Auf fremden Boden
POV - Raja (12)
Ich wachte allmählich auf, als kaltes Meerwasser rhythmusvoll meine Füße umspülte. Vögel zwitscherten manchmal in der Ferne. Als ich wieder halbwegs bei Sinnen war, hob ich langsam meinen Kopf, den Blick nach vorne gerichtet. Meine Augen waren verklebt, doch nach und nach konnte ich Bäume erkennen, die bald einen riesigen Wald bildeten. Und sofort bemerkte ich, dass dieser Ort nicht Ignuros war. Nicht der vertraute Strand, auf dem ich immer mit Mama und Papa spazieren oder schwimmen gegangen bin. Als ich versichert war, dass niemand fremdes irgendwo am Waldrand stand und mich beobachtete, erhob ich mich behutsam auf meine Beine. Leicht verwirrt schaute ich um mich. >> Wo bin ich?<< fragte ich mich sofort. Plötzlich fiel mir ein zerbrochenes Holzbrett in die Augen. Es steckte zur Hälfte im Sand. Hinter dem Brett lagen weitere Holzteile, als ich mich schließlich ganz umdrehte. Ein gekentertes, zerstörtes Ruderboot lag direkt vor mir. Ein Teil der linken Seite fehlte. Dieser Anblick verwirrte mich noch mehr, als meine Erinnerungen beim weiteren betrachten des Wracks wie ein Pfeil zurück kehrten. Ich sah vor mir meinen Mutter, die mich mit verängstigtem Blick ins Boot legte, dieses kurz darauf auf's Wasser drückte und spurlos verschwand. In meinen Erinnerungen kletterte ich verzweifelt zum Bug und blickte schockiert einem riesigen Inferno entgegen. Breite und hohe Rauchschwaden kletterten den Himmel empor. Die Helligkeit des Feuers reichte jedoch nicht bis zum Strand, so dass ich nach nur wenigen Augenblicken meine Mutter aus den Augen verlor. Ein kalter Luftzug aber warf mich plötzlich aus dem Rückblick hinaus, woraufhin ich sofort Gänsehaut bekam. Ich rieb automatisch meine Hände an meinen beiden Oberarmen warm und wendete mich wieder dem Wald zu. Hier war es viel kälter als in Ignuros... Vielleicht bin ich nur auf einem anderen Strandteil gelandet, doch ich konnte mir nicht vorstellen, dass es an der Küste meiner Heimat solch einen großen Wald gab. Als der Wind nach und nach stärker wurde, entschied ich mich kurzer Hand in den Wald zu gehen. Was anderes blieb mir nicht übrig, und ich hatte zuvor keinerlei Anzeichen auf menschliches Leben gesehen. Wenigstens führte ein schmaler Trampelpfad zwischen den Bäume hindurch in den Wald hinein. Er schlängelte sich zwischen den Tannen hindurch, immer weiter ins Unbekannte. Während ich ging, dachte ich an meine Eltern. Ich dachte auch an die verheerende Nacht zurück, wo ich meiner Mutter das letzte Mal in die Augen geschaut hatte und sie plötzlich verschwunden war. Ich konnte mir zudem auch nicht vorstellen, wer diese Männer waren, die unser Dorf angegriffen hatten. Als ich mehr darüber nach dachte, schlich mir der Furcht einflößende Gedanke in den Kopf, dass meinen Eltern vielleicht etwas zugestoßen ist, oder sie sogar tot waren! Ich blieb ruckartig stehen. Ein kalter Schauer lief mir den Rücken hinunter, als mir das ungewisse Schicksal meiner Eltern bewusst wurde. >>Wenn sie weg sind, dann.... dann bin ich ganz alleine!<< Meine Beine wurden schwach. Ich Begriff erst jetzt, in welcher Lage ich mich gerade befand. Ich bin alleine. Irgendwo im Nirgendwo, in einem Wald. Mein Hals wurde trocken, als sich Tränen in meinen Augen bildeten. >>B- Beruhig dich, Raja... Beruhig dich..<< Trotzdem konnte ich nicht verhindern, dass mir einige Salzperlen die Wange hinunter kullerten. Ich dachte mir aber bald, wenn ich herausfinden könnte, wo ich bin, könnte ich zurück nach Ignuros finden. Also ging ich weiter, immer weiter in den Wald hinein. Und kurz darauf schloss sich der schmale Trampelpfad einem breiten Weg an. Dieser bestand eigentlich nur aus Schlamm, aber das Gefühl, wie der kalte Matsch durch meine Zehen floß, beruhigte mich ein wenig. Der Wald um mich herum war leise. Der starke Wind, der vorher über den Strand gefegt war, hatte sich in eine leichte Prise verwandelt. Während ich vor mich hinflanierte, überlegte ich mir immer noch, wo ich sein könnte. Theoretisch gesehen überall. Ich könnte an den verschiedensten Küsten von Cypros gelandet sein, aber vielleicht auch auf Malatara, unseren Nachbarkontinent. Doch ich wusste es eben nicht. Nach einer Weile stiller Fortbewegung, bekam ich das leichte Gefühl, dass mich etwas verfolgte und beobachtete. Als dieses Warnsignal immer stärker wurde, blieb ich stehen und schaute mich unwohl und misstrauisch um. Doch niemand war dar, aber... irgendwie auch schon. Ich beobachtete mein Umfeld noch wachsamer, als plötzlich eine nasse Flüssigkeit auf meiner Hand aufschlug. Ruckartig schaute ich nach oben, während mein Puls in kürzester Zeit in die Höhe schoss. Ich konnte zuerst nur Blätter erkennen, doch urplötzlich erschien eine Gestalt über mir, die sich irgendwie mit allen Vieren am Geäst fest klammerte. In meinem Kopf flammte nur ein Wort auf: Renn. So drehte ich mich so schnell wie möglich um und sprintete davon. Gleich darauf spürte ich die schweren Schritte des Wesens, das die Verfolgung aufgenommen hatte. Ich lief so schnell und soweit wie mich meine Beine tragen konnten. Schnell kamen wir an dem Pfand vorbei, dort, wo ich hergekommen war. Obwohl ich schon fast außer Puste war, erhöhte ich meine Geschwindigkeit, so gut wie es noch ging. Denn das Biest, das mir schon allmählich in den Nacken schnaubte, holte immer mehr auf. Plötzlich verschwanden die Schritte... und in letzter Sekunde sprang ich zu meiner rechten. Unsanft landete ich im Schlamm, hiefte mich aber hächelnd auf und drehte mich um. Das Monster hatte zum Sprung angesetzt, war jedoch auch auf den Boden gekracht. Nun versuchte es wieder auf zu stehen, jedoch scheiterte es wegen dem rutschigen Matsch einige male. Ich konnte mich währendessen nicht entscheiden, was jetzt zu tun war, als ich aus dem Nichts von hinten gepackt und ins Gebüsch gezogen wurde. Ich wollte schon schreien, doch eine Hand presste sich auf meinen Mund. Verängstigt wehrte und wendete ich mich, um die fremden Hände von mir abzuwenden. ,,Sei leise!'', zischte plötzlich eine junge Jungenstimme stroff. Da hörte ich schon ein lautes knurren hinter dem Busch. Das Wesen hatte es nun scheinbar geschafft, sich zu erheben. Ich konnte den Kopf des Biestes sehen, und als es diesen zu uns drehte, gestand ich unter Todesangst, das dies mein Ende sein wird. Doch da bemerkte ich erst, dass das Monster keinerlei Augen hatte, zudem auch keine Nase. Kiemen saßen am Hals der Kreatur, und die vorher noch Blattgrüne Haut hatte sich gräulich verfärbt. Das einzige weiße waren die geflätschten Zähne, die oberhalb mit Blut vollgeschmiert waren. Es schaute noch einige Augenblicke in unsere Richtung, als es laut stampfenden davon ging. Da löste sich die Hand von meinem Mund und ich drehte mich ruckartig um. Ein Junge, ungefähr in meinem Alter, sah mich mit einem ungewissen Gesichtsausdruck an. Ich erwiderte diesen Blick. Er hatte zwar mein Leben gerettet, aber trotzdem war ich misstrauisch. Mir war auch total unwohl. Es gibt keine Kreaturen solcher Art auf Cypros oder Malatara, also war ich sehr wahrscheinlich auf einer unbekannten Insel gestrandet. Oder gar auf einem anderen Kontinent...
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