13 - So etwas wie
Kapitel 13
Hintereinander stiegen wir die knarrenden Stufen der Terasse empor. Sie bestand komplett aus weißem Holz und schien einmal um das ganze Wohnhaus herumzuführen.
Ich folgte Lorenz als er nach rechts abbog und nicht wie von mir vermutet zur Haustür marschierte. Stattdessen führte er mich über die sauber aneinandergezimmerten Bodenbretter zu der Hauptterasse, die auch etwas breiter war und sich mehr Richtung See erstreckte.
Eine Hollywoodschaukel, mehrere Stühle und ein kleiner runder Tisch rutschten in mein Blickfeld, als ich meine Augen endlich wieder von dem glitzernden Wasser abgewendet hatte.
Lorenz zog einen der Stühle an den Tisch heran und zeigte mit der Hand darauf. "Du kannst dich gerne dorthin setzen. Ich hole nur schnell den Saft aus dem Kühlschrank. Möchtest du sonst noch etwas anderes?"
Ich schüttelte den Kopf. "Nein, alles gut..."
Er nickte und wollte sich gerade zum Gehen abwenden, da hörte ich mich selbst unsicher seinen Namen sagen. "Lorenz?"
Augenblicklich drehte er sich wieder zu mir hin, seine Stirn hatte er leicht gerunzelt. "Ja?"
Ich befeuchtete meine Lippen und holte tief Luft, bevor ich ihm antwortete. "Danke." Eigentlich wollte ich noch mehr dahinter setzen, ihm genau sagen, wofür ich mich bedankte.
Nämlich für eine Sache, die nicht wirklich selbstverständlich war.
Er ist für mich da - und das obwohl wir uns nichtmal wirklich kannten. Und ich fand, dafür sollte man sich auf alle Fälle bedanken.
Einen Moment lang sah er mich schweigend an, dann aber hoben sich seine Mundwinkel. Es war eines dieser Lächeln, das wieder mal seine Augen erreichte und sie kurz nicht so düster und dunkel wirken ließ.
Außer dieses Lächeln bekam ich keine Antwort, allerdings brauchte ich auch keine andere. Seine Reaktion reichte mir vollkommen.
Er lief daraufhin an der Hollywoodschaukel vorbei zu einer Tür, die wohl als Fliegengitter funktionieren sollte, öffnete sie und verschwand so in das Innere des Hauses.
Etwas erleichterter ließ ich mich auf den Stuhl sinken und wartete geduldig darauf, dass er mit dem Saft zurückkehren würde. Meine Finger schlossen sich um die Armlehnen des Stuhl, das Holz unter meinen Fingern fühlte sich glatt geschliffen an.
Erneut schaute ich den See vor mir an und entdeckte ein kleines Boot, das am Rande eines Holzsteges im schwachen Wellengang hin und her wiegte.
Ob er damit öfter mal unterwegs ist?
Ein Vorbeistreifen an meinen Beinen riss mich aus meinen Gedankengängen, worauf ich zu meinen Füßen schaute und wie ein paar Minuten zuvor in braune Hundeaugen blickte. Rapunzel gähnte kurz, dabei gab sie einen süßen fiependen Laut von sich, bevor sie sich zu meinen Füßen hinlegte und offenbar genauso wie ich die Stille des Waldes genoss.
Ein weiteres Lächeln stahl sich auf meinen Lippen. Ich lehnte mich genau in dem Moment wieder in meinem Stuhl zurück, als Lorenz mit zwei Gläsern in den Händen aus dem Haus heraustrat. Mit dem Fuß schloss er die Fliegengittertür hinter sich, um dann erst ein Glas vor mir und dann an seinem Platz abzustellen. Danach zog er sich einen anderen Stuhl heran und ließ sich gemächlich auf ihn nieder.
Neugierig betrachtete ich den Saft, dessen Duft nach frisch gepressten Orangen vom schwachen Wind zu mir herüber geweht wurde. Als ich nach dem Glas griff und es zu meinem Lippen führte, klirrten leise kleine Eiswürfel gegeneinander. Die Flüssigkeit kühlte mich angenehm von innen und schmeckte dabei auch noch fantastisch.
Begeistert stellte ich das Glas wieder vor mir hin und begegnete dabei Lorenz Blick, den ich nicht so recht deuten konnte. Einerseits wirkte er nachdenklich, andererseits sah es so aus, als würden in seinem Kopf so einige Fragezeichen herumschwirren.
Ehe ich nachhaken wollte, ob alles okay sei, setzte er schon zum Reden an.
"Ich weiß, das geht mich eigentlich nichts an", fing er langsam an, beugte sich vor und stützte sein Kinn auf der Handfläche ab. Seine dunklen Augen ruhten nach wie vor wachsam auf mir. "Aber stört es dich denn kein Bisschen, dass du das... hast?"
Ich biss mir auf die Lippe und knetete meine Finger in meinem Schoß.
Es war klar, dass er darüber mehr erfahren wollte. Wenn man als Außenstehender erfuhr, wie sehr eingeschränkt ich war und dass ich trotzdem halbwegs damit umgehen konnte, konnte man das vielleicht nicht immer nachvollziehen.
So wie er.
Er war einer dieser typischen Jungs, die sich in vollen Zügen auslebten und ein Mädchen nach dem anderen abschleppten.
Enthaltsam leben?
Ein Fremdwort.
Wahrscheinlich war es in seinen Vorstellungen gar nicht möglich, weswegen er mir diese Frage offenbar unbedingt stellen musste. Ich meine, man könnte so vieles fragen. Zum Beispiel, wie es dazu hingeführt hat oder ob ich Medikamente nahm. Irgendetwas halt. Aber nein, er wollte unbedingt wissen, ob es mich stört.
Mein wunder schwacher Punkt - und den sollte ich ihm auch noch anvertrauen?
Zweifelnd guckte ich vom meinem Schoß auf und erneut in seine geheimnisvollen Augen, die nach meiner Vermutung ebenfalls so viele Geheimnisse verbergen mussten.
Ich meine, er kannte als einziger in meinem Umfeld nun mein Geheimnis. Sollte ich dann wenigstens den Rest nicht auch noch offen legen? Vielleicht würde ich mich damit sogar besser fühlen, wenn ich nicht nur mit meinen Eltern und meinen Therapeuten darüber redete.
Vielleicht sollte ich es einfach mal riskieren und abwarten, was passieren würde.
Also holte ich nochmals tief Luft, wich seinen abscannenden Augen aber aus und blickte stattdessen lieber zurück auf den See. "Sagen wir es so", murmelte ich. "Ich kenne es nicht anders. Ich habe es ja nicht erst seit gestern und man sagt ja oft, was man nicht kennt, kann man nicht vermissen."
"Aber man kann schon so etwas wie eine Sehnsucht verspüren", kam es prompt von ihm.
Widerwillen gab ich ihm in meinen Gedanken recht. Natürlich konnte man eine Sehnsucht danach verspüren, doch das war eine Sehnsucht, die ich mir vielleicht nie erfüllen könnte. Oder einfach nicht wusste, wie.
Ich zuckte mit den Schultern. "Ja... schon", gab ich ausweichend als Antwort. "Aber das nützt mir am Ende auch nichts."
Kurz schwiegen wir uns an, doch ihn ließ das Thema wohl einfach keine Ruhe.Und schon fing er wieder an nachzubohren. Nur irgendwie störte es mich nicht ganz so, als würde ich in einer Therapiestunde sitzen. Lorenz ging dem ganzen anders auf den Grund. Auch wenn er forsch und direkt nachfragte, mochte ich seine Tonlage dabei.
Sie war sanft - ehrlich sanft, auf einer Art mitfühlend und nicht so antrainiert professionell wie von irgendeinem Therapeuten.
Ich sah ihm an, wie er etwas ungläubg die Stirn runzelte. "Du kannst also davon nie wirklich geheilt werden? Oder zumindestens eine Therapie machen, dass es nicht mehr so schlimm ist?"
"Ich mache schon längst eine Therapie", erwiderte ich. "Und die hilft mir-"
"Inwiefern? Dass du schon zusammensackst, wenn sich nur einer zu dicht zu dir hervorwagt?", fiel er mir ins Wort, sein Gesicht wurde von jeder Menge Unverständnis geziert.
"Es ist schwierig zu erklären, Lorenz."
Ich weiß, ein gemeiner Cut. Wenn alles gut läuft, dann kommt heute Abend noch ein Kapitel - wenn nicht, spätestens morgen habt ihr es zum Lesen :)
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