6 Können wir reden?
Stiles hatte keine Ahnung, worüber Derek nach all der langen Zeit ausgerechnet mit ihm hätte reden wollen, doch er war sehr gespannt darauf, es herauszufinden.
Höchstwahrscheinlich hatte es mit seinem Job beim FBI zu tun? Das interessierte stets sehr viele Leute, weil sie es sich Dank Hollywood spannender vorstellten, als es in Wirklichkeit war.
Oder Derek dachte möglicherweise darüber nach, seine Autobiografie zu schreiben, wie es erfolgreiche Sportler ja so gern taten, wenn das Ende ihrer Karriere in Sicht kam. Und vielleicht erhoffte er sich von Stiles ein paar schriftstellerische Tipps? Vielleicht wollte er ihn ja sogar darum bitten, sein Ghostwriter zu sein, doch eine solche Bitte müsste Stiles als integrer Autor selbstverständlich zurückweisen. Doch vielleicht könnte er hierfür ja einen Kollegen empfehlen?
Zu erfahren was sein ehemaliger Mitschüler denn nun von ihm wollte, gestaltete sich jedoch gar nicht so leicht.
Zum Ersten kam Derek irgendwie nicht recht auf den Punkt. Er fing vielmehr eine seichte Unterhaltung an, in welcher es um ihrer beider beruflichen Werdegang ging, darum wo sie beide momentan lebten, um Begebenheiten aus ihrer Zeit damals an der Beacon Hills High und sogar um das Allerweltsthema, nämlich das Wetter.
Erschwerend kam hinzu, dass sie sich im Grunde anschreien mussten, weil das Stimmengewirr im Raum und die Musik so unglaublich laut waren.
Ein weiteres Problem, welches ein ungestörtes Gespräch verunmöglichte war die Tatsache, dass immer noch andauernd irgendwelche Deppen angedackelt kamen, um dem Leistungssportler ein High Five zu geben, oder um einen kurzen Plausch über die letzten Spiele, oder die kommende Baseballsaison zu halten. Es war aus Stiles Sicht doch wirklich keine besondere Empathie vonnöten um zu erkennen, dass Derek dies zuwider war und er lediglich professionell freundlich auf seine Fans reagierte. Dieses Feingefühl ging den Bewunderern des Sportstars allerdings vollkommen ab, bis Stiles irgendwann der Kragen platzte und er das tat, was Malia zuvor auch schon erfolgreich unternommen hatte, indem er dem nächsten Typen welcher seinen Senf zur aktuellen Startaufstellung von Dereks Team abgeben wollte anblaffte:
„Sag' mal siehst du nicht, dass sich hier gerade Erwachsene unterhalten, Blödmann? Schieb' ab, du nervst!"
Diese Ansage galt Greenberg, einen von Stiles ehemaligen Teamkameraden beim Lacrosse, welcher nun neben ihnen stand, wie ein begossener Pudel und stammelte: „Öh... uhm... sorry Leute. Ich... verschwinde dann mal." um sich dann fluchtartig zu entfernen.
Als er weg war, erklärte Derek grinsend:
„Also das habe ich immer an dir gemocht, dass du nie ein Blatt vor den Mund genommen hast." Dann wollte er wissen:
„Hast du eventuell Lust, irgendwo anders hin zu gehen? Hier ist ein echtes Gespräch scheinbar nicht wirklich möglich, oder?"
„Liebend gern." erwiderte Stiles: „Ich hasse das alles hier und bin ohnehin nur Scott zuliebe gekommen. Wenn es nach mir gegangen wäre, dann hätte ich den ganzen Quatsch auch dieses Jahr wieder ausfallen lassen."
Da ihre Tischnachbarn gerade alle in Gespräche versunken waren, entfernten sich die beiden Männer ohne Verabschiedung. Stiles stibitzte sich von der Bar noch, unbemerkt vom gestressten Personal, eine frisch geöffnete Magnumflasche Champagner und sie verließen die Halle.
Scheinbar ohne Ziel liefen sie eine Weile durch die dunkle, leeren Gänge, verließen schließlich das Schulgebäude und kamen irgendwann beim, in Dunkelheit gehüllten Lacrossefeld an, wo sie auf der untersten Sitzbank Platz nahmen. Einzig der Vollmond spendete ihnen ein wenig Licht:
„Das weckt Erinnerungen." kommentierte Stiles mit einem versonnen Lächeln: „Die Ersatzbank. Hier habe ich so oft gesessen und vergeblich darauf gehofft, dass der Coach mich endlich auch mal einsetzt:
„Manchmal hast du auch gespielt." gab Derek zurück: „Dann habe ich dahinten gesessen und dich im Stillen angefeuert, Nummer 24." Er deute auf die oberen Ränge hinter ihnen: „Und weißt du noch, wie du das eine Mal die beiden entscheidenden Punkte im Endspiel gemacht hast?"
„Das hast du gesehen?" fragte Stiles verblüfft: „Ich habe nie mitbekommen, dass du je bei einem unserer Spiele gewesen wärst?"
Im Schein des Mondlichts erkannte er ein geheimnisvolles Lächeln im schönen Gesicht seines Gegenübers, doch er sagte nichts dazu, also wechselte Stiles das Thema und fragte:
„Ich hatte das Gefühl, dass du nicht bloß mit mir plaudern wolltest, sondern dass du mich in einer ganz bestimmten Sache sprechen willst. Habe ich das richtig verstanden?"
Das Lächeln verschwand von Dereks Gesicht und er senkte den Kopf, um angestrengt seine eigenen Hände in Augenschein zu nehmen.
Stiles stutzte verwundert, doch er verhielt sich abwartend. Eine Stille entstand zwischen den beiden Männern.
Endlich erwiderte Derek:
„Du hast Recht, ich wollte dir etwas erzählen." Er blickte sich nach allen Seiten um und horchte in die Dunkelheit, um sicherzugehen, dass niemand sonst in der Nähe war, ehe er leise fortfuhr:
„Ich werde erpresst, Stiles."
„Oh?" machte dieser, denn mit solch einer Offenbarung hatte er nun wirklich nicht gerechnet. Nach einer angemessenen Pause fuhr er fort:
„Man erpresst dich? Womit denn? Und... wenn es darum geht, dass ich für das FBI arbeite... also das ist nun wirklich nicht mein Fachgebiet. Dafür ist eher die Polizei zuständig. Hast du mit denen schon gesprochen? Wir könnten mit meinem Dad..."
„Darum geht es nicht!" unterbrach Derek ihn ungeduldig: „Lass' es mich dir erklären."
Wieder wartete Stiles, dass der Andere fortfuhr, wofür dieser allerdings offenbar ein wenig Zeit brauchte. Schließlich erklärte Derek:
„Es geht um eine sehr private Sache. Ich hatte Sex mit jemandem und... nun will diese Person damit an die Presse gehen, wenn ich nicht eine ziemlich große Geldsumme zahle."
„Aha?" machte Stiles erstaunt: „Ist das denn so schlimm? Nach solchen News kräht doch heute kein Hahn mehr und verheiratet bist du auch nicht. Du kannst doch auch einfach alles bestreiten, wenn es dir so unangenehm ist. War es eine Prostituierte? Oder ist sie vielleicht schwanger?" Und nach kurzem Nachdenken setzte er nach: „Sie war doch nicht minderjährig, oder"
Derek hob ruckartig den Kopf und knurrte:
„Für wen hältst du mich denn? Ich bin doch kein Kinderschänder!"
Stiles hob die Hände zu einer beschwichtigenden Geste und versicherte:
„Nein, selbstverständlich nicht. Hätte doch sein können, dass du es gar nicht gewusst hast. Ich versuche nur zu verstehen, warum diese Angelegenheit so furchtbar heikel für dich ist? Du kannst schließlich schlafen, mit wem du willst."
Derek gab einen tiefen Seufzer von sich, ehe er sagte:
„Es war ein anderer Mann, Stiles. Ich bin schwul! Und dieser Mistkerl hat uns heimlich gefilmt."
Stiles klappte die Kinnlade herunter. Er nahm einen tüchtigen Schluck aus der riesigen Champagnerflasche und reichte diese dann an Derek weiter.
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