[93] 2020
Nach Neujahr hatte sich vieles verändert. So vieles, dass ich es noch immer nicht fassen konnte. Liam war nach Scottland geflogen, um dort unser Geburtstagsgeschenk einzulösen. Und ich wusste, dass er diese Zeit mit Bear genießen würde und es ihm noch ein Stück besser ging, wenn er nach zwei Wochen heimkehrte und wir begannen neue Songs zu schreiben. Davon war ich fest überzeugt.
Aiden und Harry währenddessen genossen die Ruhe und die Zweisamkeit in ihrem neuen Haus. Ich wusste, dass dort draußen noch immer viel Hass lauerte. Dass es noch lange nicht vorbei war und die Leute wohl nie begreifen würden, dass Liebe nicht anhand von Videos oder Fotos zu erkennen war, in welche man zu viel hinein interpretierte.
Vermutlich würden sie es nie verstehen und nie aufhören „Larry" zu rufen, wenn Harry und Louis ihre enge Freundschaft öffentlich zu erkennen gaben.
Und so war ich sehr stolz auf Aiden, der langsam lernte damit umzugehen.
In letzter Zeit hatte ich gemerkt, wie er mehr und mehr aus sich herauskam und seinen Platz bei uns gefunden hatte. Diese Tatsache war immer wieder ein Grund zum Lächeln.
Da er die Arbeit im Café hier in London vorerst nicht weiterführte, hatte er sich etwas neues gesucht.
Seit Längerem besuchte Aiden regelmäßig Kinderheime in der Umgebung, um den Kindern etwas vorzulesen oder mit ihnen draußen zu spielen. Er begründete es damit, dass er genau wüsste, wie es war, ohne eine richtige Familie groß zu werden.
So wollte er ihnen eine Freude machen und hatte damit begonnen, dass er um die Weihnachtszeit herum mit ihnen Kekse gebacken hatte.
Schon damals als er beim Grillabend sich um Bear und Freddie gekümmert hatte, war mir klar geworden, dass er sehr gut mit Kindern konnte.
Harry unterstützte ihn in seiner Arbeit von ganzen Herzen. Manchmal kam er mit und sang mit den Kindern zusammen oder unterstützte das Heim finanziell.
Eine weitere Sache, die mir nicht mehr aus dem Kopf gehen wollte, war ein Gespräch mit Harry, welches vor ungefähr zwei Wochen stattgefunden hatte. Denn Aiden hatte Harry offenbar indirekt gefragt, ob er ebenfalls gerne Kinder aufnehmen würde. Kinder, ohne Orientierung und Zuhause.
Das hatte nicht nur mich, sondern auch Harry ziemlich durcheinander gebracht. Letztendlich hatte mir mein Kumpel allerdings gesagt, dass er es sich ebenfalls vorstellen konnte und dass diese Überlegung ein weiterer Grund für ihren Umzug gewesen war.
Für Harry war jedoch nicht klar gewesen, dass Aiden es so früh ansprechen würde. Ich wusste nicht, was in Zukunft alles passierte und was die beiden nun besprochen hatten, doch war ich mir sicher, dass sie die richtige Entscheidung treffen würden.
Louis und Eleanor hingegen waren durch ihre gemeinsamen Kinder nur noch mehr zusammen gewachsen. Sie hatten so viel mit durchmachen müssen und kannten sich schon eine so lange Zeit. Nun kümmerte sie sich zusammen um Johanna und Tommy.
Schon von Anfang an waren Eleanor und Louis ein gutes Team gewesen, hatten sich unterstützt wo es nur ging und waren immer für einander da gewesen.
Nun festigte sich diese Einstellung immer mehr, da sie sich beide rührend um ihre Kinder kümmerten.
Gut, Louis konnte die Arbeit des Milchgebens schlecht übernehmen, aber um den Rest kümmerte er sich Tag und Nacht. Vor allen dann, wenn Eleanor von ihrem neuen Leben erschöpft war.
Vorgestern hatte Louis doch tatsächlich gesagt, dass ihm Windelwechseln Spaß machen würde. Menschen waren wirklich verschieden...
