19 - Sicherheit und Gefahr
Kapitel 19
Die Zeit verging auf wundersamer Weise irgendwie, in der ich den Gesprächen der anderen lauschte, nachdem ich Josh von Lorenz abgelenkt hatte.
Immerhin wusste ich jetzt eine Menge mehr über Football, welche Positionen wohl auf dem Spielfeld am Samstag von wem belegt werden und dass die Gegner angeblich mit die schlimmsten der Saison sein sollen.
So gesehen klang es gar nicht so uninteressant. Und anhand der verschwörerischen Seitenblicke von Phoebe zu mir herüber schlussfolgte ich, dass sie auf jeden Fall dorthin gehen möchte.
Einerseits überlegte ich mir schon Ausreden, andererseits... überlegte ich, vielleicht doch mal hinzugehen.
Ich nahm den nächsten Bissen von meinem Pfannkuchen von der rauen Holzgabel. Es war keine Überraschung, dass mir das heute nicht schmeckte.
Die Umstände... und alles.
Als dann die zwei Freistunden vollständig vorbeigezogen sind und die Pausenklingel erklang, atmete ich erleichtert auf.
Ich machte Anstalten aufzustehen, merkte aber, dass Phoebe nicht im Entferntesten daran dachte. Im Gegenteil, sie schien überraschenderweise mit diesem Jasper in einem Gespräch vertieft zu sein.
Hatte sie nicht erst letztes gesagt, dass sie jemand anderen toll fand?
Selbst als ich sie bestimmt mehrere Sekunden lang anstarrte, schien sie es nicht zu bemerken.
Na toll.
Wollte sie etwa die Frühstückspause auch noch hier sitzen bleiben?
Also ich sicher nicht.
In diesem Augenblick vibrierte mein Handy in meiner Hosentasche. Ich zog es hervor.
Lorenz: Wollen wir jetzt reden?
Er hatte tatsächlich noch daran gedacht. Und dass es durch diese blöden Freistunden ausgefallen ist.
Noch konnte ich einen Rückzieher machen und sagen, dass es sich erledigt hat. Denn nun war da wieder diese unkontrollierbare Aufregung in mir.
Allerdings hatte ich heute ja ganz genau mitbekommen wie es ist, wenn er mir zur Seite stehen würde.
Es fühlte sich...
Seltsamerweise gut an.
Beschützend.
Jemand, der eingeweiht ist und mir nach all den Jahren, in denen ich mich allein durchkämpfte, endlich helfen konnte und sich auch noch in meinem unmittelbaren Umfeld befand.
Also antwortete ich ihm mit einem „Ja" auf seine Nachricht.
Als ich mein Handy darauf wegsteckte, wurde ich zunehmend nervöser. Es kribbelte in meinen Fingerspitzen, als ich den Blick hob und Joshs Augen begegnete, die fest auf mich gerichtet waren.
Fragend und auch wieder... analysierend.
Ich lächelte ihm nur flüchtig zu, dann wich ich ihm aus, schob meinen Stuhl zurück und stellte mich hin, um dann noch meine Jacke zu schnappen.
Ich wollte dann schon losstürmen, als ich bemerkte, dass Lorenz ebenfalls mit mir aufstand.
Ich hätte ehrlich gedacht, dass er warten würde, bis ich die Cafeteria verließ.
Stattdessen schien er kein Hehl daraus zu machen, dass wir nun beide gleichzeitig gehen würden.
Natürlich brachte uns das nicht nur einen sehr reservierten Blick von Josh ein, sondern auch einen verwirrten von Jasper und von Phoebe, die mich nun endlich wieder beachtete.
„Wo willst du hin?", fragte sie verwirrt. „Ich dachte, wie bleiben hier drinnen noch ein bisschen sitzen, bis wir zum Unterricht müssen. Und draußen ist es doch eh kalt."
Ich registrierte aus den Augenwinkeln, wie Lorenz sich neben mir hinstellte. Er war echt groß. Die Tasche geschultert wartete er lässig und so selbstverständlich neben mir - als würde er es immer tun.
Ich strich mir mit leicht geröteten Wangen wieder mal eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Es war mir ganz klar, was alle anderen vielleicht sich nun zusammenreimen würden.
Erst setzte er sich neben mir hin, wobei andere ja schon denken mussten, dass er Josh mit dieser Aktion in die Schranken wies. Und dann wollen wir beide auch noch urplötzlich zusammen losgehen. In der Pause.
Natürlich würde man sonst was denken.
Und anhand Phoebes leicht geweiteten Augen wusste ich, dass auch sie daran dachte - und davon geschockt war.
Denn wie schonmal erwähnt.
Es handelte sich hierbei um Lorenz.
Der, der sonst mit aufgetakelten und sehr selbstbewussten Mädchen abhing.
Der, der gerne auch mal die Nerven verlor und sich auf Provokation einließ.
Der Außenseiter und ich, die nach außen hin wirkende Mitläuferin.
Aber ich schätze, an diese Reaktionen sollte ich mich gewöhnen - denn wenn ich den Plan durchziehen wollte, dann würde ich viel Zeit mit ihm verbringen.Und ganz bestimmt nicht wollte ich mich immer im Geheimen mit ihm treffen.
"Ich... wollte noch ein bisschen raus. Luft schnappen gehen und so", antwortete ich Phoebe also nach einer gefühlten Ewigkeit. Eigentlich wollte ich noch eine Erklärung hinterher wischen, doch es kam nichts weiter über meine Lippen.
Auch wenn Jasper und Josh nichts sagten - ich bin sicher, am liebsten würden sie Lorenz ebenso durchlöchern - blieben sie bei ihrem riesigen Fragezeichen auf den Gesichtern und fragten glücklicherweise nichts weiter.
Wahrscheinlich war ich auch deswegen froh, weil ich nicht wusste, wie widerum Lorenz reagieren würde. Schließlich rechtfertigte er sich jetzt auch nicht, weil er ganz offentsichtlich auf mich wartete.
"Okay", kam es lahm von Phoebe zurück, die Stirn immer noch gerunzelt. Nachher, wenn wir alleine sein würden, konnte ich mich noch auf eine gewaltige Fragerunde einstellen. Da war ich mir sicher.
Ich hob die Hand und winkte etwas unsicher in die Runde. "Na dann...", dann wandte ich mich ab und schloss die Augen.
Na dann?
Hatte ich das gerade wirklich gesagt?
Und auch noch gewunken?
Oh man Sofia, mit dir stimmte wirklich etwas nicht. Oder eher gesagt, ich passte in diese Gruppe einfach nicht rein. Wenn ich so unsicher war, war das meistens ein Zeichen. Und vielleicht sollte ich einfach auch nicht vergessen, dass die Gruppe fast nur aus Jungs bestanden hatte.
"Kommst du nachher zum Training oder schwänzt du wieder?", hörte ich Jasper hinter mir.
Die Frage ging wohl an Lorenz.
"Mal schauen", kam es nur wage von ihm, dann sah ich, wie er zu mir aufschloss und locker neben mir herlief.
Und schon wieder fühlte er sich wie mein Bodyguard an, als wir durch die immer voller werdenden Cafeteria gingen und uns einen Weg durch die engen Schulflure bahnten. Erst dachte ich, es wäre Einbildung, doch als sich auch spätestens der zwanzigste Kopf - ich hatte mitgezählt - in unsere Richtung drehte, während wir an den Leuten zielstrebig vorbeiliefen, konnte ich mir sicher sein.
Wir waren offenbar die totale Attraktion.
Als ich dann endlich die rote Tür in der Ferne erblickte, die nach draußen auf den Parkplatz führen würde, atmete ich erleichtert aus.
Gleich draußen.
Gleich nicht mehr unter extremer Beobachtung.
Doch bevor wir herausgingen, bekam ich ganz genau mit, wie uns noch eine andere Gruppe unter die Lupe nahm. Ihnen voran Lydia Hills, die sich ihre glatten braunen Haare schwungvoll über die Schulter schmiss und mit zusammengekniffenen Mund erst Lorenz und dann mich eindringlich fixierte.
Wenn ich mich nicht irrte, dann lief da mal was zwischen ihm und Lydia - und um ehrlich zu sein, hatte ich gar keine Ahnung, wie es jetzt zwischen den beiden aussah.
Als Lorenz mir wie ein Gentleman die Tür aufhielt, hinterfragte ich mich zum ersten Mal auf dem Weg nach draußen, ob ich mich gerade in Sicherheit oder doch eher in noch mehr Gefahr begab...
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