5 - Angenehm und unangenehm zugleich
Kapitel 5
Es war anders, als ich es mir in meinen Vorstellungen ausgemalt hatte.
Nachdem ich endlich weiter außerhalb einen Parkplatz für das Auto gefunden hatte, stand ich nun vor dem Haus mit der Nummer 51 und konnte mich nicht entscheiden, was ich tun sollte.
Also begutachtete ich das Haus nun schon zum vierten Mal von oben bis unten. Es hatte ein dunkles spitzes Dach und mindestens zwei Stockwerke plus einem Dachgeschoss. Die Fassade bestand aus hellgrauem Klinkerstein und dunkelgraue große Fensterrahmen rundeten das Erscheinungsbild ab, sodass es insgesamt ein Zusammenspiel aus hell und dunkel ergab.
Die Haustür hingegen leuchtete in dem gedimmten warmen Licht der Außenbeleuchtung weinrot.
Der Vorgarten bestand ausschließlich aus scheinbar frisch gemähten grünem Rasen und einer gepflasterten Auffahrt, von der sich ein paar Meter weiter ein schmalerer Weg zur Hauseingangstür abzweigte.
Der schwache, etwas frische Wind rauschte durch die Baumkronen und davon gab es reichlich viele. Josh lebte in einem eindeutig noch edlerem Viertel als ich. Die Wohngegend war hier fast wie ein Park gestaltet. Bäume und gepflegte Büsche säumten die Straße, zwischendurch führten kleine Wege in offene, gartenähnliche Anlagen. Die Häuser standen sehr weit auseinander und irgendwie besaß hier gefühlt keine einziger Mensch einen Zaun. Protzige Autos standen in den sauber gehaltenen Einfahrten und auch vor Joshs Haus parkte ein kleiner Fuhrpark, nur war der längst nicht so groß, wie es eigentlich bei einer angekündigten Party sein müsste.
Es standen keine betrunkenen Jugendliche im Vorgarten, ich hörte keine Musik und sah nicht den winzigsten roten Plastikbecher.
Wollte Josh das alles etwa undercover halten? Oder wurde die Party sogar einfach verlegt und niemand hatte mir davon etwas erzählt, weil auch niemand mehr mit meiner Anwesenheit gerechnet hatte?
Mein Blick fiel auf die Armbanduhr an meinem linken Handgelenk.
Es war jetzt fast genau um zwölf Uhr und somit müsste alles noch voll im Gange sein. Jedenfalls erzählte das Phoebe immer.
Apropos Phoebe.
Ich hätte ihr doch mal schreiben sollen, dann würde ich mich jetzt nicht mit einem Mal so alleine fühlen. Nur hatte ich das erst nicht gemacht, weil ich mir immer noch die Option zum Umkehren offen halten wollte.
Sollten alle die Location wirklich gewechselt haben, wäre das ein Wink des Schicksals. Ich könnte nach Hause umkehren und mir wenigstens sagen, dass ich es versucht hätte. Ich war dort... nur halt nicht mit den anderen.
Obwohl ich mich jetzt schon zum Umkehren zwingen wollte, lief ich die Einfahrt trotzdem hoch und stoppte schließlich vor der stilvollen Eingangstür. Mein Zeigefinger betätigte die Klingel, während ich gleichzeitig selbst nicht so wusste, was ich wollte.
Wollte ich, dass mir niemand aufmachte oder wollte ich, dass jetzt genau Josh vor mir stehen würde?
In meinen Überlegungen vertieft, bekam ich erst gar nicht mit, dass sich die Tür vor meiner Nase öffnete. Erst als ein breitgebauter Oberkörper vor meinen Augen erschien, wurde ich wieder ins hier und jetzt zurückgeschmissen.
Mein Kopf ruckte augenblicklich hoch und ich fand mich sofort in warmen hellblauen Augen wieder.
"Sofia", kam es verblüfft von Josh. Doch die anfängliche Verblüffung wandelte sich schnell in Freude um, die er mir mit einem breiten Grinsen und strahlenden Augen ganz offen zeigte. "Hey, ich habe gar nicht mehr damit gerechnet, dass du noch kommst", schob er hinterher und fuhr sich mit der Hand durch die hellen Haare.
Ähm naja. Ich hatte selbst nicht mehr damit gerechnet.
Ich schenkte ihm nun auch ein Lächeln und vergrub meine Hände tiefer in die Taschen meiner Jacke. "Ich konnte nicht gleich herkommen", flunkerte ich und so sehr war es ja auch nicht gelogen.
Und Josh schien es auch egal zu sein, denn er machte nur eine wegwerfende Handbewegung. "Das ist doch völlig egal. Hauptsache, du bist jetzt hier", antwortete er und lächelte mich eine kurze Weile schweigend an, ehe wieder Leben in ihm kam.
Wieder tat er mir so unglaublich leid. Falls er mich wirklich besonders mögen sollte, konnte ich das einfach nicht so erwidern, wie er es möchte. Ich glaubte kaum, dass er eine Beziehung mit Abstand haben wollte, bei der man sich nur aus der Distanz unterhalten und anlächeln konnte.
Kein Händchenhalten, kein Kuscheln, keine weiteren anderen Berührungen. Nichts. Nichts davon ist möglich und dabei ist er so ein netter Kerl.
"Du hast echt Glück, dass ich gerade im Haus bin, sonst hätte ich dich gar nicht gehört", sagte er nun.
Verwundert hob ich die Augenbrauen an. "Wie meinst du das?"
"Wir feiern unten am See, da steht auch eine etwas größere Gartenhütte. Ich meine, so lange es noch nicht allzu kalt ist, können wir das Wetter noch ausnutzen. Aber du hast wohl an etwas anderes gedacht", sein Blick fiel dabei auf meine dünne Lederjacke. "Tut mir leid, das hätte ich dir sagen sollen", quetschte er betreten dahinter.
Oh man ja, das wird echt eine kühle Angelegenheit.
"Ach", machte ich und zuckte mit den Schultern, meine Zehen fingen jetzt schon zu frieren an. "Das wird schon gehen..."
"Nee", er schüttelte den Kopf. "Nee, das machen wir anders. Ich gebe dir noch einen dicken Pullover von mir oder sowas - aber komm erstmal herein", unterbrach er sich selbst und wich zur Seite.
Meine Augen beäugten den wenigen Abstand zu ihm skeptisch. Im Vorbeigehen würde dort nicht viel Platz zu seinem Körper sein...
Ich schluckte.
Egal, was solls. Augen zu und durch. Wenn ich schnell genug war, würde ich das gar nicht so schnell mitkriegen und es konnte ja nicht jetzt schon scheitern, weil ich einfach nicht an ihm vorbeigehen konnte.
Das wäre erbärmlich, aber widerum auch sehr typisch für mich.
Um also nicht weiter wie blöd vor dem Eingang festgewachsen zu wirken, presste ich meine Lippen fest aufeinander und schob mich eilig an ihm vorbei. Mein Herzklopfen hallte mir in den Ohren wieder, als ich hinter ihm zum Stehen kam und beobachtete, wie er die Tür ins Schloss fallen ließ.
Leise versuchte ich tief Luft zu holen und stellte erstaunt fest, dass das Haus total angenehm roch. Nach Holz und irgendwie nach etwas wie Räucherstäbchen.
Es war überraschend und angenehm zugleich, so dass es mich kurz ablenkte.
Josh drehte sich in diesem Moment zu mir um und deutete an, dass ich ihm folgen soll. "Komm mit, wir holen dir mal schnell einen Pullover von mir."
Zögernd setzte ich mich in Bewegung und lief hinter ihm die große Wendeltreppe mit nach oben. "Ist es denn nicht schlimm, wenn du jetzt so lange bei den anderen fehlst?", fragte ich ihn. Einerseits, um mich wirklich zu vergewissern, andererseits, weil ich irgendwie ein Gespräch aufbauen wollte.
"Ach nein, das passt schon", versicherte er mir und stieß ein Stück weiter von der Treppe entfernt rechts eine Tür auf.
Zusammen mit ihm trat ich in seinen Raum ein, der an sich sehr schlicht und in ungwöhnlichen dunklen Farben gehalten ist. Ein großes Bett an der einen Wand, einen großen Schrank an der anderen, dann gab es noch einen Schreibtisch, einen Flachbildfernseher und zu guter letzt eine Vitrine, in der Pokale und Medaillen im schwachen Licht glänzten.
Vermutlich stammten die alle von seinen eigenen sportlichen Erfolgen und von den Siegesserien mit dem Team. Ich glaubte sogar, dass Josh Teamkapitän ist und deswegen die meisten Sachen bei sich hatte.
"Willst du irgendeine bestimmte Farbe?", riss mich seine Stimme plötzlich aus den Gedanken und ich wirbelte zu ihm herum.
Er stand am Schrank, die beiden Türen waren mittlerweile geöffnet, und er begutachtete wohl offentsichtlich den Inhalt.
"Äh nein", antwortete ich schnell. "Ich bin froh, dass du mir überhaupt etwas gibst."
Kurz wandte er sich zu mir um und musterte mich prüfend, ehe er zwischen den vielen Sachen etwas hervorzog. "Ich glaube, wir bleiben mal bei Dunkelblau. Das steht dir ganz gut", murmelte er mehr zu sich selbst als zu mir, doch ich hörte es trotzdem.
Meine Wangen fingen daraufhin zu glühen und ich hoffte, sie waren nicht so extrem auffällig rot angelaufen.
Als er offenbar das gefunden hat, wonach er gesucht hatte, trat er auf mich zu und hielt mir einen dunkelblauen zusammengefaltenen Pullover hin. "Bitteschön. Wenn du möchtest, kann ich später auch nach einer anderen Jacke oder sowas suchen. Du musst mir nur Bescheid sagen."
Ich nickte und betrachtete den Pullover in seinen Händen. Noch nie hatte ich Sachen von Jungs getragen und ich wusste in dem Moment nicht, ob mich das genauso beeinflussen würde als wenn ich ihn als Menschen berühren würde.
Ich hatte es eben noch nie ausprobiert.
Deswegen streckte ich sehr vorsichtig meine rechte Hand danach aus, um mit den Fingerspitzen über den Stoff zu fahren.
Er war weich und irgendwie kuschelig. Und das beste ist, dass es mir nicht im geringsten etwas ausmachte.
Erfreut darüber, zog ich mir also meine Jacke aus, klemmte sie mir zwischen die Beine und streifte mir den großen Kapuzenpullover über. Sofort war der Geruch nach diesen bestimmten schönen Räucherstäbchen intensiver und umgab mich wie eine Dunstwolke. "Dankeschön", sagte ich und strich verlegen über den Stoff, bevor ich mir meine Lederjacke überzog.
Naja, eher versuchte ich es sie überzuziehen. Natürlich war sie zu eng und das hätte mir auch mal früher einfallen können.
Ich hörte ihn leise neben mir lachen. "Oh ich glaube, ich kann dir wohl jetzt schon was anderes geben." Er nahm mir wie selbstverständlich meine Jacke aus der Hand und hing sie über den Stuhl an seinen Schreibtisch, ehe er sich wieder auf seinen Schrank konzentrierte.
Das ganze ging so schnell, dass mein Körper jetzt erst auf die kurze Berührung an meiner Hand reagierte.
Das unkontrollierte Schwitzen setzte ein und aufeinmal war mir mehr als nur warm. Unwohl zupfte ich mir an meinem Kragen herum, doch es brachte nicht sonderlich irgendetwas, weswegen sich mehr und mehr ein Ziel in meinem Kopf formierte.
Ich musste hier raus.
"Du Josh, das geht schon", sprach ich schnell. "Lass uns lieber zu den anderen gehen." Nervös trat ich von einem Bein auf das andere, um mein Verlangen wie wild wegzurennen zu unterdrücken.
"Gut, wie du meinst", Josh stieß die Schranktüren zu und kam auf mich zu.
Um meinen Abstand zu ihm einzuhalten, wandte ich mich um und schritt zügig den Flur entlang zur Treppe. Unten angekommen begegnete ich kurz seinem verwirrten Blick, als ich mich zu ihm hindrehte.
"Alles gut? Du bist so blass", stellte er besorgt fest.
Verdammt, das alles wurde echt schwerer als gedacht. Aber bisher hatte ich mich gar nicht so schlecht geschlagen. Nur müsste ich jetzt auch mal bei der Party ankommen.
Ich winkte also ab und beruhigte mich, als sich mein Puls wieder etwas normalisierte. "Ja klar, alles gut."
Er nickte wieder, lächelte und lief weiter in das Haus hinein. Ich folgte ihm durch ein weitläufiges und großes Wohnzimmer. Die Tür zur Terasse stand offen und als wir hinaustraten, hörte ich auch endlich etwas von der Musik.
Allerdings sah ich noch immer weit und breit keine Party.
Josh musste wohl meinen verwunderten Blick bemerkt haben, da er sofort zu einer Erklärung ansetzte. "Die Party ist hinter dem Wald am Ufer. Die Bäume schirmen den Lärm zum Glück ab. Du wirst sehen, es ist dort sehr schön." Und dann lief er neben mir los.
Nochmals schluckte ich.
Jetzt hatte ich mit die letzte Chance zum Rückzieher - und doch wollte ich daran gar nicht denken. Ich wollte nur daran denken, dass ich hinterher unglaublich stolz auf mich sein würde, wenn ich die nächsten Stunden heil und ohne unangenehmen Zwischenfällen überstehe.
Wer mag Josh?
Ich weiß, jetzt geht es erst richtig los. Aber die paar Minuten mit Josh mussten auch sein🤫 vielleicht schaffe ich es ja heute nochmal etwas hochzuladen.
Na, was denkt ihr? Was wird auf der Party so alles passieren? Freut sich schon jemand auf Lorenz?
Bis dahin.
💖
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro