte. Seine Hand lag an meiner Hüfte, die durch die Berührung nicht mehr wirklich weh tat, sondern eher angenehm kribbelte. Ein Grinsen huschte über seine Lippen, bevor er sie endlich auf meine legte.
Ein Seufzen entfuhr mir und ich erwiderte den Kuss. Die Schmetterlinge tobten durch meinen Bauch und mein ganzer Körper wurde heiß. Nach einer gefühlten Ewigkeit lösten wir uns wieder voneinander. Er grinste mich schüchtern an. Ich strich ihm ein paar Locken aus der Stirn und drückte ihm noch einen kurzen Kuss auf die Lippen.
„Das wollte ich schon so lange machen.", meinte Harry leise.
„Ich auch, glaub mir.", nickte ich. „Harter Tag für Gott. Erst ein schwules Krippenspiel an der Geburt seines Sohnes und dann auch noch zwei Schwule Jungs, die sich hier ihre Liebe gestehen." Ich lachte. Harry stieg mit ein. „Ach, ich glaube er findet das nicht sehr schlimm."
Ich beobachtete ihn, wie er lachte und zog ihn dann nochmal zu mir herunter, um ihn zu küssen. Draußen rieselte leise der Schnee vom Himmel und ich hatte das wunderschönste Geschenk bekommen, was man sich nur wünschen kann.
Mein persönliches Weihnachtswunder.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro