He Made A Different Call
Ich hatte diesen Oneshot zu Beginn der Oneshot-Sammlung schon einmal geschrieben, habe jetzt aber noch eine Story um den ehemaligen Oneshot herum aufgebaut. Somit sind aus 600 Wörten 3400 geworden.
Hopefully, you'll like it. 💙
"Sie haben mich zu sich bestellen lassen, Sir?", fragte Clint, als er das Büro Fury's betrat.
"Ich habe einen Spezialauftrag für Sie, Barton. Nur wenige Personen wurden bisher eingeweiht, damit die neue Information nicht an unsere Feinde gelangt... Wir haben erstmalig ein Gesicht zur Black Widow. Vor einigen Stunden hat sie sich unvorsichtig verhalten. Sie trug keine Maske und ebenso keine Tarnung. Wir können noch nicht sagen, was sie so unvorsichtig werden lassen, aber nun haben wir endlich etwas gegen sie in der Hand. Sie ist gefährlich. Töten Sie sie, sobald sich Ihnen die Chance dazu bietet." Er nickte und begab sich noch am selben Tag auf die Jagt.
Soebend war Clint von Fury damit beauftragt worden, die berühmt- berüchtigte Black Widow mit möglichst wenig anwesenden Zeugen umzubringen.
Sie hielt sich nach dem neusten Überwachungsdaten in einer sibirischen Stadt namens Omsk auf. Seine Aufgabe war es, die KGB-Agentin aufzuspüren und möglichst diskret zu eliminieren.
Als Clint mit dem Zug auf den Omsker Bahnhof ankam, zerrte direkt ein eiskalter Wind an seinen Sachen. Die Winter in Sibirien waren immer kalt und unerbittlich, was er unglücklicherweise nicht eingeplant hatte. Glücklicherweise gab es am Bahnhof die Möglichkeit, sich warme Anziehsachen zu kaufen. Er erstand einen Schal, eine Mütze, gefütterte Stiefel und einen dicken Mantel. Auf der Stelle zog er sich die neuen Kleidungsstücke an.
Ein geöffnetes Hotel zu finden stellte sich ebenfalls als schwer heraus, da die meisten nur in der Sommersaison geöffnet hatten.
Nach einem halben Tag fand er dann endlich ein schummriges B&B, was von einem freundlichen Herren mit einem buschigen Schnurrbart geleitet wurde. Er bezahlte seinen Aufenthalt und stellte sicher, dass man ihn nicht stören würde. In seinem Zimmer breitete er dann all seine Utensilien auf dem Tisch aus, um zu kontrollieren, dass nichts abhanden gekommen war.
Am nächsten Morgen begann er mit seiner Arbeit. Mit dem Laptop auf dem Schoß und bewaffnet mit einem starken Kaffee machte er sich auf die Suche nach der jungen Agentin. Er hackte sich in das Kamerasystem der Stadt und installierte einen Gesichtsscan, der auf die Black Widow reagieren würde, sobald sie das Haus verließ.
Um sicherzugehen, dass er nichts übersehen hatte, sah er sich ihre Akte noch einmal an.
Geburtsname: Unbekannt
Alias: Black Widow
Haarfarbe: Rot
Augenfarbe: Grün
Körpergröße: 1, 60 m
Alter: 17
Abstammung: Unbekannt
Ausbildung: Unbekannt
Bevorzugte Waffen: Messer und Schusswaffen
Status: Lebendig
Gefährlichkeitsgrad: Bedrohlich
"Das sind ja nicht sonderlich viele Informationen. Hoffentlich finde ich sie rechtzeitig bei diesem Wetter."
Während er laut überlegte, wagte er einen Blick aus dem beinahe zugeschneiten Fenster. Angewidert verzog er sein Gesicht und zog seine Bettdecke enger um sich.
Während draußen ein heftiger Schneesturm wütete, saß Clint in seinem warmen Zimmer und genoss das wohltuende Gefühl von frischem Kaffee auf seiner Zunge.
Innerlich hoffte er, dass die Scanner etwas länger als gewöhnlich brauchen würden. Er hatte keine große Lust, die Black Widow in einem Schneesturm zu verfolgen.
______
Ein paar Tage später erfuhr er, wo sie sich normalerweise aufhielt. Anscheinend war sie den normalen Bürgern in Omsk nur als Ballerina bekannt. Dies schien eine bewährte Deckung zu sein, dennoch bezweifelt Clint, dass ihr Können nur halb so gut war, wie die Bewertungen im Internet sie anpriesen.
Clint überflog einige Artikel von Online-Zeitschriften, um mehr Informationen zu erhalten. Einmal am Ende des Monats trat sie anscheinend im Omsker Schauspielhaus als Solo-Tänzerin auf. Die Tickets für diese Spezialshow waren fast immer ausgebucht. Die Zuschauer kamen oft aus weiten Teilen Sibiriens, um das junge Mädchen tanzen zu sehen. Als er sich genauer zu ihrem Auftritt informierte, stellte er fest, dass das nächste Event zufälligerweise schon am darauffolgenden Tag stattfinden würde. Mithilfe einer SHIELD-Software konnte er noch eine Karte bekommen und bereitete sich auf seinen Job vor. Sein Auftrag lief bisher wirklich gut. Er hatte ihre Spur aufgenommen. Nach der Show würde er das Mädchen einfach verfolgen und irgendwo zwischen dem Theater und ihrem Heim umbringen.
Der nächste Abend rückte schnell heran. Um nicht zu Fuß durch den hohen Schnee laufen zu müssen, bestellte er sich ein Taxi, welches ihm vom B&B direkt zu dem Theatergebäude brachte. Vor dem Aussteigen strich Clint noch ein letztes Mal seinen Anzug glatt und richtete seine Krawatte.
Er war etwas zu früh dort, weshalb er sich die Zeit nahm, die Umgebung des Schauspielhauses genauer unter die Lupe zu nehmen. Es gab einen Vorder- und einen Hintereingang. Die Flucht war also nur in zwei Richtungen möglich. Welchen Weg würde die Black Widow wohl wählen?
Auch wenn er zu früh angekommen war, hatte er die junge KGB-Agentin nicht zu Gesicht bekommen. Das war nicht wirklich verwunderlich, da sie den Erzählungen nach ein Profi war. Dennoch war er etwas enttäuscht, sein Ziel nicht schon vor dem Auftritt erspäht zu haben. Als die Zeit reif war, ging er in das Gebäude hinein und setzte sich auf seinen zugewiesenen Platz.
Als die Musik anfing zu spielen, blendete er unterbewusst alles in seinem Umfeld aus und schenkte seine Aufmerksamkeit lediglich dem Geschehen auf der Bühne.
Die Scheinwerfer gingen an und offenbarten ein zierliches Mädchen. Ihr Gesicht war leicht geschminkt und ihre roten Haare hatte sie in einen makellosen Dutt gezwängt. Ihr Ballett-Outfit bestand aus vielen übereinander gelagerten dunklen Stoffen.
Ihre Bewegungen gingen fließend ineinander über. Er kannte sich zwar nicht im Ballett aus, jedoch schien die Russin ihre gesamte Energie zu bündeln und in ihren Drehungen zu verarbeiten. Es machte den Anschein, als würde sie mit ihrem ganzen Körper und ihrem ganzen Herzen für diesen einen Tanz verwenden.
Das Ballettstück war ein sehr emotionales Werk. Den Gesang, der von Zeit zu Zeit zur Untermalung genutzt wurde, konnte er nicht verstehen, zumal er nur ein paar Sätze auf Russisch sprechen konnte. Trotzdem verstand er durch die wilden Pirouetten und Sprünge des Mädchens, dass sich der Hauptcharakter des Stückes wohl in einem emotionalen Dilemma befinden musste. Die ausdrucksstarke Mimik der Ballerina verdeutlichte klar den emotionalen Wechsel zwischen Liebe und Angst. In dem einen Moment schwebte sie wie auf Wolke Sieben über das Paket der Bühne, kurz darauf sprang sie mit kraftvollen Bewegungen in die Luft.
Beeindruckt durch die spektakuläre Show die sich ihm bot, vergaß Clint für die Dauer des Auftrittes, dass es sich bei der Ballerina um eine der tödlichsten Attentäterinnen des KGB's handelte.
Er erwachte erst wieder aus seiner Trance, als die Menschen um ihn herum laut zu applaudieren begannen. Jubelrufe und Pfiffe wurden laut. Clint blinzelte ein paar mal, um sich daran zu erinnern, weshalb er hier war.
Die Black Widow verbeugte sich ein paar Mal mit anmutigen Bewegungen und ließ ihren Blick durch die Menge der Zuschauer schweifen. Sein Herz setzte aus, als ihre Augen ihn für einige Sekunden intensiv zu fixieren zu schienen. Als sie ihren Blick wieder von ihm abwandte, atmete er erleichtert aus.
Nach dem Auftritt des Mädchens verließ er schnell das Gebäude und stellte sich an einen Baum in einem naheliegenden Park, von wo er beide Ausgänge des Hauses überblicken konnte. Es war bereits dunkel, weshalb ihm seine Umgebung die perfekte Tarnung bot.
"Du kommst nicht von hier, oder? Ich habe dich heute das erste Mal in meiner Vorstellung gesehen."
Er vernahm die geflüsterten Worte und zuckte leicht zusammen. Die Black Widow hatte sich an ihn herangeschlichen, ohne dass er davon Notiz genommen hatte. Er hatte sein Ziel nicht kommen gehört, was bedeutete, dass sie eine alte, effiziente Ausbildung genossen hatte. Er hatte das hübsche Mädchen aufgrund ihres zarten Alters zugegebenermaßen unterschätzt.
Ihre zufriedene Mine zeigte ihm, dass sie sich insgeheim darüber freute, ihn erschreckt zu haben.
"Bist du nicht etwas zu jung, um mich mit 'Du' anzusprechen?" "Ich denke, dass ich Menschen, die sich meine Show ansehen, Du-zen darf. Meinst du nicht auch?" Da er eine Antwort für unnötig empfand, blieb er still.
"Wie dem auch sei..."
Blitzschnell zog sie ein Messer aus ihrem Mantel und ließ es gefährlich nahe an seiner Pulsschlagader ruhen. Dass sie etwa einen Kopf kleiner als er war, fiel somit nicht auf.
"Hör mir jetzt ganz genau zu. Ich weiß, dass du mich eliminieren willst. Gib mir ja keinen Grund dafür, dir zuvor zu kommen und beantworte meine Fragen."
Sein Vorhaben zu leugnen hätte die Situation wahrscheinlich nur noch verschlimmert, weshalb er sich vorab dazu entschied so zu tun, als hätte sie ihn besiegt. Er nickte vorsichtig, wobei er versuchte, der Klinge des Messers nicht zu nahe zu kommen.
"Wer schickt dich?"
Ihre tiefgrünen Augen sahen ihn scharf an. Das gefährliche Funkeln in ihnen erinnerte ihn an eine lauernde Raubkatze, die skeptisch ihre Beute begutachtete.
Plötzlich begriff er, weshalb man ihn vor der Black Widow gewarnt hatte. Er hatte bereits viele Gerüchte über die Russin gehört. Mit einem Blick in ihre Seelenspiegel konnte er augenblicklich jedes Gerücht bestätigen, das man sich erzählte.
"Ich heiße Clint. Ich bin im Auftrag von SHIELD hier, um dich zu beschatten."
"Beschatten? Von wegen. Du bist hier, um mich zu erschießen. Ich erkenne das Verhalten eines Attentäters, wenn ich es sehe."
Die Klinge des Messers lag nun direkt auf seiner Haut am Hals. Unwillkürlich musste Clint schwer schlucken.
"Bitte töte mich nicht."
"Weshalb sollte ich einen Assassinen verschonen?"
Er grinste breit. Das Glück war auf seiner Seite.- Er hatte eine Schwachstelle in ihrer Balance entdeckt. Sie hatte ihr Gewicht auf den vorderen Füß verlagert. Augenblicklich nutzte er dies zu seinem Vorteil aus und trat ihr gegen ihren Knöchel. Durch diese Aktion kam sie ins Wanken und war für ein paar Sekunden abgelenkt. Mit geübten Handgriffen entwendet er ihr in genau dieser Zeitspanne das Messer. Er drehte die Agentin gewaltsam herum und schlug ihr gegen einen empfindlichen Nervenpunkt am Nacken. Durch die Wucht des Schlages wurde das Mädchen bewusstlos. Er verband ihr mit seiner Kravatte schnell die Hände hinter dem Rücken und trug sie in einen nicht beleuchteten Teil des Parks, dessen einzige Lichtquelle der Mond zu sein schien. Dort lehnte er sie an die bröcklige Wand einer hüfthohen Mauer und wartete darauf, dass sie wieder ihre Augen aufschlug.
