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Er schnappt nach Luft, ist überrascht. Nein, mehr als überrascht. Er ist wie vom Schlag getroffen. Darüber, dass ich es wieder hierher geschafft habe, ohne verhört zu werden. Zurückzukommen, um mit ihm die Mission zu beenden. Meine Stimme hat Erkenntnis in ihm ausgelöst.
Ohne ein weiteres Wort zu sagen, greife ich in die Brusttasche der Wächterin, in der sich der kleine Schlüssel befindet, mit dem sie vorher die Metallfesseln um meine Handgelenke aufgeschlossen hat. Ich brauche sie jetzt nicht mehr. Aber ich habe keine Lust, eine Patrone an sie zu verschwenden. Ich rede mir selbst ein, dass das keine Ausrede ist, um mein Mitleid zu rechtfertigen.
Anstatt sie zu töten, schlage ich ihr mit dem Griff meiner Pistole gegen die Schläfe und sie sackt in sich zusammen. Dann befreie ich Torian von seinen Fesseln.
„Danke."
Ich hasse es, wenn sich andere bei mir bedanken. Dann weiß ich nie, was ich antworten soll. Also spiele ich es herunter, obwohl ich weiß, dass ich seine Dankbarkeit verdient habe.
„Wofür?"
Als Antwort spüre ich seine Lippen auf meinen.
Ich habe noch nie einen Jungen geküsst. Nur einmal, wegen einer Wette. Aber das zählt nicht.
Damals, während meiner Ausbildung, ging ein Mädchen namens Shanaya Sandler in meine Klasse. Sie hatte 10 Dollar darauf gesetzt, dass ich mich nicht trauen würde, Gordon Tanner, ebenfalls aus meiner Klasse, zu küssen. Ich konnte ihn sowieso nicht leiden. Er duschte sich sehr selten, oder zumindest nicht oft genug, um neutral zu riechen. Und dieser Kuss hatte auch nur zwei Sekunden gedauert, dann hatte ich mich - angeekelt von seinem Körpergeruch - von ihm gelöst.
Aber Torian ist anders. Er duftet nach frischen Gräsern und Heu und Wald, und seine Lippen sind weicher und angenehmer, nicht aufgesprungen und trocken wie die von Gordon.
Ich weiß, wir sind auf einer wichtigen Mission, und ich weiß, ich kann ihn nicht leiden. Aber irgendetwas bringt mich dazu, mich nicht von ihm zu lösen, ihn weiter festzuhalten.
Er gibt mir das Gefühl, doch nicht so kalt und abweisend, so gefühllos zu sein, wie ich mich selbst einschätze. Es ist, als könne er hinter die Fassade schauen, die ich errichtet habe, um mich vor ungewollten Emotionen zu schützen.
Denn Emotionen ist nicht genug, um das zu beschreiben, was ich fühle. Alle Beschreibungen von Küssen, die ich je gehört habe, haben etwas mit Schmetterlingen und Kribbeln im Bauch zu tun. Aber bei mir ist es ganz anders. Es fühlt sich an, als wäre da eine Bombe in meinem Bauch, die ich schon immer mit mir herumgetragen habe, und die Torian zum Explodieren gebracht hat. Die Detonation, eine Welle von Gefühlen, breitet sich in meinem ganzen Körper aus, dringt in jeden kleinsten Winkel und füllt mich mit angenehm prickelnder Wärme.
Es ist so schön, dass ich niemals wieder damit aufhören will. Aber ich weiß, wir können nicht ewig hier bleiben und uns küssen. Wir werden uns voneinander trennen müssen.
Ganz vorsichtig, als wäre ich eine Glasfigur und könnte jeden Moment in tausende Stücke zerbrechen, löst Torian sich von mir. Aber trotz dieser Sanftheit verschwindet die Welle an Emotionen, die vorher in jeden Teil meines Körpers geströmt ist, schlagartig und ich werde viel zu hart zurück in die Realität gerissen.
Torian. Ich. Die Mission.
Da schaue ich in seine Augen, und verliere mich fast in diesen tiefen, blauen Teichen voller Gefühle, in die man leicht hereinfallen und darin ertrinken kann, wenn man nicht richtig aufpasst.
Behutsam streicht er mir eine widerspenstige Strähne meiner Haare hinters Ohr, die mir ins Gesicht gefallen ist.
„Dafür, dass du hier bist."
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