9 - Das war ich nicht
Kapitel 9
Zurück im Unterricht hörte ich dieses Mal erst recht nicht dem Lehrer zu und achtete kein bisschen auf Brianas leise geflüsterte Kommentare zu der schrecklichen knarzenden Stimme von Mr Woodsheld.
Zwar spukten jetzt nicht mehr die Bilder von meinem Traum aus der Nacht in meinem Kopf herum, dafür wiederholte sich immer und immer wieder die Szene, von der ich gerade unwillentlich Zeuge geworden bin.
Besonders der Momnet, in dem Lorenz ohne Weiteres ausholte und zuschlug. Und auch das, was Briana mir anschließend anvertraut hatte, konnte ich ebenfalls nicht vergessen.
Wahrscheinlich, weil ich noch immer nicht darüber hinwegkam.
Meine eigenen Gedanken und Schlüsse versuchten sein Verhalten, besonders mir gegenüber, wieder in ein richtiges Licht zu rücken und mir einzureden, dass das alles vielleicht Gründe haben könnte, warum er dies und jenes machte.
Aber auf der anderen Seite stieg trotzdem etwas die Furcht vor ihm an. Ich war so schon unsicher, wenn er in meiner Nähe war und mit dem Wissen jetzt, würde sich das auf keinen Fall verbessern.
Eher werde ich jedes Mal daran denken, wenn er wieder auftauchte und-
"Sofia."
Ich zuckte zusammen, weil ich mal wieder alles um mich herum vergessen hatte, und drehte mein Gesicht verwirrt zu Briana. "Was ist denn?"
Doch dort saß keine Briana mehr, weswegen ich mich nun noch irritierter umschaute und sie schließlich neben meinem Stuhl stehend entdeckte.
"Was machst du-",
"Hast du das nicht mitbekommen? Wir sollen Partnerarbeit machen und du bist mit Henry eingeteilt. Deswegen mus ich dich jetzt leider verlassen und zu Cara gehen", unterbrach sie mich.
Ich soll mit Henry arbeiten?
Mein Blick wanderte hektisch zu Henry herüber. Ein großer Kerl mit einem für meinen Geschmack viel zu überheblichen Grinsen auf dem Gesicht, das er mir genau in dem Moment schenkte. Geschockt registrierte ich, dass er bereits schon seine Sachen zusammenpackte, um in meine Richtung zu laufen.
Gerade noch so erwischte ich Brianas schmalen Arm, um sie festzuhalten und ihr einen flehenden Blick zuzuwerfen. "Meinst du, Cara könnte nicht lieber mit Henry zusammenarbeiten?"
Sie seufzte und schüttelte den Kopf. "Nein, leider nicht. Ich habe Mr Woodsheld vorhin schon gefragt. Aber das hast du wohl auch nicht mitbekommen", sie schenkte mir ein belustigtes Lächeln und schien nichtmal zur Hälfte zu erahnen, welchen Extremen ich ausgesetzt wurde.
Partnerarbeit war okay. Auch Partnerarbeit mit einem Jungen war okay, der nett und höflich ist, denn die hielten sich auf Abstand. Aber eine Partnerarbeit mit Henry würde die Hölle werden.
Henry war mit seiner arroganten und uneinsichtigen Art total anstrengend und dazu mischte sich auch noch, dass er sehr aufdringlich war und das Wort Abstand nicht im Entferntesten kannte.
Ich hatte mal mitbekommen, wie er mit Sara zusammenarbeiten musste und selbst sie war total erschöpft nach der Unterrichtsstunde. Ständig ist er an sie herangerutscht, hat ihr Bein betatscht und dabei hatte er noch alles entschieden, was sie auf ihrem komischen Plakat hinschrieben und was nicht. In Zusammenhang mit seinem schmierigem Grinsen natürlich.
Und Sara hatte nichtmal die gleichen Probleme wie ich - wie würde ich erst darauf reagieren, wenn er mir auf die Pelle rückt?
Verzweifelt suchte ich den Raum nach Mr Woodsheld ab, aber wie es natürlich sein musste, war er weit und breit nicht zu sehen.
Vom Erdboden verschollen.
Das Blut begann schon in meinen Ohrne zu rauschen und auch meine Hände fühlten sich bereits kalt und schwitzig an.
Ein Stuhl scharrte neben mir über den Boden und läutete in kürzester Zeit den Beginn meines zweiten Albtraums ein.
Verkrampft bohrten sich meine Fingerspitzen in meinen Oberschenkel, gleichzeitig konzentrierte ich mich stur auf das leere Blatt vor meiner Nase.
"Hi Sofia", säuselte er schon los und mir wurde ein Arbeitsblatt in das Sichtfeld geschoben. "Schön, dass wir auch endlich mal zusammenarbeiten."
Aus den Augenwinkeln sah ich, dass er seinen schlaksigen Arm auf den Tisch abparkte. Noch war der weit genug von mir entfernt.
"Hallo", gab ich knapp von mir und ignorierte es weiterhin in seine Richtung zu blicken.
Eine weitere Bewegung neben mir und mir kam es so vor, dass er jetzt schon dichter an mich herangerückt ist. "Eine sehr erfreute Begrüßung, aber ich nehme das nicht allzu persönlich. Nach der Party am Samstag muss du ja ganz schön fertig sein."
Ob ich es wollte oder nicht, aber mein Kopf drehte sich ruckartig zu ihm und schon hatte ich dieses widerliche Grinsen direkt vor mir. "Was meinst du?", hakte ich misstrauisch nach und versuchte nicht allzu ertappt auszusehen.
Ist er auch dort gewesen und ich hatte es einfach nicht mitbekommen? Oder wurden sich schon Sachen herumerzählt, sodass jeder von meiner Flucht vor Josh auf dem neuesten Stand war?
Seine schlammbraunen Augen funkelten mich spöttisch an, während sie sich weiter in meine hineinbohrten. Er ließ sich sehr wohl Zeit mit einer Antwort, wofür ich hin nur noch mehr hasste. "Denkst du etwa, es weiß niemand, dass du Josh einfach so sitzen gelassen hast? Vor allen Augen auf seiner eigenen Party? Hätte ich dir gar nicht zugetraut. Das muss dir ja so einiges an Kraft geraubt haben. Vorallem dein rasanter Abgang."
Ein kalter Schauer raste über meinen Rücken und setzte sich sogar in meinen Knochen fest. Im Stande ihm eine vernünftige Antwort zu geben?
Das war ich nicht.
Viel zu sehr hatte ich mit mir selbst zutun. Besonders mit der Schuld und den Gewissensbissen, die sich nun fröhlich pfeifend in mir einnisteten.
Ich hatte inständig gehofft, dass niemand etwas davon mitbekommen hatte. Aber anscheinend hatte wohl auch nur ein Augenpaar ausgereicht und dieses Augenpaar gehörte auch noch zu jemanden, der das in die weite Welt tragen musste.
Ich schluckte hart.
"Der soll wohl ganz schön mitgenommen gewesen sein", fuhr Henry ohne Weiteres fort. Seine zufriedene Miene bestätigte mir ganz genau, dass er die Situation hier aus vollen Zügen genoss. "Aber immerhin hassen dich die Mädchen jetzt nicht mehr so, weil du ihn freiwillig abgewiesen hast und keine große Konkurrenz mehr bist. Nur für uns Jungs bist du nun um einiges interessanter geworden. Weil wenn man nicht auf Goldjungs wie Josh steht, auf welche dann?" Seine Stimme wurde zum Ende hin immer leiser und ich merkte, wie er sich näher an mich heranbeugte.
Meine Haare stellten sich im Nacken auf und bevor er sich mit seinen Reden noch weiter feiern konnte, stand ich auf und schob laut quietschend den Stuhl nach hinten.
Alle Augen richteten sich auf mich, besonders die besorgten von Briana.
Mein Gott, noch erbärmlicher konnte dieser Tag echt nicht mehr werden.
Bevor auch nur irgendjemand etwas sagen konnte, trugen mich meine Füße wie von alleine aus dem Raum heraus und den leeren Gang herunter. Umso weiter ich mich von den anderen entfernte, umso schneller wurde ich.
Es war eine Art Deja-vu von der Nacht, in der die Party stattfand.
In der Nacht, in der ich Josh einfach sitzen ließ.
Und jeder wusste davon.
Die erneute Erkenntnis fraß sich wie ein unbändiges kaltes Feuer durch meinen Körper und trieb mir die Tränen in die Augen.
Ich wollte das doch alles nicht. Ich wollte ihn nicht sitzen lassen, ich wollte ihn nicht vor den anderen bloßstellen und ich wollte auch nicht zum Topthema Nummer eins werden.
Ich wollte nur eines: Normal sein.
Doch der Weg dorthin und vorallem das Ziel schien mir immer weiter wegzurücken und aus meinen vor Wut zitternden Händen zu entgleiten.
Diese besagten kraftlosen Hände schafften es gerade so die Tür zum Ausgang der Schule aufzustoßen. Frische Luft entfing mich und sogleich bereute ich es, dass ich meine Jacke nicht mitgenommen hatte.
Der Gedanke an meine Jacke, die noch über meinen Stuhl hing, führte mich weiter zu den anderen Leuten im Raum, die meinen Abgang live mitbekommen hatten. Würden sie mich suchen? Sollte ich zurückkehren?
Was tat ich hier eigentlich überhaupt?
Jetzt fiel ich noch mehr auf und schon wieder hatte ich die Flucht vor einem Jungen ergriffen. Gut, es war Henry. Wer würde da nicht gerne wegrennen. Aber verdächtig konnte es für die anderen schon sein.
"Mist", murmelte ich und stellte mich in eine windgeschützte Nische, ein paar Meter entfernt von der Tür. Hier standen ein paar Pickinikbänke und die Tannen vor mir rauschten leise im Wind. Mit dem Rücken zur Hausmauer der Schule rieb ich mir fröstelnd meine Hände aneinander und stoppte damit, als ich Schritte vernahm.
Tut mir leid, ich weiß, es hat wieder einige Zeit gedauert... aber im Moment bin ich viel unterwegs und dadurch oft sehr müde😢 falls ihr euch fragt, wie kann man in der Coronazeit bitte viel unterwegs sein, ich mache ein Freiwilliges Soziales Jahr und fahre sozusagen Leute von A nach B. Entweder zu Ärzten, zu Krankenhäusern oder von den Notaufnahmen nach Hause. Meistens ältere oder behinderte Menschen und oft auch behinderte Kinder, die wir zur Schule bringen. Also falls jemand nach der Schule noch keinen Plan hat, empfehle ich das sehr. Man bekommt so einige Erfahrungen mit auf den Weg😊 der Nachteil dafür ist aber auch, dass man zur Zeit oft getestet wird und so weiter... naja.
Wie findet ihr das neue Cover?
Und was denkt ihr, wie wird es weitergehen?
💖
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