Da es sehr kalt war, wollte er seinen Auftrag schnellstmöglich erledigen. Doch sein Ehrgefühl Verbot es ihm, jemanden in bewusstlos Zustand zu töten. Ungeduldig wartete Clint also auf das Erwachen der Black Widow.
Im Schlaf, wie auch im Wachen Zustand sah sie aus, wie ein vollkommen normales, unschuldige Mädchen. Hätte sie ihn nicht selbst mit einem Messer bedroht, hätte er niemals vermutet, es mit der berühmten Black Widow zu tun zu haben. Es dauerte etwa fünf Minuten bis die KGB-Agentin ihre Augen aufschlug.
Sobald diese geöffnet waren, suchte sie die Umgebung mit einer unglaublich schnellen Proffesion nach potenziellen Gegnern und Fluchtwegen ab. Es war erstaunlich, dass sie sich von der Tatsache, sich plötzlich an einem anderen Ort zu befinden, nicht aus der Ruhe bringen ließ. Es bewieß seine Vermutung, dass sie in ihrem Leben viel Leid erfahren hatte und sein überraschender Angriff keine Seltenheit in ihrem Alltag darstellte. Das plötzliche Gefühl von Mitleid schob er augenblicklich von sich. Dafür war nun echt nicht der richtige Zeitpunkt.
"Wie hast du mich gefunden?", fragte sie in einem sachlichen Tonfall.
Er entschied sich nach kurzem Zögern die Wahrheit zu sagen. Kurz vor ihrem Tod verdiente sie es, nicht belogen zu werden. Irgendetwas in ihrem Blick verriet ihm außerdem, dass sie jeder Lüge anhand unterbewusster Gesten seinerseits sofort hätte enttarnen können.
"SHIELD hat seine Augen und Ohren überall. Ich weiß nicht, wie sie dich aufspüren könnten, aber sie haben Jahre dafür gebraucht. Ich habe die Cameras in der Stadt gehackt und bin durch Zufall auf deine Show gestoßen. Andernfalls hätte ich wahrscheinlich viel länger gebraucht um dich zu enttarnen."
Verächtlich schnaubte sie. Ob es nun aufgrund der Erwähnung von SHIELD oder auf der Tatsache beruhte, dass er sie nur durch einen glücklichen Zufall gefunden hatte, konnte er nicht sagen.
"Weshalb ist nun auch SHIELD hinter mir her? Habe ich einen Commander getötet, oder wollen sie mich einfach aus Prinzip loswerden?"
"Das weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass du mein Auftrag bist."
Sie blieb still und schien über eine passende Antwort nachzudenken.
"Du verdienst dir meinen Respekt. Bisher haben es nur wenige Menschen vermocht, mich so zu überrumpeln, wie du."
Nachdenklich nickte er. Er hatte noch eine Frage an sie, dessen Antwort ihn brennend interessierte.
"Wodurch hast du erkannt, dass ich dich umbringen werde?"
Die Black Widow runzelte die Stirn. Sie war offensichtlich verwirrt von seiner kontextlosen Frage.
"Als ich zum Theater gelaufen bin habe ich dich gesehen. Dein Blick hat mir verraten, dass du kein einfacher Tourist bist, der sich das Theater anschauen möchte. Du hast die Umgebung mehr analysiert als betrachtet. Ich schloss daraus, dass du ein Agent bist. Und da du an meinem Auftrittstag hier erschienen bist, war mir klar, dass ich deine Zielperson war."
Er stellte fest, dass sie ihm mit abgeklärten Blick in die Augen sah. Sie hatte sich definitiv schon viele Male in der Situation befunden, bedroht zu werden. Es war nicht das erste Mal, dass sie dem Tode ins Gesicht blickte. Nur schien sie nichts dagegen unternehmen zu wollen.
Wortlos zog Clint seinen zusammengeklappten Bogen und einen Pfeil aus der Innentasche seines Mantels. Er klappte den Bogen auf, sodass er seine normale Größe erhielt.
Ein anerkennendes Pfeifen seitens der Russin irritierte ihn. Er sah sie fragend an. Sie schüttelte resigniert ihren Kopf.
"Ich hätte nie gedacht, dass ich durch einen Pfeil sterben würde... Immerhin ist das keine alltägliche Todesursache. Tu mir einen Gefallen und gewähre mir wenigstens einen schnellen Tot. Wenn du mich an der falschen Stelle erwischst, könnte es sein, dass ich Stunden lang hier im Schnee liege und verblute. Das wäre eher weniger angenehm."
