17 - Pfannkuchen und andere Probleme
Kapitel 17
Als ich am nächsten Tag am Frühstückstisch saß, war ich so aufgeregt, als würde ich gleich zwei Klausuren schreiben mit dem Wissen, dass ich vollkommen unvorbereitet war.
Ich merkte den prüfenden Blick von meiner Mom, der auf mir ruhte, als ich nur in Minibissen mein Croissant aß und meinen sonst so geliebten Früchtetee kaum anrührte. Dad war schon lange wieder los zur Arbeit. Hätte er mich so gesehen, hätte er mich so lange ausgequetscht, bis ich ihm endlich sagte, was los war.
Meine Mom hingegen hatte schon immer den siebten Sinn gehabt zu wissen, wann sie besser nicht nachfragen sollte.
Meistens wusste sie ohnehin, dass ich dann mit meinen Sorgen auf sie zukommen würde.
Doch in diesem Fall wusste ich nicht, ob ich ihr diese Sache oder besser gesagt, diese Abmachung anvertrauen würde.
Und ob ich überhaupt irgendjemanden davon erzählen würde, denn bisher kannten ja nichtmal meine Freunde die Wahrheit und konnten sich daher erst recht keinen Reim daraus machen, wenn sie Lorenz und mich sehen würden.
Oder würde er es vielleicht versteckter machen, so dass er auch keine Fragen beantworten muss und weiterhin seine Ruhe haben konnte?
Schließlich schien er schon so in der Schule genug Probleme zu haben. Mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend dachte ich an die Schlägerei, in der er verwickelt gewesen ist und dass er drohte aus dem Footballteam zu fliegen aufgrund seines Verhaltens.
Und mit demjenigen wollte ich mich heute treffen, um das schwierigste und geheimste Problem in meinem Leben anzugehen?
Wo ist gestern mein Verstand gewesen?
Noch immer in seinem Haus am See bei dem Orangensaft und Rapunzel?
Nach einigen weiteren Minuten gab ich mein Frühstück auf, räumte mit meiner Mom noch den Frühstückstisch ab, ehe ich mich in das Bad begab, um mich fertig zu machen. Nachdem ich mir eine Jeans und einen dicken weinroten Pullover übergezogen hatte, griff ich nach meiner Tasche und nach meiner Jacke, verabschiedete mich von meiner Mutter und zog dann zur Schule los.
Da ich heute sehr spät dran war, entschied ich mich dafür schnell mit dem Fahrrad zur Schule zu fahren anstatt wie sonst zu laufen und einem Podcast zuzuhören.
Der Wind war nahezu eisig, als er mir in das Gesicht blies und ich fragte mich wiedermal, wann es aufeinmal so schnell kalt geworden ist.
Als ich an der Schule mein Fahrrad anschloss, fühlte sich mein Gesicht wie frisch gepierct an und meine Hände waren taub, sodass ich gefühlte Ewigkeiten brauchte, um das Schloss anzubringen. Anscheinand bin ich von diesem Manöver so abgelenkt gewesen, dass ich erst mitbekam, dass Phoebe die ganze Zeit neben mir stand, als ich den Blick vom Fahrradschloss zur Seite richtete.
Vor Schreck zuckte ich überdeutlich zusammen und stolperte dann unelegant nach hinten.
Lachend streckte sie ihren Arm aus und zog mich an meinem Ärmel wieder zu sich zurück. "Wow, sehe ich so schlimm aus? Ich weiß ja, dass ich schon wieder in meiner Pickelphase bin, aber diese Reaktion hat mich doch ganz schön verletzt", scherzte sie und schaffte es zumindestens, dass sich meine Mundwinkel ansatzweise hoben.
Gott, ich stand so unter Anspannung, dass ich gar nicht wusste, wohin damit.
"Ach ähm", lachte ich nervös. "Deine Pickel habe ich gar nicht gesehen. Ich habe mich nur vor dir erschreckt, weil ich gar nicht mitbekommen habe, wie du dich zu mir gestellt hast."
Phoebe grinste. "Du wirktest auch ziemlich beschäftigt mit deinem Schloss - aber anderes Thema. Aprospros gesehen. Ich habe gesehen, dass deine ersten beiden Stunden heute spontan ausfallen - und meine auch. Wie wärs, wenn wir uns ganz gemütlich in die Cafeteria setzen und dort einen heißen Kakao trinken?"
Mir wich sämtliches Blut aus meinem Gesicht.
Der Sportunterricht fiel aus? Sie will mit mir in diese verdammte Cafeteria?
Ich war wie eine schlaffer nasser Sack, als sie sich nun bei mir unterhakte und mich wild losplappernd in die Richtung des Schulgebäudes zog.
Mein Puls schnellte wieder in die Höhe und fieberhaft suchte ich nach einer Ausrede, warum ich jetzt nicht in die Cafeteria wollte, parallell dazu drehten sich meine Gedanken wie ein Karussel darum, wo ich mich dann heute mit Lorenz treffen konnte.
Trafen wir uns dann überhaupt noch?
Sollte ich ihn anschreiben oder würde er sich melden?
Ist er vielleicht auch in der Cafeteria - verdammt, vielleicht sogar mit den anderen Sportlern, die fast alle mit in meinem Sportkurs gerutscht sind?
Ist Josh vielleicht auch dabei?
Ich war innerlich schon einmal fix und fertig und total verschwitzt in meinem dicken Hoodie, als wir den Eingang der Cafeteria betraten und der Geruch von warmen Brötche zu uns herüberschwebte.
Der große, lichtdurchflutete Raum - dank den bodentiefen Fenstern mit Blick auf die Wiese neben dem Schulparkplatz - war noch relativ leer. Bis auf einzelne Gesichter, die ich aus meinem Sportkurs wiedererkannte. Und dann war da noch dieser große Tisch an einem der Fenster.
Fünf Leute saßen dort, einer von ihnen war - Josh.
Josh, der jetzt ausgerechnet aufblicken musste und uns sah.
Scheisse.
Er beendete das Gespräch, dass er offenbar gerade mit einem seiner Freunde geführt hatte und stand auf - um dann um den Tisch herumzugehen und auf uns zuzukommen. Ein erfreutes Lächeln begegnete mir, als er vor uns zum Stehen kam.
Mein Herz rutschte mir in die Hose und ich umklammerte Phoebes Arm vielleicht ein Bisschen krampfhafter und fester, als ich eigentlich sollte, doch ich konnte nicht anderes. Ich war mit dieser Situation vollkommen überfordert und mag sein, dass ich mich mit einem kurzen Gespräch mit ihm zusammenreißen würde, doch ich hatte keine Ahnung, wie mein Körper dann reagieren würde. Gerade, da ich wieder meine Flucht auf seiner Party im Kopf hatte und wie er versucht hatte, mich zu berühren.
Das dürfte heute wieder unter gar keinen Umständen passieren.
Ich musste mich also zusammenreißen - auch wenn es mir wahrscheinlich meine Tagesenergie für solche Notfälle gleich am frühen Morgen rauben würde.
"Hey Sofia, hey Phoebe", begrüßte Josh uns und wie gewohnt strahlten seine Augen hell auf, als sein Blick dann wieder zu mir zurückwanderte. "Wir wollten gerade nochmal ein paar Brötchen und Kakao bestellen - möchtet ihr auch was? Sie haben sogar Pfannkuchen, Sofia. Die Gelegenheit kannst du dir doch nicht entgehen lassen oder?"
Mein Mund war staubtrocken.
Phoebe sah zwischen ihm und mir hin und her und entschied dann glücklicherweise für mich zu antworten. Allerdings interpretierte sie mein geschocktes Schweigen falsch. Das erkannte ich daran, was sie nun als nächstes sagte und ich konnte es ihr nichtmal verübeln. Woher sollte sie auch wissen, was gerade in mir vorging. "Ohja Pfannkuchen lässt sich Sofia selten entgehen."
"Perfekt." Josh grinste breit. "Dann setzt euch doch zu uns an den Tisch und die Jungs und ich holen dann das Essen." Er deutete mit der Hand auf seinen Tisch - der mir natürlich schon vorher aufgefallen ist - und Phoebe und ich blickten direkt in die neugieren Gesichter der anderen Jungs.
Mein Herz setzte aus.
Wenn das nicht mein Untergang wird, dann weiß ich das auch nicht.
"Oh wie lieb von euch. Klar, wir kommen gern zu euch oder Sofia?" Pheobe schaute nach Zustimmung suchend zu mir. Ich konnte ganz klar ihre Miene lesen wie sie stumm bettelnd darum bat zu den anderen zu gehen.
Dort unsere Freistunden zu verbringen.
Ich schluckte.
Und mir fiel nichts, aber auch gar nichts in dem Moment ein, um mich zu retten. Ich war so überrumpelt, dass ich nur ein "Mhm" zustande bekam. Josh muss mich wahrscheinlich für den unfreundlichsten Menschen auf dem Planeten abstempeln, denn ich hatte ihn weder begrüßt, noch hatte ich irgendwas anderes Nettes zu seiner Einladung gesagt. Oh und stehen gelassen hatte ich ihn erst vor wenigen Tagen auf seiner eigenen Feier.
Und trotzdem sah man ihm jetzt seine Freude an, weil ich zugestimmt habe.
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