Und was mich und Hailee betraf: Wir waren glücklich. Obwohl das Zusammenziehen wohl noch dauern würde, lagen überall Schminksachen und Klamotten in meinem Haus verteilt. Neben Hailee fühlte ich mich doch tatsächlich ordentlich.
Da wir andauernd nur vom Pizzaservice ernährt worden waren, hatten wir uns vorgenommen an diesem Tag selbst zu kochen. Und so war Hailee nun schon eine dreiviertel Stunde einkaufen, während ich die Küche vorbereitete.
Als es plötzlich an der Tür klingelte, lief ich schnelles Schrittes in den Flur, um Hailee die Tüten abzunehmen, doch war es gar nicht meine Freundin, die vor der Tür stand.
Es war der Postbote, der ein großes Paket vorbeibrachte und eine Postkarte, auf welcher ich sofort Liams Handschrift erkennen konnte. Ich bedankte mich bei den Mann, schloss die Tür wieder und stellte den Karton auf dem Wohnzimmer ab.
Ich hatte vor einer Woche zwei Kuscheltiere bestellt, eines trug ein Shirt mit dem Namen Johanna, das andere mit dem Namen Tommy.
Diese wollte ich Louis bei unserem nächsten Treffen unbedingt vorbei bringen. Nachdem ich den Inhalt des Paketes überprüft hatte und die Katze und den Hund rausgenommen und schmunzelnd betrachtet hatte, widmete ich mich der Postkarte. Mein Schmunzeln wurde nur noch breiter.
Hallöchen Niall,
ich melde mich hier aus meiner Kur. Eigentlich müsste ich sauer auf dich sein, da du mir nicht gesagt hast, dass hier keine elektrischen Geräte erlaubt sind und mein Handy mir am ersten Tag weggenommen wurde. Das wusstest du genau!
Aber ich kann dir nicht böse sein, weil es hier einfach so unglaublich schön ist. Die Menschen sind super lieb und das Meer und die Küste einfach unglaublich (das siehst du ja auf der Rückseite).
Außerdem verbringe ich viel Zeit mit Bear. Und na ja, was soll ich sagen. Es gibt hier noch Jemanden, mit der ich viel Zeit verbringe. Sie hat eine Tochter Lily, mit der sich Bear gut versteht. Gestern sind wir zu viert zusammen mit dem Tretboot raus. Keine Ahnung, man kann super mit ihr reden und philosophieren. Aber ich will es langsam angehen lassen.
Sonnige Grüße!
Dein Liam
PS: Grüße Hailee von mir
Liam wollte es langsam angehen lassen? Also entweder wurde er entführt und sein Entführer hatte als Alibi diese Postkarte verschickt oder Liam war tatsächlich vernünftig geworden.
Die erste Vermutung kam mir wesentlich realistischer vor.
Noch immer grinsend, lief ich zurück in die Küche und platzierte die Karte an dem Kühlschrank mit einem Magneten. Da fiel mein Blick auf einmal auf den Zettel, der daneben hing: Mum anrufen!
Das hatte ich ganz vergessen. Ich wollte sie doch fragen, ob ich bevor wir beginnen würden an dem Album zu arbeiten meine Familie in Irland besuchen konnte.
Wenn das Telefonat nicht so lange dauerte, würde ich es vor Hailee noch schaffen.
Schnell schnappte ich das Telefon und ließ mich schwungvoll auf dem Sofa nieder.
„Greg?, fragte ich kurz darauf irritiert nach. Entweder hatte ich mich verwählt oder mein großer Bruder besuchte gerade, ohne mir Auskunft darüber zu geben, unsere Familie.
„Ich bin für ein paar Tage mit Theo hergekommen", erklärte Greg da und fügte hinzu: „Du willst sicherlich auch noch mal vorbei schauen, bevor ihr wieder Verpflichtungen ausgeliefert seid, stimmt's?"
„Jep", stimmte ich ihm zu und hob Kopfschüttelnd ein T-Shirt von Hailee hoch, welches aus irgendeinem Grund auf dem Sofa lag. „Mum hätte doch sicher nichts dagegen, wenn ich Jemanden mit bringe, oder?"
Greg lachte in den Hörer. „Nein, Hailee ist immer willkommen. Wir sind nur alle froh, dass das Drama endlich ein Ende gefunden hat"
In diesem Moment hörte ich ein Schlüssel in der Haustür und blickte den Flur herunter. Hailee kam mit jeweils einer Tüte in einer Hand herein gestolpert.
Schnell erhob ich mich, um ihr zu helfen.
„Ja ja, Drama hatte ich genug", nuschelte ich verlegen. In einer Hand noch immer das Telefon, nahm ich ihr eine der Tüten ab und schleppte sie in die Küche.
„Na dann, grüße Mum von mir und sage ihr, dass ich nächste Woche kommen würde", sagte ich noch, bevor Greg zu stimmte und wir uns verabschiedeten.
Eine Weile räumten Hailee und ich die Tüten aus und breiteten alle Zutaten für die Lasagne auf dem Tisch aus. Gerade als sie das Hack aus dem Stoffbeutel zog, fragte ich nach: „Hailee, hättest du nächste Woche Lust mit nach Irland zu kommen?"
Sie hielt inne und seufzte. „Ich würde ja gerne, aber ich muss nächste Woche wegen einem Termin nach New York. Habe ich dir das gar nicht gesagt?"
Ich schüttelte den Kopf und holte die Auflaufform aus dem oberen Schrank. „Schon gut, wir können es ja nach holen"
Ich konnte nicht vermeiden enttäuscht zu klingen. Ich hatte mich schon darauf gefreut mit meiner Familie und Hailee zusammen Zeit zu verbringen. Zumal die nächsten Wochen die letzten ruhigen Tage gewesen wären.
„Niall, wir sehen uns doch dann in zwei Wochen wieder", versuchte Hailee mich zu besänftigen. Man sah ihr das schlechte Gewissen deutlich an.
Ich nickte und wandte mich wieder der Backform zu. Einige Zeit bereiteten wir stumm das Essen zu, während die Stimmung ein wenig gekippt war. Ich hasste es, dass sie immer so viele Termine hatte.
„Niall" Hailee grinste mich plötzlich an. „Das war nur ein Witz. Natürlich komme ich mit nach Irland"
Fassungslos stieß ich ihren Namen aus, während ich mich ruckartig umdrehte. Ich jagte um den Tisch herum, während sie lachend floh und im Wohnzimmer verschwand. Nach einer Verfolgungstur landeten wir schließlich beide auf dem Sofa.
„Warum genau ist meine Freundin noch mal eine Schauspielerin?", fragte ich noch immer beleidigt nach und zog eine Schnute.
„Tja", Hailee grinste triumphierend. Doch dieses Grinsen erlosch, als ich sie an mich zog und begann sie durchzukitzeln.
„Niall" Sie versuchte sich aus dem Griff zu befreien. Irgendwann zeigte ich Gnade und nahm sie in den Arm. Eine Weile lagen wir einfach so dar. Dann prustete Hailee auf einmal los und ich stimmte sofort mit ein.
„Ich habe kein Bock zu kochen", meinte ich irgendwann.
„Ich auch nicht" Hailee sah zu mir auf und grinste.
Ich gab ein leises „Mhm" von mir und nahm sie noch fester in den Arm. Obwohl ich noch immer beleidigt war, freute ich mich auf die Zeit mit ihr in meiner Heimat.
Lange blieben wir einfach so auf dem Sofa sitzen, während in der Küche das Essen darauf wartete zu bereitet zu werden.
Mein Blick schweifte von den Stofftieren auf dem Tisch, zu dem Schreiben des Kinderheims, welches Aiden und Harry immer besuchten, weiter in Richtung Küche, an dessen Kühlschrank die Postkarte von Liam hing und schließlich zurück zu Hailee.
Wir hatten uns verändert, zusammen mit unseren Leben und unserem Umfeld, doch tief in unserem Herzen würden wir wohl immer die bleiben, die damals bei X-Factor ihrem Schicksal ins Auge geblickt hatten.
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