Unerwartet schaute sie ihm ein letztes Mal mit ihren smaragdgrünen Augen an, ehe sie ihren Blick zu Boden richtete.
Er spannte die Sehne seines Bogens, hielt jedoch Inne.
Es verwirrte Hawkeye sehr, keine Gegenwehr ihrerseits zu erhalten.
Clint hatte schon aus vielen Gerüchten über die Black Widow gehört, dass sie ein Meister der Täuschung war. Dass sie in jede mögliche Rolle schlüpfen konnte und jeden Feind von dem überzeugen konnte, was sie ihn glauben lassen wollte. Oft genug war Clint vor ihrem kalten, herzlosen Wesen gewarnt worden.
Er sollte sie töten.
Wenn er jetzt die schon gespannte Sehne seines Bogens los ließ, hätte er seinen Auftrag erledigt und alles wäre in Ordnung.
Wenn er seinen Job nicht vollenden würde, müsste er sich vor Hill, Coulson und Fury verantworten...
Darauf hatte er definitiv keine Lust.
Er fasste sich und zielte auf ihr Herz.
Doch erneut konnte er sich nicht dazu bewegen, die Sehne des Bogens loszulassen, um ihr den Gnadenschuss zu verpassen.
Sie saß regungslos an die Wand gelehnt da und sah mit leerem Blick nach unten. Als nach wenigen Sekunden nichts passierte, schloss sie die Augen.
Sie sah aus, als hätte sie ihren Tod akzeptiert und wäre bereit, zu sterben.
Ein entscheidender Gedanke schlich sich plötzlich in sein Gewissen ein: die Black Widow war im weitesten Sinne noch ein Kind! Konnte er wirklich ein Mädchen umbringen, das ihr ganzes Leben noch vor sich hatte?
Hawkeye war sich unsicher, wie er handeln sollte.
Er konnte nicht erkennen, ob sie gerade nur schauspielerte, oder tatsächlich mit dem Leben abgeschlossen hatte.
Was sollte er tun?
Auf einmal zuckte die KGB-Agentin zusammen. Einige Millimeter neben ihrem Kopf steckte der Pfeil des Fremden einige Zentimeter tief in der Wand. Als sie zu ihm hoch sah, versteckte er seinen Bogen wieder im Stoff seines Mantels.
Er machte einen Schritt auf sie zu und löste seine Krawatte von ihren Handgelenken.
Clint rechnete damit, dass sie in jedem Moment ihr Pokerface abnehmen und ihm den Hals umdrehen würde, aber nichts dergleichen geschah.
Er wartete geduldig darauf, dass sie aufstand. Sie kam seiner unausgesprochenen Aufforderung nach und sah ihm leicht ängstlich in die Augen. Sie versuchte zu verstehen, weshalb der fremde Agent sie verschont hatte. Seinem Gesichtsausdruck zu urteilen, wusste er jedoch selbst nicht, weshalb er sie nicht einfach erschossen hatte.
"Warum hast du deinen Auftrag nicht erfüllt?"
"Lass es mich nicht bereuen. Komm mit, ich werde versuchen, dir ein besseres Leben zu ermöglichen."
Er schien genauso überrascht über seine Worte zu sein, wie die Russin.
Bereuen tat er seine Entscheidung jedoch nicht. Er wusste noch nicht wie, aber er würde die Black Widow von ihrer dunklen Vergangenheit befreien.
__________
"SIE HABEN WAS GETAN?! SIND SIE SICH DER KONSEQUENZ IHRER TATEN BEWUSST, BARTON?!"
Zum ersten Mal seit seiner Anstellung bei SHIELD, verspürte er einen Anflug von Angst, als er Fury gegenüber stand.
Sein Vorgesetzter war logischerweise überhaupt nicht begeistert gewesen, als Clint statt der Nachricht über den Tod der Black Widow die lebendige Black Widow direkt in das Hauptquartier SHIELDS brachte.
"Ja, Director. Ich weiß, dass es riskant sein wird. Ich bin bereit, die Konsequenzen zu tragen, falls etwas schief geht. Ich verbürge mich für die Black Widow."
Kurz schwieg Fury. Er schien die gegebenen Optionen abzuwägen, um letztendlich eine Entscheidung fällen zu können. Nach einer Weile massierte er sich die Nasenwurzel und seufzte resigniert.
"In Ordnung... Wenn die Black Widow aber die gegebenen Grenzen überschreitet, werden Sie ebenfalls suspendiert, Barton. Sie sind ab jetzt ihr Babysitter. Um die Black Widow im Blick zu behalten, werden wir sie mit Ihnen in ein gemeinsames Striketeam bringen. Sorgen Sie dafür, dass das Kind SHIELD gegenüber loyal ist."
Während des Gespräches stand Natasha vor Furys Büro auf dem Flur.
Sie wusste nicht, was die beiden SHIELD-Anhänger zu bereden hatten. Sie hoffte nur, dass der Director nicht allzu wütend sein würde. Diese Hoffnung löste sich direkt in Luft auf, als sie ein aufgebrachtes Schreien auf der anderen Seite der Tür vernahm.
Nervös schlang sie die Arme um ihre Brust und begann, vor dem Büro auf und ab zu gehen.
Sie fühlte sich sehr unwohl in der SHIELD-Zentrale. Auf dem Weg durch die Gänge waren ihnen viele Agenten entgegen gekommen, die sie mit angst- oder hasserfüllten Blicken gestraft hatten. Sie war umgeben von Feinden, was sich anfühlte, als wäre sie unabsichtlich in ein Wespennest getreten.
Zum wiederholten Male an diesem Tag dachte sie über den Mann nach, der ihr Leben verschont hatte. War er ebenfalls ein Feind? Nach wie vor konnte sie seine Beweggründe nicht nachvollziehen. Da er selbst ebenfalls nicht zu wissen schien, wieso er sie nicht erschossen hatte, hatte sie bisher lieber das Thema auf sich beruhen lassen.
Sie war dem Fremden sehr dankbar für das, was er getan- oder besser gesagt nicht getan- hatte. Auf dem Weg hierher hatte er ihr seinen Decknamen verraten. Hawkeye. Diese Bezeichnung passte gut zu einem Bogenschützen.
Er hatte ihr im Flugzeug nach Amerika erklärt, dass sie ihr altes Leben unter dem KGB für ein besseres Leben unter SHIELD eintauschen konnte. Dass sie nun die einmalige Chance erhielt, es besser zu machen und für ihre Sünden Buße zu tun.
Der Bogenschütze schien sie zwar noch als gefährlich, aber nicht als Bedrohung einzuschätzen. Vielleicht war dies jedoch ein Fehler seinerseits.
Natasha wusste nicht mehr, wem sie verpflichtet war. Sie hatte ihr Leben für das KGB und den Red Room geopfert. Sie war ihnen immer verpflichtet gewesen. Viele Politiker und andere Gegner des KGB's waren durch ihre Hand gestorben.
Der Red Room hatte sie zu der Person gemacht, die sie nun war... Manchmal erweckte die Gefühlsleere, die sie nach einem Mord verspürte, ihre Abscheu. Sie hasste es, keine Gewissensbisse mehr zu haben, wenn sie jemanden umbrachte. Sie war ein gefährliches Lebewesen, was man besser nicht hätte kreieren sollen.
Es war ihr Schicksal gewesen, vor ein paar Tagen zu sterben. Natasha hätte sich diesem Schicksal mit Freuden gefügt, da sie wusste, dass durch ihren Tod kein weiteres Leid durch ihr professionnelles Handwerk verursacht wurden wäre.
Doch Hawkeye schien ihre Meinung nicht zu teilen. Er wollte ihr ein besseres Leben schenken. Er hatte vor, ihr trotz all ihrer Taten einen Neuanfang zu ermöglichen. Auch wenn er nach wie vor nicht zu wissen schien, weshalb er ihr half, war er bereit, alles für sein Versprechen zu opfern.
Diese Geste erweichte ihr Herz.
Seit Jahren hatte sich niemand mehr für sie eingesetzt. Sie hatte immer für sich allein kämpfen müssen, doch nun gab es jemanden, der versuchte, unter ihrer harten Schale ein verletzliches, menschliches Wesen zu erkennen.
Nach ein paar Minuten, die sich wie eine Ewigkeit anfühlten, öffnete sich die Tür des Büros. Hawkeye lächelte ihr aufmunternd zu und bedeutete ihr, einzutreten.
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